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Kallocain

von am 26. November 2018

Karin Boye
KALLOCAIN. Roman.
(Kallocain / 1940)
Übersetzung und Nachwort von Paul Berf
München, btb, 2018, 287 Seiten
Hardcover mit Schutzumschlag
ISBN 978-3-442-75775-6 / 20,00 Euro

An diesem Buch haftet ein Hauch von Tragik und Verzweiflung: KALLOCAIN gehört in die berühmte Linie klassischer Anti-Utopien wie WIR (Jewgeni Samjatin), SCHÖNE NEUE WELT (Aldous Huxley) und 1984 (George Orwell). Leider ist aber wohl die Herkunft aus einem nicht-englischen Sprachraum (Karin Boye war eine schwedische Pazifistin) für die Autorin und ihr Buch ein Hindernis für eine große, weltweite Verbreitung.
Angesiedelt in der nahen Zukunft des frühen 21. Jahrhunderts, in einer anonymen „Chemiestadt Nr. 4“ im sogenannten „Weltstaat“, schreibt der Chemiker Leo Kall seine Geschichte nieder.
Er erfindet eine Wahrheits-Droge, unter deren Einfluss man alles sagt, ohne dabei Lügen zu können, und die er Kallocain nennt, um damit seinen Namen unsterblich zu machen.
Da Kall ein prinzipienloser Mittläufer ist, stellt er sich und sein Kallocain in den Dienst der Staatspolizei. Er verhört sogar seine Frau Linda unter Drogen und denunziert seinen Chef und verurteilt ihn damit zum Tode.
Bei einem kriegerischen Überfall des benachbarten „Universalsaates“ gerät Kall in Gefangenschaft. Als er seine Erfindung auch hier an den Mann (oder besser an den Geheimdienst) gebracht hat, darf er in lockerem Gewahrsam weiterforschen und seine Lebensgeschichte zu Papier bringen.
Dieser in Ichform verfasste Lebensbericht, wirkt wegen der fehlenden Emotionen des Schreibers nur umso schrecklicher und eindringlicher. Im angefügten „Nachwort des Zensors“ wird von diesem empfohlen, das „Machwerk“ dieses „innerlich vergifteten“ Subjekts unter Verschluss zu halten und Historikern nur zum Zweck der Abschreckung zugänglich zu machen.
(Das dann noch folgende „Nachwort des Übersetzers“ ist dagegen für alle Leser/Leserinnen sehr empfehlenswert. Paul Berf beschäftigt sich ausführlich mit Leben und Werk der Autorin und stellt neben dem Historischen auch die Bezüge zur Jetztzeit in den Fokus.)
Die Autorin war, wie so viele Intellektuelle der damaligen Zeit, voller optimistischer Hoffnungen ins stalinistische Russland gereist und völlig desillusioniert zurückgekommen.
Kurz nach Beendigung des Buches nahm sich Karin Boye 1941 das Leben. Sie schrieb eines der düstersten Kapitel in der Geschichte der Dystopie; einen Klassiker, der keine Hoffnung mehr zulässt, der aber fasziniert und innehalten lässt – innehalten und nachdenken über eine Welt, in der eine junge Frau ein solches Buch schreiben musste.

Horst Illmer

von am 26. November 2018

Karin Boye
KALLOCAIN. Roman.
(Kallocain / 1940)
Übersetzung und Nachwort von Paul Berf
München, btb, 2018, 287 Seiten
Hardcover mit Schutzumschlag
ISBN 978-3-442-75775-6 / 20,00 Euro

An diesem Buch haftet ein Hauch von Tragik und Verzweiflung: KALLOCAIN gehört in die berühmte Linie klassischer Anti-Utopien wie WIR (Jewgeni Samjatin), SCHÖNE NEUE WELT (Aldous Huxley) und 1984 (George Orwell). Leider ist aber wohl die Herkunft aus einem nicht-englischen Sprachraum (Karin Boye war eine schwedische Pazifistin) für die Autorin und ihr Buch ein Hindernis für eine große, weltweite Verbreitung.
Angesiedelt in der nahen Zukunft des frühen 21. Jahrhunderts, in einer anonymen „Chemiestadt Nr. 4“ im sogenannten „Weltstaat“, schreibt der Chemiker Leo Kall seine Geschichte nieder.
Er erfindet eine Wahrheits-Droge, unter deren Einfluss man alles sagt, ohne dabei Lügen zu können, und die er Kallocain nennt, um damit seinen Namen unsterblich zu machen.
Da Kall ein prinzipienloser Mittläufer ist, stellt er sich und sein Kallocain in den Dienst der Staatspolizei. Er verhört sogar seine Frau Linda unter Drogen und denunziert seinen Chef und verurteilt ihn damit zum Tode.
Bei einem kriegerischen Überfall des benachbarten „Universalsaates“ gerät Kall in Gefangenschaft. Als er seine Erfindung auch hier an den Mann (oder besser an den Geheimdienst) gebracht hat, darf er in lockerem Gewahrsam weiterforschen und seine Lebensgeschichte zu Papier bringen.
Dieser in Ichform verfasste Lebensbericht, wirkt wegen der fehlenden Emotionen des Schreibers nur umso schrecklicher und eindringlicher. Im angefügten „Nachwort des Zensors“ wird von diesem empfohlen, das „Machwerk“ dieses „innerlich vergifteten“ Subjekts unter Verschluss zu halten und Historikern nur zum Zweck der Abschreckung zugänglich zu machen.
(Das dann noch folgende „Nachwort des Übersetzers“ ist dagegen für alle Leser/Leserinnen sehr empfehlenswert. Paul Berf beschäftigt sich ausführlich mit Leben und Werk der Autorin und stellt neben dem Historischen auch die Bezüge zur Jetztzeit in den Fokus.)
Die Autorin war, wie so viele Intellektuelle der damaligen Zeit, voller optimistischer Hoffnungen ins stalinistische Russland gereist und völlig desillusioniert zurückgekommen.
Kurz nach Beendigung des Buches nahm sich Karin Boye 1941 das Leben. Sie schrieb eines der düstersten Kapitel in der Geschichte der Dystopie; einen Klassiker, der keine Hoffnung mehr zulässt, der aber fasziniert und innehalten lässt – innehalten und nachdenken über eine Welt, in der eine junge Frau ein solches Buch schreiben musste.

Horst Illmer

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