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Ich muss schreien und habe keinen Mund

von am 2. Juli 2018

Harlan Ellison
ICH MUSS SCHREIEN UND HABE KEINEN MUND
Ü: Diverse
(Best of Collection)
München, Heyne, 2014, 670 Seiten
ISBN 978-3-453-31557-0 / 18,99 Euro

 

Auf dieses Buch mussten die deutschen Science-Fiction-Fans mehr als vierzig Jahre warten! Tatsächlich erschienen die beiden einzigen deutschsprachigen Sammelbände mit Texten von Harlan Ellison in den Jahren 1972 und 1973 – und das war‘s dann.
Jede einzelne der zwanzig Erzählungen, die in dem Kurzgeschichtenband „Ich muss schreien und habe keinen Mund“ enthaltenen ist, macht einem nun diese Fehlstelle in der persönlichen Lektüre-Historie schmerzlich bewusst – und vervielfacht so auf paradoxe Weise sogar noch den Genuss beim Lesen.

Da es sich hier um ein Buch jenes Mannes handelt, der aus seinem Namen ein Markenzeichen (im wahrsten Sinne des Wortes) gemacht hat, eines Schriftstellers, der in seiner Heimat unter anderem auch dafür bekannt ist, dass seine Kurzgeschichtensammlungen manchmal mehr Text in den Vorworten, Einführungen, Anmerkungen und Ergänzungen enthalten als in den Stories, verbietet es sich fast von selbst, einfach nur eine Rezension über diesen in jeder Hinsicht außergewöhnlichen Sammelband zu schreiben.

Dankenswerter Weise konzentrierte man sich bei Heyne darauf, zwanzig Erzählungen aus einem Fundus von mehr als 1700 Texten auszuwählen und diese in exzellenten Übersetzungen (In der Reihenfolge ihres Auftretens: Hannes Riffel, Wulf Bergner, Alfred Scholz, Bernhard Kempen, Eva Malsch, Stefan Bauer, Nils Henning von Hugo, Leni Sobez, Laura Gutmann, Birgit Reß-Bohusch, Bernd W. Holzrichter, Irene Bonhorst, Heiko Langhans und Thomas Tebbe) in ihrer „Reinform“ zu präsentieren. Das erleichterte die Entscheidung, diese Würdigung von Autor und Buch einmal auf eine etwas ausführlichere Art zu versuchen.

Mephisto in Onyx (1993)

Der Comiczeichner und Filmregisseur Frank Miller schrieb über die Empfindungen, die ihn bei dieser Geschichte überkamen: „Harlans Beschreibung eines Gefängnisbesuchs wirkt so unendlich viel eloquenter und wirklicher als die meinige. Das ist eine der Eigenschaften, die Harlan aus dem Rest des Haufens heraushebt. Obwohl er sich dafür der Phantastik bedient, vermitteln seine Stories ein Gefühl von Wahrheit. Das ist nicht nur ein Triumpf der Technik oder das Resultat von reichlich Lebenserfahrung. Es ist seine ungewöhnliche Fähigkeit, das Unterbewusste, das Poetische zu definieren und zu vermitteln, die ein Ereignis als real erscheinen lässt. Etwas, das man weder gesehen noch gehört und es trotzdem erlebt hat. Harlan besitzt die magische Fähigkeit das Unmögliche Wirklichkeit werden zu lassen. „Mephisto in Onyx“ ist eine furchteinflößende Geschichte. Harlan benutzt ein einziges fantastisches Element um uns durch eine entsetzliche Hirnlandschaft zu zerren.

Ich muss schreien und habe keinen Mund (1967)

Die Titelstory des vorliegenden Buches gehört ganz sicher zu den stärksten Arbeiten von Harlan Ellison. Typischer Weise führt die Lektüre zu mehrdeutigen Ergebnissen – sogar beim Künstler selbst: „Ich war gerade aus der Zukunft zurückgekehrt. Wirklich erschöpft. Diese fünf armen Schweine, die in einer Art Dantescher Hölle im Bauch eines Computers lebten; und ein Riesenvogel, der Huergelmir, wie Poul Anderson ihn nannte, der aus der nordischen Mythologie; und all die widerlichen Dinge, die ihnen widerfuhren. Ich war richtig fertig, richtig geschafft, und haute mich hin, um zu schlafen; aber ich konnte nicht. Erstens weil die Geschichte mir nicht aus dem Kopf ging. […] Ich hatte mich in die Zukunft begeben müssen, um sie zu schreiben – wie alle Schriftsteller es müssen, wenn sie Science-fiction-Geschichten über kommende Zeiten schreiben wollen. Und das zweite, was mich nicht in Morpheus’ Arme gelangen ließ, war die Erkenntnis, daß ich ganz plötzlich ein bedeutender Schriftsteller war.

Das Winseln geprügelter Hunde (1973)

Der erste Satz einer Kurzgeschichte ist der wichtigste. Anders als beim Roman, hat der Autor kaum Zeit, einen verkorksten Einstieg später wieder gutzumachen. Harlan Ellison erweist sich auch hier als Meister: „Am Spätabend des Tages, an dem sie die Fensterläden ihrer neuen Wohnung in der East 52nd Street gebeizt hatte, sah Beth, wie eine Frau auf langsame und grässliche Art im Innenhof ihres Wohnblocks erstochen wurde. Sie war eine der sechsundzwanzig Zeugen dieser grauenhaften Szene, und genau wie die anderen unternahm sie nichts, um ihr ein Ende zu bereiten.“

Wer solche Anfänge für seine Geschichten schreibt, kann zwar ein schlechter Mensch, aber kein schlechter Autor sein.

Jeffty ist fünf (1977)

Während der 1970er Jahre erreichte die Begeisterung für Ellisons Werke ihren absoluten Höhepunkt. Das führte dazu, dass er sich bei den Preisen, die das Genre zu vergeben hatte, oftmals selbst Konkurrenz machte. Paradebeispiel dafür ist „Jeffty is Five“, das neben dem Hugo und dem Nebula Award auch noch mit dem LOCUS Award, dem British Fantasy Award und dem Jupiter Award ausgezeichnet wurde – und am World Fantasy Award nur ganz knapp vorbeischrammte. Isaac Asimov kommentierte dies in komischer Verzweiflung so: „Wenn er einmal alle seine Hugos aufeinandertürmen würde, wäre der Haufen größer und schwerer als er selbst. Warum kriegt er alle diese Hugos? Es gibt da eine Menge Erklärungsversuche, unter anderem Mehrfach-Stimmabgabe, Erpressung, Bestechung der Kampfrichter und so weiter. Nun, ja, aber zusätzlich zu alldem ist Harlan auch noch ein begnadeter Schriftsteller. Er ist einer von uns Jungens, die es in der großen weiten Welt draußen zu etwas gebracht haben, und ich bin stolz auf ihn.

Ich suche Kadak (1974)

Habe ich weiter oben tatsächlich geschrieben, dass ich Heyne dankbar dafür bin, dass sie Ellisons Geschichten in ihrer puren, unkommentierten Textform abdrucken? Tja, äh, ganz so „ohne alles“ wäre ja nun auch nicht nötig gewesen. Was soll man denn nun davon halten, wenn man in „Ich muss schreien und habe keinen Mund“ auf Seite 321 einen Asterikus findet, der zu folgendem Hinweis führt: „Ein Glossar jüdischer Worte und ihrer Bedeutung folgt in Ellison’s Grammatischem Führer und Glossar für Goyim. Bitte berufen Sie sich darauf, falls sie farblóndshet sind.“? Jetzt kann ja nicht Jeder in seine amerikanischen Originalausgaben von Harlan Ellisons Büchern gucken, deshalb hier die Auflösung. In dem 1974 erschienenen Band „Approaching Oblivion“ findet man zu Beginn der Story „I’m Looking for Kadak“, ebenfalls nach einem Sternchen den launigen Einschub „A glossary of Yiddish words and their meanings follows on pp. 92-96. Please refer to same if you are farblondjet.“ Und an der bezeichneten Stelle folgt dann auch auf viereinhalb Seiten „Ellison’s Grammatical Guide and Glossary for the Goyim“!
Irgendwie komme ich mir da bei Heyne ganz schön farblondjet* vor.

*„farblondjet (far-blawn’-jet) Lost (but really lost), mixed-up, wandering around with no idea, where you are.“

Die Bestie die im Herzen der Welt ihre Liebe hinausschrie (1968)

Diese Geschichte ist eine von fünf deutschen Erstveröffentlichungen in „Ich muss schreien und habe keinen Mund“. Wie wichtig ein griffiger Titel für eine Story sein kann, sieht man hier ganz besonders.

Der Mann, der Christopher Kolumbus an Land ruderte (1991)

Mit diesem Stück schaffte es Ellison endgültig in die Reihen der „modernen Klassiker“ der amerikanischen Gegenwartsliteratur. Außerdem verwischen sich bereits hier nicht nur die Genre-Grenzen, auch der Übergang von Gegenwart in Zukunft wird fließend.
Die Geschichte, die ich geschrieben habe, um die schwerwiegenden moralischen Rätsel unserer Zeit zu erläutern, war „The Man Who Rowed Christopher Columbus Ashore“ und genau die wurde ausgewählt für „The Best American Short Stories: 1993“. […] Und niemand scheint das verstanden zu haben. Es ist meine überhebliche Meinung, dass in etwa 65% aller Fälle niemand begreift, was zum Teufel ich eigentlich mache, wenn ich schreibe! […] Niemand scheint realisiert zu haben, dass dies einfach meine atheistische Erklärung des Lebens ist! Es gibt keinen Gott; dies ist ein blindwütiges, verficktes Universum, das dir an einem Tag eine Million Dollar schenkt und am anderen dafür Rückenmarkskrebs.

Todesvogel (1973)

Die menschliche Hybris schafft es, die Schlange zu erlösen und Gott zu töten. „Und so wie die Zeit für Männer und Frauen verstreicht, vergeht sie auch für Götter, denn ihre Existenz und Lebensfähigkeit hängt von der Anzahl der an sie glaubenden Männer und Frauen ab. Und wenn die schwachen Menschlein nicht mehr an ihren Altären opfern, sterben die Götter. Nur um durch neuere, relevantere Götter ersetzt zu werden. Beten kannst Du im Tempel Deiner Seele, aber wisse die Namen Derer, die Dein Schicksal bestimmen. Denn, wie es der Gott der Zeit so treffend formuliert, „Es ist später als Du denkst“.

Hilflos Wind und Wellen ausgeliefert vor der Küste der Langerhansschen Inseln: 38° 54‘ Nördlicher Breite, 77° 00‘ 13‘‘ Westlicher Länge (1974)

Niemand würde hier eine Werwolfgeschichte vermuten – und wer von Harlan Ellison „nur“ eine Werwolfgeschichte erwartet, der bekommt die Hirnwäsche gleich gratis dazu. „Die Realität wurde zur Phantasie; die Phantasie wurde zur Realität. Filmfiguren haben mehr Substanz als die höchsten Politiker […]. Und die Suche nach der Seele in einer seelenlosen Welt erfordert ganz spezielles Kartenmaterial.

Croatoan (1975)

Wer sich schon immer gefragt hat, wo eigentlich all die Leute geblieben sind, die loszogen, um Zigaretten zu kaufen und dann nicht mehr wiederkamen, könnte hier eine mögliche Antwort finden. Harlan Ellison „erzählt die Wahrheit in einer Weise, die uns manchmal äußerst wütend macht, […] wie in der klassischen Kurzgeschichte „Croatoan“, wo er das atemberaubende Kunststück bewerkstelligt, gleichzeitig die Recht-auf-Leben-Bewegung und die Anhänger der Frauenemanzipation anzupissen, und bleibt dabei immer unterhaltsam.

(Stephen King)

Das Nachtleben auf Cissalda (1977)

In der Zeit zwischen seinen ersten Erfolgen mit Kurzgeschichten und investigativem Journalismus über das Leben von Street-Gangs in New York und dem Umzug nach Hollywood war Harlan Ellison einig Jahre als Redakteur und Herausgeber für verschiedene Männermagazine tätig. Den Einsichten in diese einzigartige Welt verdanken sich Geschichten wie diese, deren „Moral“ kurz und bündig lautet: Vorsicht bei allzu engem Kontakt mit Aliens – das könnte alles Leben auf der Erde gefährden. Alles, außer Kakerlaken.

Die bessere Welt (1977)

Vielleicht hatte Leibnitz ja doch recht, und wir leben in der besten aller möglichen Welten? „Wenn die Menschen meine Bücher lesen, vor allem die Einleitungen zu meinen Büchern, vermuten sie oft, ich sei eine Reinkarnation von [Ambrose] Bierce: ein böser, streitsüchtiger, andauernd niedergeschlagener oder aufgebrachter Hundesohn, in dessen Leben die Sonne der Liebe niemals einen einzigen ihrer glänzenden Strahlen geworfen hat. Fickt euch, um es mal höflich zu formulieren.

Zähl ich den Glockenschlag der Stunden misst (1978)

Eine Liebesgeschichte von dem Mann, der zehn Jahre zuvor einer Sammlung seiner Stories den Titel „Love Ain’t Nothing But Sex Misspelled“ gab. Sag noch mal Einer, der Mensch lerne nichts hinzu in seinem Leben.

„Bereue, Harlekin!“, sagte der Ticktackmann (1965)

Ich lehne es ab, zweimal die gleiche Story zu schreiben. Ich experimentiere weiter. Ich lerne immer noch, wie meine Arbeit besser zu machen wäre. Ich mache das jetzt über fünfzig Jahre, und jetzt fange ich langsam an zu verstehen, wie man diesen Job gut macht. […] Ich musste das lernen. Meine frühen Sachen sind einfach furchtbar! Jetzt, fünfzig Jahre später, bin ich an dem Punkt angelangt, dass mein Schreiben sehr gut funktioniert. Ich möchte weiter lernen und ich möchte weiter bis an die Grenzen gehen.

Die Stadt am Rande der Welt (1967)

Die Entstehungsgeschichte von „The Prowler in the City at the Edge of the World“ hat Harlan Ellison in der Einleitung zu „Dangerous Visions“ (1967) ausführlich erläutert. Sein Jack-the-Ripper-Wettstreit mit Robert Bloch ist inzwischen legendär. (Nachzulesen bei: H. Ibendorf: „Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen …“; in: phantastisch!, No 49, S. 16 f.)
Deshalb hier eine von Ellisons schönsten Danksagungen: „In äußerster Demut möchte der Autor die Gelegenheit ergreifen und all den kleinen Leuten danken, deren Unterstützung und Förderung seinen Aufstieg an die Spitze erst möglich machte: Lemuel Gulliver, Billy Barty, General Däumling, Barbie & Ken, Dr. Miguelito Loveless, dem Vertreter der Lollipop-Innung, Henri de Toulouse-Lautrec, Scott Carey, dem Incredible Shrinking Man, Tattoo und der ganzen Gang drüben bei Dr. Cyclop’s.

Ein Junge und sein Hund (1969)

Machmal macht er es seinen Feinden schon fast zu leicht: „Am allermeisten drängt es mich, über „A Boy and His Dog“ zu sprechen. […nicht nur ein Nebula-Gewinner, sonder auch ein verflucht guter Film, mit Don Johnson in der Hauptrolle und einem Hund, der den Oscar verdient hätte…] Oh, wow, was für eine Geschichte. Aber mir bleibt jetzt kein Platz mehr dafür. Und, echt jetzt, außerdem habe ich die Lust dazu verloren.

Wächter der verlorenen Stunde (1985)
Das weiche Äffchen (1987)
Warum wir träumen (1988)

In der Einleitung zu „Angry Candy“ (1989) beschreibt Harlan Ellison sehr emotional eine Szene, die sich beim Begräbnis einer kürzlich verstorbenen Freundin abspielte. Er weist darauf hin, dass ihn solche Verluste immer öfter immer wütender werden lassen. Dann folgt eine Liste von fast fünfzig Menschen, überwiegend Künstler, die zwischen 1983 und 1988 gestorben sind und mit denen Ellison befreundet war. Vielleicht erklärt das ein wenig, warum bestimmte Themen bei ihm immer wieder auftauchen.
Die meisten meiner Sammelbände widmen sich, auf die eine oder andere Weise, einem Thema. Einmal geht es um Liebe und die Formen, die sie annimmt, ein anderes Mal um Zensur, Persönlichkeitsrechte und soziale Verantwortung, oder um die neuen Götter des Neonlichts, der Autobahnen und des Geldes. Diese Geschichten handeln vom Tod. Das hatte ich niemals beabsichtigt. Ganz am Ende schrieb ich „The Function of Dream Sleep“, vielleicht nur um eine Klammer für das alles zu haben. Oder weil ich erkannte, wie viel unverarbeiteten, vagabundierenden Schmerz ich erlitten hatte … durch den Tod meiner Freunde.

Zauberhafte Maggie Moneyeyes (1967)

Hier das Ende des Buches. Eine meiner Lieblingsgeschichten. Auch die letzte Einleitung. Komische Sache, diese Einleitungen: Sie begannen als simple Notizen zu den Themen meiner ersten Kollektion. Dann im Verlauf der Jahre wurden sie immer wichtiger, immer mehr Teil dessen, was ich in meinen Erzählungen zu sagen versuchte. Die Reaktion darauf ist gemischt. Es gibt Rezensenten und Kritiker und Fans, die meinen, die Geschichten sollten rausgeworfen werden und die Einleitungen stehenbleiben; vielleicht ein ganzes Buch voller Babbel-Babbel-Babbel. […] Genug, mir macht es Spaß, diese kleinen Verbindungen zwischen Autor und Leser zu schreiben, also gewöhnen Sie sich besser dran! […] Aber manchmal ist der Hintergrund einer Geschichte fast interessanter, als das Garn, das ich daraus gesponnen habe. Nehmen Sie diese Geschichte zum Beispiel. Maggie lebt! Sie ist eine große Blondine in Los Angeles. Ich habe sie nie ins Bett bekommen, obwohl …

Tod, Schmerz, Verlust, Angst, Wut – und nur ganz, ganz vereinzelt so etwas wie Liebe – sind die auf den ersten Blick offensichtlichen Themen in Harlan Ellison Erzählungen. Erst wenn man sich näher mit ihnen befasst – sie mehrmals liest, oder die manchmal doch sehr hilfreichen Anmerkungen des Verfassers dazu nimmt – wird erkennbar, dass all dieses Leiden am Leben vor allem enttäuschte Liebe und Hoffnung ist. Es zeigt die wahre „Größe“ dieses Mannes, dass er trotzdem nie aufgehört hat, seine Mitmenschen zu lieben und auf Besserung zu hoffen.
Dazu noch einmal Ellison selbst: „Dieses Buch wäre nicht das, was es ist, wenn ich nicht täglich meine Tracht Prügel auf dem Pausenhof der Lathrop Grundschule in Painesville, Ohio, abgekriegt hätte. Es wäre ein Buch mit meinen Geschichten darin, aber es wäre nicht dieses Buch und es wäre nicht so ein schmerzliches Buch für mich geworden, wie es nun ist.

Dem ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen. Danke, Harlan, dass Du die Schläge auf Dich genommen hast, und danke auch an den Heyne Verlag, für dieses überaus lesenswerte Buch. Gerne sähen wir den einen oder anderen Folgeband – ein paar Geschichten sind ja noch übrig.

Horst Illmer

von am 2. Juli 2018

Harlan Ellison
ICH MUSS SCHREIEN UND HABE KEINEN MUND
Ü: Diverse
(Best of Collection)
München, Heyne, 2014, 670 Seiten
ISBN 978-3-453-31557-0 / 18,99 Euro

 

Auf dieses Buch mussten die deutschen Science-Fiction-Fans mehr als vierzig Jahre warten! Tatsächlich erschienen die beiden einzigen deutschsprachigen Sammelbände mit Texten von Harlan Ellison in den Jahren 1972 und 1973 – und das war‘s dann.
Jede einzelne der zwanzig Erzählungen, die in dem Kurzgeschichtenband „Ich muss schreien und habe keinen Mund“ enthaltenen ist, macht einem nun diese Fehlstelle in der persönlichen Lektüre-Historie schmerzlich bewusst – und vervielfacht so auf paradoxe Weise sogar noch den Genuss beim Lesen.

Da es sich hier um ein Buch jenes Mannes handelt, der aus seinem Namen ein Markenzeichen (im wahrsten Sinne des Wortes) gemacht hat, eines Schriftstellers, der in seiner Heimat unter anderem auch dafür bekannt ist, dass seine Kurzgeschichtensammlungen manchmal mehr Text in den Vorworten, Einführungen, Anmerkungen und Ergänzungen enthalten als in den Stories, verbietet es sich fast von selbst, einfach nur eine Rezension über diesen in jeder Hinsicht außergewöhnlichen Sammelband zu schreiben.

Dankenswerter Weise konzentrierte man sich bei Heyne darauf, zwanzig Erzählungen aus einem Fundus von mehr als 1700 Texten auszuwählen und diese in exzellenten Übersetzungen (In der Reihenfolge ihres Auftretens: Hannes Riffel, Wulf Bergner, Alfred Scholz, Bernhard Kempen, Eva Malsch, Stefan Bauer, Nils Henning von Hugo, Leni Sobez, Laura Gutmann, Birgit Reß-Bohusch, Bernd W. Holzrichter, Irene Bonhorst, Heiko Langhans und Thomas Tebbe) in ihrer „Reinform“ zu präsentieren. Das erleichterte die Entscheidung, diese Würdigung von Autor und Buch einmal auf eine etwas ausführlichere Art zu versuchen.

Mephisto in Onyx (1993)

Der Comiczeichner und Filmregisseur Frank Miller schrieb über die Empfindungen, die ihn bei dieser Geschichte überkamen: „Harlans Beschreibung eines Gefängnisbesuchs wirkt so unendlich viel eloquenter und wirklicher als die meinige. Das ist eine der Eigenschaften, die Harlan aus dem Rest des Haufens heraushebt. Obwohl er sich dafür der Phantastik bedient, vermitteln seine Stories ein Gefühl von Wahrheit. Das ist nicht nur ein Triumpf der Technik oder das Resultat von reichlich Lebenserfahrung. Es ist seine ungewöhnliche Fähigkeit, das Unterbewusste, das Poetische zu definieren und zu vermitteln, die ein Ereignis als real erscheinen lässt. Etwas, das man weder gesehen noch gehört und es trotzdem erlebt hat. Harlan besitzt die magische Fähigkeit das Unmögliche Wirklichkeit werden zu lassen. „Mephisto in Onyx“ ist eine furchteinflößende Geschichte. Harlan benutzt ein einziges fantastisches Element um uns durch eine entsetzliche Hirnlandschaft zu zerren.

Ich muss schreien und habe keinen Mund (1967)

Die Titelstory des vorliegenden Buches gehört ganz sicher zu den stärksten Arbeiten von Harlan Ellison. Typischer Weise führt die Lektüre zu mehrdeutigen Ergebnissen – sogar beim Künstler selbst: „Ich war gerade aus der Zukunft zurückgekehrt. Wirklich erschöpft. Diese fünf armen Schweine, die in einer Art Dantescher Hölle im Bauch eines Computers lebten; und ein Riesenvogel, der Huergelmir, wie Poul Anderson ihn nannte, der aus der nordischen Mythologie; und all die widerlichen Dinge, die ihnen widerfuhren. Ich war richtig fertig, richtig geschafft, und haute mich hin, um zu schlafen; aber ich konnte nicht. Erstens weil die Geschichte mir nicht aus dem Kopf ging. […] Ich hatte mich in die Zukunft begeben müssen, um sie zu schreiben – wie alle Schriftsteller es müssen, wenn sie Science-fiction-Geschichten über kommende Zeiten schreiben wollen. Und das zweite, was mich nicht in Morpheus’ Arme gelangen ließ, war die Erkenntnis, daß ich ganz plötzlich ein bedeutender Schriftsteller war.

Das Winseln geprügelter Hunde (1973)

Der erste Satz einer Kurzgeschichte ist der wichtigste. Anders als beim Roman, hat der Autor kaum Zeit, einen verkorksten Einstieg später wieder gutzumachen. Harlan Ellison erweist sich auch hier als Meister: „Am Spätabend des Tages, an dem sie die Fensterläden ihrer neuen Wohnung in der East 52nd Street gebeizt hatte, sah Beth, wie eine Frau auf langsame und grässliche Art im Innenhof ihres Wohnblocks erstochen wurde. Sie war eine der sechsundzwanzig Zeugen dieser grauenhaften Szene, und genau wie die anderen unternahm sie nichts, um ihr ein Ende zu bereiten.“

Wer solche Anfänge für seine Geschichten schreibt, kann zwar ein schlechter Mensch, aber kein schlechter Autor sein.

Jeffty ist fünf (1977)

Während der 1970er Jahre erreichte die Begeisterung für Ellisons Werke ihren absoluten Höhepunkt. Das führte dazu, dass er sich bei den Preisen, die das Genre zu vergeben hatte, oftmals selbst Konkurrenz machte. Paradebeispiel dafür ist „Jeffty is Five“, das neben dem Hugo und dem Nebula Award auch noch mit dem LOCUS Award, dem British Fantasy Award und dem Jupiter Award ausgezeichnet wurde – und am World Fantasy Award nur ganz knapp vorbeischrammte. Isaac Asimov kommentierte dies in komischer Verzweiflung so: „Wenn er einmal alle seine Hugos aufeinandertürmen würde, wäre der Haufen größer und schwerer als er selbst. Warum kriegt er alle diese Hugos? Es gibt da eine Menge Erklärungsversuche, unter anderem Mehrfach-Stimmabgabe, Erpressung, Bestechung der Kampfrichter und so weiter. Nun, ja, aber zusätzlich zu alldem ist Harlan auch noch ein begnadeter Schriftsteller. Er ist einer von uns Jungens, die es in der großen weiten Welt draußen zu etwas gebracht haben, und ich bin stolz auf ihn.

Ich suche Kadak (1974)

Habe ich weiter oben tatsächlich geschrieben, dass ich Heyne dankbar dafür bin, dass sie Ellisons Geschichten in ihrer puren, unkommentierten Textform abdrucken? Tja, äh, ganz so „ohne alles“ wäre ja nun auch nicht nötig gewesen. Was soll man denn nun davon halten, wenn man in „Ich muss schreien und habe keinen Mund“ auf Seite 321 einen Asterikus findet, der zu folgendem Hinweis führt: „Ein Glossar jüdischer Worte und ihrer Bedeutung folgt in Ellison’s Grammatischem Führer und Glossar für Goyim. Bitte berufen Sie sich darauf, falls sie farblóndshet sind.“? Jetzt kann ja nicht Jeder in seine amerikanischen Originalausgaben von Harlan Ellisons Büchern gucken, deshalb hier die Auflösung. In dem 1974 erschienenen Band „Approaching Oblivion“ findet man zu Beginn der Story „I’m Looking for Kadak“, ebenfalls nach einem Sternchen den launigen Einschub „A glossary of Yiddish words and their meanings follows on pp. 92-96. Please refer to same if you are farblondjet.“ Und an der bezeichneten Stelle folgt dann auch auf viereinhalb Seiten „Ellison’s Grammatical Guide and Glossary for the Goyim“!
Irgendwie komme ich mir da bei Heyne ganz schön farblondjet* vor.

*„farblondjet (far-blawn’-jet) Lost (but really lost), mixed-up, wandering around with no idea, where you are.“

Die Bestie die im Herzen der Welt ihre Liebe hinausschrie (1968)

Diese Geschichte ist eine von fünf deutschen Erstveröffentlichungen in „Ich muss schreien und habe keinen Mund“. Wie wichtig ein griffiger Titel für eine Story sein kann, sieht man hier ganz besonders.

Der Mann, der Christopher Kolumbus an Land ruderte (1991)

Mit diesem Stück schaffte es Ellison endgültig in die Reihen der „modernen Klassiker“ der amerikanischen Gegenwartsliteratur. Außerdem verwischen sich bereits hier nicht nur die Genre-Grenzen, auch der Übergang von Gegenwart in Zukunft wird fließend.
Die Geschichte, die ich geschrieben habe, um die schwerwiegenden moralischen Rätsel unserer Zeit zu erläutern, war „The Man Who Rowed Christopher Columbus Ashore“ und genau die wurde ausgewählt für „The Best American Short Stories: 1993“. […] Und niemand scheint das verstanden zu haben. Es ist meine überhebliche Meinung, dass in etwa 65% aller Fälle niemand begreift, was zum Teufel ich eigentlich mache, wenn ich schreibe! […] Niemand scheint realisiert zu haben, dass dies einfach meine atheistische Erklärung des Lebens ist! Es gibt keinen Gott; dies ist ein blindwütiges, verficktes Universum, das dir an einem Tag eine Million Dollar schenkt und am anderen dafür Rückenmarkskrebs.

Todesvogel (1973)

Die menschliche Hybris schafft es, die Schlange zu erlösen und Gott zu töten. „Und so wie die Zeit für Männer und Frauen verstreicht, vergeht sie auch für Götter, denn ihre Existenz und Lebensfähigkeit hängt von der Anzahl der an sie glaubenden Männer und Frauen ab. Und wenn die schwachen Menschlein nicht mehr an ihren Altären opfern, sterben die Götter. Nur um durch neuere, relevantere Götter ersetzt zu werden. Beten kannst Du im Tempel Deiner Seele, aber wisse die Namen Derer, die Dein Schicksal bestimmen. Denn, wie es der Gott der Zeit so treffend formuliert, „Es ist später als Du denkst“.

Hilflos Wind und Wellen ausgeliefert vor der Küste der Langerhansschen Inseln: 38° 54‘ Nördlicher Breite, 77° 00‘ 13‘‘ Westlicher Länge (1974)

Niemand würde hier eine Werwolfgeschichte vermuten – und wer von Harlan Ellison „nur“ eine Werwolfgeschichte erwartet, der bekommt die Hirnwäsche gleich gratis dazu. „Die Realität wurde zur Phantasie; die Phantasie wurde zur Realität. Filmfiguren haben mehr Substanz als die höchsten Politiker […]. Und die Suche nach der Seele in einer seelenlosen Welt erfordert ganz spezielles Kartenmaterial.

Croatoan (1975)

Wer sich schon immer gefragt hat, wo eigentlich all die Leute geblieben sind, die loszogen, um Zigaretten zu kaufen und dann nicht mehr wiederkamen, könnte hier eine mögliche Antwort finden. Harlan Ellison „erzählt die Wahrheit in einer Weise, die uns manchmal äußerst wütend macht, […] wie in der klassischen Kurzgeschichte „Croatoan“, wo er das atemberaubende Kunststück bewerkstelligt, gleichzeitig die Recht-auf-Leben-Bewegung und die Anhänger der Frauenemanzipation anzupissen, und bleibt dabei immer unterhaltsam.

(Stephen King)

Das Nachtleben auf Cissalda (1977)

In der Zeit zwischen seinen ersten Erfolgen mit Kurzgeschichten und investigativem Journalismus über das Leben von Street-Gangs in New York und dem Umzug nach Hollywood war Harlan Ellison einig Jahre als Redakteur und Herausgeber für verschiedene Männermagazine tätig. Den Einsichten in diese einzigartige Welt verdanken sich Geschichten wie diese, deren „Moral“ kurz und bündig lautet: Vorsicht bei allzu engem Kontakt mit Aliens – das könnte alles Leben auf der Erde gefährden. Alles, außer Kakerlaken.

Die bessere Welt (1977)

Vielleicht hatte Leibnitz ja doch recht, und wir leben in der besten aller möglichen Welten? „Wenn die Menschen meine Bücher lesen, vor allem die Einleitungen zu meinen Büchern, vermuten sie oft, ich sei eine Reinkarnation von [Ambrose] Bierce: ein böser, streitsüchtiger, andauernd niedergeschlagener oder aufgebrachter Hundesohn, in dessen Leben die Sonne der Liebe niemals einen einzigen ihrer glänzenden Strahlen geworfen hat. Fickt euch, um es mal höflich zu formulieren.

Zähl ich den Glockenschlag der Stunden misst (1978)

Eine Liebesgeschichte von dem Mann, der zehn Jahre zuvor einer Sammlung seiner Stories den Titel „Love Ain’t Nothing But Sex Misspelled“ gab. Sag noch mal Einer, der Mensch lerne nichts hinzu in seinem Leben.

„Bereue, Harlekin!“, sagte der Ticktackmann (1965)

Ich lehne es ab, zweimal die gleiche Story zu schreiben. Ich experimentiere weiter. Ich lerne immer noch, wie meine Arbeit besser zu machen wäre. Ich mache das jetzt über fünfzig Jahre, und jetzt fange ich langsam an zu verstehen, wie man diesen Job gut macht. […] Ich musste das lernen. Meine frühen Sachen sind einfach furchtbar! Jetzt, fünfzig Jahre später, bin ich an dem Punkt angelangt, dass mein Schreiben sehr gut funktioniert. Ich möchte weiter lernen und ich möchte weiter bis an die Grenzen gehen.

Die Stadt am Rande der Welt (1967)

Die Entstehungsgeschichte von „The Prowler in the City at the Edge of the World“ hat Harlan Ellison in der Einleitung zu „Dangerous Visions“ (1967) ausführlich erläutert. Sein Jack-the-Ripper-Wettstreit mit Robert Bloch ist inzwischen legendär. (Nachzulesen bei: H. Ibendorf: „Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen …“; in: phantastisch!, No 49, S. 16 f.)
Deshalb hier eine von Ellisons schönsten Danksagungen: „In äußerster Demut möchte der Autor die Gelegenheit ergreifen und all den kleinen Leuten danken, deren Unterstützung und Förderung seinen Aufstieg an die Spitze erst möglich machte: Lemuel Gulliver, Billy Barty, General Däumling, Barbie & Ken, Dr. Miguelito Loveless, dem Vertreter der Lollipop-Innung, Henri de Toulouse-Lautrec, Scott Carey, dem Incredible Shrinking Man, Tattoo und der ganzen Gang drüben bei Dr. Cyclop’s.

Ein Junge und sein Hund (1969)

Machmal macht er es seinen Feinden schon fast zu leicht: „Am allermeisten drängt es mich, über „A Boy and His Dog“ zu sprechen. […nicht nur ein Nebula-Gewinner, sonder auch ein verflucht guter Film, mit Don Johnson in der Hauptrolle und einem Hund, der den Oscar verdient hätte…] Oh, wow, was für eine Geschichte. Aber mir bleibt jetzt kein Platz mehr dafür. Und, echt jetzt, außerdem habe ich die Lust dazu verloren.

Wächter der verlorenen Stunde (1985)
Das weiche Äffchen (1987)
Warum wir träumen (1988)

In der Einleitung zu „Angry Candy“ (1989) beschreibt Harlan Ellison sehr emotional eine Szene, die sich beim Begräbnis einer kürzlich verstorbenen Freundin abspielte. Er weist darauf hin, dass ihn solche Verluste immer öfter immer wütender werden lassen. Dann folgt eine Liste von fast fünfzig Menschen, überwiegend Künstler, die zwischen 1983 und 1988 gestorben sind und mit denen Ellison befreundet war. Vielleicht erklärt das ein wenig, warum bestimmte Themen bei ihm immer wieder auftauchen.
Die meisten meiner Sammelbände widmen sich, auf die eine oder andere Weise, einem Thema. Einmal geht es um Liebe und die Formen, die sie annimmt, ein anderes Mal um Zensur, Persönlichkeitsrechte und soziale Verantwortung, oder um die neuen Götter des Neonlichts, der Autobahnen und des Geldes. Diese Geschichten handeln vom Tod. Das hatte ich niemals beabsichtigt. Ganz am Ende schrieb ich „The Function of Dream Sleep“, vielleicht nur um eine Klammer für das alles zu haben. Oder weil ich erkannte, wie viel unverarbeiteten, vagabundierenden Schmerz ich erlitten hatte … durch den Tod meiner Freunde.

Zauberhafte Maggie Moneyeyes (1967)

Hier das Ende des Buches. Eine meiner Lieblingsgeschichten. Auch die letzte Einleitung. Komische Sache, diese Einleitungen: Sie begannen als simple Notizen zu den Themen meiner ersten Kollektion. Dann im Verlauf der Jahre wurden sie immer wichtiger, immer mehr Teil dessen, was ich in meinen Erzählungen zu sagen versuchte. Die Reaktion darauf ist gemischt. Es gibt Rezensenten und Kritiker und Fans, die meinen, die Geschichten sollten rausgeworfen werden und die Einleitungen stehenbleiben; vielleicht ein ganzes Buch voller Babbel-Babbel-Babbel. […] Genug, mir macht es Spaß, diese kleinen Verbindungen zwischen Autor und Leser zu schreiben, also gewöhnen Sie sich besser dran! […] Aber manchmal ist der Hintergrund einer Geschichte fast interessanter, als das Garn, das ich daraus gesponnen habe. Nehmen Sie diese Geschichte zum Beispiel. Maggie lebt! Sie ist eine große Blondine in Los Angeles. Ich habe sie nie ins Bett bekommen, obwohl …

Tod, Schmerz, Verlust, Angst, Wut – und nur ganz, ganz vereinzelt so etwas wie Liebe – sind die auf den ersten Blick offensichtlichen Themen in Harlan Ellison Erzählungen. Erst wenn man sich näher mit ihnen befasst – sie mehrmals liest, oder die manchmal doch sehr hilfreichen Anmerkungen des Verfassers dazu nimmt – wird erkennbar, dass all dieses Leiden am Leben vor allem enttäuschte Liebe und Hoffnung ist. Es zeigt die wahre „Größe“ dieses Mannes, dass er trotzdem nie aufgehört hat, seine Mitmenschen zu lieben und auf Besserung zu hoffen.
Dazu noch einmal Ellison selbst: „Dieses Buch wäre nicht das, was es ist, wenn ich nicht täglich meine Tracht Prügel auf dem Pausenhof der Lathrop Grundschule in Painesville, Ohio, abgekriegt hätte. Es wäre ein Buch mit meinen Geschichten darin, aber es wäre nicht dieses Buch und es wäre nicht so ein schmerzliches Buch für mich geworden, wie es nun ist.

Dem ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen. Danke, Harlan, dass Du die Schläge auf Dich genommen hast, und danke auch an den Heyne Verlag, für dieses überaus lesenswerte Buch. Gerne sähen wir den einen oder anderen Folgeband – ein paar Geschichten sind ja noch übrig.

Horst Illmer

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