Horsts Bibliothek

Wer könnte besser geeignet sein, über Bücher zu schreiben, als Horst Illmer. Autor des Magazins Phantastisch! Weggefährte meines Vaters und Herausgeber einer Bibliographie über phantastische Literatur.

Die drei Sonnen

von am 16. Januar 2017 Kommentare deaktiviert für Die drei Sonnen

Cixin Liu
DIE DREI SONNEN. Roman.
Aus dem Chinesischen von Martina Hasse
(San Ti / 2006)
München, Heyne, 2017, 591 S.
ISBN 978-3-453-31716-1

Wenn wir – hier auf dem Planeten Erde – auf einer Party ein Glas loslassen, so fällt es unweigerlich zu Boden und hinterlässt eine Sauerei. Immer. Wenn wir morgen früh aufstehen, wird sich mit uns die Sonne erheben und einen neuen Tag beleuchten. Immer. Wenn wir alt genug werden, erleben wir zigtausend Male die immer gleiche Abfolge von Geburt und Tod, Säen und Ernten, Tag und Nacht. Und wir wissen gar nicht, wie glücklich wir uns deshalb schätzen sollten.
Kaum mehr als vier Lichtjahre von unserer Sonne entfernt gibt es das Sternsystem Alpha Centauri, bei dem es sich nach den neuesten Erkenntnissen um ein Drei-Sterne-System handelt, das vermutlich sogar einen Exoplaneten hat. Wie wäre es auf diesem Planeten wohl bestellt mit dem fallenden Glas, dem Aufgehen der Sonne (welcher auch immer) und der Abfolge von Tagen, Monaten oder Jahreszeiten?
Diesen Fragen – unter anderem – widmet sich der Roman DIE DREI SONNEN von Cixin Liu. Liu ist ein chinesischer Science-Fiction-Autor, sein Roman der Auftakt zu einer Trilogie und es geht ihm ein Ruf wie Donnerhall voraus. Immerhin hat er in seiner Heimat den Galaxy Award und in den USA (als erster chinesischer Roman überhaupt) den Hugo Award gewonnen.
Die Geschichte spielt in China und auf dem Planeten Trisolaris. Die Handlung pendelt zwischen den Tagen der Kulturrevolution und Heute (Erde) sowie einer Abfolge von mehr als zweihundert Zivilisationen (Trisolaris) hin und her. Die Protagonisten sind – hier wie dort – Wissenschaftler, Militärs und Politiker, die jedoch – hier wie dort – auch noch ein „normales“ Leben besitzen.
Erzählt wird davon, wie zwischen diesen beiden Welten ein erster Kontakt hergestellt wird und was dieser Erstkontakt für Folgen haben könnte. Nun gibt es in der Science Fiction ja bereits eine ganze Reihe mehr oder weniger gelungener „First Contact“-Geschichten, aber wie Liu dieses Thema angeht, verspricht zu einer äußerst gelungenen Interpretation zu werden. Am Ende von DIE DREI SONNEN wurden den Lesern jedenfalls genug „Brotkrümel“ hingeworfen, damit sie ungeduldig auf ein baldiges Erscheinen der weiteren Bände warten.
Nicht zu Unrecht wirbt Heyne mit einem knallroten „Die Sensation aus China“-Aufkleber für das Buch. Cixin Liu erweist sich als Könner im Aufbau von Handlung und als hervorragender Geschichtenerzähler. Der Heyne Verlag hat den Text direkt aus dem Chinesischen übersetzen lassen und, neben einem Nachwort des Autors, auch einen Anhang beigegeben, in dem dankenswerter Weise einige Aussprachehilfen und kurzgefasste Begriffserklärungen zum Verständnis beitragen – denn manchmal wirkt die chinesische Kultur fremder als die der Trisolarier.

Horst Illmer

Cixin Liu
DIE DREI SONNEN. Roman.
Aus dem Chinesischen von Martina Hasse
(San Ti / 2006)
München, Heyne, 2017, 591 S.
ISBN 978-3-453-31716-1
Wenn wir – hier auf dem Planeten Erde – auf einer Party ein Glas loslassen, so fällt es unweigerlich zu Boden und hinterlässt eine Sauerei. Immer. Wenn wir morgen früh aufstehen, wird sich mit uns die Sonne erheben und einen neuen Tag beleuchten.

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High-Rise

von am 24. Dezember 2016 Kommentare deaktiviert für High-Rise

high-riseJ. G. Ballard
HIGH-RISE. Roman.
Ü: Michael Koseler
(High-Rise / 1975)
Zürich, Diaphanes, 2016, 250 S.
ISBN 978-3-03734-932-8

Der englische Autor J. G. Ballard hat die Form der minimalistischen Katastrophen-Erzählung in vorher ungekannte Höhen geführt. In seinen Geschichten gibt es zumeist nur sehr wenig Handlung und kaum so etwas wie action, dafür erleben seine Figuren die ihnen zugefügten Heimsuchungen, Verletzungen, Plagen, Unfälle, Missgeschicke häufig als faszinierende Abfolge von Ereignissen, die sie nicht nur widerspruchslos hinnehmen, sondern oft auch noch voller Hingabe erwarten.
Nach mehr als dreißig Jahren „in Planung“ (so der Film-Produzent Jeremy Thomas) kam Anfang des Jahres 2016 die Verfilmung des Ballard-Klassikers HIGH-RISE in die Kinos, was nun wiederum der Diaphanes Verlag zum Anlass für eine Neuausgabe des Buches nahm.
In dem seit vielen Jahren vergriffenen near future-Hochhaus-Roman aus dem Jahr 1975 erreicht Ballards Kulturpessimismus ungeheure Ausmaße. Mehr als zweitausend Menschen schließen sich freiwillig in einem 40-stöckigen Betonkomplex ein und beginnen eine sinn- und erbarmungslose Orgie der gegenseitigen Zerstörung, die sämtlichen denkbaren Perversionen Raum zur Entfaltung bietet.
Auf höchstem stilistischem Niveau, und von Michael Koseler hervorragend übersetzt, betrachtet James Graham Ballard seine Mitmenschen wie im Reagenzglas einer chemischen Versuchsanordnung befindlich. Dieser Roman ist erbarmungslos und verstörend und gleichzeitig fesselnd und einzigartig.

Horst Illmer

J. G. Ballard
HIGH-RISE. Roman.
Ü: Michael Koseler
(High-Rise / 1975)
Zürich, Diaphanes, 2016, 250 S.
ISBN 978-3-03734-932-8
Der englische Autor J. G. Ballard hat die Form der minimalistischen Katastrophen-Erzählung in vorher ungekannte Höhen geführt. In seinen Geschichten gibt es zumeist nur sehr wenig Handlung und kaum so etwas wie action, dafür erleben seine Figuren die ihnen zugefügten Heimsuchungen, Verletzungen, Plagen,

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Die Maschine steht still

von am 24. Dezember 2016 1 Kommentar

stehtstillE. M. Forster
DIE MASCHINE STEHT STILL.
Ü: Gregor Runge
(The Machine Stops / 1909)
Hamburg, Hoffman & Campe, 2016, 80 S.
ISBN 978-3-455-40571-2 / 15.00 Euro

Manchmal hilft beten ja doch: Kaum 70 Jahre sind seit der ersten (und bisher einzigen) deutschen Ausgabe vergangen und schon hat Hoffman und Campe unser Flehen erhört und eine – wunderschön gemachte – Einzelausgabe von E. M. Forsters dystopischer Meisternovelle DIE MASCHINE STEHT STILL veröffentlicht.
Auf gerade einmal 80 Seiten (in der sehr guten Übersetzung von Gregor Runge) schreibt der englische Autor Edward Morgan Forster (1879–1970) darüber, wie das Leben von Menschen abläuft, wenn ihnen sofortiger, weltweiter Informationsaustausch, soziale Netzwerke, Videotelefonie, portofreie Lieferung von im Netz bestellten Dingen usw. zur Verfügung stehen. Eigentlich muss niemand mehr vor die Türe seine Wohn-Wabe gehen, wenn das aber doch einmal erforderlich wird, können die Bewohner in Forsters Zukunftswelt auf von autonomen Maschinen gesteuerte Verkehrsmittel zugreifen und innerhalb kürzester Zeit zwischen den unterirdisch angelegten Städten hin und her reisen.
Alles läuft vollautomatisch, gesteuert von der ebenso geheimnisvollen wie allmächtigen „Maschine“, deren mehr als tausendseitige Bedienungsanleitung das Heilige Buch dieser Zivilisation geworden ist. Mit zunehmender Laufzeit schleichen sich jedoch erste Fehler ins Programm ein. Trotz der ständig versprochenen Instandsetzungsabreiten eskaliert die Situation – und so stellt sich die Frage, was passiert, wenn die Maschine einmal komplett stillsteht …?
Ein Schelm, wer Böses dabei denkt – oder gar Parallelen zu diversen Ereignissen der letzten Wochen, Monate und Jahre zieht.
Geschrieben wurde dieser Klassiker übrigens bereits 1909.

Horst Illmer

E. M. Forster
DIE MASCHINE STEHT STILL.
Ü: Gregor Runge
(The Machine Stops / 1909)
Hamburg, Hoffman & Campe, 2016, 80 S.
ISBN 978-3-455-40571-2 / 15.00 Euro
Manchmal hilft beten ja doch: Kaum 70 Jahre sind seit der ersten (und bisher einzigen) deutschen Ausgabe vergangen und schon hat Hoffman und Campe unser Flehen erhört und eine – wunderschön gemachte – Einzelausgabe von E. M. Forsters dystopischer

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Wie man die Unendlichkeit in den Griff bekommt

von am 22. Dezember 2016 Kommentare deaktiviert für Wie man die Unendlichkeit in den Griff bekommt

unendlichkeitJames Tiptree jr.
WIE MAN DIE UNENDLICHKEIT IN DEN GRIFF BEKOMMT.
Briefe, Essays und Lyrik.
Ü: E. Bittner, S. Gmeiner, M. Preissl, B. Schneider, A. Stumpf & M. J. Warnken
Mit Vorworten von Jeffrey D. Smith, Karen Joy Fowler und Julie Phillips
(Letters from Yucatan and Other Points of the Soul / 2000 & Neat Sheets / 1996 & Dear Starbear / 2006)
Wien, Septime Verlag, 2016, 455 S.
ISBN 978-3-902711-42-7

So, die Nase ist geputzt, die Tränen sind getrocknet und der Kloß im Hals ist hinuntergeschluckt – zurück in die wirklich wahre Welt: Tatsächlich hat mich WIE MAN DIE UNENDLICHKEIT IN DEN GRIFF BEKOMMT, das neueste Buch in der James Tiptree Jr.-Werkausgabe des Septime Verlags, weit intensiver mitgenommen als ich mir das von einem Sammelband mit Interviews, Essays, Gedichten und Briefwechseln vorstellen konnte.
Deshalb zuvörderst und völlig ernst gemeint mein Dank an den Verlag, der – und auch das muss herausgestellt werden – uns Tiptree-Lesern mit diesem wundervollen Hardcoverband eigentlich drei Bücher zum Preis von einem überreicht. Denn WIE MAN DIE UNENDLICHKEIT IN DEN GRIFF BEKOMMT besteht aus drei sehr unterschiedlichen Teilen, die im Original auch in drei Büchern erschienen sind.
Den Anfang machen die „Briefe aus Yucatán und anderen Orten der Seele“, eine Zusammenstellung von Texten, die Tiptree überwiegend zur Veröffentlichung in den diversen Fanzines ihres Mega-Fans Jeffrey D. Smith geschrieben hat. Bereits hier merkt man als Leser, wie emotional Tiptree an solche Interviews, Artikel und Reise-Briefe heranging – offenbar war Distanz nicht so ihr Ding. Besonders die „Ent-Tarnung“ ihres Männer-Pseudonyms stürzte Alice Sheldon erkennbar in eine tiefe Krise.
Gleiches gilt für „Lieber Starbear“, den Briefwechsel mit Ursula K. Le Guin. Wohl selten haben zwei Seelen intensiver auf „gleicher Wellenlänge“ korrespondiert, als dies bei „Onkel Tip“ und der „Bärin“ Ursula der Fall war – und selten habe ich bewegendere (literarische) Momente erfahren als in dem „Bekennerbrief“ Tiptree/Sheldons und dem unfassbar empathischen Antwortbrief Le Guins, die den Höhepunkt und Abschluss dieses Buches bilden.
Am wenigsten Anfangen konnte ich mit der Lyrik Sheldons (18 Gedichte aus der Zeit um 1950), die in der kaum 30 Seiten umfassenden Abteilung „Nette Zettel“ enthalten ist. Das mag an meiner Unempfänglichkeit für Poesie liegen, oder daran, dass Alice Sheldon damals einfach noch nicht James Tiptree jr. war. Trotzdem gehören die Gedichte natürlich in diesem Rahmen einer Werkausgabe dazu.
WIE MAN DIE UNENDLICHKEIT IN DEN GRIFF BEKOMMT sollte eigentlich bereits zum 100. Geburtstag Sheldons 2015 erscheinen; was die Verzögerung um über ein Jahr verursacht hat, ist mir nicht bekannt, aber das (mein) Warten hat nun ein Ende – und es hat sich gelohnt!

Horst Illmer

James Tiptree jr.
WIE MAN DIE UNENDLICHKEIT IN DEN GRIFF BEKOMMT.
Briefe, Essays und Lyrik.
Ü: E. Bittner, S. Gmeiner, M. Preissl, B. Schneider, A. Stumpf & M. J. Warnken
Mit Vorworten von Jeffrey D. Smith, Karen Joy Fowler und Julie Phillips
(Letters from Yucatan and Other Points of the Soul / 2000 & Neat Sheets / 1996 & Dear

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Armstrong – Die abenteuerliche Reise einer Maus zum Mond

von am 24. November 2016 Kommentare deaktiviert für Armstrong – Die abenteuerliche Reise einer Maus zum Mond

armstrongTorben Kuhlmann
ARMSTRONG – DIE ABENTEUERLICHE REISE EINER MAUS ZUM MOND.
Zürich, NordSüd, 2016, 128 Seiten
ISBN 978-3-314-10348-3

 

Als Torben Kuhlmann 2012 sein Illustrations- und Kommunikationsdesign-Studium mit dem Bilderbuch LINDBERGH – DIE ABENTEUERLICHE GESCHICHTE EINER FLIEGENDEN MAUS (Erstveröffentlichung 2014 im NordSüd Verlag) abschloss, konnte er noch nicht wissen, dass er damit gleich einen Welterfolg landen würde, der inzwischen in 20 Sprachen erhältlich ist. Nach einem Ausflug in die geheimnisvolle Welt unterhalb der heimischen Grasnarbe (MAULWURFSTADT, 2015), setzt Kuhlmann jetzt die Geschichte der Mäuse-Luftschifffahrt in ARMSTRONG – DIE ABENTEUERLICHE REISE EINER MAUS ZUM MOND fort.
Als Neil Armstrong im Juli 1969 den Mond erreicht, muss er überrascht feststellen, dass er zwar der erste Mensch dort oben ist, jedoch nicht der erste Besucher von der Erde – eine kleine Fahne und winzige Fußspuren weisen den Weg in die richtige Richtung …
Kuhlmanns kontrafaktische Geschichtsschreibung zeigt in wunderschönen, detailverliebten Bildern, mit welch großen Widrigkeiten und Problemen, mit welchen Gefahren und Rückschritten der Weg zum Mond auch für kleinere Intelligenzwesen gepflastert ist – und wie Erfindungsreichtum, Mut und der Glaube an die Wissenschaft aus einer bloßen Möglichkeit eine geschichtsträchtige Tatsache werden lassen.
ARMSTRONG – DIE ABENTEUERLICHE REISE EINER MAUS ZUM MOND ist ein Bilderbuch der ganz besonderen Art. Und wer hätte gedacht, dass Amerika einmal von einer Maus „erobert“ wird, die am Zeichentisch eines deutschen Künstlers entstanden ist.

Horst Illmer

Torben Kuhlmann
ARMSTRONG – DIE ABENTEUERLICHE REISE EINER MAUS ZUM MOND.
Zürich, NordSüd, 2016, 128 Seiten
ISBN 978-3-314-10348-3

 
Als Torben Kuhlmann 2012 sein Illustrations- und Kommunikationsdesign-Studium mit dem Bilderbuch LINDBERGH – DIE ABENTEUERLICHE GESCHICHTE EINER FLIEGENDEN MAUS (Erstveröffentlichung 2014 im NordSüd Verlag) abschloss, konnte er noch nicht wissen, dass er damit gleich einen Welterfolg landen würde, der inzwischen in 20 Sprachen erhältlich ist. Nach

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Die Mauern der Welt hoch

von am 20. November 2016 Kommentare deaktiviert für Die Mauern der Welt hoch

mauernderwelthochJames Tiptree jr.
DIE MAUERN DER WELT HOCH. Roman.
Ü: Bella Wohl
(Up the Walls of the World / 1978)
Wien, Septime Verlag, 2016, 500 S.
ISBN 978-3-902711-46-5

 

Als Kurzgeschichtenautorin hatte Alice Sheldon unter ihren Pseudonymen James Tiptree jr. und Raccoona Sheldon in den Jahren zwischen 1968 und 1977 die Science Fiction ordentlich durcheinander gebracht. Nachdem ihre „Tarnung“ im Jahr 1977 aufgeflogen war, versuchte sie sich 1978 erstmals an einem längeren Text. Das Ergebnis war der SF-Roman UP THE WALLS OF THE WORLD, der 1980 bei Heyne unter dem Titel DIE FEUERSCHNEISE auch auf Deutsch erschien, aber seit vielen Jahren vergriffen war.
Allerdings dauerte es dann bis zum Herbst 2016, bevor der Wiener Septime Verlag das Buch im Rahmen der Tiptree-Werkausgabe unter dem Titel DIE MAUERN DER WELT HOCH in einer Neuübersetzung von Bella Wohl wieder zugänglich machte.
Der Roman erzählt vom Aufeinandertreffen dreier Rassen, den Menschen der Erde, den fliegenden Rochen des Planeten Tyree und DEM ZERSTÖRER (der ähnlich wie Terry Pratchetts TOD nur in Versalien kommuniziert bzw. denkt), einem unfassbar großen und fast allmächtigen Wesen, dessen Wirken sich katastrophal auf alles auswirkt, das in seinen Weg gerät. Auf Tiptree-typische Weise verläuft dieser dreifache Erstkontakt jedoch ziemlich anders, als dies in der Science Fiction sonst üblich ist.
Der Roman ist nicht ganz so stark wie viele der Kurzgeschichten, dafür ist er mit sehr viel Leidenschaft und Optimismus geschrieben – etwas, das heutzutage in der gesamten Literatur viel zu kurz kommt.

Horst Illmer

James Tiptree jr.
DIE MAUERN DER WELT HOCH. Roman.
Ü: Bella Wohl
(Up the Walls of the World / 1978)
Wien, Septime Verlag, 2016, 500 S.
ISBN 978-3-902711-46-5

 
Als Kurzgeschichtenautorin hatte Alice Sheldon unter ihren Pseudonymen James Tiptree jr. und Raccoona Sheldon in den Jahren zwischen 1968 und 1977 die Science Fiction ordentlich durcheinander gebracht. Nachdem ihre „Tarnung“ im Jahr 1977 aufgeflogen war, versuchte sie sich

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Die Medusa Chroniken

von am 16. November 2016 Kommentare deaktiviert für Die Medusa Chroniken

medusachronikenStephen Baxter & Alastair Reynolds
DIE MEDUSA CHRONIKEN. Roman.
Ü: Peter Robert & Eva Malsch
(The Medusa Chronicles / 2016)
München Heyne, 2016, 590 S.
ISBN 978-3-453-31784-0

 

Der Roman DIE MEDUSA CHRONIKEN ist die erste Zusammenarbeit der beiden britischen Science-Fiction-Autoren Stephen Baxter und Alastair Reynolds. Damit haben sie sich gleich eine der denkbar höchsten Messlatten des Genres aufgelegt: die Fortschreibung von Arthur C. Clarkes mit dem Nebula Award prämierter Novelle „Ein Treffen mit Medusa“ aus dem Jahr 1971. (Allerdings hat ja vor allem Stephen Baxter bereits hinlänglich Erfahrung mit Clarke-Texten, da er in dessen letzten Lebensjahren mehrmals mit ihm gemeinsam Romane verfasste.)
DIE MEDUSA CHRONIKEN setzen einige Jahre nach den in der Erzählung beschriebenen Ereignissen ein und berichten über den weiteren Lebensweg von Howard Falcon, der aufgrund diverser Operationen nach einem Unfalls inzwischen fast zu einem Cyborg geworden ist. In seiner langlebigen „Hülle“ erlebt Falcon die Expansion der Menschheit über mehrere Jahrhunderte mit – und immer wieder muss er persönlich alles geben, um seiner Spezies den richtigen Weg zu weisen.
Baxter und Reynolds gehören derzeit zu den besten Autoren im Bereich der sogenannten „harten Science Fiction“ und der Space Opera und was die beiden aus Clarkes Vorlage weiterentwickeln sind 500 Seiten purer Sense of Wonder.
Anders als in den englischsprachigen Ausgaben hatte der Heyne Verlag zudem die gute Idee und bringt im Anhang Arthur C. Clarkes immerhin auch 70 Seiten lange Geschichte – und auch diese ist es immer noch wert (wieder) gelesen zu werden.

Horst Illmer

Stephen Baxter & Alastair Reynolds
DIE MEDUSA CHRONIKEN. Roman.
Ü: Peter Robert & Eva Malsch
(The Medusa Chronicles / 2016)
München Heyne, 2016, 590 S.
ISBN 978-3-453-31784-0

 
Der Roman DIE MEDUSA CHRONIKEN ist die erste Zusammenarbeit der beiden britischen Science-Fiction-Autoren Stephen Baxter und Alastair Reynolds. Damit haben sie sich gleich eine der denkbar höchsten Messlatten des Genres aufgelegt: die Fortschreibung von Arthur C. Clarkes mit dem

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J. G. Ballard – Science Fiction als Paradoxon

von am 5. November 2016 Kommentare deaktiviert für J. G. Ballard – Science Fiction als Paradoxon

ballardHans Frey
J. G. BALLARD – SCIENCE FICTION ALS PARADOXON.
Berlin, Memoranda/Golkonda, 2016, 417 S.
SF Personality Band 25
ISBN 978-3-944720-79-1 / 24,90 Euro

 

Wenn man sich noch an die gehefteten Fotokopien der Anfangsjahre im Fandom zurückerinnern kann, vermag man fast gar nicht zu glauben, welch professionelle und ästhetische Weiterentwicklung die von Hardy Kettlitz entwickelte und herausgegebene Reihe „SF Personality“ in den letzten Jahren genommen hat. Der von Hans Frey verfasste Jubiläumsband 25, betitelt J. G. BALLARD – SCIENCE FICTION ALS PARADOXON, der sich auf mehr als 400 Seiten mit dem außergewöhnlichen Schriftsteller und Großmeister der Short Story beschäftigt, erscheint inzwischen in einem richtigen Verlag, ist als aufwändige Klappenbroschur gestaltet und über jede Buchhandlung zu beziehen.
An James Graham Ballard (1930 – 2009), der praktisch im Alleingang die New Wave „erfunden“ und die englischsprachige Science Fiction mit neuen Ausdrucksformen bereichert und in ungeahnte stilistische Höhen befördert hat, scheiden sich die Geister. Während er für viele Fans ein integraler Bestandteil der SF ist, gibt es Kritiker, die seine Texte für „Anti-SF“ halten.
Auch Hans Frey tendiert in seinem ausführlichen Überblick, in dem er jede einzelne Kurzgeschichte und alle Romane bespricht, dazu, Ballard ein „auf-den-Kopf-stellen“ der Genrekonventionen zu attestieren. Was ihn jedoch nicht davon abhält, die stilistische Brillanz Ballards anzuerkennen und auf das Paradoxe dieser „Bereicherung durch Negierung“ hinzuweisen.
Im Anhang findet man als stimmige Ergänzung ein langes Interview, das Werner Fuchs und Joachim Körber 1982 in Shepperton mit Ballard führten, sowie eine ausführliche Bibliografie und einen Index.
J. G. BALLARD – SCIENCE FICTION ALS PARADOXON ist ein würdiger Jubiläumsband, der sich definitiv mit dem Leben und Werk des britischen Solitärs auseinandersetzt und nach dessen Lektüre keine Fragen und Wünsche mehr offen bleiben.

Horst Illmer

Hans Frey
J. G. BALLARD – SCIENCE FICTION ALS PARADOXON.
Berlin, Memoranda/Golkonda, 2016, 417 S.
SF Personality Band 25
ISBN 978-3-944720-79-1 / 24,90 Euro
 
Wenn man sich noch an die gehefteten Fotokopien der Anfangsjahre im Fandom zurückerinnern kann, vermag man fast gar nicht zu glauben, welch professionelle und ästhetische Weiterentwicklung die von Hardy Kettlitz entwickelte und herausgegebene Reihe „SF Personality“ in den letzten Jahren genommen

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Die Hugo Awards 1985 – 2000

von am 21. Oktober 2016 Kommentare deaktiviert für Die Hugo Awards 1985 – 2000

hugoawardsiiHardy Kettlitz
DIE HUGO AWARDS 1985 – 2000.
Berlin, Memoranda/Golkonda, 2016, 279 Seiten
ISBN 978-3-944720-73-9

 

Mit den HUGOs ist das so eine Sache: Nicht nur, dass Hardy Kettlitz und sein Memoranda Verlag von der begeisterten Aufnahme des ersten DIE HUGO AWARDS-Buches durch die deutschen Leser überrascht wurden, auch die Fans, die in den USA diesen Preis vergeben, machten den HUGO zu einer immer größeren Erfolgsgeschichte. Das Ergebnis ist nun aber, dass der von Kettlitz geplante zweite Band aufgrund der ausufernden Anzahl der Kategorien, in denen der HUGO vergeben wurde, mehr als doppelten Umfang im Vergleich zu Band Eins (der die Jahre von 1953 bis 1984 abhandelt) gehabt hätte. Klugerweise macht Kettlitz nun einen Schnitt im Jahr 2000 und präsentiert im zweiten Buch auf gut gefüllten 279 Seiten die Preisträger der Jahre 1985 bis 2000.
In gewohnter Qualität und Ausführlichkeit werden die Romane, Erzählungen, Filme, Fans et cetera, et cetera vorgestellt, die Besonderheiten der jeweiligen Preisveranstaltungen erläutert und alle interessanten Details minutiös vermerkt. Und wieder einmal erringt der Autor nicht nur mit seinen umfassenden Kenntnissen unseren Respekt, sondern auch durch die wundervolle Bebilderung, die in ihrer Komplettheit beispiellos ist und bleibt.
Auch DIE HUGO AWARDS 1985 – 2000 laden wieder zum stundenlangen, intensiven Schmökern ein, bringen Erinnerungen an lange Vergessenes und gerne Gelesenes zum Vorschein und machen Lust, das (noch) nicht Gekannte zu erforschen. Einfach ein Genuss!

Horst Illmer

Hardy Kettlitz
DIE HUGO AWARDS 1985 – 2000.
Berlin, Memoranda/Golkonda, 2016, 279 Seiten
ISBN 978-3-944720-73-9
 
Mit den HUGOs ist das so eine Sache: Nicht nur, dass Hardy Kettlitz und sein Memoranda Verlag von der begeisterten Aufnahme des ersten DIE HUGO AWARDS-Buches durch die deutschen Leser überrascht wurden, auch die Fans, die in den USA diesen Preis vergeben, machten den HUGO zu

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Das Science Fiction Jahr 2016

von am 16. Oktober 2016 Kommentare deaktiviert für Das Science Fiction Jahr 2016

sciencefictionjahr2016Hannes Riffel & Sascha Mamczak (Hrsg.)
DAS SCIENCE FICTION JAHR 2016.
Berlin, Golkonda, 2016, 670 S.
ISBN 978-3-944720-97-5 / 29,90 Euro

 

Ist das jetzt langweilig oder eine echte Herausforderung? Das einunddreißigste SCIENCE FICTION JAHR zu besprechen, stellt den Unterzeichnenden tatsächlich kurz vor diese Entscheidung – allerdings reicht dann, wie immer in den letzten einunddreißig Jahren, bereits der Blick ins Inhaltsverzeichnis, um die Lage zu klären: Keine Langeweile!
Und die Herausforderung liegt wie jedes Mal nur darin, mit dieser Flut an Informationen fertig zu werden: Der Science-Fiction-Autor und Wissenschaftsjournalist David Brin schreibt über das vergangene, super-erfolgreiche Jahr 2015, als „das beste Weltraum-Jahr aller Zeiten“. Der Literaturwissenschaftler Dr. John Rieder versucht sich an einer neuen, umfassend gültigen Gattungsdefinition der Science Fiction. Der Wiener Datensammler Christian Pree hat eine knapp einhundert Seiten starke Bibliografie der im vergangenen Berichtszeitraum erschienenen SF-Titel erstellt. Elisabeth Bösl hat Dmitry Glukhovsky interviewt. Christian Endres hat sich alle (!) phantastischen TV-Serien für uns angeschaut (Danke). Ralph Sander hat nochmals das STAR TREK-Universum besucht, was sich ebenso dessen 50-jährigem Bestehen verdankt, wie Michael-Lothar Höflers Bericht über den deutschen Widerpart RAUMPATROUILLE.
Und so weiter, et cetera, bis fast ad inifinitum …
Aber wie immer haben wir ja ein ganzes Jahr Zeit, bis zum nächsten, dann zweiunddreißigsten, DAS SCIENCE FICTION JAHR. Auf dessen Erscheinen wir dann ja doch wieder sehnsüchtig warten.

Horst Illmer

Hannes Riffel & Sascha Mamczak (Hrsg.)
DAS SCIENCE FICTION JAHR 2016.
Berlin, Golkonda, 2016, 670 S.
ISBN 978-3-944720-97-5 / 29,90 Euro
 
Ist das jetzt langweilig oder eine echte Herausforderung? Das einunddreißigste SCIENCE FICTION JAHR zu besprechen, stellt den Unterzeichnenden tatsächlich kurz vor diese Entscheidung – allerdings reicht dann, wie immer in den letzten einunddreißig Jahren, bereits der Blick ins Inhaltsverzeichnis, um

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Superhelden

von am 8. Oktober 2016 Kommentare deaktiviert für Superhelden

superheldenDietmar Dath
SUPERHELDEN. 100 SEITEN.
Stuttgart, Reclam, 2016, 101 S.
ISBN 978-3-15-020420-7 / 10,00 Euro

In Anlehnung an einen alten Woody-Allen-Film könnte dieses Buch auch WAS SIE SCHON IMMER ÜBER SUPERHELDEN WISSEN WOLLTEN – ABER BISHER NICHT ZU FRAGEN WAGTEN als Titel haben. Im Stuttgarter Reclam Verlag entschied man sich jedoch für das etwas allgemeinere SUPERHELDEN – 100 SEITEN, was zugleich auf den Umfang wie auf die neue Reihenbezeichnung hinweist.
Der vielseitig gebildete Dietmar Dath, als Schriftsteller und Journalist ein engagierter Hans-Dampf-in- allen-Gassen, übernahm die Aufgabe, innerhalb der neugeschaffenen „jungen, modernen und super-aktuellen“ 100-Seiten-Reihe die amerikanischen Superhelden-Comics so zu erklären, dass die Leser hinterher einen über ihr bisheriges, bruchstückhaftes Halbwissen hinausreichenden Gesamteindruck über eines der interessantesten und spannendsten popkulturellen Genres der Gegenwart besitzen.
Die Methode des umfangreichen Essays, mit der Dath diese Aufgabe angeht, hat vor allem im englischsprachigen Raum eine große Tradition – hierzulande sind (literatur-)wissenschaftliche Abhandlungen, die sich zugleich auch noch unterhaltsam lesen lassen, eher verpönt (und deshalb die Ausnahme). An solchen „Kleinigkeiten“ hat sich Dath jedoch nie gestört, da machen sich seine „Superhelden“-Vorbilder Karl Marx und Harlan Ellison bemerkbar, von denen er das unerschrockene Eintreten für klare Worte und verständliche Sprache gelernt hat.
Wer also eine trockene Nacherzählung eines Wikipedia-Artikels befürchtet hat, darf sich über eine originelle und unorthodoxe Geschichte der Superhelden (und -Schurken) freuen, die von Swamp Thing bis zu Watchmen, von den Jugenderinnerungen des Autors (S. 1) bis zum „Superhelden-Nachwuchs in einem Stuttgarter Kindergarten 2016“ (S. 100), von der Body-Count-Übersicht („Punisher“: 49.000; „Superman“: 1) über die Geschlechterverteilung in den großen Superhelden-Verlagen (jeweils etwa 30 % Frauenanteil) bis hin zur Übersicht, welche Mitglieder die einzelnen Superhelden-Teams gegründet haben, reicht.
Die Schaubilder und einige klug ausgewählte Schwarzweiß-Fotos lockern den Text auf und unterstützen das Geschriebene, in dem Dath nicht nur die Herkunft und Gegenwart der Superhelden erzählt, sondern in einem eigenen Abschnitt auch darauf eingeht, „was sie bedeuten und wohin sie streben“. Die im Anhang beigefügten 11 (in Worten: elf!) „Lektüretipps“ machen klar, dass es Autor und Verlag in SUPERHELDEN nicht darum ging, das „klassische“ Reclam-Heft-Format zu bedienen, sondern die durchaus reichlich vorhandenen Informationen auf geradezu revolutionär-untypische Weise zu vermitteln – und gerade das macht dieses schmale Büchlein so wertvoll und empfehlenswert.

Horst Illmer

Dietmar Dath
SUPERHELDEN. 100 SEITEN.
Stuttgart, Reclam, 2016, 101 S.
ISBN 978-3-15-020420-7 / 10,00 Euro
In Anlehnung an einen alten Woody-Allen-Film könnte dieses Buch auch WAS SIE SCHON IMMER ÜBER SUPERHELDEN WISSEN WOLLTEN – ABER BISHER NICHT ZU FRAGEN WAGTEN als Titel haben. Im Stuttgarter Reclam Verlag entschied man sich jedoch für das etwas allgemeinere SUPERHELDEN – 100 SEITEN, was zugleich

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Schlachthof 5

von am 26. August 2016 Kommentare deaktiviert für Schlachthof 5

Schlachthof5Kurt Vonnegut
SCHLACHTHOF 5 ODER DER KINDERKREUZZUG. Roman.
Aus dem amerikanischen Englisch von Gregor Hens
(Slaughterhouse-Five or The Children’s Crusade / 1969)
Hamburg, Hoffmann und Campe, 2016, 240 S.
ISBN 978-3-455-40555-2 / 24,00 Euro

Es gibt sie, gottseidank, diese Bücher, die mir immer wieder in die Hände fallen und dann sehr eindringlich darauf hinweisen, dass ich sie, gefälligst, doch endlich wieder einmal lesen sollte.
Eines dieser aufdringlichen Dinger ist Kurt Vonneguts Roman SCHLACHTHOF 5.
Vor 46 Jahren erschien das Buch erstmals auf Deutsch, in der Fassung von Kurt Wagenseil (1904 – 1988), dem wir immerhin so legendäre Übersetzungen wie die von George Orwells NEUNZEHNHUNDERTVIERUNDACHTZIG und der Werke Henry Millers verdanken. Es war diese Übersetzung, die Vonnegut in Deutschland zum Durchbruch verhalf und ihn gleich mehreren Lesergenerationen ans Herz wachsen ließ.
Jetzt aber fand man es bei Hoffman und Campe an der Zeit, diesem Doppel-Klassiker (sowohl der Science Fiction wie der Mainstream-Literatur) eine Runderneuerung zu verpassen. So erhielt der Literaturwissenschaftler und Schriftsteller Gregor Hens (* 1965) den Auftrag zu einer neuen, zeitgemäßen Übertragung.
Und ich darf sagen, es hat sich gelohnt.
Hens ist (naturgemäß) durchgängig etwas flotter und moderner unterwegs, er ist etwas näher am Original, etwas pfiffiger bei den Schimpfwörtern und Slangausdrücken, außerdem profitiert er natürlich davon, dass es in den USA inzwischen textkritische Ausgaben von Vonneguts Hauptwerk gibt.
Im direkten Vergleich kann ich sagen, dass SCHLACHTHOF 5 ODER DER KINDERKREUZZUG dieses „Upgrade“ nicht nur gut verkraftet hat, sondern auch einem „Altleser“ wie mir noch das Gefühl einer Neuentdeckung gegeben hat.
Mit dieser Edition ist SCHLACHTHOF 5 für die nächsten Lesergenerationen bereit.

Horst Illmer

Kurt Vonnegut
SCHLACHTHOF 5 ODER DER KINDERKREUZZUG. Roman.
Aus dem amerikanischen Englisch von Gregor Hens
(Slaughterhouse-Five or The Children’s Crusade / 1969)
Hamburg, Hoffmann und Campe, 2016, 240 S.
ISBN 978-3-455-40555-2 / 24,00 Euro
Es gibt sie, gottseidank, diese Bücher, die mir immer wieder in die Hände fallen und dann sehr eindringlich darauf hinweisen, dass ich sie, gefälligst, doch endlich wieder einmal lesen sollte.
Eines dieser

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Leben ohne Ende

von am 10. August 2016 1 Kommentar

Leben ohne EndeGeorge R. Stewart
LEBEN OHNE ENDE. Roman.
Übersetzt von Ernst Sander, neu durchgesehen und überarbeitet von Alexander Martin.
Mit einem Anhang von Uwe Neuhold.
(Earth Abides / 1949)
München, Heyne, 2016, 527 Seiten
ISBN 978-3-453-31436-8

Endlich!
Das lange Warten hat ein Ende. Jetzt kann man (in diesem Fall der Rezensent und der Buchhändler seines Vertrauens) ENDLICH wieder einen der wichtigsten und besten Science-Fiction-Romane aller Zeiten empfehlen, ohne hinzufügen zu müssen: Leider seit langem nicht mehr erhältlich. Der Heyne Verlag hat soeben in seiner Reihe „Meisterwerke der Science-Fiction“ den Roman LEBEN OHNE ENDE von George R. Stewart in einer von Alexander Martin sehr gut überarbeiteten Neuausgabe veröffentlicht.

In einer nicht allzu fernen Zukunft vernichtet eine mysteriöse Seuche den größten Teil der Menschheit. Einige wenige Indivi­duen überleben und müssen sich in den Trümmern der Zivilisation neu einrichten. LEBEN OHNE ENDE erzählt von den Geschicken einer Gruppe, die sich in Kalifornien, in der Ge­gend von San Fran­cis­co, zusammen­fin­det. Während man anfangs noch versucht, die zivilisatorischen und kulturellen Regeln zu be­ach­ten, zeigt sich jedoch bald, dass der bloße Überlebenskampf keine Zeit lässt für soziale und humanistische Ge­fühlsduselei.
Der Protagonist Isherwood Williams, genannt Ish, ein kultivierter junger Student, schlägt sich durch diese schlimme Zeit, findet neue Freunde, zeugt Kinder mit einer der wenigen Mit­über­le­benden und muss mit ansehen, wie die Welt, wie er sie kannte, im Dunkel versinkt.
Nach einem bedauernden Blick auf die Mil­lionen Bände der Universitätsbibliothek, die während eines kalten Winters als Feuerung dienen, übernimmt Ish die Aufgabe, we­nig­stens Rudimente des zivilisatorischen Wis­sens zu bewahren und über das Erzählen von Geschichten und praktische Anleitungen (zum Beispiel wie man Pfeil und Bogen her­stellt) an die Jungen weiter­zu­ge­ben.
Er lebt lange genug, um die ersten Formen einer neuen, natur­ver­bundenen Gesellschaft zu erleben. Ihm selbst bleibt es nicht erspart, von seinen eigenen Leuten zu einem Halbgott erhoben zu werden, der letztlich in der Folk­lore wei­terleben wird. Denn das menschliche Leben entwickelt sich langsam wieder hin zu Religion, Kultur und Zivilisation.
Aus der Vielzahl von Nachkatastrophen-Romanen, die in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg erschienen, ragt George Stewarts Buch vor allem durch seinen ruhigen und klaren Erzählstil heraus. Seine abgeklärte, kompetente Sicht auf den Men­schen in einer solchen Ausnahmesituation, stellt den Roman in eine Reihe mit klassischen Werken wie Jack Lon­dons DIE SCHARLACHPEST und John Wyndhams DIE TRIFFIDS, die bis hin zu modernen Beispielen wie Cormac McCarthys DIE STRASSE oder Margaret Atwoods ORYX UND CRAKE reicht.
In einem ausführlichen Nachwort beschäftigt sich Uwe Neuhold nicht nur mit der genretypischen „Lust an der Apokalypse“, sondern auch mit den Möglichkeiten einer „Superseuche und dem Leben danach“.

Horst Illmer

George R. Stewart
LEBEN OHNE ENDE. Roman.
Übersetzt von Ernst Sander, neu durchgesehen und überarbeitet von Alexander Martin.
Mit einem Anhang von Uwe Neuhold.
(Earth Abides / 1949)
München, Heyne, 2016, 527 Seiten
ISBN 978-3-453-31436-8
Endlich!
Das lange Warten hat ein Ende. Jetzt kann man (in diesem Fall der Rezensent und der Buchhändler seines Vertrauens) ENDLICH wieder einen der wichtigsten und besten Science-Fiction-Romane aller Zeiten empfehlen, ohne

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Science Fiction Hall of Fame

von am 18. Juli 2016 Kommentare deaktiviert für Science Fiction Hall of Fame

SF Hall of FameRobert Silverberg (Hrsg.)
SCIENCE FICTION HALL OF FAME – DIE BESTEN STORYS 1934 – 1948.
Ü: Yoma Cap, u. a., Vorwort: Robert Silverberg
(The Science Fiction Hall of Fame, Volume One, 1929 – 1964 / 1970)
Berlin, Golkonda, 2016, 405 S.
ISBN 978-3-944750-55-5

Die letzten Wochen, und da vor allem die Beschäftigung mit den Story-Bänden von Theodore Sturgeon, haben mich davon überzeugt, dass ich unbedingt stärker auf das Erscheinen von Kurzgeschichtenbänden hinweisen muss, da diese unverzichtbare Basis der Science Fiction leider allzu sehr vernachlässigt wird – auch und gerade von uns Lesern.

Also los, auf geht’s in die ROMAN-BOUTIQUE und dort schauen wir mal in die von Robert Silverberg herausgegebene Anthologie SCIENCE FICTION HALL OF FAME – DIE BESTEN STORYS 1934–1948 (Golkonda, ISBN 978-3-944720-55-5, 400 Seiten, Klappenbroschur).

Enthalten sind, neben Silverbergs Vorwort, zwölf der besten SF-Kurzgeschichten, die jemals geschrieben wurden. (Aus)gewählt wurden die Stories 1969 von den Mitgliedern der Science Fiction Writers of America (SFWA), die damit dem Publikum eine echte „Basis-Bibliothek“ an die Hand geben wollten. Es handelt sich bei dem Golkonda-Band um den ersten Teil der umfangreichen Originalausgabe (der zweite Teil folgt im Herbst 2016), die insgesamt 26 Erzählungen aus den Jahren 1934 bis 1963 enthält.

Mit dabei in diesem ersten Teil ist praktisch alles, was in der Science Fiction Rang und Namen hat (u. a. Isaac Asimov, Fredric Brown, A. E. van Vogt, Stanley G. Weinbaum Clifford D. Simak, Robert A. Heinlein und – natürlich – Theodore Sturgeon) und jede einzelne Geschichte wäre den Erwerb dieses Buches wert. Vorbildliches leistet Golkonda in den Details: Die teilweise bereits vorhandenen Übersetzungen wurden nochmals durchgesehen und sehr viel Mühe steckt auch in den Quellenangaben zu den Erstveröffentlichungen.
Unverzichtbar!

Horst Illmer

Robert Silverberg (Hrsg.)
SCIENCE FICTION HALL OF FAME – DIE BESTEN STORYS 1934 – 1948.
Ü: Yoma Cap, u. a., Vorwort: Robert Silverberg
(The Science Fiction Hall of Fame, Volume One, 1929 – 1964 / 1970)
Berlin, Golkonda, 2016, 405 S.
ISBN 978-3-944750-55-5
Die letzten Wochen, und da vor allem die Beschäftigung mit den Story-Bänden von Theodore Sturgeon, haben mich davon

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Tripods – Die dreibeinigen Herrscher

von am 9. April 2016 1 Kommentar

Tripods Piper

John Christopher
TRIPODS – DIE DREIBEINIGEN HERRSCHER.
Ü: Wolfgang Schaller & Sabine Rahn
(The Tripods / 2003)
Paperback
München Piper, 2016, 736 S.
ISBN 978-3-492-70349-9 / 20.- Euro

Hardcover, illustriert von Timo Wuerz
Ludwigsburg, cross cult, 2016, 800 S.
ISBN 978-3-86425-841-1 / 39.- Euro

Es gibt wohl nur wenige Science-Fiction-Titel, die einen größeren Einfluss auf die jugendlichen Leser der Vor-Harry Potter-Generationen hatten, als die Coming-of-Age-Romane von John Christopher und hier vor allem seine Trilogie um die DREIBIENIGEN MONSTER, die von 1971 an im Würzburger Arena Verlag auch auf Deutsch vorlagen. Dabei verdankt es sich nur einem glücklichen Zufall, dass der englische Schriftsteller Christopher S. Youd (1922 – 2012) nach mehr als dreißig Büchern für Erwachsene zum Jugendbuchautor wurde. Die Anfrage eines Kinderbuchverlags versprach Erholung vom harten Alltag eines freien Schriftstellers und schnelles Geld. So jedenfalls dachte sich Youd (der unter dem Pseudonym John Christopher bereits einige erfolgreiche Science-Fiction-Titel geschrieben hatte) das, bis zu dem Moment, als sein Manuskript mit der Bitte um Überarbeitung zurückgeschickt wurde. Der klugen und mutigen Lektorin verdanken wir es also, dass John Christopher dann die sorgfältig ausgearbeitete Trilogie THE WHITE MOUNTAINS (1967), THE CITY OF GOLD AND LEAD (1967) und THE POOL OF FIRE (1968) schrieb, die ihn zu einem der beliebtesten Jugendbuchautoren Englands machte.
DTripods CrossCultie Geschichte spielt in einer Zukunftswelt, in der die Menschheit seit vielen Jahren von außerirdischen Besatzern beherrscht wird. Die menschliche Zivilisation ist auf die Stufe des Mittelalters zurückgefallen und Widerstand scheint nicht möglich zu sein, da alle Erwachsenen mittels einer technischen Vorrichtung einer Gedankenkontrolle durch die dreibeinigen Herrscher unterliegen. Doch eine kleine Gruppe von Jugendlichen beschließt, in die Wildnis zu fliehen und von dort aus gegen die Besatzer zu kämpfen.
Nachdem die BBC in den 1980er Jahren eine TV-Serie nach Motiven der TRIPODS-Reihe lancierte, schrieb Christopher 1988 mit WHEN THE TRIPODS CAME einen Roman, in dem er in unsere Gegenwart „zurückkehrte“ und die Vorgeschichte der Invasion erzählte. Im Jahr 2006 veröffentlichte Arena erstmals alle vier Romane (DREIBEINIGE MONSTER AUF ERDKURS, DAS GEHEIMNIS DER DREIBEINIGEN MONSTER, DER UNTERGANG DER DREIBEINIGEN MONSTER und DIE ANKUNFT DER DREIBEINIGEN MONSTER) in einem einheitlichen Look.
2016 schlossen sich die Verlage Piper und cross cult zusammen und veröffentlichten die komplette Saga in einem Band unter dem Titel TRIPODS – DIE DREIBEINIGEN HERRSCHER. Bei Piper übernahm man mit einem 730-Seiten-Paperback den Massenmarkt, während cross cult eine auf 1.444 Exemplare limitierte großformatige Hardcover-Edition (mit Schutzumschlag und Lesebändchen!) herausbrachte, die auf 800 Seiten zudem sechzig Illustrationen von Timo Wuerz beinhaltet. Dieser ansonsten wunderschönen Gesamtausgabe fehlt eigentlich nur ein Inhaltsverzeichnis und auch auf die vier Vorworte des Autors zu seinen Romanen hätte man sich einen kleinen Hinweis gönnen dürfen. Ist hiermit nachgeholt.

Horst Illmer

John Christopher
TRIPODS – DIE DREIBEINIGEN HERRSCHER.
Ü: Wolfgang Schaller & Sabine Rahn
(The Tripods / 2003)
Paperback
München Piper, 2016, 736 S.
ISBN 978-3-492-70349-9 / 20.- Euro

Hardcover, illustriert von Timo Wuerz
Ludwigsburg, cross cult, 2016, 800 S.
ISBN 978-3-86425-841-1 / 39.- Euro

Es gibt wohl nur wenige Science-Fiction-Titel, die einen größeren Einfluss auf die jugendlichen Leser der Vor-Harry Potter-Generationen hatten, als die Coming-of-Age-Romane von John Christopher und hier

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Eine Buchhandlung auf Reisen

von am 3. April 2016 Kommentare deaktiviert für Eine Buchhandlung auf Reisen

Eine Buchhandlung auf ReisenChristopher Morley
EINE BUCHHANDLUNG AUF REISEN. Roman.
Ü: Felix Horst
(Parnassus on Wheels / 1917)
Hamburg, Atlantik, 2015, 191 S.
ISBN 978-3-455-60023-0

„Keine Kreatur auf Erde hat das Recht, sich für ein menschliches Wesen zu halten, wenn sie nicht mindestens ein gutes Buch kennt.“ (S. 65)

Vermutlich ist der Traum vom Aussteigen genauso alt wie die menschliche Zivilisation. Wenn man eingebunden ist in einen Alltag, in den Trott des ständig Wiederkehrenden, dann ist es wohl ganz normal, einmal etwas ganz anderes machen zu wollen. Und wenn dieses „Andere“ daherkommt, ganz unverhofft, in Form eines Handlungsreisenden in Büchern, der seinen 1-PS-Bücherwagen verkaufen will, dann muss eine Frau wie Helen McGill einfach zugreifen.
Mehr als fünfzehn Jahre hat sie die Farm ihres Bruders Andrew in Schuss gehalten, mehr als 6000 Laib Brot gebacken, einige zehntausend Eier aus den Gelegen ihrer Hühner genommen und viele einsame Abende allein verbracht, während Andrew, der inzwischen ein erfolgreicher Schriftsteller wurde, sich in der Weltgeschichte rumtrieb. Genug ist einfach genug! Also beschließt sie kurzerhand, ihre Ersparnisse in Roger Mifflins „Parnassus“ zu investieren, einmal ordentlich Urlaub zu machen, mit der Reisbuchhandlung hinter sich und dem guten Pegasus im Geschirr loszufahren und es ihrem Bruder einmal so richtig zu zeigen.
Der 1917 erstmals erschienene Roman von Christopher Morley spielt kurz nach dem Beginn des 20. Jahrhunderts an der Ostküste der Vereinigten Staaten. Viel Arbeit auf den Farmen, wenig Möglichkeiten außerhalb der kirchlichen Veranstaltungen Zerstreuung zu finden, Bibliotheken und Buchhandlungen nur in den größeren Städten, die man in Ermangelung von Automobilen jedoch kaum erreicht – da ist selbst ein Buchverkäufer eine gern gesehene Abwechslung.
Besonders für Frauen bot die damalige Zeit noch kaum Chancen auf etwas Eigenständigkeit. Umso mutiger und liebenswerter erscheint da das Bild, das Morley von seiner Ich-Erzählerin Helen entwirft: Sie ist nicht nur eine tüchtige Hausfrau, sondern auch eine Realistin und Pragmatikerin. Ihre Liebe zur Literatur ist nur rudimentär vorhanden, die Eloquenz mit der Mister Mifflin in allen Bereichen der Weltliteratur brilliert, fehlt ihr – noch – völlig. Aber sie hat einen wachen Geist, ist bereit, etwas Neues auszuprobieren und fühlt sich trotz ihrer vierzig Lebensjahre und einiger Pfund zu viel auf den Hüften immer noch rüstig genug für einen romantischen Ausflug.
Natürlich kann der „Professor“, wie Roger Mifflin von seinen Stammkunden genannt wird, die tapfere Miss McGill nicht ohne eine richtige Einweisung in das Buchhandelsgeschäft losfahren lassen, und so bleibt er für einige Tage als ihr Mentor und Lehrmeister an ihrer Seite. Und innerhalb kürzester Zeit entdeckt Helen nicht nur, dass Bücherverkaufen ein nicht ganz ungefährlicher Beruf ist, sondern auch, dass es mit dem rotgesichtigen, wieselflinken und mutigen Roger Mifflin zusammen doch viel mehr Spaß macht als alleine.
Aus jeder Zeile dieses schmalen Büchleins schimmert die Liebe des Autors zu seinen Figuren, zu den Büchern und zu seiner Heimat hervor, eingerahmt von einer profunden Kenntnis der Literatur und mehr als nur einer Prise Humor. EINE BUCHHANDLUNG AUF REISEN bietet genau das, wovon wir alle mehr oder weniger heimlich träumen: einen kurzweiligen und federleichten Ausstieg aus unserem Alltag.

Horst Illmer

Christopher Morley
EINE BUCHHANDLUNG AUF REISEN. Roman.
Ü: Felix Horst
(Parnassus on Wheels / 1917)
Hamburg, Atlantik, 2015, 191 S.
ISBN 978-3-455-60023-0
„Keine Kreatur auf Erde hat das Recht, sich für ein menschliches Wesen zu halten, wenn sie nicht mindestens ein gutes Buch kennt.“ (S. 65)
Vermutlich ist der Traum vom Aussteigen genauso alt wie die menschliche Zivilisation. Wenn man eingebunden ist in einen Alltag, in den

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Die Mission

von am 17. März 2016 Kommentare deaktiviert für Die Mission

Die MissionAnn Leckie
DIE MISSION. Ein Roman aus der fernen Zukunft.
Ü: Bernhard Kempen
München, Heyne, 2016, 477 S.
ISBN 978-3-453-31693-5

Nachdem die vom ehemaligen Kampf-Raumschiff zur Hilfseinheiten-Androidin »geschrumpfte« Breq ihre Streitigkeiten mit der Radch-Imperiatrix Anaander Mianaai beendet (oder zumindest zurückgestellt) hat, wird sie von dieser mit dem Rang einer Flottenkapitänin und dem Kommando über ein eigenes Schiff belohnt. Da die Kämpfe und Intrigen, in welche die Herrscherin mit einigen ihrer vielen geklonten Selbst verwickelt ist, weiter andauern, fliegt Breq mit ihrer Gnade der Kalr in ein unbedeutendes Randsystem des Radchaai-Imperiums, um dort für die Sicherheit der Schwester ihrer verstorbenen Geliebten zu sorgen. Allerdings entwickeln die Dinge im Athoek-System sich anders als geplant – und am Ende könnte das Schicksal des ganzen Imperiums sich in dieser abseits gelegenen Grenzregion entscheiden …
Ann Leckie schafft es hervorragend, dass DIE MISSION sich wie eine nahtlose Fortsetzung zu ihrem hochgepriesenen Erstling DIE MASCHINEN liest und nicht wie einer jener lieblosen Lückenfüller, die sonst häufig den Mittelteil einer Trilogie bilden. Außerdem gewinnt die Leserin den Eindruck, dass die Autorin sich inzwischen ihres Stils noch sicherer geworden ist. Die durchgängig weibliche Sicht alles Geschehens wirkt konsequent und schlüssig, die Szenen, in denen die Heldin mit einem Volk zusammentrifft, in der Geschlechtszuschreibungen üblich sind, zeigen in humorvoller Weise, welche Unsicherheiten dies bei der eigentlich »überlegenen« Breq hervorruft: Ist die »Schwester« einer Attentäterin nicht doch als ihr »Bruder« zu bezeichnen – und welche Irritationen entstehen dadurch im Bewusstsein der »Unisex«-Soldatinnen, die sich mit dieser Person befassen müssen.
Gerade in Bezug auf die gegenwärtig sehr virulente Diskussion über Geschlechtszugehörigkeiten und (Trans-)Gender-Unsicherheiten stellt Leckies außergewöhnliche ANCILLERY-Trilogie eine sehr eigenständige und entschiedene Meinungsäußerung dar.
Bereits vor Erscheinen des dritten Teils wage ich die Prognose, dass diese Romane später einmal ähnlich weit über den Genre-Tellerrand hinausragen werden wie z. B. William Gibsons NEUROMANCER, dessen Cyberpunk-Terminologie ja inzwischen auch schon im Kollektivbewusstsein verankert ist.

Horst Illmer

Ann Leckie
DIE MISSION. Ein Roman aus der fernen Zukunft.
Ü: Bernhard Kempen
München, Heyne, 2016, 477 S.
ISBN 978-3-453-31693-5
Nachdem die vom ehemaligen Kampf-Raumschiff zur Hilfseinheiten-Androidin »geschrumpfte« Breq ihre Streitigkeiten mit der Radch-Imperiatrix Anaander Mianaai beendet (oder zumindest zurückgestellt) hat, wird sie von dieser mit dem Rang einer Flottenkapitänin und dem Kommando über ein eigenes Schiff belohnt. Da die Kämpfe und Intrigen, in welche

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Amalthea

von am 14. Januar 2016 Kommentare deaktiviert für Amalthea

amaltheaNeal Stephenson
Amalthea. Roman.
Aus dem Englischen von Juliane Gräbener-Müller und Nikolaus Stingl
Mit Illustrationen
(Seveneves / 2015)
München, Manhattan, 2015, 1056 Seiten
ISBN 978-3-442-54762-3

Was wird die Menschheit tun, wenn in einigen Wochen, Monaten oder Jahren der Mond ohne erkennbaren Grund auseinanderbricht? Und was werden die Nachkommen, so es denn welche gibt, in 5000 Jahren noch von ihren Vorfahren wissen (wollen)? Hört sich spannend an, und wer, wenn nicht Neal Stephenson könnte diese Geschichte auf eine Weise erzählen, die gleichermaßen objektiv stimmig ist und unter die Haut geht?! AMALTHEA zeigt den US-amerikanischen Autor auf dem Zenit seiner Fabulierkunst und das von ihm diesmal gewählte Thema wird jeden, der bereit ist, sich auf Stephensons Erzählung einzulassen, bis ins Mark erschüttern.

AMALTHEA startet mit einem Paukenschlag: „Der Mond explodierte ohne Vorwarnung und ohne erkennbaren Grund. Er war im Zunehmen, zum Vollmond fehlte nur ein Tag. Später würde man [die Zeit] als A+0.0.0 oder schlicht Null bezeichnen.“ (S.9) Wobei „Explosion“ für das Zerbrechen unseres Trabanten in sieben große und eine Vielzahl kleinerer Brocken, die weiterhin auf der Mondbahn um die Erde ziehen, erst einmal ein fast zu starkes Wort ist. Allerdings wird bald klar, dass die Naturgesetze (Gravitation) und die Mathematik (Statistik) nicht wirklich auf Seiten des Homo sapiens stehen. Es bedarf schon eines – wirklich gewaltigen – Planes, um dem Versuch einer Rettung wenigstens einer kleinen Zahl von Menschen auch nur eine geringe Wahrscheinlichkeit zu verleihen. Etwa zwei Drittel des Buches widmet sich Stephenson der Entwicklung und Ausführung dieses Masterplans – und er beschreibt das Geschehen in diesen wenigen, aber alles entscheidenden Jahren so intensiv, dass man selbst als astronomischer Laie und naturwissenschaftlich eher unterinformierter Normalsterblicher plötzlich mit Begriffen wie „Delta V“, „Mikrogravitation“ oder „Perihel“ vertraut ist. Zugleich fiebert man förmlich mit, wenn wieder eine überraschende Wendung eintritt, ein Manöver schief geht, eine schon aufgegebene Hoffnung sich doch noch erfüllt. Am Ende sind es dann die – für die Originalausgabe titelgebenden – sieben Evas, also sieben Frauen im gebärfähigen Alter, die über die Zukunft der Menschheit entscheiden.

Es spricht schon sehr für den Mut und das Selbstbewusstsein Neal Stephensons, dass er an dieser Stelle den Roman nicht abbricht, sondern einen 5000-Jahre-Sprung wagt und weiter erzählt, wie sich diese Entscheidungen der Urmütter auswirkten, was ihre Nachkommen aus dem Wenigen machten, das über die Zeit gerettet werden konnte. Und es spricht fast noch mehr für den Autor, dass er sich daran macht, eine Utopie zu entwerfen, eine – trotz aller dem Menschen anhaftenden Schwächen – positive Wendung herbeizusehnen und sich ihre Grundlagen vorzustellen.
Die Visionen, die Stephenson im Schlussteil seiner Erzählung vor unser inneres Auge zu holen versteht, gehören zu den großartigsten und eindrücklichsten in der nunmehr auch schon zweihundert Jahre alten Geschichte der Science-Fiction-Literatur.

Ein Wort noch zur Aufmachung: AMALTHEA bietet auf den ersten Blick das für Stephenson-Bücher gewohnte Großformat, ein Hardcover mit Schutzumschlag und Lesebändchen, und ist 1056 Seiten stark. Zur besseren Orientierung findet man auf den Vorsätzen zwei Riss-Zeichnungen (was an die PERRY RHODAN-Silberbände erinnert), mit denen die technischen Beschreibungen diverser Raumfahrzeuge aus dem Buch ergänzt werden, zudem gibt es nach Seite 704 noch eine Farbtafel, welche die Abstammung und Aufteilung der zukünftigen Menschheit übersichtlich macht. (Leider wurde hier bei der Bildlegende gepfuscht, weshalb die Zuordnung der Völker zu den Farben der Habitate zu zwei Dritteln nicht stimmt. Hoffen wir auf einen Errata-Zettel des Verlags und eine Korrektur bei der nächsten Auflage. Hier schon mal vorab inoffizielles Blatt von mir. Berichtigung zu Stephenson Amalthea Ringbild)

Man sollte ja vorsichtig sein mit solchen Zuschreibungen, aber in diesem Fall wage ich es doch, mich soweit vorzuwagen: Dieses Buch gehört in jede Science-Fiction-Sammlung – es hat das Potenzial zum Klassiker!

Horst Illmer

Neal Stephenson
Amalthea. Roman.
Aus dem Englischen von Juliane Gräbener-Müller und Nikolaus Stingl
Mit Illustrationen
(Seveneves / 2015)
München, Manhattan, 2015, 1056 Seiten
ISBN 978-3-442-54762-3
Was wird die Menschheit tun, wenn in einigen Wochen, Monaten oder Jahren der Mond ohne erkennbaren Grund auseinanderbricht? Und was werden die Nachkommen, so es denn welche gibt, in 5000 Jahren noch von ihren Vorfahren wissen (wollen)? Hört sich spannend an, und

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Dunkle Stadt Bohane

von am 30. Dezember 2015 Kommentare deaktiviert für Dunkle Stadt Bohane

BohaneKevin Barry
DUNKLE STADT BOHANE. Roman.
Ü & Nachbemerkung: Bernhard Robben; Nachwort des Autors
(City of Bohane / 2011)
Stuttgart, Tropen, 2015, 304 S.
ISBN 978-3-608-50145-2

Es ist eine ausgesprochene Männerwelt, dieses Bohane, das eine geteilte, zersplitterte Stadt irgendwie am Ende der Welt ist, einer Welt, die sich um die internen Machtspiele und uralten Zwiste der urbanen Clans und Gangs ebensowenig schert wie um die Korruption der Kommunalpolitiker oder die Riten und Bräuche der Ödlandbewohner, die zwischen Sumpf und Meer ihr Dasein fristen. Und doch dreht sich alles um die Frauen. Egal ob der Anführer der Hartnett-Fancy-Gang täglich bei seiner Mutter vorspricht und deren Rat einholt, oder ob der ins Exil vertriebene Ex-Boss Gant Broderick nur noch einmal seine ehemalige Flamme wiedersehen will – und vor allem egal, wer von den Burschen glaubt, er sei der Kronprinz und der natürliche Nachfolger in der langen Reihe der Könige der Unterwelt –, es ist immer eine Missus, eine Lady oder ein Girl, das den Burschen zeigt, wo’s langgeht.

Kevin Barry erzählt von einem der Wendepunkte in der Geschichte der dunklen Stadt Bohane, von einer Schicksalsvolte wie es sie immer gab und immer wieder geben wird, vom Wechsel der Generationen, der Geschlechter, der Anführer und ihrer Gefolgschaft. Dabei bleibt er nahe bei seinen Protagonisten, bringt ihre Motive, Gefühle und Ansichten glaubwürdig und wortmächtig zum Klingen und spielt ein so souveränes Spiel mit der Sprache (wie man sie in der Gosse, unter Ganoven, in Kneipen und Hurenhäusern, bei Stadtratssitzungen oder im trauten Heim spricht) wie es nur selten einem Gegenwartsautor noch gelingt.

Doch ach, Mister Barry, Sie sind ein Schlawiner, ein Hallodri, ein Lumpazi!

Na, ist doch wahr! Da macht man sich als Rezensent über dreihundert Seiten hinweg begeistert Notizen, freut sich über spontane Einfälle und knackige Formulierungen, mit denen man das soeben Gelesene kritisch-reflektierend in Form einer Buchbesprechung als Leseempfehlung an die nach guten Büchern Hungernden weiterreichen möchte – und dann das: Nach dem Ende des wirklich lesenswerten Romans über die Herrschafts- und Machtstrukturen einer irischen Stadt in der Mitte des 21. Jahrhunderts, kann sich der Autor nicht bremsen und liefert in einem Nachwort gleichzeitig eine Lobeshymne und viele erhellende Erklärungen zu seinem eigenen Text ab und nimmt damit dem Rezensenten praktisch jede Möglichkeit noch irgendwie originell zu erscheinen.
Grummel, knurr, maul ….

Deshalb an dieser Stelle also nur noch die dringende Empfehlung an alle Freunde des guten Buches: Lest DUNKLE STADT BOHANE und geniest den großartigen, stilistisch einzigartigen Roman eines jungen irischen Autors – aber denkt gut darüber nach, ob ihr angesichts dieser treffsicheren und überzeugenden Besprechung tatsächlich noch ein Nachwort und eine Nachbemerkung des Übersetzers benötigt.

Horst Illmer

Kevin Barry
DUNKLE STADT BOHANE. Roman.
Ü & Nachbemerkung: Bernhard Robben; Nachwort des Autors
(City of Bohane / 2011)
Stuttgart, Tropen, 2015, 304 S.
ISBN 978-3-608-50145-2
Es ist eine ausgesprochene Männerwelt, dieses Bohane, das eine geteilte, zersplitterte Stadt irgendwie am Ende der Welt ist, einer Welt, die sich um die internen Machtspiele und uralten Zwiste der urbanen Clans und Gangs ebensowenig schert wie um die Korruption

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Der kleine Prinz

von am 20. Dezember 2015 Kommentare deaktiviert für Der kleine Prinz

PrinzAntoine de Saint-Exupéry
DER KLEINE PRINZ.
(Le Petit Prince / 1946)
Übersetzt von Peter Sloterdijk
Illustriert von Nicolas Mahler
Berlin, Insel Verlag, 2015, 107 S.
Insel-Bücherei Band 2017, Fester Einband
ISBN 978-3-458-20017-8

Es war vermutlich die wichtigste Entscheidung, die der Verleger Karl Rauch jemals getroffen hat, als er 1950 den Vertrag für die deutsche Ausgabe des französischen Kinderbuchs LE PETIT PRINCE unterzeichnete. Geschrieben hatte das 1946 posthum veröffentlichte Trostbüchlein der Flugpionier Antoine de Saint Exupéry (1900 – 1944) im New Yorker Exil für einen im besetzten Frankreich zurückgebliebenen Freund. Die deutsche Ausgabe die unter dem Titel DER KLEINE PRINZ in der Übersetzung von Grete und Josef Leitgeb erschien, wurde, ähnlich wie überall sonst auf der Welt, ein gleichermaßen Long- wie Bestseller. Bis zum Jahr 2000 verkaufte man alleine hierzulande mehr als sieben Millionen Exemplare.
Damit gehört die – vom Autor auch noch liebevoll illustrierte – Geschichte um den kleinen blonden Jungen vom Asteroiden B 612, der auf der Suche nach Antworten durchs Weltall zieht, inzwischen zum Allgemeingut, ist ins kollektive Gedächtnis eingegangen, und einzelne Sätze daraus wurden zu geflügelten Worten.

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Antoine de Saint-Exupéry
DER KLEINE PRINZ.
(Le Petit Prince / 1946)
Übersetzt von Peter Sloterdijk
Illustriert von Nicolas Mahler
Berlin, Insel Verlag, 2015, 107 S.
Insel-Bücherei Band 2017, Fester Einband
ISBN 978-3-458-20017-8
Es war vermutlich die wichtigste Entscheidung, die der Verleger Karl Rauch jemals getroffen hat, als er 1950 den Vertrag für die deutsche Ausgabe des französischen Kinderbuchs LE PETIT PRINCE

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Das Haus der vergessenen Bücher

von am 18. Dezember 2015 Kommentare deaktiviert für Das Haus der vergessenen Bücher

HausChristopher Morley
DAS HAUS DER VERGESSENEN BÜCHER. Roman.
Aus dem Amerikanischen von Renate Orth-Guttmann
(The Haunted Bookshop / 1919)
Hamburg, Atlantik bei Hoffmann & Campe, 2014, 255 S.
ISBN 978-3-455-60012-4

Wie in jeder gut geführten Bibliothek gibt es auch in meiner Sammlung verschiedene Abteilungen und Unter-Sparten, in die frisch eingehende Bücher einsortiert werden. Je kleiner eine solche Unterabteilung ist, desto wertvoller sind normalerweise die darin eingestellten Werke. Wobei sich „wertvoll“ nicht nur nach dem Alter oder Preis bemisst, sondern auch im Sinne von „besonders gut“ oder „hervorragend durch Inhalt und/oder Stil“ gemeint sein kann.
Was uns nun endlich zu jenem Buch führt, das hier vorgestellt werden soll: Es handelt sich um ein etwas aus der Zeit gefallenes Stück Literatur, ist THE HAUNTED BOOKSHOP doch bereits 1919 in den Vereinigten Staaten erschienen und sein Autor Christopher Morley (1890 – 1957) auch schon länger tot als ich diesen Planeten bewohne. Umso erstaunlicher also, dass jemand im Verlag Hoffmann & Campe (der für die Atlantik-Bücher verantwortlich zeichnet) der Meinung war, diesen Roman 2014 erstmals dem deutschen Publikum präsentieren zu wollen. (Noch mehr verwundert dies, wenn man herausgefunden hat, dass es sich um den zweiten Band einer bereits 1917 begonnenen Folge von Geschichten handelt.)
Im Großen und Ganzen geht es in DAS HAUS DER VERGESSENEN BÜCHER jedoch um ein Sujet, das als „zeitlos“ gelten kann, nämlich die Liebe zu Büchern.
Roger Mifflin ist, gemeinsam mit seiner Gattin Helen, Inhaber der Buchhandlung Parnassus in Brooklyn. Es handelt sich dabei um ein Antiquariat und wenn der Buchhändler von einem seiner Prachtstücke besonders angetan ist, so kann es durchaus passieren, dass er dessen Verkauf schlichtweg verweigert. Trotzdem fühlt man sich schon beim ersten Betreten des Ladens heimisch, gleich nachdem man an dem Schild vorbeigekommen ist, auf dem die „Warnung“ steht:

IN DIESEM GESCHÄFT SPUKT ES

und man eintaucht in den gedämpften Schein der spärlichen Beleuchtung und den unvergleichlichen Geruch, der von alten Büchern, Pfeifentabak und Staub ausgeht.
Wenngleich der jugendlich-dynamische Werbefachmann Aubrey Gilbert bei seinem ersten Besuch noch leise Zweifel hegt, erfährt er hier doch innerhalb weniger Tage soviel merkwürdige Dinge und „Verzauberung“, dass er fast schon bereit ist, an Spuk und Gespenster zu glauben. Daran nicht ganz unschuldig sind ein altes Buch, das immer wieder verschwindet und unerwartet irgendwo auftaucht – und die strahlend blauen Augen des Lehrmädchens Titania Chapman.
Am Ende dieser wundervoll leichten Komödie (wenngleich zwischendurch auch mal Spione und Attentäter zum Tanz antreten) steht natürlich ein großes HAPPY END, zuvor aber versteht es Morley auf unvergleichliche Weise, seine Leser mit den Freuden und Leiden eines bücherversessenen Antiquars vertraut zu machen – nicht ohne dabei ununterbrochen aus all seinen Lieblingsbüchern zu zitieren und uns Appetit zu machen, auf so manches bisher unbekannte oder übersehene Werk.
Für meine Abteilung mit Büchern über Bücher und Buchhändler reicht ein sehr kleines Regal. DAS HAUS DER VERGESSENEN BÜCHER aber hat seinen Platz darauf gefunden.

Horst Illmer

Christopher Morley
DAS HAUS DER VERGESSENEN BÜCHER. Roman.
Aus dem Amerikanischen von Renate Orth-Guttmann
(The Haunted Bookshop / 1919)
Hamburg, Atlantik bei Hoffmann & Campe, 2014, 255 S.
ISBN 978-3-455-60012-4
Wie in jeder gut geführten Bibliothek gibt es auch in meiner Sammlung verschiedene Abteilungen und Unter-Sparten, in die frisch eingehende Bücher einsortiert werden. Je kleiner eine solche Unterabteilung ist, desto wertvoller sind normalerweise die darin eingestellten

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Drohnenland

von am 7. Dezember 2015 Kommentare deaktiviert für Drohnenland

DrohnenlandTom Hillenbrand
DROHNENLAND. Kriminalroman.
Köln, Kiepenheuer & Witsch, 2014, 425 S.
KiWi-Taschenbuch
ISBN 978-3-462-04662-5

Manche Bücher passen in ihre Zeit wie die Faust aufs Auge. Der als Kriminalroman „getarnte“ Near-Future-Thriller DROHNENLAND des deutschen Bestseller-Autors Tom Hillenbrand ist so ein Buch. Obwohl bereits im Frühsommer 2014 erschienen, beschäftigt es sich mit den immer noch aktuellen „Aufregern“ Vorratsdatenspeicherung, Cyberkriminalität, überstaatliche Zusammenarbeit der Polizei innerhalb der Europäische Union und Drohnenkriegsführung.

Der1972 geborene Hillenbrand war Ressortleiter bei SPIEGEL ONLINE, wurde jedoch durch eine Reihe kulinarischer Krimis bekannt, die sich großer Beliebtheit erfreuen. Offenbar überkam ihn dann jedoch eine Vision, wie ein Kapitalverbrechen in einigen Jahren von den dann europäisch organisierten und geführten Polizeibehörden untersucht und behandelt wird. Wie dabei die heute schon erkennbaren Überwachungsstrukturen praktisch ins Unendliche ausgeweitet wurden, wie virtuelle Welten den klassischen Tatort-Besuch ersetzen – und wie Verdächtige sich in digitalen Parallelwelten verstecken, ist eigentlich ein klassisches Science-Fiction-Thema.

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Tom Hillenbrand
DROHNENLAND. Kriminalroman.
Köln, Kiepenheuer & Witsch, 2014, 425 S.
KiWi-Taschenbuch
ISBN 978-3-462-04662-5
Manche Bücher passen in ihre Zeit wie die Faust aufs Auge. Der als Kriminalroman „getarnte“ Near-Future-Thriller DROHNENLAND des deutschen Bestseller-Autors Tom Hillenbrand ist so ein Buch. Obwohl bereits im Frühsommer 2014 erschienen, beschäftigt es sich mit den immer noch aktuellen „Aufregern“ Vorratsdatenspeicherung, Cyberkriminalität, überstaatliche Zusammenarbeit der Polizei

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Das Science Fiction Jahr 2015

von am 27. Oktober 2015 Kommentare deaktiviert für Das Science Fiction Jahr 2015

SFJahrHannes Riffel & Sascha Mamczak (Hrsg.)
DAS SCIENCE FICTION JAHR 2015
Berlin, Golkonda, 2015, 650 S.
ISBN 978-3-944720-48-7
Klappenbroschur

Seien wir doch mal ehrlich: Ein wenig mehr als in den vergangenen Jahren haben wir schon gezweifelt, ob auch 2015 ein SF-JAHR erscheinen würde. Schließlich räumten die fleißigen und mutigen Herausgeber und Mitarbeiter von Golkonda aber alle Zweifel aus dem Weg und Ende September kamen die Bücher aus der Druckerei und in die Verkaufsregale.
Bereits der erste Eindruck konnte überzeugen; durch das größere Format der bei Golkonda üblichen Klappenbroschur wirkt das Jahrbuch etwas schlanker als die zuletzt bei Heyne üblichen „Backsteine“, und es liegt auch besser in der Hand. Ein Blick ins Inhaltsverzeichnis zeigte, was die spätere Lektüre bestätigte: Es fehlt nichts! Nahtlos, „wie beim Staffellauf“, wurde der „Stab“ übergeben. Als Herausgeber firmieren Hannes Riffel und Sascha Mamczak, die Redaktion blieb Größtenteils bei der Stange und einige kleine Änderungen, dienen durchgängig der besseren Lesbarkeit und der Konzentration auf das Wesentliche.
Dieses Wesentliche ist die Übersicht über die Bücher, Comics, Spiele, Filme und Hörbücher mit Genrebezug, die im letzten Jahr erschienen sind. Das wurde mit gewohnter Bravour gemeistert. Zwischen die einzelnen Blöcke wurden Artikel, Essays und Interviews gesetzt, die Einzelaspekte und Besonderheiten in den Fokus nahmen.
Allem voran natürlich die unabdingbare Verneigung vor dem Gründervater: Über 70 Seiten mit Nachrufen und Erinnerungen an Wolfgang Jeschke, niedergeschrieben von Kollegen, Freunden, Weggefährten und Bewunderern.
Danach folgen unter anderem ein Beitrag von Ken Liu über „Chinesische SF“, ein Interview mit MARSIANER-Autor Andy Weir, Dietmar Dath schreibt über Greg Egan und Michael K. Iwoleit über deutschsprachige Science-Fiction-Kurzgeschichten, von Kameron Hurley gibt es die großartige Streitschrift „Wir kämpfen seit jeher“, die 2014 mit einem HUGO Award belohnt wurde, Hardy Kettlitz und Bartholomäus Figatowski beschäftigen sich mit Aspekten der Science-Fiction-Frühzeit, während Christian Endres (Film) und Uwe Neuhold (Technik) die Zukunft fest im Blick haben.
Gelungener Abschluss ist die Bibliografie, für die der Österreicher Christian Pree gewonnen werden konnte. Verzeichnet sind auf gut fünfzig Seiten die deutschsprachigen Science-Fiction-Publikationen des Jahres 2014 aus (fast) allen Verlagen und in (fast) allen Erscheinungsformen, aus Platzgründen allerdings ohne bei Erzählungsbänden die einzelnen Stories aufzulisten.
So, und wenn es jetzt noch gelingt, gedanklich das Präfix „Heyne“ vom Haupttitel DAS SCIENCE FICTION JAHR zu lösen, kann man dem Golkonda Verlag (und sich selbst als SF-Fan) eigentlich nur zur dreißigsten Ausgabe dieses immer noch einzigartigen Jahrbuchs gratulieren.

Horst Illmer

Hannes Riffel & Sascha Mamczak (Hrsg.)
DAS SCIENCE FICTION JAHR 2015
Berlin, Golkonda, 2015, 650 S.
ISBN 978-3-944720-48-7
Klappenbroschur
Seien wir doch mal ehrlich: Ein wenig mehr als in den vergangenen Jahren haben wir schon gezweifelt, ob auch 2015 ein SF-JAHR erscheinen würde. Schließlich räumten die fleißigen und mutigen Herausgeber und Mitarbeiter von Golkonda aber alle Zweifel aus dem Weg und Ende September kamen

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Die letzten und die ersten Menschen

von am 7. Oktober 2015 Kommentare deaktiviert für Die letzten und die ersten Menschen

letztenerstenMenschenOlaf Stapledon
DIE LETZTEN UND DIE ERSTEN MENSCHEN. Roman.
Aus dem Englischen von Kurt Spangenberg.
Mit einem Vorwort des Autors und einem Nachwort von Klaus N. Frick
(LAST AND FIRST MEN / 1930)
München Berlin Zürich, Piper, 2015, 464 S.

Über fünfzig Jahre mussten vergehen, bevor 1983 endlich die erste deutsche Ausgabe von Olaf Stapledons 1930 im englischen Original erschienenem Meisterwerk LAST AND FIRST MEN veröffentlicht wurde, das sich damals bereits zu einem der größten Klassiker der Science-Fiction-Literatur entwickelt hatte. Nun sind seither auch schon wieder mehr als drei Jahrzehnte vergangen, bis der Piper Verlag sich entschloss, seine neue Reihe „Piper Science Fiction“ mit diesem Meilenstein zu eröffnen.

Die überarbeitete Neuausgabe von Kurt Spangenbergs hervorragender Übersetzung enthält ein gleichermaßen lobendes wie geistreich-kritisches Nachwort von PERRY RHODAN-Chefredakteur Klaus N. Frick und bietet sich als Hardcover mit Folienumschlag und Lesebändchen nicht nur zum Lesen, sondern gleichzeitig auch noch als wundervolles Sammlerstück dar. Ob es sich allerdings lohnt, im Jahr 2015 DIE LETZTEN UND DIE ERSTEN MENSCHEN zu lesen, hängt viel davon ab, wie weit man als Leser bereit ist, sich auf einen selbst in der Science Fiction einzigartig weitgefassten Weltentwurf einzulassen.

Kurz vor dem Eintritt einer kosmischen Katastrophe erzählt ein „Mensch“ aus einer viele Millionen Jahre entfernten Zukunft die Geschichte der menschlichen Spezies seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts. In achtzehn Stufen erfolgt diese Entwicklung, und es geht keineswegs kontinuierlich voran. Immer wieder erweisen sich einzelne dieser Entwicklungslinien als Sackgassen, doch niemals, bis in die Zeit des „letztgeborenen“ Berichterstatters hinein, hält die Evolution inne auf ihrem Weg, das Leben zu verbreiten. Gute und schlechte Zeiten, körperliche Entwicklung und moralischer Verfall, ungeahnte geistige Höhen und schließlich die Lösung des Geistes vom Soma bieten sich dem staunenden Betrachter dar – und eine von der Liebe zum Leben geprägte Erkenntnis der letztendlichen Sterblichkeit durchzieht das Buch.
Olaf Stapledon wollte mit DIE LETZTEN UND DIE ERSTEN MENSCHEN einen Mythos erschaffen, der die Menschheit in ihrer kosmischen Bestimmung zeigt. Er wollte unseren Geist aufnahmebereit sehen, wollte zum Nachdenken anregen, wollte die Freiräume schaffen, in denen neue moralische Erkenntnisse entstehen können.
Einer der Vorzüge seines Romans ist es, dass Stapledon nicht mittels einzelner Schlagwörter statische Utopien vorführt, sondern Veränderungen konkret und in ihrer vielfältigen Komplexität, jedoch immer gewürzt mit Ironie und Anekdoten, anschaulich darzustellen vermag.
Als nachgerade genial erweist sich sein am Ende des Buches auftauchende Gedanke, die Geschichte könnte eine Symphonie sein, in der bestimmte Themen in Variationen immer wieder durchgespielt werden, wobei diese Wiederholungen womöglich eine Spiralstruktur besitzen. Daran schließt sich logisch die Idee an, Zukunft und Vergangenheit könnten einander behilflich sein. Und so verschränken sich die Kadenzen, und es tritt eine Selbstreferenz ein, die schon uns Heutigen eine Verantwortung für alles spätere Geschehen zuweist. Die mythische Leistung des Buches besteht in diesem Hinfällig werden der Unterscheidung zwischen Fiktion und Realität.

Es gibt Bücher, die mit ihrem Erscheinen eine Literaturgattung (oder zumindest ein Kapitel der jeweiligen Gattungsgeschichte) letztgültig behandeln, sodass ein Darüber hinaus gehen, ein Weiterschreiben durch andere Autoren schlicht nicht vorstellbar ist. Bis zum Beweis des Gegenteils stellt Olaf Stapledons Betrachtung der menschlichen Zukunft ein solches Werk dar.

Horst Illmer

Olaf Stapledon
DIE LETZTEN UND DIE ERSTEN MENSCHEN. Roman.
Aus dem Englischen von Kurt Spangenberg.
Mit einem Vorwort des Autors und einem Nachwort von Klaus N. Frick
(LAST AND FIRST MEN / 1930)
München Berlin Zürich, Piper, 2015, 464 S.
Über fünfzig Jahre mussten vergehen, bevor 1983 endlich die erste deutsche Ausgabe von Olaf Stapledons 1930 im englischen Original erschienenem Meisterwerk LAST AND FIRST MEN veröffentlicht

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Finderlohn

von am 2. Oktober 2015 Kommentare deaktiviert für Finderlohn

KingStephen King
FINDERLOHN. Roman.
Aus dem Amerikanischen von Bernhard Kleinschmidt
(OT: Finders Keepers / 2015)
München, Heyne, 2015, 541 S.
ISBN 978-3-453-27009-1

FINDERLOHN beginnt mit einem Mord aus Leidenschaft, aus Leidenschaft für Jimmy Gold, den Anti-Helden einer höchst erfolgreichen Roman-Trilogie, den sein Autor John Rothstein schon vor Jahrzehnten ad acta gelegt hat. Noch schlimmer: Rothstein hat Jimmy Gold zu einem amerikanischen Durchschnittsspießer gemacht, was ihm sein größter Fan, der Kleinkriminelle Morris Bellamy, nie verziehen hat. Bei einem Einbruch in Rothsteins Haus erbeutet Bellamy über 100 Notizbücher, doch bevor er dazu kommt, sie zu lesen, wird er wegen eines ganz anderen Verbrechens verhaftet und zu lebenslanger Haft verurteilt.
Als er 35 Jahre später schließlich auf Bewährung freikommt, will er nur noch die damals gut versteckten Notizbücher holen und endlich erfahren, was Rothstein in seinen letzten Lebensjahren aufgeschrieben hat. Doch inzwischen hat ein anderer diesen Schatz entdeckt – und obwohl Peter Saubers erst Siebzehn ist und noch zur Schule geht, ist er von Rothstein und Jimmy Gold mindestens genauso fasziniert wie Morris Bellamy. Es beginnt ein Kampf um die Manuskripte, der mit ungleichen Mitteln geführt wird – und bei dem es sehr schnell um Leben und Tod geht …

FINDERLOHN ist als Mittelband einer Trilogie angelegt, zeigt jedoch keine der Schwächen, die solche „Zwischenstücke“ sonst an sich zu haben pflegen. Geschickt vermeidet Stephen King es, dass man sich einfach in einem weiteren Kapitel aus MR MERCEDES wähnt, indem er FINDERLOHN im ersten Drittel mit einem komplett neuen Personal ausstattet. Der Ex-Polizist Bill Hodges, dem die Trilogie ihren Namen verdankt, tritt erst nach über einem Drittel der Geschichte erstmals in Erscheinung. Gleichermaßen meisterlich bereitet King sein Publikum auf die Weiterführung im nächsten Buch vor: man spürt irgendwo im Unterbewusstsein, dass da noch „offene Fragen“ sind, dass noch nicht alles erzählt ist – doch wohin die Reise geht bleibt unter der Oberfläche verborgen und dadurch erhöht sich der Reiz nur noch zusätzlich.

Verbrechen, Zeitgeschichte, phantastische Elemente und die Liebe zur Literatur – in FINDERLOHN findet man all dies, niedergeschrieben von einem der besten Geschichtenerzähler der Welt. Ein Buch, dessen Sog man sich nicht entziehen kann.

Horst Illmer

Stephen King
FINDERLOHN. Roman.
Aus dem Amerikanischen von Bernhard Kleinschmidt
(OT: Finders Keepers / 2015)
München, Heyne, 2015, 541 S.
ISBN 978-3-453-27009-1
FINDERLOHN beginnt mit einem Mord aus Leidenschaft, aus Leidenschaft für Jimmy Gold, den Anti-Helden einer höchst erfolgreichen Roman-Trilogie, den sein Autor John Rothstein schon vor Jahrzehnten ad acta gelegt hat. Noch schlimmer: Rothstein hat Jimmy Gold zu einem amerikanischen Durchschnittsspießer gemacht, was ihm sein

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