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Replay

von am 25. Mai 2017

Benjamin Stein
REPLAY. Roman.
München, DTV, 2015, 176 S.
ISBN 978-3-423-14396-7

Ein Mann erwacht nach einer unruhigen Nacht allein in seinem Bett und denkt zurück – nicht nur an die vergangenen Stunden, sondern auch an seine Kindheit und Jugend, seine Studienjahre und die ersten Erfahrungen im Berufsleben. Das ist zuerst einmal nichts Ungewöhnliches, bis zu dem Moment, an dem Pan ins Spiel kommt, und das Silicon Valley, und die Entwicklung von bio-elektrischen Implantaten, die ein Gehirn mit einem Computer vernetzen.
Und schon steckt man mittendrinn in Benjamin Steins Roman REPLAY und in Ed Rosens Gedankenwelt und in einem zukünftigen Amerika, in dem sich viele unserer heutigen Wünsche und Vorstellungen erfüllt haben. Aber zu welchem Preis?
Ed Rosen wird nach seinem Biologie-Studium Leiter einer Forschungsabteilung in Matanas Firma. Gemeinsam entwickeln sie einen funktionsfähigen Biochip, ein Implantat, das Daten aus dem Gehirn nach außen transferiert, wo man sie ansehen und abspeichern kann – und bei Bedarf wieder einzuspeisen vermag.
Rosen stellt sich als erstes Versuchsobjekt zur Verfügung und die Ergebnisse übertreffen alle Erwartungen. Innerhalb kürzester Zeit wird das »UniCom« für die meisten US-Bürger zu einem ebenso unverzichtbaren Teil ihres Lebens wie es heute das Mobiltelefon bzw. das Internet schon sind. Da das an den Schläfen eingepflanzte Gerät gleichzeitig Telefon, Fernseher, Cloud-Computer, Netzkomponente und persönlicher Assistent ist, können dessen Träger auf die Dienste herkömmlicher Anbieter verzichten und sich kostenlos der weltweiten Gemeinschaft der »Neubürger« anschließen.
Allerdings ist es das eigentliche »Alleinstellungsmerkmal« des UniCom – seine Fähigkeit, Erinnerungen an die schönsten, glücklichsten, geilsten Momente im Leben seines Nutzers zu speichern und auf Wunsch erneut (und immer wieder) lebensecht abzuspielen und die dabei empfundenen Glücksgefühle zu reproduzieren –, das aus der United Communications Corporation(UCC) in nur fünfzehn Jahren den größten Konzern der Welt macht. Denn das »driften« genannte Eintauchen in die Welt der eigenen Sexualität hat ein so großes und unmittelbares Suchtpotenzial, dass sich ihm nur sehr Wenige entziehen können.
Einer von ihnen ist der gereifte und »bekehrte« Julian Assange, dessen Forderungen nach mehr Kontrollmöglichkeiten und Mitspracherechten für die Verbraucher sowie seine Warnungen vor den Gefahren eines totalitären Überwachungsstaates zwar noch über die Nachrichtennetzwerke verbreitet werden – allerdings bei den Angesprochenen auf die sprichwörtlich »tauben Ohren« stoßen. Selbst Ed Rosen, der es als Mitinhaber der UCC eigentlich besser wissen müsste, findet keinen Gefallen mehr daran, mittels seiner »Switchbox« das UniCom auszuschalten – oder ist auch dieser »Aus«-Schalter nur eine Illusion?
Benjamin Stein ist mit REPLAY ein glänzend geschriebenes Buch gelungen, das unaufgeregt und kenntnisreich die Möglichkeiten und Gefahren unserer digitalen Zukunft beschreibt und dabei den anti-utopischen Geist George Orwells und die psychologischen Schreckensvorstellungen Guillermo del Torros mit den erotischen Versprechen Anaïs Nins und den exakten Cyberweltentwürfen William Gibsons zusammenführt. Ein Buch zum Genießen – und zur Warnung!

Horst Illmer

von am 25. Mai 2017

Benjamin Stein
REPLAY. Roman.
München, DTV, 2015, 176 S.
ISBN 978-3-423-14396-7

Ein Mann erwacht nach einer unruhigen Nacht allein in seinem Bett und denkt zurück – nicht nur an die vergangenen Stunden, sondern auch an seine Kindheit und Jugend, seine Studienjahre und die ersten Erfahrungen im Berufsleben. Das ist zuerst einmal nichts Ungewöhnliches, bis zu dem Moment, an dem Pan ins Spiel kommt, und das Silicon Valley, und die Entwicklung von bio-elektrischen Implantaten, die ein Gehirn mit einem Computer vernetzen.
Und schon steckt man mittendrinn in Benjamin Steins Roman REPLAY und in Ed Rosens Gedankenwelt und in einem zukünftigen Amerika, in dem sich viele unserer heutigen Wünsche und Vorstellungen erfüllt haben. Aber zu welchem Preis?
Ed Rosen wird nach seinem Biologie-Studium Leiter einer Forschungsabteilung in Matanas Firma. Gemeinsam entwickeln sie einen funktionsfähigen Biochip, ein Implantat, das Daten aus dem Gehirn nach außen transferiert, wo man sie ansehen und abspeichern kann – und bei Bedarf wieder einzuspeisen vermag.
Rosen stellt sich als erstes Versuchsobjekt zur Verfügung und die Ergebnisse übertreffen alle Erwartungen. Innerhalb kürzester Zeit wird das »UniCom« für die meisten US-Bürger zu einem ebenso unverzichtbaren Teil ihres Lebens wie es heute das Mobiltelefon bzw. das Internet schon sind. Da das an den Schläfen eingepflanzte Gerät gleichzeitig Telefon, Fernseher, Cloud-Computer, Netzkomponente und persönlicher Assistent ist, können dessen Träger auf die Dienste herkömmlicher Anbieter verzichten und sich kostenlos der weltweiten Gemeinschaft der »Neubürger« anschließen.
Allerdings ist es das eigentliche »Alleinstellungsmerkmal« des UniCom – seine Fähigkeit, Erinnerungen an die schönsten, glücklichsten, geilsten Momente im Leben seines Nutzers zu speichern und auf Wunsch erneut (und immer wieder) lebensecht abzuspielen und die dabei empfundenen Glücksgefühle zu reproduzieren –, das aus der United Communications Corporation(UCC) in nur fünfzehn Jahren den größten Konzern der Welt macht. Denn das »driften« genannte Eintauchen in die Welt der eigenen Sexualität hat ein so großes und unmittelbares Suchtpotenzial, dass sich ihm nur sehr Wenige entziehen können.
Einer von ihnen ist der gereifte und »bekehrte« Julian Assange, dessen Forderungen nach mehr Kontrollmöglichkeiten und Mitspracherechten für die Verbraucher sowie seine Warnungen vor den Gefahren eines totalitären Überwachungsstaates zwar noch über die Nachrichtennetzwerke verbreitet werden – allerdings bei den Angesprochenen auf die sprichwörtlich »tauben Ohren« stoßen. Selbst Ed Rosen, der es als Mitinhaber der UCC eigentlich besser wissen müsste, findet keinen Gefallen mehr daran, mittels seiner »Switchbox« das UniCom auszuschalten – oder ist auch dieser »Aus«-Schalter nur eine Illusion?
Benjamin Stein ist mit REPLAY ein glänzend geschriebenes Buch gelungen, das unaufgeregt und kenntnisreich die Möglichkeiten und Gefahren unserer digitalen Zukunft beschreibt und dabei den anti-utopischen Geist George Orwells und die psychologischen Schreckensvorstellungen Guillermo del Torros mit den erotischen Versprechen Anaïs Nins und den exakten Cyberweltentwürfen William Gibsons zusammenführt. Ein Buch zum Genießen – und zur Warnung!

Horst Illmer

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