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Vladimir Sorokin – Der Tag des Opritschniks

von am 27. Mai 2014

Opritschnik

Vladimir Sorokin
DER TAG DES OPRITSCHNIKS. Roman.
Aus dem Russischen von Andreas Tretner
(Originaltitel: Den‘ opritschnika / 2006)

Buchausgabe: Köln, Kiepenheuer & Witsch, 2008, 224 S.
ISBN 978-3-462-03923-8 (nicht mehr lieferbar)

Taschenbuch: München, Heyne, 2009, 224 S.
Heyne Hardcore, ISBN 978-3-453-40689-6

Hörbuch: Gelesen von Stefan Kaminski
Lauscherlounge Records, 2009, 6 CDs, Laufzeit: 365 Minuten
Pappbox mit 8-seitigem Booklet
ISBN 978-3-7857-3890-0

Der 1955 in Bykowo bei Moskau geborene Vladimir Sorokin gilt als der bedeutendste zeitgenössische Schriftsteller Russlands. Er wurde bekannt mit Werken wie »Die Schlange«,  »Die Herzen der Vier«, »Der himmelblaue Speck« und »Ljod. Das Eis«. Sorokin, einer der schärfsten Kritiker der politischen Eliten Russlands, hat sein Unbehagen an der politischen Entwicklung bereits 2006 in einem Zukunftsroman beschrieben, der 2008 bei Kiepenheuer & Witsch unter dem Titel DER TAG DES OPRITSCHNIKS veröffentlicht wurde. 2009 folgte die ungekürzte Hörbuchfassung bei Lauscherlounge Records.

Das von Andreas Tretner gekonnt übersetzte Buch schildert einen Tag im Russland des Jahres 2027. Unter einem Diktator hat sich die Weltmacht vom Westen ab und zu China hin gewandt, die Bevölkerung wird von einer Geheimpolizei, den Opritschniki (»Auserwählten«), brutal unterdrückt und selbst hochstehende Kader können sich niemals sicher fühlen, da der »Gossudar« (wie die meisten Alleinherrscher) zwischen Verfolgungswahn und gelegentlichen Anfällen von großzügiger Begnadigung hin und her schwankt. Der im Buch beschriebene »Arbeitstag« eines der »Auserwählten« beginnt dann auch mit einer Hinrichtung am Morgen, gefolgt von einer Brandschatzung, einem Schauprozess und einem Ehebruch, bevor er mit einer drogengeschwängerten Orgie endet – fürwahr ein »schweres Los«.
Sorokin behauptet, dass Russlands gegenwärtiger Zustand »nur noch mit den Mitteln der Satire zu beschreiben« sei und belegt dies mit seinem in tiefschwarzen Pessimismus getauchten Roman.

Der Schauspieler und Sprecher Stefan Kaminski (* 1974) selbst war die treibende Kraft hinter der Hörbuch-Produktion. Er war von Sorokins Buch offenbar sehr angetan. In einem kurzen Statement im Booklet erklärt er warum: Die »Sprache ist rau, lyrisch und verwandelt sich ständig. Man hat das Gefühl zu kauen, wenn man liest. Darum wollte ich es machen. Ich wollte das mal laut lesen, weil ich es wertvoll finde«.
Dementsprechend engagiert gelang dann auch das Hörbuch, das sich aufgrund der Fähigkeit Kaminskis zum »Stimmen-Morphen« anhört wie ein Hörspiel mit dutzenden von Mitspielern. Neben der sonoren, rauen Stimme des Erzählers springt Kaminski bei jeder sich bietenden Gelegenheit in eine neue Rolle. Radiosprecher, verzerrte Stimmen am Telefon, Opernarien, Schmähgedichte, furchtsame Frauenstimmen, die ins Entsetzen umkippen – vom kleinen Kind bis zum alten Greis reicht die Bandbreite dieses Sprachkünstlers.
Nach sechs (Hörbuch-)Stunden sinkt Andrej Danielowitsch, erschöpft von der »Arbeit« des langen Tages und den Orgien der Nacht (voller Rauschgift und Alkohol, die während der Verbrüderungsriten der Opritschnina die Runde machen) ins Bett seiner Residenz – und der (gleichermaßen betroffen und begeistert lauschende) Hörer reibt sich die Arme, um die Gänsehaut, die sich während der letzten Stunden eingestellt hat, wieder zu glätten.

Horst Illmer

von am 27. Mai 2014

Opritschnik

Vladimir Sorokin
DER TAG DES OPRITSCHNIKS. Roman.
Aus dem Russischen von Andreas Tretner
(Originaltitel: Den‘ opritschnika / 2006)

Buchausgabe: Köln, Kiepenheuer & Witsch, 2008, 224 S.
ISBN 978-3-462-03923-8 (nicht mehr lieferbar)

Taschenbuch: München, Heyne, 2009, 224 S.
Heyne Hardcore, ISBN 978-3-453-40689-6

Hörbuch: Gelesen von Stefan Kaminski
Lauscherlounge Records, 2009, 6 CDs, Laufzeit: 365 Minuten
Pappbox mit 8-seitigem Booklet
ISBN 978-3-7857-3890-0

Der 1955 in Bykowo bei Moskau geborene Vladimir Sorokin gilt als der bedeutendste zeitgenössische Schriftsteller Russlands. Er wurde bekannt mit Werken wie »Die Schlange«,  »Die Herzen der Vier«, »Der himmelblaue Speck« und »Ljod. Das Eis«. Sorokin, einer der schärfsten Kritiker der politischen Eliten Russlands, hat sein Unbehagen an der politischen Entwicklung bereits 2006 in einem Zukunftsroman beschrieben, der 2008 bei Kiepenheuer & Witsch unter dem Titel DER TAG DES OPRITSCHNIKS veröffentlicht wurde. 2009 folgte die ungekürzte Hörbuchfassung bei Lauscherlounge Records.

Das von Andreas Tretner gekonnt übersetzte Buch schildert einen Tag im Russland des Jahres 2027. Unter einem Diktator hat sich die Weltmacht vom Westen ab und zu China hin gewandt, die Bevölkerung wird von einer Geheimpolizei, den Opritschniki (»Auserwählten«), brutal unterdrückt und selbst hochstehende Kader können sich niemals sicher fühlen, da der »Gossudar« (wie die meisten Alleinherrscher) zwischen Verfolgungswahn und gelegentlichen Anfällen von großzügiger Begnadigung hin und her schwankt. Der im Buch beschriebene »Arbeitstag« eines der »Auserwählten« beginnt dann auch mit einer Hinrichtung am Morgen, gefolgt von einer Brandschatzung, einem Schauprozess und einem Ehebruch, bevor er mit einer drogengeschwängerten Orgie endet – fürwahr ein »schweres Los«.
Sorokin behauptet, dass Russlands gegenwärtiger Zustand »nur noch mit den Mitteln der Satire zu beschreiben« sei und belegt dies mit seinem in tiefschwarzen Pessimismus getauchten Roman.

Der Schauspieler und Sprecher Stefan Kaminski (* 1974) selbst war die treibende Kraft hinter der Hörbuch-Produktion. Er war von Sorokins Buch offenbar sehr angetan. In einem kurzen Statement im Booklet erklärt er warum: Die »Sprache ist rau, lyrisch und verwandelt sich ständig. Man hat das Gefühl zu kauen, wenn man liest. Darum wollte ich es machen. Ich wollte das mal laut lesen, weil ich es wertvoll finde«.
Dementsprechend engagiert gelang dann auch das Hörbuch, das sich aufgrund der Fähigkeit Kaminskis zum »Stimmen-Morphen« anhört wie ein Hörspiel mit dutzenden von Mitspielern. Neben der sonoren, rauen Stimme des Erzählers springt Kaminski bei jeder sich bietenden Gelegenheit in eine neue Rolle. Radiosprecher, verzerrte Stimmen am Telefon, Opernarien, Schmähgedichte, furchtsame Frauenstimmen, die ins Entsetzen umkippen – vom kleinen Kind bis zum alten Greis reicht die Bandbreite dieses Sprachkünstlers.
Nach sechs (Hörbuch-)Stunden sinkt Andrej Danielowitsch, erschöpft von der »Arbeit« des langen Tages und den Orgien der Nacht (voller Rauschgift und Alkohol, die während der Verbrüderungsriten der Opritschnina die Runde machen) ins Bett seiner Residenz – und der (gleichermaßen betroffen und begeistert lauschende) Hörer reibt sich die Arme, um die Gänsehaut, die sich während der letzten Stunden eingestellt hat, wieder zu glätten.

Horst Illmer

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