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Marktreport III: Analoge Spielkultur zwischen Vielfalt und Übersättigung

von am 14. Juli 2018

Am Anfang war fast nichts

Brettspiele, Pen & Paper Rollenspiele, Kartenspiele, Würfelspiele – nie gab es mehr analoge Spiele auf dem deutschen Markt. Dabei ist es nicht nur die Masse, sondern auch die Vielfalt, die diese Größe ausmacht.
Selbst die Zeit, da "Das Schwarze Auge" durch "Schmidt Spiele" in Kaufhäusern plaziert war, kann in keiner Weise mithalten. Neben dem Versuch, Rollenspiele breitenwirksam zu vermarkten, bildeten noch immer "Spielesammlungen" das Ende der Fahnenstange. Neben "Monopoly" gab es höchstens noch "Risiko" um dem elterlichen "Mensch ärgere dich nicht"-Abend zu entfliehen.
Es fehlt die Zündende Idee, Eltern und Kinder an einen Tisch zu bringen. Die wirklich komplexen Spiele gibt es nur in Nerd Shops und meist nur in englischer Sprache. Der deutsche Spielemarkt ist in der Sackgasse. In den 90er rafft es Spezialgeschäfte und sogar große Ketten dahin. 1997 kommt "Schmidt Spiele" unter die Räder – kurz bevor das Tief überwunden ist.

Die neue Lust analog zu spielen

Heute ist diese Krise lange überwunden. Mit Klaus Teubers "Siedler von Catan" sind komplexere Spiele in den Wohnzimmern deutscher Familien angekommen. Was vorher nur in Nerdshops zu finden war, bahnt sich stetig den Weg in die Regale von Kaufhäusern. "Eurogames" und "German Style Games" werden in den USA zum Verkaufsschlager. Die Produkte deutscher Spieleautoren werden in zig Sprachen übersetzt. Im Gegenzug kommen Lokalisierungen komplexer Tabletop Spiele aus den Staaten in Kaufhäuser und Spezialgeschäfte. Trotz gewaltiger Konkurrenz im Bereich digitale Spiele findet sogar ein Revival der Rollenspielkultur statt. Auch hier werden deutsche Produkte, getragen durch den Hype der Eurogames erfolgreich am amerikanischen Markt plaziert. Alles und jeder befindet sich in Euphorie und Aufbruchstimmung.

Zuviel des Guten

Neue Produktionsmethoden und inovative Instrumentarien in der Vermarktung ermöglichen es, auch kleine Auflagen gewinnbringend herzustellen und zu lancieren. Kleinstfirmen und Privatleute können via "Kickstarter" oder "Crowdfunding" Produkte an den Markt bringen, mit kalkulierbarem Risiko. Anfangs erweitern diese neuen Wege den Markt sanft und sinnvoll. Eine Art zweiter Markt entsteht, wo Nieschenprodukte an den Mann gebracht werden, an den etablierten Verlagen vorbei.
Leider führt diese Entwicklung zu einer Spirale mit Sogwirkung. Der ein oder andere "Große" findet das System perfekt, kann man auf diese Weise doch den klassischen Markt umgehen und selbst den vollen Reibach machen. Es entsteht eine Vielzahl neue Verlage. Produktionen werden ausgeweitet. Allüberall entstehen neue Spiele: zu Exitgames, zu Computerspielen, zu Filmen, zu Romanen, zu allem, was irgendwie möglich ist. Firmen wachsen in Größen, dass "Das Große Fressen" beginnt. Wachsen, geschluckt werden oder selbst schlucken. Investoren entdecken das Marktsegment und die Entkoppelung vom Produkt beginnt. Es entstehen rein finanzorientierte Firmenkonstrukte.

Direkt am Kunden

Spiele, vor allem komplexe Spiele verkaufen sich nicht out of the Box. Der Markt für Expertenspiele ist in Wirklichkeit viel kleiner, als er wahrgenommen wird. Die Käuferschicht, die in den Spezialladen geht, Spiele für hundert oder mehr Euro einfach unbesehen kauft und mit den Regeln klar kommt, ist extrem begrenzt. Für alle anderen – und das ist die eigentliche Zielgruppe – brauchen wir gute Beratung, ausgebildete Fachkräfte, Zeit und Platz und das alles vor Ort. Wirklich kompetente Läden, deren Inhaber und Angestellte mit Enthusiasmus Abende und Wochenenden investieren, sind ein Geschenk für die Verlage. Gehegt und gepflegt als "Flagship Store", "Premium Händler" oder "Außenposten" kämpfen sie tagtäglich mit dem Studium neuer Regeln um im anschließenden Erklärmarathon bestehen zu können.

Bis zum Kollaps

Immer schneller überschwemmen Neuerscheinungen die Spieleläden. Die Stapel (vier Wochen) alter Topseller müssen Raum machen für die neue Ware. Da platzen nicht nur die Regale aus den Nähten, da bleibt auch wenig Spielraum für Stückzahlen. Zu allem Überfluss fallen die ehemaligen Topkunden, die früher die Basis der Spezialgeschäfte ausgemacht haben weg. Die Ware, die jetzt in "ihren" Läden steht, gibts auch im Müller, im Real und im Internet. Damit ist der Reiz wesentlich geringer geworden und das Budget fliest bereitwillig in die reichlich gedeckte Tafel der Crowdfundings und Kickstarter. Mittlerweile nicht mehr von Einmannbetrieben und Privatleuten um ambitionierte Produkte zu finanzieren, sondern als Masche großer, etablierter Firmen, "Geld zu drucken". Ja, zum nicht unerheblichen Teil auch jener Firmen, die auf ihre Flagschiffe und Premiumhändler bauen. Vielen Dank dafür.

Wege aus der Krise

Wir werden weitermachen. Euch Spiele erklären, euch die Chance geben, Spiele auszuprobieren. Wir werden nicht auf den Zug springen, und euch Händlerkontingente aus Crowdfundings organisieren. Es gibt eine unglaubliche Vielfalt wirklich toller Spiele. Monat für Monat kommen neue dazu. Wir versuchen, euch eine umfassende Auswahl zu bieten, mit entsprechender Kompetenz. Aber nehmt es uns nicht übel, dass wir bei all dieser Vielfalt nicht auch noch Spiele für euch besorgen, deren Beschaffung wahnsinnig aufwändig oder völlig unprofitabel ist. Kommt in den Laden und überzeugt euch selbst. Kommt zu KaZus Spielbar und probiert aus, was ihr wollt.
Wenn ich aus all den Spielen, die wir austesten und für euch lernen nur die herausziehe, die ich wirklich toll finde, habt ihr immer noch mehr Spiele als Zeit.

Denn eines sollten wir nicht vergessen: Spiele werden nicht dafür entwickelt, Regale zu füllen, sondern um gespielt zu werden – mehr als einmal.

  • Kategorie: Kultur , Spiele
  • Kommentare deaktiviert für Marktreport III: Analoge Spielkultur zwischen Vielfalt und Übersättigung

von am 14. Juli 2018

Am Anfang war fast nichts

Brettspiele, Pen & Paper Rollenspiele, Kartenspiele, Würfelspiele – nie gab es mehr analoge Spiele auf dem deutschen Markt. Dabei ist es nicht nur die Masse, sondern auch die Vielfalt, die diese Größe ausmacht.
Selbst die Zeit, da "Das Schwarze Auge" durch "Schmidt Spiele" in Kaufhäusern plaziert war, kann in keiner Weise mithalten. Neben dem Versuch, Rollenspiele breitenwirksam zu vermarkten, bildeten noch immer "Spielesammlungen" das Ende der Fahnenstange. Neben "Monopoly" gab es höchstens noch "Risiko" um dem elterlichen "Mensch ärgere dich nicht"-Abend zu entfliehen.
Es fehlt die Zündende Idee, Eltern und Kinder an einen Tisch zu bringen. Die wirklich komplexen Spiele gibt es nur in Nerd Shops und meist nur in englischer Sprache. Der deutsche Spielemarkt ist in der Sackgasse. In den 90er rafft es Spezialgeschäfte und sogar große Ketten dahin. 1997 kommt "Schmidt Spiele" unter die Räder – kurz bevor das Tief überwunden ist.

Die neue Lust analog zu spielen

Heute ist diese Krise lange überwunden. Mit Klaus Teubers "Siedler von Catan" sind komplexere Spiele in den Wohnzimmern deutscher Familien angekommen. Was vorher nur in Nerdshops zu finden war, bahnt sich stetig den Weg in die Regale von Kaufhäusern. "Eurogames" und "German Style Games" werden in den USA zum Verkaufsschlager. Die Produkte deutscher Spieleautoren werden in zig Sprachen übersetzt. Im Gegenzug kommen Lokalisierungen komplexer Tabletop Spiele aus den Staaten in Kaufhäuser und Spezialgeschäfte. Trotz gewaltiger Konkurrenz im Bereich digitale Spiele findet sogar ein Revival der Rollenspielkultur statt. Auch hier werden deutsche Produkte, getragen durch den Hype der Eurogames erfolgreich am amerikanischen Markt plaziert. Alles und jeder befindet sich in Euphorie und Aufbruchstimmung.

Zuviel des Guten

Neue Produktionsmethoden und inovative Instrumentarien in der Vermarktung ermöglichen es, auch kleine Auflagen gewinnbringend herzustellen und zu lancieren. Kleinstfirmen und Privatleute können via "Kickstarter" oder "Crowdfunding" Produkte an den Markt bringen, mit kalkulierbarem Risiko. Anfangs erweitern diese neuen Wege den Markt sanft und sinnvoll. Eine Art zweiter Markt entsteht, wo Nieschenprodukte an den Mann gebracht werden, an den etablierten Verlagen vorbei.
Leider führt diese Entwicklung zu einer Spirale mit Sogwirkung. Der ein oder andere "Große" findet das System perfekt, kann man auf diese Weise doch den klassischen Markt umgehen und selbst den vollen Reibach machen. Es entsteht eine Vielzahl neue Verlage. Produktionen werden ausgeweitet. Allüberall entstehen neue Spiele: zu Exitgames, zu Computerspielen, zu Filmen, zu Romanen, zu allem, was irgendwie möglich ist. Firmen wachsen in Größen, dass "Das Große Fressen" beginnt. Wachsen, geschluckt werden oder selbst schlucken. Investoren entdecken das Marktsegment und die Entkoppelung vom Produkt beginnt. Es entstehen rein finanzorientierte Firmenkonstrukte.

Direkt am Kunden

Spiele, vor allem komplexe Spiele verkaufen sich nicht out of the Box. Der Markt für Expertenspiele ist in Wirklichkeit viel kleiner, als er wahrgenommen wird. Die Käuferschicht, die in den Spezialladen geht, Spiele für hundert oder mehr Euro einfach unbesehen kauft und mit den Regeln klar kommt, ist extrem begrenzt. Für alle anderen – und das ist die eigentliche Zielgruppe – brauchen wir gute Beratung, ausgebildete Fachkräfte, Zeit und Platz und das alles vor Ort. Wirklich kompetente Läden, deren Inhaber und Angestellte mit Enthusiasmus Abende und Wochenenden investieren, sind ein Geschenk für die Verlage. Gehegt und gepflegt als "Flagship Store", "Premium Händler" oder "Außenposten" kämpfen sie tagtäglich mit dem Studium neuer Regeln um im anschließenden Erklärmarathon bestehen zu können.

Bis zum Kollaps

Immer schneller überschwemmen Neuerscheinungen die Spieleläden. Die Stapel (vier Wochen) alter Topseller müssen Raum machen für die neue Ware. Da platzen nicht nur die Regale aus den Nähten, da bleibt auch wenig Spielraum für Stückzahlen. Zu allem Überfluss fallen die ehemaligen Topkunden, die früher die Basis der Spezialgeschäfte ausgemacht haben weg. Die Ware, die jetzt in "ihren" Läden steht, gibts auch im Müller, im Real und im Internet. Damit ist der Reiz wesentlich geringer geworden und das Budget fliest bereitwillig in die reichlich gedeckte Tafel der Crowdfundings und Kickstarter. Mittlerweile nicht mehr von Einmannbetrieben und Privatleuten um ambitionierte Produkte zu finanzieren, sondern als Masche großer, etablierter Firmen, "Geld zu drucken". Ja, zum nicht unerheblichen Teil auch jener Firmen, die auf ihre Flagschiffe und Premiumhändler bauen. Vielen Dank dafür.

Wege aus der Krise

Wir werden weitermachen. Euch Spiele erklären, euch die Chance geben, Spiele auszuprobieren. Wir werden nicht auf den Zug springen, und euch Händlerkontingente aus Crowdfundings organisieren. Es gibt eine unglaubliche Vielfalt wirklich toller Spiele. Monat für Monat kommen neue dazu. Wir versuchen, euch eine umfassende Auswahl zu bieten, mit entsprechender Kompetenz. Aber nehmt es uns nicht übel, dass wir bei all dieser Vielfalt nicht auch noch Spiele für euch besorgen, deren Beschaffung wahnsinnig aufwändig oder völlig unprofitabel ist. Kommt in den Laden und überzeugt euch selbst. Kommt zu KaZus Spielbar und probiert aus, was ihr wollt.
Wenn ich aus all den Spielen, die wir austesten und für euch lernen nur die herausziehe, die ich wirklich toll finde, habt ihr immer noch mehr Spiele als Zeit.

Denn eines sollten wir nicht vergessen: Spiele werden nicht dafür entwickelt, Regale zu füllen, sondern um gespielt zu werden – mehr als einmal.

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