Horsts Bibliothek

Wer könnte besser geeignet sein, über Bücher zu schreiben, als Horst Illmer. Autor des Magazins Phantastisch! Weggefährte meines Vaters und Herausgeber einer Bibliographie über phantastische Literatur.

Ein König für Deutschland

von am 28. März 2020 Kommentare deaktiviert für Ein König für Deutschland

Andreas Eschbach
EIN KÖNIG FÜR DEUTSCHLAND. Roman.
Bastei-Lübbe Taschenbücher
Juni 2011 – 491 Seiten – € 9,99
ISBN: 9783404160181

Haben Sie schon irgendwann einmal Erfahrungen mit einer Wahlmaschine (oder, wie es richtig heißen muss, einem „Wahlcomputer“) gemacht? Vermutlich nicht. Aber die Benutzung eines modernen Geld- oder Fahrkartenautomaten, bei dem Sie auf einem Bildschirm eine Auswahl angezeigt bekommen auf welche Sie mit dem Finger drücken müssen, vermittelt ein ziemlich gutes Bild davon, wie eine solche Apparatur funktioniert.
Andreas Eschbach ist ein Kind unserer Zeit, selbst Absolvent eines naturwissenschaftlichen Studiums, Inhaber einer eigenen Internet-Seite und natürlich Benutzer eines Computers, mit dem er seine Bücher schreibt – also sicherlich kein „Maschinenstürmer“.
Umso wirkungsvoller und einprägsamer ist es da, wenn er in seinem Roman EIN KÖNIG FÜR DEUTSCHLAND vor den Gefahren einer blinden Technikgläubigkeit warnt.
Der junge Vincent Merrit, US-Amerikaner mit einem deutschen Vater, ist ein genialer aber leichtgläubiger Programmierer, dessen Fähigkeiten von falschen Freunden ausgenutzt werden, was ihn leider immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt bringt. Nach einer abgesessenen Vorstrafe findet er nur noch bei einer zwielichtigen Softwareschmiede in Florida Arbeit. Dort entdeckt man schnell, welches Juwel man in ihm hat – und so bekommt er eines Tages den Auftrag, ein Programm zu schreiben, mit dem man die in den USA benutzten Wahlmaschinen manipulieren kann. Naiverweise glaubt Vincent den Beteuerungen, dass es sich nur um ein „Testprogramm“ handelt. Die Ereignisse um die Wahl von George W. Bush im Jahr 2000 machen ihn allerdings stutzig, da sie sehr genau dem von ihm entwickelten Szenario folgen.
Im Laufe der nächsten Jahre bekommt die Sache eine ungeahnte Eigendynamik und am Ende wird Vincent gezwungen, seine Fähigkeiten auf die mittlerweile auch in Deutschland eingesetzten Wahlcomputer zu konzentrieren.
Geschickt hat Eschbach bis zu diesem Moment Realität und Fiktion verbunden (inklusive einer ganzen Reihe von Fußnoten, mit denen er die historischen Tatsachen belegt), jetzt beginnt die eigentlich phantastische Handlung – deren innere Logik jedoch von einer solchen Kraft ist, dass man fast verwundert auf die letzten Wahlen zurückschaut und sich fragt, warum man dort die von Eschbach erfundene VWM (das ist die „Volksbewegung zur Wiedereinführung der Monarchie“) nicht auf seinem Stimmzettel vorgefunden hat.
In einem zweiten Handlungsstrang versuchen Simon König (der leibliche Vater von Vincent und ein engagierter Geschichtslehrer dazu) und eine Rollenspieler-Truppe mit der Vincent übers Internet Kontakt hatte, die Manipulation der Computer aufzudecken, indem sie an der Bundestagswahl teilnehmen. Da die erst vier Monate vor der Wahl gegründete VWM praktisch keine Werbung macht und ein eigentlich absurdes Wahlprogramm (Simon König soll König Simon I. von Deutschland werden) verfolgt, wäre sie normalerweise chancenlos. Eine von Vincent in seine Software eingebaute „Falltüre“ sorgt jedoch für ein sensationelles Ergebnis.
Aber wie das mit „ganz einfachen“ Plänen dann so ist, geht alles gründlich (und völlig anders als vermutet) schief – und Simon König steht auf einmal im Dom zu Aachen und wird vom Erzbischof nach uraltem Ritual gefragt: „Schwörst Du, dass Du als König Deine ganze Kraft dem Deutschen Volk widmen wirst, um seinen Nutzen zu mehren und Schaden von ihm zu wenden?“
Andreas Eschbach hat sich in EIN KÖNIG FÜR DEUTSCHLAND mit einem wichtigen politischen Thema beschäftigt, mit dem sich inzwischen sogar das Bundesverfassungsgericht auseinandersetzen musste. Anders als die trockene Politikberichterstattung in den seriösen Medien und die juristisch verklausulierten Gerichtsurteile liest sich sein Roman jedoch spannend und kurzweilig. Die Befürchtung (oder Hoffnung), das Thema habe sich mit der letzten Wahl und dem ablehnenden Urteil des höchsten deutschen Gerichts erledigt, trügt jedoch. Es gehört zu Eschbachs unbestreitbaren Verdiensten, in seinem Buch auf fesselnde und verständliche Weise nicht nur auf die Gefahren aufmerksam gemacht zu haben, die einem demokratischen Gemeinwesen durch die Verwendung einer solchen – grundsätzlich manipulierbaren – Technik drohen, sondern auch das Verständnis für die Abläufe innerhalb unseres Staates zu fördern. Eine faszinierendere Lektion in Gesellschaftskunde hat es wohl selten gegeben.
EIN KÖNIG FÜR DEUTSCHLAND ist ein Buch, dessen Lektüre man eigentlich als Voraussetzung für die Ausübung des aktiven Wahlrechts festschreiben sollte!

Horst Illmer

Andreas Eschbach
EIN KÖNIG FÜR DEUTSCHLAND. Roman.
Bastei-Lübbe Taschenbücher
Juni 2011 – 491 Seiten – € 9,99
ISBN: 9783404160181
Haben Sie schon irgendwann einmal Erfahrungen mit einer Wahlmaschine (oder, wie es richtig heißen muss, einem „Wahlcomputer“) gemacht? Vermutlich nicht. Aber die Benutzung eines modernen Geld- oder Fahrkartenautomaten, bei dem Sie auf einem Bildschirm eine Auswahl angezeigt bekommen auf welche Sie mit dem Finger drücken müssen,

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Der galaktische Topfheiler

von am 25. März 2020 Kommentare deaktiviert für Der galaktische Topfheiler

Philip K. Dick
DER GALAKTISCHE TOPFHEILER. Roman.
Ü: Joachim Pente u. Alexander Martin
(Galactic Pot-Healer / 1969)
Frankfurt, S. Fischer, 2019, 176 S.
ISBN 9783596906970

Die Welt ist eine Metapher, wir wissen nur nicht mehr wofür.
Früher einmal, als wir alle noch Engel waren, wäre es uns vielleicht wieder eingefallen. Aber, meint Philip K. Dick, dann kam die Zeit in der wir nur noch zwischen zwei Übeln wählen konnten und zu Menschen wurden.
Cleveland, Planet Erde, im Jahr 2050: Überbevölkerung, Massenarbeitslosigkeit, allgemeine Verwahrlosung – und ein sozialistisch geprägter Weltstaat, der seine Bürger bis in intimste Lebensbereiche hinein bevormundet. Joe Fernwright geht es da vergleichsweise noch gut. Er hat immerhin einen Job als Topfheiler, auch wenn er seit Monaten vergeblich auf neue Aufträge wartet.
Zwischenzeitlich spielen er und eine Reihe ähnlich gelangweilter Freunde übers Internet Das Spiel. Dabei lassen sie (von Übersetzungscomputern) bekannte Buchtitel in eine möglichst fremde Sprache übersetzen und das Ergebnis dann nochmals zurück ins Englische. Mit dieser intellektuellen Herausforderung schlägt Joe die Zeit tot, bis er eines Tages ein verlockendes Angebot erhält. Allerdings ist die Summe derart hoch, dass sich sofort die Polizei einschaltet. Wie sich herausstellt, steckt der Glimmung, ein mächtiges außerirdisches Wesen, hinter der Sache. Er braucht Joe, beziehungsweise dessen Fähigkeiten, auf seinem Heimatplaneten, um bei einem gigantischen Ausgrabungsprojekt mitzuarbeiten.
Zögernd nimmt Joe den Auftrag an, denn obwohl er nur ein einfacher Handwerker ist, erkennt er instinktiv, dass mit diesem Angebot mehr als nur das Heilen einiger Scherben verbunden ist. Zusammen mit einer bunten Schar von Spezialisten aus der ganzen Galaxis trifft er auf Plowmans Planet ein …
An einer zentralen Stelle des Buches lässt Dick seinen Helden Joe die folgenden Sätze reflektieren: „Wie seltsam, dachte Joe. Ein chitingepanzerter Quasi-Arachnid und ein Zweiklapper mit Pseudopodien sitzen auf dem Planeten Plowman in einem Lastwagen und diskutieren über Goethes FAUST – und ich habe dieses Buch, das noch dazu von meiner Welt stammt, geschrieben von einem menschlichen Wesen, nie gelesen.“
Ergänzt wird diese für einen amerikanischen Science-Fiction-Roman sowieso schon erstaunliche Stelle, durch die Erkenntnis: „Ein Teil des Problems“, sagte der Quasi-Arachnid, „ergibt sich aus der Übersetzung.“
Das Buch beschreibt auf vielfältige Art und Weise die Problematik der Kommunikation mit anderen Lebewesen – mögen diese nun Androiden, Aliens, Götter oder geschiedene Ehefrauen sein. Dick gibt sich niemals der Hoffnung hin, eine Verständigung wäre möglich. Gleichwohl wendet er sich nicht ab, sondern erklärt, dass, trotz des voraussichtlichen Scheiterns, der Versuch immer wieder aufs Neue gemacht werden muss.
Es ist dieser mutige, trotzige Wille, der ungerechten Schöpfung doch einmal ein Schnippchen zu schlagen, der Dicks Figuren so liebenswert und seine Bücher so lesenswert macht. Das gilt für DER GALAKTISCHE TOPFHEILER in ganz besonderem Maße. Dieser Roman ist eine Metapher, die den verschütteten Engel in uns allen berührt.

Horst Illmer

Philip K. Dick
DER GALAKTISCHE TOPFHEILER. Roman.
Ü: Joachim Pente u. Alexander Martin
(Galactic Pot-Healer / 1969)
Frankfurt, S. Fischer, 2019, 176 S.
ISBN 9783596906970
Die Welt ist eine Metapher, wir wissen nur nicht mehr wofür.
Früher einmal, als wir alle noch Engel waren, wäre es uns vielleicht wieder eingefallen. Aber, meint Philip K. Dick, dann kam die Zeit in der wir nur noch zwischen zwei Übeln

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Schöne Neue Welt

von am 24. März 2020 Kommentare deaktiviert für Schöne Neue Welt

Aldous Huxley
SCHÖNE NEUE WELT.
(Brave New World / 1932)
Übersetzung: Uda Strätling
Frankfurt, Fischer Taschenbuch Verlag,
2014 – 368 Seiten – € 11,00
ISBN: 9783596905737

Aldous Huxley zeigt uns in seinem Buch eine wirklich goldene Zukunft, ein echtes Utopia. Und wie nicht anders zu vermuten, ist es furchtbar.
Im siebten Jahrhundert „nach Ford“ gibt es keinerlei Probleme mehr für die Menschheit. Alle sind glücklich und konsumieren vor sich hin. Das Zeitalter der Normierung ist erreicht. Alles, was „anders“ ist, wird ausgerottet, vernichtet oder versteckt. Die Menschen werden im Labor gezeugt, manipuliert, zwischengelagert und geboren. Auf ihrem weiteren Lebensweg werden sie ununterbrochen mit Parolen manipuliert, die sie zu immer willfährigen Konsumenten und Staatsbürgern erziehen.
Nur in einigen wenigen Reservaten gibt es unzivilisierte Wilde; Überlebende einer Zeit, als der Mensch noch „natürlich“ (also unglücklich) lebte. Diese wenigen Individuen dienen als Abschreckung und zu Forschungszwecken.
Über allem thront die Weltaufsichtsbehörde, die „Fehler“ in ihrem Programm erkennt und ausmerzt. So werden beispielsweise kontinuierlich alle Forschungsarbeiten unterdrückt, die neue Entwicklungen aufzeigen oder technischen Fortschritt fördern würden. Denn in einem Idealstaat, bedeutet Fortschritt Änderung, und Änderung würde bedeuten, dass noch kein idealer Zustand herrscht. Für die Forscher selbst bedeutet dies normalerweise, dass man sie auf eine einsame Insel abschiebt und totschweigt.
Der oberste Weltaufsichtsrat ist sich seiner Sache so sicher, dass er einmal jedoch ein Experiment zulässt: Ein echter „Wilder“ wird aus einem Reservat in die „schöne, neue Welt“ gebracht. Nach einigen turbulenten Szenen, nachdem er kurzzeitig die Sensation des Jahres war, siegen Normung und Massenträgheit – die Welt kehrt zum Alltag zurück.
Von allen literarischen Dystopien ist BRAVE NEW WORLD wohl die, welche sich am intensivsten und wissenschaftlich fundiertesten mit der Zukunft von Biologie, Psychologie und Sexualität beschäftigt. Der familiäre und gesellschaftliche Hintergrund Huxleys schufen dafür optimale Voraussetzungen, sein persönlicher Mut und sein kraftvolles schriftstellerisches Talent kamen ergänzend hinzu, und so liegt hier ein Buch vor uns, dessen Prämissen vielfach schon Bestandteil unserer heutigen Kultur geworden sind.

Horst Illmer

Aldous Huxley
SCHÖNE NEUE WELT.
(Brave New World / 1932)
Übersetzung: Uda Strätling
Frankfurt, Fischer Taschenbuch Verlag,
2014 – 368 Seiten – € 11,00
ISBN: 9783596905737
Aldous Huxley zeigt uns in seinem Buch eine wirklich goldene Zukunft, ein echtes Utopia. Und wie nicht anders zu vermuten, ist es furchtbar.
Im siebten Jahrhundert „nach Ford“ gibt es keinerlei Probleme mehr für die Menschheit. Alle sind glücklich und konsumieren vor

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Micro Science Fiction

von am 23. März 2020 Kommentare deaktiviert für Micro Science Fiction

O. Westin
MICRO SCIENCE FICTION
Aus dem Englischen von Birthe Mühlhoff
(Micro SFF)
Berlin, mikrotext, 2019, 189 Seiten
ISBN 978-3-944543-80-2, kartoniert

Relativ unscheinbar, fast im Reclam-Heft-Gewand, kommt MICRO SIENCE FICTION von O. Westin daher. Auf nicht einmal 200 Seiten sind darin fast 400 Science-Fiction-Geschichten zu lesen – da schüttelt man doch erst mal ungläubig den Kopf.
Aber die von einem englischen IT-Spezialisten geschriebenen und von Birthe Mühlhoff passgenau übersetzten Kürzest-Stories erscheinen bereits seit 2013 und sind gezielt für das Twitter-Format „konstruiert“, was nicht bedeutet, dass dabei nicht was richtig Tolles herausgekommen ist.
Da steht zum Beispiel mit dem Datum „20/09/2016 17:09:37“ auf Seite 130 folgende Geschichte:
„Der wandernde Mönch segnete jedes Kind mit einem Stich, um es vor Krankheiten zu bewahren.
Ein Zeitreisender, der Impfungen verteilte, bevor sich der Aberglaube durchsetzte.“

Oho! Da lässt sich sehr viel Gegenwartsbezug entdecken, schwarzer Humor und reinrassige Hard-SF. Ein echtes „Klo-Buch“, langsam und sorgfältig zu lesen und mit viel „darüber-sollte-ich-mal-nachdenken“-Potenzial.

Horst Illmer

PS
(Eigentlich sind es exakt 365 Geschichten, also eine für jeden Tag im Jahr, außer 2020, da ist das Jahr zu lang – daraus könnte man jetzt fast ein richtiges SF-Drama machen.)
hi

O. Westin
MICRO SCIENCE FICTION
Aus dem Englischen von Birthe Mühlhoff
(Micro SFF)
Berlin, mikrotext, 2019, 189 Seiten
ISBN 978-3-944543-80-2, kartoniert
Relativ unscheinbar, fast im Reclam-Heft-Gewand, kommt MICRO SIENCE FICTION von O. Westin daher. Auf nicht einmal 200 Seiten sind darin fast 400 Science-Fiction-Geschichten zu lesen – da schüttelt man doch erst mal ungläubig den Kopf.
Aber die von einem englischen IT-Spezialisten geschriebenen und von Birthe Mühlhoff

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Fuchs 8

von am 31. Januar 2020 1 Kommentar

George Saunders
FUCHS 8.
Aus dem amerikanischen Englisch von Frank Heibert
Mit Illustrationen von Chelsea Cardinal
(FUCHS 8 / 2018)
Darmstadt, Luchterhand, 2019, unpaginiert
ISBN 978-3-630-87620-7

Das ist schon sehr, sehr clever: Nach dem riesigen, weltweiten Erfolg, den George Saunders 2017 mit seinem ersten Roman, dem anrührenden Totengespräch LINCOLN IM BARDO, hatte, durfte man sehr gespannt sein, was er als nächstes schreiben würde. Da Saunders offenbar ein kluger Kopf ist – und schreiben kann, wie derzeit kaum ein zweiter amerikanischer Autor –, hat er einen relativ kurzen Text verfasst (in der deutschen Übersetzung von Frank Heibert, inklusive der Illustrationen von Chelsea Cardinal, nicht mal 50 Seiten): die Tierfabel FUCHS 8.
Damit unterläuft er nicht nur alle an ihn gestellten Erwartungen, sondern zeigt erneut, dass seine größte Begabung nach wie vor die kurze Form ist. Nicht umsonst wird er seit zwanzig Jahren zu den besten Story-Autoren der Gegenwart gezählt.
Auch FUCHS 8 ist ein literarisches Juwel. Die vom kleinen Fuchs in Lautschrift erzählte Geschichte seines Lebens, wie er die Menschensprache erlernte, dadurch Liebe und Vertrauen in unsere Gattung entwickelte, von uns zutiefst enttäuscht wurde und trotzdem nicht verzagt – das ist Literatur auf Weltniveau.
Und weil ja irgendwie jede Zeit die Bücher hat, die sie verdient (oder braucht), kann man wohl sagen, dass FUCHS 8 so was wie DER KLEINE PRINZ fürs 21. Jahrhundert ist.
Eine beeindruckende Lektüre und ein wundervolles Geschenk für liebe Menschen (trotzdem!).

Horst Illmer

George Saunders
FUCHS 8.
Aus dem amerikanischen Englisch von Frank Heibert
Mit Illustrationen von Chelsea Cardinal
(FUCHS 8 / 2018)
Darmstadt, Luchterhand, 2019, unpaginiert
ISBN 978-3-630-87620-7
Das ist schon sehr, sehr clever: Nach dem riesigen, weltweiten Erfolg, den George Saunders 2017 mit seinem ersten Roman, dem anrührenden Totengespräch LINCOLN IM BARDO, hatte, durfte man sehr gespannt sein, was er als nächstes schreiben würde. Da Saunders offenbar ein

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Das Ewigkeitsprojekt

von am 18. November 2019 Kommentare deaktiviert für Das Ewigkeitsprojekt

Caroline Hofstätter
DAS EWIGKEITSPROJEKT.
Stolberg, Atlantis, 2019, 167 S.
ISBN 978-3-86402-676-8

Rechtzeitig zu Halloween erschienen diverse Neuauflagen von Bram Stokers DRACULA, einem Buch, das wie kein zweites die „Gespenster“ der Vergangenheit wiederaufleben lässt und Gänsehaut bei seinen LeserInnen erzeugt.
Um die neuen „Gespenster“ des dritten Jahrtausends dreht sich Caroline Hofstätters Roman DAS EWIGKEITSPROJEKT, der soeben im Atlantis Verlag erschienen ist.
Als die Wissenschaftlerin Sarah Berger an einem friedlichen Frühlingsmorgen erwacht und das Bett neben ihr leer ist, befällt sie zuerst nur ein leises Unbehagen. So richtig unheimlich wird es allerdings, als sie auf dem Weg zur Arbeit entdeckt, dass sie offenbar allein in einer sehr still gewordenen Welt lebt …
Mit dieser Exposition beginnt Hofstätters Erstling, in dem es um Virtuelle Realitäten, echte Seuchen, klassische Beziehungsprobleme und die Abenteuer einer sehr starken Frauenfigur geht. Das Buch liest sich flüssig, der Stil wirkt leicht unterkühlt, die Handlung verläuft ohne überflüssige Schlenker, sodass nach 166 Seiten ein spannender Science-Fiction-Roman ein sauber kalkuliertes Ende findet.
Die Wiener Autorin, Jahrgang 1975, beweist mit DAS EWIG­KEITSPROJEKT, dass sie schon jetzt mehr ist als nur das „Riesentalent“, als das sie nach ihren ersten Kurzgeschichten bezeichnet wurde.

Horst Illmer

Caroline Hofstätter
DAS EWIGKEITSPROJEKT.
Stolberg, Atlantis, 2019, 167 S.
ISBN 978-3-86402-676-8
Rechtzeitig zu Halloween erschienen diverse Neuauflagen von Bram Stokers DRACULA, einem Buch, das wie kein zweites die „Gespenster“ der Vergangenheit wiederaufleben lässt und Gänsehaut bei seinen LeserInnen erzeugt.
Um die neuen „Gespenster“ des dritten Jahrtausends dreht sich Caroline Hofstätters Roman DAS EWIGKEITSPROJEKT, der soeben im Atlantis Verlag erschienen ist.
Als die Wissenschaftlerin Sarah Berger an

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Metro – Die Trilogie

von am 15. November 2019 Kommentare deaktiviert für Metro – Die Trilogie

Dmitry Glukhovsky
METRO – DIE TRILOGIE
Übersetzt von David Drevs, Karte von Andreas Hancock
(Metro 2033 & Metro 2034 & Metro 2035 / 2007 & 2009 & 2015)
München, Heyne, 2019, 1613 Seiten
ISBN 978-3-453-32062-8
Hardcover

Anno 2033, etwa zwanzig Jahre nach einem vernichtenden Atomkrieg, haben sich die letzten überlebenden Menschen in den unterirdischen Stationen der Moskauer Metro mehr schlecht als recht eingerichtet. Zersplittert in eine Vielzahl von kleinen Gruppen und Gemeinden, leben sie ohne Elektrizität überwiegend in Düsternis, betrachten ihren jeweiligen U-Bahnhof als „Heimat“ und fürchten sich vor fast allem: ihren Nachbarn, den Mutanten, den Ratten – und am Meisten vor den Schrecken der Oberfläche. Nur die „Stalker“ genannten Abenteurer wagen sich hin und wieder hinauf.
Der zu Beginn der Geschichte neunzehnjährige Artjom, der an einer der Außenstationen des Metro-Netzes aufwächst, entwickelt sich im Verlauf der drei Romane aufgrund seines Strebens nach Informationen – und seines russischen Dickkopfes – zu einem dieser Stalker (und darüber hinaus) und erlebt dabei viele spannende und außergewöhnliche Abenteuer.

Als Dmitry Glukhovsky 2007 seinen Erstlingsroman METRO 2033 veröffentlichte, ahnte er vermutlich nicht, welchen Hype er damit startete. Neben mehreren Computerspielen erschienen auch gut zwei Dutzend Romane anderer Autoren (überwiegend aus Russland, aber auch aus England und Italien), die in dieser „shared world“ angesiedelt sind, bzw. diese um weitere Handlungsorte erweitern (und teilweise auch bei Heyne vorliegen).
Glukhovsky selbst kehrte mit METRO 2034 (2009) und METRO 2035 (2015) noch zweimal in die Welt der Moskauer U-Bahn zurück.
Gemeinsam mit zwei Kurzgeschichten sind die drei Romane jetzt bei Heyne unter dem Titel METRO – DIE TRILOGIE als überformatiges Hardcover neu aufgelegt worden. Es ist ein gewichtiger „Ziegelstein“ geworden, mit mehr als 1600 Dünndruckseiten, einem Lesebändchen und Vorsätzen auf denen das Metro-Netz inklusive Legende in Farbe abgedruckt ist – und mit dem man sicherlich auch sehr gut Atombunker oder U-Bahn-Stationen bauen kann.

Horst Illmer

Dmitry Glukhovsky
METRO – DIE TRILOGIE
Übersetzt von David Drevs, Karte von Andreas Hancock
(Metro 2033 & Metro 2034 & Metro 2035 / 2007 & 2009 & 2015)
München, Heyne, 2019, 1613 Seiten
ISBN 978-3-453-32062-8
Hardcover
Anno 2033, etwa zwanzig Jahre nach einem vernichtenden Atomkrieg, haben sich die letzten überlebenden Menschen in den unterirdischen Stationen der Moskauer Metro mehr schlecht als recht eingerichtet. Zersplittert in eine Vielzahl

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Unendlicher Spass

von am 10. November 2019 Kommentare deaktiviert für Unendlicher Spass

David Foster Wallace
UNENDLICHER SPASS. Roman.
Übersetzt von Ulrich Blumenbach
(Infinite Jest / 1996)
Reinbek, Rowohlt, 2012, 1552 Seiten
ISBN-13: 978-3-499-24957-0 / 18,00 Euro

UNENDLICHER SPASS – UNENDLICHES SPIEL.
Ungekürzte Lesung von Ulrich Blumenbach u.v.a.
Regie: Andreas Ammer, Andreas Gerth und Acid Pauli
Hörverlag, 2018, 10 mp3-CDs, 80 Stunden
ISBN 978-3-8445-2707-0 / 49,90 Euro

David Foster Wallace hat mit INFINITE JEST / UNENDLICHER SPASS eines jener Jahrhundertbücher abgeliefert, das wie James Joyce‘ ULYSSES, Marcel Prousts AUF DER SUCHE NACH DER VERLORENEN ZEIT oder Arno Schmidts ZETTEL’S TRAUM zuallererst einmal den Kritiker, den Literatur-Kenner, den Rätsel-Liebhaber, den Zitatensammler, den Literaturwissenschaftler anspricht.
Solche Bücher werden immer reich an Ruhm und arm an Lesern sein und bleiben. Wer sich aber einmal in den Sog der labyrinthischen Handlung, in die Tiefen der Sprachbehandlung und stilistischen Kapriolen gestürzt hat, wird darin – trotz aller Gefahren und Unbequemlichkeiten, die ein solch Poe’scher „Mahlstrom“ mit sich bringt – gerne und immer wieder seine Zeit verbringen wollen.

Als 2009 endlich die deutsche Ausgabe von Wallace’ Jahrhundertbuch, übersetzt von Ulrich Blumenbach, unter dem Titel UNENDLICHER SPASS in die Buchhandlungen kam, war vor allem das Feuilleton begeistert – und die Leser ob der mehr als 1500 Seiten erst einmal geschockt.
Wer sich bisher nicht an diesen als äußerst schwierig zu lesenden und verwirrend konstruierten Roman herantraute, kann ihn sich jetzt vorlesen lassen. In einer Co-Produktion von WDR, BR2 und DLF inszenierten Andreas Ammer, Andreas Gerth und Acid Pauli das „größte Radiokunstprojekt aller Zeiten“: UNENDLICHER SPASS – UNENDLICHES SPIEL, die vollständige Lesung mit über 1400 Sprechern (jeder genau eine Seite, nur Ulrich Blumenbach liest alle 388 Anmerkungen selbst) und einer Gesamtlaufzeit von etwa 80 Stunden. Untermalt wird dieses ebenso spannende wie spektakuläre Experiment von der autonom generierten Musik eines analogen Synthesizers, der sogenannten „Goldenen Maschine“. Ausführliche Erklärungen zum Projekt lassen sich im 60 Seiten starken Booklet nachlesen.

Ob selbst lesen oder sich vorlesen lassen: auf jeden Fall ganz sicher ein einzigartiges Erlebnis!

Horst Illmer

David Foster Wallace
UNENDLICHER SPASS. Roman.
Übersetzt von Ulrich Blumenbach
(Infinite Jest / 1996)
Reinbek, Rowohlt, 2012, 1552 Seiten
ISBN-13: 978-3-499-24957-0 / 18,00 Euro
UNENDLICHER SPASS – UNENDLICHES SPIEL.
Ungekürzte Lesung von Ulrich Blumenbach u.v.a.
Regie: Andreas Ammer, Andreas Gerth und Acid Pauli
Hörverlag, 2018, 10 mp3-CDs, 80 Stunden
ISBN 978-3-8445-2707-0 / 49,90 Euro
David Foster Wallace hat mit INFINITE JEST / UNENDLICHER SPASS eines jener Jahrhundertbücher abgeliefert, das wie James

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Niegeschichte

von am 7. November 2019 Kommentare deaktiviert für Niegeschichte

Dietmar Dath
NIEGESCHICHTE.
Science Fiction als Kunst- und Denkmaschine.
Berlin, Matthes & Seitz, 2019, 941 Seiten
ISBN 978-3-95757-785-6

Der offensichtlichste Unterschied zwischen Denis Schecks KANON und Dietmar Daths NIEGESCHICHTE ist die Anzahl und Farbe der Lesebändchen. Besitzt Daths Buch ein funktionales und ideengeschichtlich und produktionstechnisch geradezu „klassisch“ zu nennendes, einzelnes, schwarzgefärbtes Lesebändchen, so zeigt „der Scheck“ schon beim ersten Öffnen des Werks Farbe, nein Farben! Rot und gelb flattern lustig gleich zwei Stofffähnlein im Wind der Freiheit.
Das nächst Auffällige ist der schiere Umfang: Braucht Scheck für seine 100 Lieblingsbücher 470 Seiten (ein „nur“ will man hier nicht unbedingt anfügen), so täuscht „der Dath“ seine präsumtiven Rezipienten mit den knapp über 940 bedruckten Seiten, denn die Textmenge pro NIEGESCHICHTE-Seite ist um den Faktor 1,5 mal höher als die KANON-Normseite, was dann auf tatsächlich zu lesende 1.500 Seiten Umfang hinausläuft.
Ebenso ins Auge stechen die unterschiedlichen Einband-Gestaltungen (ein fröhlicher Scheck von Torben Kuhlmann bzw. „Cities in Flight“ von Chris Foss für Dath) und die (in NIEGESCHICHTE gar nicht vorhandenen) Illustrationen zur Auflockerung.
Es gibt aber auch Gemeinsamkeiten: Beiden Büchern ist ein Register-Anhang zu Eigen, der bei der Erschließung des Inhalts (der Inhalte?) dankbare Nutzer finden wird.
Außerdem wird in beiden Büchern viel über Science Fiction gesprochen (bzw. geschrieben).
Das gehört dann aber auch schon wieder zu den Dingen, die den Unterschied ausmachen: Die Art und Weise wie beide Autoren an diese Literatur herangehen ist diametral gegensätzlich (obwohl sie es gar nicht sein müsste). Schecks flockig-lockerer Umgang mit Literatur (und ihren Kritikern) ist so völlig anders als Daths theorie- und fremdwortlastiges Schreiben, dass man kaum glaubt, beide fänden je einen gemeinsamen Nenner. (Hört man Dietmar Dath dann allerdings, z. B. im Deutschlandfunk, über sein Lieblingsthema reden, klingt alles verständlich und klar nachvollziehbar – jetzt muss er nur noch lernen, so zu schreiben.)
NIEGESCHICHTE ist einer der engagiertesten, niveauvollsten, herausforderndsten Egotrips in die Welt der Science Fiction, den die deutsche Sekundärliteratur bisher hervorgebracht hat; erratisch wie der Monolith in 2001 – ODYSSEE IM WELTRAUM.
Über dieses Monumentalwerk muss sich jeder Leser eine eigene Meinung bilden.

Horst Illmer

Dietmar Dath
NIEGESCHICHTE.
Science Fiction als Kunst- und Denkmaschine.
Berlin, Matthes & Seitz, 2019, 941 Seiten
ISBN 978-3-95757-785-6
Der offensichtlichste Unterschied zwischen Denis Schecks KANON und Dietmar Daths NIEGESCHICHTE ist die Anzahl und Farbe der Lesebändchen. Besitzt Daths Buch ein funktionales und ideengeschichtlich und produktionstechnisch geradezu „klassisch“ zu nennendes, einzelnes, schwarzgefärbtes Lesebändchen, so zeigt „der Scheck“ schon beim ersten Öffnen des Werks Farbe, nein

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Schecks Kanon

von am 26. Oktober 2019 Kommentare deaktiviert für Schecks Kanon

Denis Scheck
SCHECKS KANON.
Die 100 wichtigsten Werke der Weltliteratur von KRIEG UND FRIEDEN bis TIM UND STRUPPI.
Illustriert von Torben Kuhlmann
München, Piper, 2019, 470 Seiten / Hardcover
ISBN 978-3-492-05934-3

Es gab ja schon einige Versuche, die Vielfalt literarischer Erzeugnisse der letzten paar Jahrtausende in einem Kanon zu bündeln – und je höher der Anspruch des Kanon-Erstellers, desto weniger Science Fiction, Fantasy, Phantastik war enthalten.
Die Erwartungshaltung an SCHECKS KANON, dem soeben erschienen Credo des beliebten TV-Buchkritikers Denis Scheck, ist naturgemäß eine andere. Keiner aus der deutschen Kritikerzunft hat mehr und öfter über literarische Phantastik, über Fantasy und Science Fiction geschrieben und gesprochen als Scheck, keiner kann wie er auf ein reichhaltiges Portfolio eigener Übersetzungen solcher Literatur verweisen und keiner ist mit mehr Genre-Autoren befreundet, als der sympathisch schwäbelnde Liebhaber guter Bücher.
Und jetzt also die „100 wichtigsten Werke der Weltliteratur“, die laut Untertitel von KRIEG UND FRIEDEN bis zu TIM UND STRUPPI reichen sollen (und von Torben Kuhlmann liebevoll illustriert sind).
Ein erster Schnelldurchgang bestätigt die Hoffnungen: J. R. R. Tolkien, Ursula K. Le Guin und James Tiptree jr. stechen sofort ins Auge, Mary Shelley und Edgar Allan Poe könnten sogar von Marcel Reich-Ranicki ohne Widerspruch hingenommen worden sein und auf Jorge Luis Borges können sich vermutlich alle einigen.
Also nochmals durchs Inhaltsverzeichnis, diesmal mit etwas mehr Geduld: Der D.O.N.A.L.D.ist Scheck hat natürlich eine Entenhausener Duck-Tale von Carl Barks hineingeschmuggelt, wie versprochen Hergés TIM UND STRUPPI untergebracht und die PEANUTS von Charles M. Schulz nicht vergessen. Seine persönlichen Lieblinge Arno Schmidt, David Foster Wallace, Thomas Pynchon, Margaret Atwood und Kurt Vonnegut jr. sind jeweils mit utopisch-phantastischen Werken vertreten.
Die gerne vergessene Kinder- und Jugendliteratur reicht von den Märchen der Brüder Grimm und TAUSENDUNDEINE NACHT über Selma Lagerlöf und Astrid Lindgren bis zu Lewis Carroll, Robert Louis Stevenson, Jules Verne und Joanne K. Rowling.
Dazu gibt es noch ein paar echte phantastische Geheimtipps wie Michel Houellebecq oder Ngugi wa Thiong’o zu entdecken.
Da SCHECKS KANON aber gerade kein Spezial-Kanon für Science Fiction sein will, sondern an das allgemeine Lesepublikum gerichtet ist, sind auch die „üblichen Verdächtigen“ vorhanden bzw. in der gut begründeten Überzahl: Shakespeare, Goethe, Voltaire, Dickinson, Tolstoi, Sappho, Dostojewski, Ovid, Hemingway, Kafka, Joyce, Beckett, Cervantes, Homer – und wie sie alle heißen. Denn nur weil jemand Humor besitzt, heißt das ja nicht, dass er jeder Ernsthaftigkeit entbehrt.
SCHECKS KANON besticht durch eine überraschende und in jedem einzelnen Fall ausführlich dargelegte Sicht auf „die Weltliteratur“ in ihrer für die meisten unübersichtlichen Größe, Masse und Verschiedenheit. Es tut gut, dass auch ein Comic hier auftauchen darf, ein Krimi oder ein Ritterroman. Abenteuer, Spannung und Gefühl sind für Scheck ebenso wichtige Kriterien wie Stilsicherheit, Sprachbeherrschung und Experimentierfreude.
Und kaum ein Kollege oder eine Kollegin versteht es, die echte, ungetrübte Freude an einem guten Buch so überzeugend zu vermitteln wie Denis Scheck.
Kein Kanon für die Ewigkeit, aber ein Buch, dem man unendlich viele Anregungen entnehmen kann.

Horst Illmer

Denis Scheck
SCHECKS KANON.
Die 100 wichtigsten Werke der Weltliteratur von KRIEG UND FRIEDEN bis TIM UND STRUPPI.
Illustriert von Torben Kuhlmann
München, Piper, 2019, 470 Seiten / Hardcover
ISBN 978-3-492-05934-3
Es gab ja schon einige Versuche, die Vielfalt literarischer Erzeugnisse der letzten paar Jahrtausende in einem Kanon zu bündeln – und je höher der Anspruch des Kanon-Erstellers, desto weniger Science Fiction, Fantasy, Phantastik war enthalten.
Die

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Der Kanon mechanischer Seelen

von am 30. September 2019 2 Kommentare

Michael Marrak
DER KANON MECHANISCHER SEELEN. Roman.
Illustriert vom Autor
Traunstein, Amrun, 2017, 750 Seiten
ISBN 978-3-95869-257-2

Bereits im Jahr 2017 ist DER KANON MECHANISCHER SEELEN von Michael Marrak erschienen. Dieser über 700 Seiten starke Roman fand zwar seinen Weg in die Sammlung, nicht aber aufs Lesepult. Bis – ja, bis mir ein lieber Mensch das dazugehörige, ungekürzte Hörbuch ausgeliehen hat.
Schon nach den ersten Minuten war mir klar, dass ich hier ein echtes Juwel übersehen hatte. Das Schöne an Büchern ist aber, dass sie das nicht übel nehmen und trotzdem sofort willig zur Verfügung stehen, wenn man sie dann doch lesen mag – jedenfalls die Bücher in meinen Regalen.
Bei den Büchern in Marraks KANON sieht das schon ganz anders aus. Je nachdem, welcher „Wandler“ sie „beseelt“ hat, bzw. welches Schicksal ihnen widerfahren ist, können die Dinger ganz schön ungemütlich werden. Der Autor, der in seinem Buch auch als Illustrator hervorgetreten ist, hat fast ein Vierteljahrhundert an diesem Opus Magnum geschrieben. Einzelne Ideen fanden ihren Ausdruck in Novellen oder Kurzgeschichten, die zwischenzeitlich in Magazinen veröffentlicht wurden und den Lesern den Mund wässrig machten. (Eine dieser „Keimzellen“ des Romans, steht auf TOR-online.de zur kostenlosen Lektüre bereit.)
Es war jedoch die, leider nur bei Audible erhältliche, von Hörbuch Hamburg produzierte und von Stefan Kaminski gelesene (ach was: gelesen, das ist mit absoluter Sprachartistik vorgetragene Rezitationskunst!) Hörbuchfassung, die mir 21 Stunden lang das allerhöchste Vergnügen bereitete. Kaminski, der ausgezeichnet z. B. Frank Schätzings DER SCHWARM oder die Romane von Patrick Rothfuss und Kevin Hearne eingelesen hat, übertrifft sich hier einfach selbst. (Gleich mehrfach fühlte ich mich an die bisher unerreichten Lesungen der Moers’schen ZAMONIEN Bücher durch Dirk Bach erinnert.)
Eine sich anschließende Lektüre des Buches vertiefte den Genuss noch, da Marrak auch ein überaus enges Verhältnis zu Zitaten und Wortspielen hat, die beim genauen Lesen noch weitere Verständnisebenen aufschließen.
Völlig zu Recht hat Marrak mit DER KANON MECHANISCHER SEELEN im Jahr 2018 den SERAPH und den Kurd Laßwitz Preis für den besten Roman gewonnen.
Und 2019 meine uneingeschränkte Hochachtung.

Horst Illmer

Michael Marrak
DER KANON MECHANISCHER SEELEN. Roman.
Illustriert vom Autor
Traunstein, Amrun, 2017, 750 Seiten
ISBN 978-3-95869-257-2
Bereits im Jahr 2017 ist DER KANON MECHANISCHER SEELEN von Michael Marrak erschienen. Dieser über 700 Seiten starke Roman fand zwar seinen Weg in die Sammlung, nicht aber aufs Lesepult. Bis – ja, bis mir ein lieber Mensch das dazugehörige, ungekürzte Hörbuch ausgeliehen hat.
Schon nach den ersten Minuten

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Tagebuch eines Buchhändlers

von am 20. August 2019 Kommentare deaktiviert für Tagebuch eines Buchhändlers

Shaun Bythell
TAGEBUCH EINES BUCHHÄNDLERS. Roman.
Übersetzt von Mechthild Barth
(THE DIARY OF A BOOKSELLER / 2017)
München, btb, 2019, 448 S.
ISBN 978-3-442-71865-8 / 11,00 Euro

Irgendwann Anfang 2014 beschloss der schottische Antiquar Shaun Bythell seine Erlebnisse mit Mitarbeitern, Kunden und der restlichen Menschheit in Form eines Tagebuchs zu notieren. Das überaus lesenswerte Ergebnis dieser Notate kann ab sofort in Form eines preiswerten Taschenbuchs mit dem Titel TAGEBUCH EINES BUCHHÄNDLERS käuflich erworben werden.

Allerdings darf man dieses Taschenbuch nicht bei einem Online-Händler kaufen, da einem sonst sofort die Ohren abfallen, man dauerhaft grün im Gesicht wird und Hausverbot auf dem örtlichen Friedhof bekommt – oder ähnlich grausamen Strafen unterliegt.

Dieses Buch MUSS man (und frau auch) unbedingt direkt in der nächstgelegen örtlichen Buchhandlung bestellen – und das auch noch besonders laut und auffällig, damit alle anderen anwesenden Kunden mitbekommen, dass es das TAGEBUCH EINES BUCHHÄNDLERS gibt! (Sollte man durch einen dummen Zufall gerade der einzige Kunde im Laden sein, so bestelle man ein anderes Buch und vollführe die vorhergenannte Aktion zu einem geeigneteren Zeitpunkt, zum Beispiel, wenn man sein bestelltes Buch abholt.)

Zudem ist es angebracht, sich nach erfolgter Lektüre des TAGEBUCHS EINES BUCHHÄNDLERS erneut in seine örtliche Lieblingsbuchhandlung zu begeben, mit dem anwesenden Personal darüber zu diskutieren, welche Ähnlichkeiten man entdeckt hat, und das Buch jedem zufällig vorbeikommenden Kunden mit lobenden Worten zu zeigen und zu empfehlen.

Wer sich jetzt fragt, worum es in diesem Buch wohl geht, warum der Rezensent nichts über Inhalt, Sprache oder Stil vermeldet, ja, warum er oder sie sich denn nun eigentlich der „Mühe“ unterziehen und das TAGEBUCH EINES BUCHHÄNDLERS in der oben beschriebenen Form erwerben und lesen soll, darf an dieser Stelle aufhören zu lesen und kann dann bitte sofort diesen Planeten verlassen.

Allen anderen sei versichert: So viel Spaß hattet ihr lange nicht mehr!

Horst Illmer

Shaun Bythell
TAGEBUCH EINES BUCHHÄNDLERS. Roman.
Übersetzt von Mechthild Barth
(THE DIARY OF A BOOKSELLER / 2017)
München, btb, 2019, 448 S.
ISBN 978-3-442-71865-8 / 11,00 Euro
Irgendwann Anfang 2014 beschloss der schottische Antiquar Shaun Bythell seine Erlebnisse mit Mitarbeitern, Kunden und der restlichen Menschheit in Form eines Tagebuchs zu notieren. Das überaus lesenswerte Ergebnis dieser Notate kann ab sofort in Form eines preiswerten Taschenbuchs mit

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Das Reich kommt

von am 29. Juli 2019 Kommentare deaktiviert für Das Reich kommt

J. G. Ballard
DAS REICH KOMMT. Roman.
Übersetzt von Eike Schönfeld
(KINGDOME COME / 2006)
Zürich, Diaphanes, 2019, 370 Seiten
ISBN 978-3-0358-0136-1

Die Romane des 2009 verstorbenen englischen Schriftstellers James Graham Ballard waren ja von Beginn an (1961 erschien seine erste Umwelt-Apokalypse THE WIND FROM NOWHERE) nicht gerade für ihren sprühenden Humor bekannt, aber die gegen Ende seines Lebens verfassten Werke zeigen eine mehr als nur düstere und trostlose Weltsicht. Dabei entfernte sich Ballard immer mehr von seinen früheren Zukunftsentwürfen und schrieb immer detaillierter über Dinge, die er in seinem Umfeld täglich erlebte. Allerdings überzeichnete er dabei so sehr, dass sich ein surreales, ja utopisch-dystopisches Bild ergab, wodurch die Geschehnisse für die Leser dann doch irgendwie „erträglicher“ wurden.
Als Ballard-Fan weiß man also (oder ahnt es zumindest), was einen in DAS REICH KOMMT, dem letzten, 2006 in England unter dem Titel KINGDOME COME veröffentlichten Roman erwartet. In seiner unnachahmlichen Art und auf literarisch höchstem Niveau erzählt Ballard von einem gigantischen Einkaufszentrum, das sich zur Brutstätte einer abergläubisch-rassistischen Weltanschauung entwickelt, der sich immer mehr Menschen anschließen – und deren Existenz von „offizieller Seite“ so lange verleugnet wird, bis die daraus resultierenden terroristischen Aktionen nicht mehr zu übersehen sind.
Seit einigen Jahren ist der Schweizer Diaphanes Verlag bemüht, das Werk Ballards nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Nach einigen Neuauflagen erscheinen dort jetzt auch deutsche Erstausgaben wie der vorliegende Band, der von Eike Schönfeld großartig ins Deutsche übertragen wurde.
DAS REICH KOMMT, dessen Titel eine Anspielung auf das christliche „Vater-unser“ birgt, ist, bei aller Düsternis, ein faszinierend zu lesendes Porträt unserer konsumgläubigen, nur oberflächlich informierten und blauäugig wegsehenden westlichen Gesellschaft, das auch ein Dutzend Jahre nach seiner Niederschrift so lebendig und aktuell daherkommt, dass man sich fragt, ob es nicht doch ein richtiger Zukunftsroman war – oder ob die Zeit „ballardesk“ einfach stehen geblieben ist.

Horst Illmer

J. G. Ballard
DAS REICH KOMMT. Roman.
Übersetzt von Eike Schönfeld
(KINGDOME COME / 2006)
Zürich, Diaphanes, 2019, 370 Seiten
ISBN 978-3-0358-0136-1
Die Romane des 2009 verstorbenen englischen Schriftstellers James Graham Ballard waren ja von Beginn an (1961 erschien seine erste Umwelt-Apokalypse THE WIND FROM NOWHERE) nicht gerade für ihren sprühenden Humor bekannt, aber die gegen Ende seines Lebens verfassten Werke zeigen eine mehr als nur

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Die Erscheinung von Camford

von am 25. Juli 2019 Kommentare deaktiviert für Die Erscheinung von Camford

H. G. Wells
DIE ERSCHEINUNG VON CAMFORD.
Übersetzt von Joachim Körber, Illustriert von Alexandra F.
Nachwort von Horst Illmer
(THE CAMFORD VISITATION / 1937)
Bellheim, Edition Phantasia, 2019, 121 Seiten
Pappband im Schuber
ISBN 978-3-947122-02-8

Dass der 1866 geborene H. G. Wells auch in seinen späten Jahren noch in der Lage war, sehr unterhaltsame Science Fiction zu produzieren, belegt der soeben in der Edition Phantasia erschienene Kurzroman DIE ERSCHEINUNG VON CAMFORD, der im Original unter dem Titel THE CAMFORD VISITATION erstmals 1937 veröffentlicht wurde.
Eines schönen Morgens ertönt im Frühstücksraum des Holy Innocents College an der englischen Eliteuniversität Camford die „stählerne“, ganz und gar nicht-menschliche Stimme eines Unsichtbaren, der den anwesenden Professoren allerlei Vorhaltungen über ihre Dummheit macht. Der Sprecher gibt sich im weiteren Verlauf des Buches als ein überdimensionales Wesen zu erkennen, das seit vielen Jahrmillionen das Universum durchstreift und dabei auf die Menschheit gestoßen ist und an ihr Gefallen gefunden hat. Da ihn die Entwicklung beunruhigt, welche die menschliche Gesellschaft in den letzten Jahren genommen hat, versucht er, an der Spitze der Intelligenz-Pyramide ansetzend, herauszufinden, wieso es mit der Bildung, dem allgemeinen Wissensstand und der Informationsvermittlung auf der Erde so schlecht steht. Trotz seiner klugen Fragen und seinem stetigen Insistieren auf diesem Problem, beschäftigt es die Menschen jedoch viel mehr, woher die Stimme kommt, als was sie sagt.
Die satirische Erzählung hat bis heute nichts von ihrer Frische und Schärfe verloren und ist eine echte Entdeckung, für die man dem Herausgeber und Übersetzer Joachim Körber nur dankbar sein kann. Der auf 250 Exemplare limitierte Pappband steckt in einem grauen Samtschuber. Der Text wurde von Alexandra F. illustriert und mein Nachwort bietet Anmerkungen und weiterführende Informationen.

Horst Illmer

H. G. Wells
DIE ERSCHEINUNG VON CAMFORD.
Übersetzt von Joachim Körber, Illustriert von Alexandra F.
Nachwort von Horst Illmer
(THE CAMFORD VISITATION / 1937)
Bellheim, Edition Phantasia, 2019, 121 Seiten
Pappband im Schuber
ISBN 978-3-947122-02-8
Dass der 1866 geborene H. G. Wells auch in seinen späten Jahren noch in der Lage war, sehr unterhaltsame Science Fiction zu produzieren, belegt der soeben in der Edition Phantasia erschienene Kurzroman DIE

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phantastisch! neues aus anderen welten

von am 22. Juli 2019 Kommentare deaktiviert für phantastisch! neues aus anderen welten

Klaus Bollhöfener (Hrsg.)
phantastisch! neues aus anderen welten.
Heft 75 / Ausgabe 3/2018 / 19. Jahrgang
Stolberg, Atlantis Verlag, Juli 2019, 88 Seiten
ISSN 1616-8437 / 5,95 Euro

Eigentlich kann man ja jedes phantastisch!-Heft empfehlen, aber die jetzt erschienene Ausgabe vom Juli 2019 ist doch nochmal etwas Besonderes: Das Heft 75 ist für den Atlantis Verlag und den Herausgeber Klaus Bollhöfener ein guter Grund um allen Leserinnen und Lesern einmal zu zeigen, was in diesem Magazin so alles an Spaß, Liebe und Arbeit drinsteckt.
Das Offensichtlichste ist das umlaufende Cover von Michael Vogt, das es mitten im Heft nochmal als Poster gibt (ohne „störende“ Beschriftung). Außerdem wurde der Umfang auf stolze 88 Seiten erhöht (ohne Mehrpreis!). Und auf Seite 4 werden alle ständigen Mitarbeiter und Redakteure im Bild vorgestellt.
Das Wichtigste sind aber natürlich die Artikel, Interviews, Stories, Comics, Cartoons und Buchbesprechungen, die in ihrer Spannweite und Bandbreits die phantastisch! so einzigartig unter den Science-Fiction-Magazinen machen.
Interviewt wurden diesmal der englische Superstar Jasper Fforde, der Jugendbuchautor Karl Olsberg und Tom und Stephan Orgel, die als T. S. Orgel gemeinsam sehr erfolgreich Fantasy und Science Fiction schreiben.
Die Kurzgeschichte „Im Dienst der Legenden“ wurde von Christian Endres exklusiv für die phantastisch! geschrieben und ist eine der stärksten Stories seit Langem.
Neben den gewohnten Standards (update, Buchhandels-Cartoon, Fortsetzungscomic) gibt es noch ein Dutzend Artikel, von denen nur der wunderschön illustrierte Bericht von Achim Schnurrer über das erste Phantastik-Magazin der Welt, Der Orchideengarten, hervorgehoben werden soll, da die Aufzählung sonst jeden Rahmen sprengen würde.
Vertrauen Sie mir – und lesen Sie einfach selbst!

75 Hefte in knapp 20 Jahren, das allein ist im Rahmen der deutschen Science Fiction schon außergewöhnlich. Hoffen wir also, dass wir an dieser Stelle auch noch über die Nummer 100 berichten dürfen!

Horst Illmer

Klaus Bollhöfener (Hrsg.)
phantastisch! neues aus anderen welten.
Heft 75 / Ausgabe 3/2018 / 19. Jahrgang
Stolberg, Atlantis Verlag, Juli 2019, 88 Seiten
ISSN 1616-8437 / 5,95 Euro
Eigentlich kann man ja jedes phantastisch!-Heft empfehlen, aber die jetzt erschienene Ausgabe vom Juli 2019 ist doch nochmal etwas Besonderes: Das Heft 75 ist für den Atlantis Verlag und den Herausgeber Klaus Bollhöfener ein guter Grund um

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NOVA Science-Fiction Ausgabe 27

von am 4. Juli 2019 Kommentare deaktiviert für NOVA Science-Fiction Ausgabe 27

Michael K. Iwoleit & Michael Haitel (Hrsg.)
NOVA. Science-Fiction. Ausgabe 27
Editorials von Christian Steinbacher & Michael K. Iwoleit
Illustriert von Paul Lehr u.v.a.
Winnert, p. machinery, 2019, 200 Seiten
Kartoniert
ISBN 978-3-95765-152-5 / 18,90 Euro

In diesen Zeiten, in denen das Negative in Politik, Kunst und Kultur (und manchmal auch im Zwischenmenschlichen) allgegenwärtig scheint, ist es mir eine besondere Freude, die neue Ausgabe von NOVA vorzustellen.

Eine sehr positive Grundstimmung prägt den Inhalt und das Erscheinungsbild der 27. Ausgabe des von Michael K. Iwoleit und Michael Haitel herausgegebenen Science-Fiction-Magazins NOVA (p.machinery, 290 Seiten). Die im März 2019 erschienene Themenausgabe will „Neue Wege zur Utopie“ aufzeigen.
Die zehn Stories von Dirk Alt, Marcus Hammerschmitt, Frank W. Haubold, Frank Hebben, Martin Mächler, Frank Neugebauer, Barbara Ostrop, Tobias Reckermann, Thomas Sieber und C. Stuart Hardwick beschreiben zukünftige „Idealgesellschaften mit kleinen Schönheitsfehlern“ und weisen auf den berühmten „Hoffnungsschimmer im Hoffnungslosen“ hin. Die vielen farbigen und schwarzweißen Illustrationen, u. a. von Stas Rosin, Christian Günther, Susanne Jaja und Paul Lehr, machen aus dieser Ausgabe zudem fast ein „Bilderbuch“.
Auch der 50-seitige Sekundärteil beschäftigt sich mit der Utopie: Andreas Heyer plädiert für eine weitere Verschmelzung von SF und Utopie und Horst Illmer stellt mit DER KAISER VON EUROPA eine fast vergessene gesamteuropäische Friedensutopie aus dem Jahr 1895 vor. Das große Harald Lesch-Interview wird mit dem 2. Teil zu Ende geführt (wer NOVA 26 noch nicht hat, wird spätestens hier die Notwendigkeit erkennen, dieses Versäumnis zu beheben) und Nachrufe auf Harlan Ellison und Achim Mehnert runden den überaus gelungenen Band ab.

Horst Illmer

Michael K. Iwoleit & Michael Haitel (Hrsg.)
NOVA. Science-Fiction. Ausgabe 27
Editorials von Christian Steinbacher & Michael K. Iwoleit
Illustriert von Paul Lehr u.v.a.
Winnert, p. machinery, 2019, 200 Seiten
Kartoniert
ISBN 978-3-95765-152-5 / 18,90 Euro
In diesen Zeiten, in denen das Negative in Politik, Kunst und Kultur (und manchmal auch im Zwischenmenschlichen) allgegenwärtig scheint, ist es mir eine besondere Freude, die neue Ausgabe von NOVA vorzustellen.
Eine

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Jenseits der Zeit

von am 17. Juni 2019 Kommentare deaktiviert für Jenseits der Zeit

Cixin Liu
JENSEITS DER ZEIT. Roman.
Aus dem Chinesischen von Karin Betz
(Sishen Yongshen / 2010)
München, Heyne, 2019, 990 Seiten
ISBN 978-3-453-31766-6

& Hörbuch:
Komplettlesung von Mark Bremer
Random House Audio, 2019, 3 mp3-CDs, Laufzeit ca. 27 Stunden
ISBN 978-3-8371-4501-4

Wenn man so lange Science-Fiction-Bücher liest wie das bei mir der Fall ist, denkt man manchmal, dass man schon alles kennt, alles schon mal gelesen hat, nichts einen mehr überraschen kann. Glücklicherweise findet sich dann doch immer schnell ein Buch, dass diese Vorstellung widerlegt. Die größte und erfreulichste Überraschung der letzten Jahre bereitete mir der chinesische Autor Cixin Liu mit seiner auch in den USA überaus erfolgreichen Trilogie um die Bewohner des Planeten Trisolaris.
Im Januar 2017 stellte ich hier den ersten Band vor, gefolgt von der Besprechung des zweiten Teils im Mai 2018. Nun ist es endlich soweit:
Mit JENSEITS DER ZEIT erschien der heiß erwartete Abschlussband der ins Epische gewachsenen TRISOLARIS-Zukunftshistorie!
Wieder einmal verläuft darin die Handlung in ganz anderen Bahnen als ein von westlicher Science Fiction geprägter Leser erwartet. Die chinesische Erzählweise hat andere Traditionen und Konventionen und so ist das Gefühl der „Fremdheit“ diesmal nicht nur der Kultur der Außerirdischen geschuldet. Liu beginnt nochmal bei den Ereignissen der in DIE DREI SONNEN geschilderten Jetztzeit, macht diverse Zwischenstopps bei Geschehnissen, die in DER DUNKLE WALD wichtig waren, und führt die Handlung dann in die Zeit des erwarteten Eintreffens der Flotte der Trisolarier – und schließlich weit darüber hinaus.
Bei den Figuren begegnen uns einige alte Bekannte, wie der Wandschauer Luo Ji, doch dann übernimmt eine neue Generation den Staffelstab und bringt das Rennen um den berühmten „Platz an der Sonne“ zu Ende.
Mit fast 1000 Seiten ist JENSEITS DER ZEIT ein würdiger Abschluss einer der außergewöhnlichsten Zukunftsgeschichten der letzten zehn Jahre.
Der Roman wurde von Karin Betz aus dem Chinesischen übersetzt und hat ein Personenverzeichnis, eine Zeittafel, einen umfangreichen Anhang mit Hinweisen zur Aussprache der chinesischen Namen und Begriffe und einen sehr hilfreichen Einzelstellenkommentar.

Zeitgleich erschien, eingelesen vom bewährten Schauspieler und Sprecher Mark Bremer, die unbedingt hörenswerte ungekürzte Hörbuchfassung bei Random House Audio.

Horst Illmer

Cixin Liu
JENSEITS DER ZEIT. Roman.
Aus dem Chinesischen von Karin Betz
(Sishen Yongshen / 2010)
München, Heyne, 2019, 990 Seiten
ISBN 978-3-453-31766-6

& Hörbuch:
Komplettlesung von Mark Bremer
Random House Audio, 2019, 3 mp3-CDs, Laufzeit ca. 27 Stunden
ISBN 978-3-8371-4501-4

Wenn man so lange Science-Fiction-Bücher liest wie das bei mir der Fall ist, denkt man manchmal, dass man schon alles kennt, alles schon mal gelesen hat, nichts einen mehr

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Local Heroes Reloaded

von am 7. Juni 2019 1 Kommentar

Lobgesang auf Horst*

Ja, ich habe bereits einmal einen Beitrag zu Horst Illmer geschrieben. In der Kategorie Local Heroes. Da gehört er nämlich hin, auch wenn sein Wirken durchaus überregionaler Natur ist, wie bei vielen "unserer" Local Heroes.

Warum also jetzt ein weiterer Beitrag? Nur zum auffrischen? Aus aktuellem Anlass?

Eigentlich nichts davon. Es ist einfach so, dass wir uns bei Horst bedanken wollen. Er ist nicht nur der Local Hero, den wir bereits vorgestellt haben, sondern er ist mit seinen mitlerweile über hundert Rezis zu einem festen Bestandteil unserer Seite geworden. Unter Horsts Bibliothek finden Phantastik Begeisterte Anregungen, Tipps und fundiertes Wissen. Er preißt uns Pflichtlektüren an, entdeckt Exoten und weist auf Schmankerln hin, die uns auch mal durch die Lappen gegangen wären.

Wer gerne mehr von seinem profunden Wissen profitieren möchte, dem lege ich einmal mehr an dieser Stelle das Magazin Phantastisch! nahe. Phantastisch! ist Pflichtlektüre für alle, die sich für phantastische Literatur interessieren. Informative und spannende Artikel. Interviews, Bücher, Autoren, Rezensionen, Comics, Filme… Dabei schreiben kompetente Mitarbeiter wie Sonja Stöhr, Carsten Kuhr, Christian Endres, Achim Schnurrer und viele andere. Natürlich auch Horst Illmer. DAS Genremagazin. Schnuppert einfach mal im Laden rein, oder schließt gleich ein Abo bei uns ab. Dann bekommt ihr jede Nummer bei Erscheinen weggelegt.

*  Hommage an "Lobgesang auf Leibowitz" in der Ausgabe Heyne Meisterwerke der SF ISBN: 9783453164192

Lobgesang auf Horst*
Ja, ich habe bereits einmal einen Beitrag zu Horst Illmer geschrieben. In der Kategorie Local Heroes. Da gehört er nämlich hin, auch wenn sein Wirken durchaus überregionaler Natur ist, wie bei vielen "unserer" Local Heroes.
Warum also jetzt ein weiterer Beitrag? Nur zum auffrischen? Aus aktuellem Anlass?
Eigentlich nichts davon. Es ist einfach so, dass wir uns bei

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Maschinen wie ich und Menschen wie ihr

von am 28. Mai 2019 Kommentare deaktiviert für Maschinen wie ich und Menschen wie ihr

Ian McEwan
MASCHINEN WIE ICH UND MENSCHEN WIE IHR. Roman.
Übersetzt von Bernhard Robben
(MACHINES LIKE ME (AND PEOPLE LIKE YOU) / 2019)
Zürich, Diogenes, 2019, 407 S.
Leinen mit Schutzumschlag
ISBN 978-3-257-07068-2 / 25,00 Euro

Es wäre ja zu schön, wenn sich die Profis einmal (einmal nur!) auch professionell verhalten würden. Aber dafür müsste ich wohl in ein sehr alternatives Universum wechseln.
Grund für das Gejammer ist der Umgang der hochbezahlten Literaturkritik des deutschsprachigen Feuilletons mit dem neuesten Roman des englischen Schriftstellers Ian McEwan, der als immerhin so wichtig angesehen wird, dass er fast zeitgleich mit seinem Erscheinen allüberall an prominenter Stelle ausführlich „besprochen“ wird. Trotz aller Ausführlichkeit war kein einziger Rezensent in der Lage den korrekten Titel des Buches zu nennen, der da lautet MASCHINEN WIE ICH UND MENSCHEN WIE IHR jedoch durchgängig auf die ersten drei Worte reduziert wurde. Dass es selbst der Verlag nicht besser macht (und auf seiner Homepage auch noch einen falschen Preis nennt) ist auch kein Trost.
Als Leser braucht man sich um solche Kleinigkeiten ja nicht zu bekümmern, da kann man einfach zugreifen und sich von einem der stilsichersten und sprachmächtigsten Autoren der Gegenwart in eine kontrafaktische Alternativgeschichte entführen lassen, in der ein als Kriegsheld gefeierter Alan Turing praktisch im Alleingang für ein weit früher einsetzendes Computerzeitalter gesorgt hat, sodass im Jahr 1982 neben dem Internet und Handys bereits ein mit künstlicher Intelligenz ausgestattetes Modell eines Androiden existiert. Wie sich im Verlauf der Handlung zeigt, ist jedoch auch in dieser Welt der Mensch vor allem Mensch.
Weshalb man auch den Titel, ganz so wie vom Autor hingeschrieben und von Bernhard Robben wortgetreu übersetzt, MACHINES LIKE ME (AND PEOPLE LIKE YOU) in Gänze als MASCHINEN WIE ICH UND MENSCHEN WIE IHR mitdenken und zitieren sollte.
Ein Buch, an dem in diesem Frühjahr kein Weg vorbeiführt.

Horst Illmer

Ian McEwan
MASCHINEN WIE ICH UND MENSCHEN WIE IHR. Roman.
Übersetzt von Bernhard Robben
(MACHINES LIKE ME (AND PEOPLE LIKE YOU) / 2019)
Zürich, Diogenes, 2019, 407 S.
Leinen mit Schutzumschlag
ISBN 978-3-257-07068-2 / 25,00 Euro
Es wäre ja zu schön, wenn sich die Profis einmal (einmal nur!) auch professionell verhalten würden. Aber dafür müsste ich wohl in ein sehr alternatives Universum wechseln.
Grund für das Gejammer ist

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Die letzten Tage von Neu-Paris

von am 16. Mai 2019 Kommentare deaktiviert für Die letzten Tage von Neu-Paris

China Miéville
DIE LETZTEN TAGE VON NEU-PARIS. Roman.
Übersetzt von Andreas Fliedner
(THE LAST DAYS OF NEW PARIS / 2016)
München Berlin, Golkonda, 2019, 250 Seiten
ISBN 978-3-946503-86-6

Irgendwie hat man manchmal das Gefühl, dass einige unsere Lieblingsautoren in letzter Zeit einfach nichts mehr veröffentlichen. Sind das die gruseligen Vorzeichen einer galaxisweiten Schreibblockade?
Aber nein. Das ist wohl vor allem der eigenen Ungeduld geschuldet.
Nachdem gerade erst der gute Walter Moers (s)einen BÜCHERDRACHEN losgeschickt hat, liegt jetzt mit DIE LETZTEN TAGE VON NEU-PARIS auch ein aktueller Roman von China Miéville in den Regalen.
Thema des Buches sind die französischen Surrealisten um André Breton, die sich im Jahr 1941, anders als es uns die konventionelle Geschichtsschreibung überliefert hat, mit den nur ihnen eigenen Mitteln gegen die deutschen Besatzer zur Wehr setzen.
Diese alternative Zeitlinie, in der sich Nazis und Résistance einen endlosen Kampf um die französische Hauptstadt Neu-Paris liefern, bildet den Kern der Erzählung, die dabei zwischen 1950 und 1941 hin und her pendelt, jede Menge Haupt- und Nebenwerke des Surrealismus zum Leben erwachen lässt, eine romantische Liebesgeschichte nicht verschmäht und über den Romantext hinaus in das Nachwort und die Anmerkungen des Autors hineinwuchert.
Nachdem sich China Miéville in den letzten Jahren teilweise sehr weit von seinen Anfängen als Schriftsteller entfernt hatte, kehrt er, zumindest was die „Stimmung“ angeht, in diesem Werk „zu den Wurzeln“ zurück. Der Weg von der PERDITO STREET STATION in Bas-Lag zum fundamentlos schwebenden Eiffelturm in Neu-Paris ist recht kurz.
Alle Hochachtung für den Übersetzer Andreas Fliedner, der seine Sache recht gut macht: da war bestimmt ein kleines Kunststudium nötig. (Und für Walter Moers-Fans streut Miéville auch noch eigene kleine Zeichnungen in den Text ein.)
Insgesamt steckt deutlich mehr in diesem schmalen Büchlein als es auf den ersten Blick scheint.

Horst Illmer

China Miéville
DIE LETZTEN TAGE VON NEU-PARIS. Roman.
Übersetzt von Andreas Fliedner
(THE LAST DAYS OF NEW PARIS / 2016)
München Berlin, Golkonda, 2019, 250 Seiten
ISBN 978-3-946503-86-6
Irgendwie hat man manchmal das Gefühl, dass einige unsere Lieblingsautoren in letzter Zeit einfach nichts mehr veröffentlichen. Sind das die gruseligen Vorzeichen einer galaxisweiten Schreibblockade?
Aber nein. Das ist wohl vor allem der eigenen Ungeduld geschuldet.
Nachdem gerade erst der

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Jenseits von Raum und Zeit

von am 23. April 2019 Kommentare deaktiviert für Jenseits von Raum und Zeit

H. J. Balmes, J. Bong, A. Roesler & O. Vogel (Hrsg.)
Hannes Riffel (Mitherausgeber dieser Ausgabe)
NEUE RUNDSCHAU. 130. Jahrgang 2019, Heft 1
JENSEITS VON RAUM UND ZEIT. Phantastische Literatur im 21. Jahrhundert.
Frankfurt/M., S. Fischer, 2019, 308 Seiten
ISBN 978-3-10-809117-0 / 17,00 Euro

Natürlich hat (Gast-)Herausgeber Hannes Riffel recht, der in seinem (Gast-)Editorial in der Neuen Rundschau darüber sinniert, dass es vermutlich mehr (also doch einige) Leser der Neuen Rundschau gibt, die mit dem Begriff „Phantastik“ etwas anfangen können, als Phantastik-Leser, die wissen, dass es die Neue Rundschau gibt (nahezu Null).
Um nun beiden Gruppen eine gemeinsame Lektüre zu ermöglichen, hat der S. Fischer Verlag, in dem die Literaturzeitschrift Neue Rundschau seit 130 Jahren erscheint, aus ihrem Heft 1/2019 eine Themenausgabe gemacht, die sich unter dem (altehrwürdigen) Titel JENSEITS VON RAUM UND ZEIT mit der „phantastischen Literatur im 21. Jahrhundert“ beschäftigt. Auf fast 300 Seiten bekommt die Leserschaft in 18 Beiträgen die größtmögliche Qualität an Primär- und Sekundärliteratur geboten, die sich auf so beschränktem Raum unterbringen lässt: Kurzgeschichten von Andreas Eschbach, Mary Robinette Kowal, Seth Dickinson und H. P. Lovecraft; Essays von Dietmar Dath, Karen Nölle, Anja Kümmel und Ursula K. Le Guin; Übersichtsartikel zum „Worldbuilding“ und zur Genregeschichte von Lars Schmeink, Franz Rottensteiner, Erik Simon, Christian Endres, Karlheinz Steinmüller, Bernhard Hennen, nochmals Andreas Eschbach und Helmut W. Pesch.
Wie immer in solchen Fällen handelt es sich um eine „Momentaufnahme“ – aber das vermittelte Bild ist äußerst bunt und von exzellenter Tiefenschärfe.
Ein (Erkenntnis-)Gewinn für alle, die bereit sind, sich dem Herausgeber und seinen AutorInnen anzuvertrauen und die vielfältigen Seiten der Phantastik zu entdecken.

Horst Illmer

H. J. Balmes, J. Bong, A. Roesler & O. Vogel (Hrsg.)
Hannes Riffel (Mitherausgeber dieser Ausgabe)
NEUE RUNDSCHAU. 130. Jahrgang 2019, Heft 1
JENSEITS VON RAUM UND ZEIT. Phantastische Literatur im 21. Jahrhundert.
Frankfurt/M., S. Fischer, 2019, 308 Seiten
ISBN 978-3-10-809117-0 / 17,00 Euro
Natürlich hat (Gast-)Herausgeber Hannes Riffel recht, der in seinem (Gast-)Editorial in der Neuen Rundschau darüber sinniert, dass es vermutlich mehr (also doch

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Hologrammatica

von am 4. März 2019 Kommentare deaktiviert für Hologrammatica

Tom Hillenbrand
HOLOGRAMMATICA. Thriller
Köln, Kiepenheuer & Witsch, 2018, 560 Seiten
ISBN 978-3-462-05149-0

Hörbuch:
Ungekürzte Komplettlesung
Gelesen von Oliver Siebeck
Lübbe Audio, 2018, 3 MP3 CDs, Laufzeit 16 Std. 33 Min.
ISBN 978-3-7857-5697-3

Er hat es wieder getan!
Vier Jahre nach DROHNENLAND, seinem erfolgreichen und mit Preisen überhäuften ersten Ausflug in die Zukunft, legt Tom Hillenbrand mit HOLOGRAMMATICA erneut einen als „Thriller“ getarnten Science-Fiction-Roman vor. Und der ist sogar noch besser geworden als sein Vorgänger. Man merkt dem Buch an, dass Hillenbrand sich in diesem Gerne inzwischen „heimisch“ fühlt.

Der Plot spielt Ende des 21. Jahrhunderts in einer Zivilisation, die sich zwar offiziell noch in Nationen und Staatenverbände unterteilt, in Wirklichkeit jedoch von multinationalen Konzernen beherrscht und (mehr schlecht als recht) von UNO-Organisationen beschützt wird.
Das Internet hat sich zu einem praktisch die ganze Welt umspannenden „Holonet“ weiterentwickelt, mit dem das, was die Menschen sehen, nach ihren Wünschen angepasst wird. Egal ob Werbung, Wohnungseinrichtung, Kleidung oder das eigene Aussehen – mittels allgegenwärtiger Holo-Projektoren sind alle Straßen sauber, alle Häuser und Wohnungen schön und alle Menschen entsprechen ihrem Idealbild.
Ebenfalls große Fortschritte gab es im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) und der Gehirnforschung, was dazu geführt hat, dass man sich (ab einem bestimmten Einkommen oder Vermögen) einen Chip ins Hirn setzen lassen kann, auf dem das Programm der eigenen Persönlichkeit läuft, das man dadurch aber auch jederzeit in den Körper eines Klons übertragen kann. Einziges Hindernis, welches die dadurch theoretisch mögliche Unsterblichkeit für diese, „Quants“ genannten, optimierten Menschen verhindert, ist das „Ein-Körper-Problem“: Nach 21 Tagen muss der „Geist“ wieder in seinen „Stammkörper“ zurück, sonst kommt es zum „Brain-Crash“.
Der in London beheimatete Quästor (hübscher Neologismus für Privatdetektiv) Galahad Singh erhält den Auftrag, die verschwundene Computerexpertin und Entwicklerin von Verschlüsselungstechnik Juliette Perrotte zu suchen, die vermutlich entführt wurde. Allerdings drängt die Zeit, denn Juliette ist ein Quant – und womöglich haben die Entführer nur ihren Körper …
Was wie ein ganz normaler Auftrag beginnt, entwickelt sich innerhalb kürzester Zeit zu einem Spektakel mit weltumfassender Bedeutung, in dem nichts ist wie es scheint, Singh Gefahren zu bewältigen hat, die es eigentlich gar nicht geben dürfte und selbst die Naturgesetze aufgehoben scheinen.

Hillenbrand zündet ein Ideenfeuerwerk der Sonderklasse, er gestaltet einen mit überschäumender Erzähllust ausgebreiteten Geschichtenteppich, dessen sich immer weiter verzweigende Handlungsfäden von seinen überragenden Fähigkeiten als Erzähler zusammengehalten werden und am Ende das dreidimensionale Hologramm einer komplexen Zukunftswelt zeigen, in der bemerkenswerte Charaktere ein Dasein führen, das zu erfassen alle Sinne des Lesers, der Leserin (oder von Hörer und Hörerin) erfordert.

Die von Oliver Siebeck sehr einprägsam gesprochene Komplettlesung erfüllt selbst hochgesteckte Erwartungen und macht das Hörbuch zu einer echten Alternative bzw. einer wundervollen Ergänzung des gedruckten Buches.

Horst Illmer

Tom Hillenbrand
HOLOGRAMMATICA. Thriller
Köln, Kiepenheuer & Witsch, 2018, 560 Seiten
ISBN 978-3-462-05149-0
Hörbuch:
Ungekürzte Komplettlesung
Gelesen von Oliver Siebeck
Lübbe Audio, 2018, 3 MP3 CDs, Laufzeit 16 Std. 33 Min.
ISBN 978-3-7857-5697-3
Er hat es wieder getan!
Vier Jahre nach DROHNENLAND, seinem erfolgreichen und mit Preisen überhäuften ersten Ausflug in die Zukunft, legt Tom Hillenbrand mit HOLOGRAMMATICA erneut einen als „Thriller“ getarnten Science-Fiction-Roman vor. Und der ist sogar noch

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Basement Tales

von am 12. Februar 2019 Kommentare deaktiviert für Basement Tales

The Dandy Is Dead präsentiert
BASEMENT TALES – Vol. 1: BODENSATZ
Saarbrücken, The Dandy Is Dead, 2018, 48 Seiten
ISBN 978-3-947652-01-3

The Dandy Is Dead präsentiert
BASEMENT TALES – Vol. 2: SPERRGEBIET
Saarbrücken, The Dandy Is Dead, 2018, 48 Seiten
ISBN 978-3-947652-04-4

Die „klassische“ Horror-Kurzgeschichte ist tot – und wie sich das für Tote und Horrorgeschichten nun mal gehört, ist sie als „New Weird“-Story zurückgekehrt und führt in den BASEMENT TALES des von Tom Becker in Saarbrücken neugegründeten Verlagshauses The Dandy Is Dead ein recht lebendiges Schattendasein.

Okay, okay: „Der Schönling ist tot“ wäre jetzt auch nicht wirklich ein toller Name für einen Verlag – aber muss es wirklich „The Dandy Is Dead“ sein?
Sei’s drum! Solange man das Zeug, das dort produziert wird, lesen kann und irgendwo bekommt, ist der Name vom „Publishing House“ relativ unwichtig.
„Das Zeug“ ist im vorliegenden Fall das New Weird Magazin Basement Tales und lesbar ist das allemal, was die Verleger/Herausgeber Tom Becker und Germaine Paulus in den bisher erschienenen zwei Heften zusammengetragen haben.

Dass es im deutschsprachigen Raum nicht nur »New Weird«-Fans gibt, sondern auch einige Autoren, die selbst Geschichten schreiben, welche am ehesten in diesem Sub-Genre verortet werden können, zeigt sich schon im ersten Heft der BASEMENT TALES, deren „Vol. 1“ den Titel BODENSATZ trägt und im Oktober 2018 erschienen ist.
Die Reihe fällt deutlich aus dem Rahmen dessen, was man hierzulande bisher als „Heftchen“ kaufen konnte: Die 48 zusammengeklammerten Seiten im Format DIN A5 enthalten vier Kurzgeschichten (hier von Christian von Aster, Axel Jahnke, Heike Schrapper und Germaine Paulus) plus zwei versteckte Kürzest-Geschichten (Aster und Paulus). Als Besonderheit liegen dem Heft vier farbige Poster im Format A3 bei, die jeweils als Titel-Illustration einer Story gedacht sind. Und damit das Konglomerat nicht auseinanderfällt, wird alles in einem durchsichtigen Plastikbeutel ausgeliefert.

Pünktlich zum Jahreswechsel erschien jetzt das zweite Heft der Anthologien-Reihe BASEMENT TALES, gefüllt mit fünf Geschichten (von Christoph Marzi, Isa Theobald, Diana Kinne, Norman Liebold und unserem Lokalmatador Christian Endres), vier Postern (von Michael Holtschulte, Anne Klein, MindyTheGap und Bernd Pegritz) und ein wenig Infomaterial zu den Künstlern. Das Heft steckt wieder in einen verschließbaren Plastikbeutel, der zugleich Transportschäden verhindert, auf das der Lesespaß nicht „geknickt“ beim Leser bzw. Sammler ankommt.

Das alles macht neugierig, mal sehen wie das Publikum auf dieses neue deutsche Weird Tales-Magazin anspringt. Geplant sind derzeit mindestens sechs Ausgaben, die im Abstand von drei Monaten erscheinen sollen.
Heft 3 ist für März 2019 angekündigt.

Horst Illmer

The Dandy Is Dead präsentiert
BASEMENT TALES – Vol. 1: BODENSATZ
Saarbrücken, The Dandy Is Dead, 2018, 48 Seiten
ISBN 978-3-947652-01-3
The Dandy Is Dead präsentiert
BASEMENT TALES – Vol. 2: SPERRGEBIET
Saarbrücken, The Dandy Is Dead, 2018, 48 Seiten
ISBN 978-3-947652-04-4
Die „klassische“ Horror-Kurzgeschichte ist tot – und wie sich das für Tote und Horrorgeschichten nun mal gehört, ist sie als „New Weird“-Story zurückgekehrt und führt in

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Die Känguru-Apokryphen

von am 16. Dezember 2018 Kommentare deaktiviert für Die Känguru-Apokryphen

Marc-Uwe Kling
DIE KÄNGURU-APOKRYPHEN.
Mit einem Comic von Astrid Henn
Berlin, Ullstein, 2018, 210 S.
ISBN 978-3-548-29195-6 / 9.00 Euro

Hörbuch:
DIE KÄNGURU-APOKRYPHEN.
Live und ungekürzt gelesen vom Autor
Hamburg, Hörbuch Hamburg, 2018, 4 CDs, ca. 260 Minuten
ISBN 978-3-95713-149-2 / 14,00 Euro

Apokryph meint ja vor allem nicht-kanonisch, also in diesem Fall, nicht zum allseits bekannten und beliebten Kanon der seit 2009 entstandenen KÄNGURU-Trilogie gehörig. Da stellt sich schnell das Bild vom „Schubladen ausräumen“, von „Reste-Essen“ oder sogar von „braucht’s das?“ ein.
Ein wenig Vertrauensvorschuss sollte man Marc-Uwe Kling allerdings gewähren, hat er doch zuletzt mit seinem Roman QUALITYLAND bewiesen, dass seine Fähigkeiten als Erzähler weit über den „Kleinkunst-Standard“ hinausreichen.
So ist auch in dieser vierten Sammlung von Anekdoten aus dem Leben der Protagonisten in einer sehr ungleichen WG bereits nach der Einleitung jedes negative Vorurteil widerlegt und man reiht sich für die restlichen 200 Seiten oder 250 Minuten ein in die Phalanx der vergnügt mitlachenden, mitschmunzelnden, mitstaunenden Leser bzw. Zuhörer.
Wie immer bei Marc-Uwe Kling besteht die größte Herausforderung der KÄNGURU-APOKRYPHEN in der Entscheidung: hören oder lesen.
Meine Empfehlung (wie immer): beides.
Das Hörbuch gibt der schnellen Pointe ihr Recht, im Buch lassen sich die (manchmal etwas versteckten) Feinheiten – wie das „falsch zugeordnete Zitat“ oder das postmoderne Spiel mit den „Klassikern“ von der Antike bis zur Popkultur – leichter finden und verstehen. Außerdem gibt’s den 8-Seiten-Comic naturgemäß nicht beim Hörbuch.)
Der einzige Fehler, den ich entdecken konnte, steckt im Titel. Für mich gehören nämlich DIE KÄNGURU-APOKRYPHEN bereits jetzt schon zum Kanon.

Horst Illmer

Marc-Uwe Kling
DIE KÄNGURU-APOKRYPHEN.
Mit einem Comic von Astrid Henn
Berlin, Ullstein, 2018, 210 S.
ISBN 978-3-548-29195-6 / 9.00 Euro
Hörbuch:
DIE KÄNGURU-APOKRYPHEN.
Live und ungekürzt gelesen vom Autor
Hamburg, Hörbuch Hamburg, 2018, 4 CDs, ca. 260 Minuten
ISBN 978-3-95713-149-2 / 14,00 Euro
Apokryph meint ja vor allem nicht-kanonisch, also in diesem Fall, nicht zum allseits bekannten und beliebten Kanon der seit 2009 entstandenen KÄNGURU-Trilogie gehörig. Da stellt sich schnell

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Terra

von am 5. Dezember 2018 Kommentare deaktiviert für Terra

T. S. Orgel
TERRA. Roman.
München, Heyne, 2018, 510 S.
ISBN 978-3-453-31967-7 / 14,99 Euro

Sal und Jak sind Geschwister und doch so unterschiedlich wie es Geschwister nur sein können. Während Sal in der Hauptstadt des Mondes als „Space Marshal“ Dienst tut, führt Jak das unstete Leben eines privaten Raumfrachter-Piloten, der auch für nicht ganz so legale Aktionen zu haben ist. Als er auf einer Routine-Mission zwischen Mars und Erde jedoch bemerkt, dass sein ganzer Konvoy dazu benutzt wird, eine tödliche Fracht zu schmuggeln, bleibt ihm nichts anderes übrig, als seine Schwester um Hilfe zu bitten.
Während Sal in der Mondmetropole versucht, ohne Aufsehen zu erregen etwas Licht in diese mysteriöse Geschichte zu bringen, beginnen etwas weiter draußen im Weltraum die Ereignisse aus dem Ruder zu laufen – und schon bald steht weit mehr auf dem Spiel als nur Sals Karriere und Jaks Leben …
In den letzten Wochen habe ich kurz hintereinander Frank Schätzings DIE TYRANNEI DES SCHMETTERLINGS, Andy Weirs ARTEMIS und TERRA von T. S. Orgel gelesen. Die drei Bücher sind sich in gewisser Weise sehr ähnlich (z. B. spielen sie alle in der näheren Zukunft und gehören zur Untergattung der Hard SF), unterscheiden sich aber andererseits doch sehr in ihrem Stil und in der Art und Weise wie die Autoren ihre Themen bearbeiten.
Schätzing will deutlich zu viel auf einmal. Weir bleibt leider etwas hinter seinen Möglichkeiten zurück. Tom und Stephan Orgel (die ja hinter dem „Pseudonym“ T. S. Orgel stecken) dagegen überzeugen in ihrem ersten Science-Fiction-Roman durch die richtige Mischung.
In TERRA passt einfach alles: Egal ob schmissige Dialoge, gelungenes Setting, peinlich genauer Fakten-Check, rasante Action, knisternde Spannung oder schwarzer Humor – die Brüder können einfach schreiben!
Selbst die hin und wieder mit leichter Hand dazwischen gestreuten Huldigungen an bekannte Filme und Bücher wirken nicht aufgesetzt, sondern zeugen von Respekt vor den alten Meistern und von echter Liebe zum Genre.
Besondere Erwähnung soll hier auch die Ausstattung des großformatigen Paperbacks finden, dessen dreiseitiger Gelbschnitt dieses wundervolle Knistern beim ersten Öffnen des Buches erzeugt, das Bücherliebhaber so fasziniert. Zudem gibt es ein Personenverzeichnis, ein Glossar und drei Illustrationen, was den Eindruck hervorragender Recherchearbeit nochmals bestätigt.
Mit TERRA ist T. S. Orgel (nach einem halben Dutzend Fantasy-Büchern) ein großartiger Einstieg in die Science Fiction gelungen. Der Roman hat internationales Niveau und gehört zum Besten was 2018 in deutscher Sprache in diesem Bereich veröffentlicht wurde. Trotz prominenter Konkurrenz ein heißer Anwärter auf den nächsten Kurd-Laßwitz-Preis!

Horst Illmer

T. S. Orgel
TERRA. Roman.
München, Heyne, 2018, 510 S.
ISBN 978-3-453-31967-7 / 14,99 Euro
Sal und Jak sind Geschwister und doch so unterschiedlich wie es Geschwister nur sein können. Während Sal in der Hauptstadt des Mondes als „Space Marshal“ Dienst tut, führt Jak das unstete Leben eines privaten Raumfrachter-Piloten, der auch für nicht ganz so legale Aktionen zu haben ist. Als er auf

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