Bücher

Bücher – muss man eigentlich nicht erklären. In unserem Fall als Überbegriff für alle Arten phantastischer Literatur – traditionell vor allem Fantasy und Science-Fiction. Kommt einfach nach Würzburg und besucht uns in Hermkes Romanboutique.

Adventskalender 2024 T-12: Tuzub 37

von am 12. Dezember 2024 noch kein Kommentar

  • Paul Gurk
    TUZUB 37.
    DER MYTHOS VON DER GRAUEN MENSCHHEIT ODER VON DER ZAHL 1.
    Vorwort: Horst Illmer, Nachwort: Emil Fadel
    Berlin, Hirnkost, 2024, 265 S.
    Wiederentdeckte Schätze der deutschsprachigen Science Fiction, Band VII
    ISBN 978-3-98857048-2 / 32,00 Euro
    Hardcover

Mit TUZUB 37 – DER MYTHOS VON DER GRAUEN MENSCHHEIT ODER VON DER ZAHL 1 schrieb Paul Gurk (26. April 1880, Frankfurt/Oder – 12. August 1953, Berlin) eine in die fernste Zukunft reichende Chronik über die weitere Entwicklung des Menschengeschlechts, wie es sie in der Science Fiction sonst nur noch bei Olaf Stapledon in dessen philosophischem Hauptwerk DIE LETZTEN UND DIE ERSTEN MENSCHEN gibt. Während sich bei Stapledon jedoch die Menschen über die Galaxis ausbreiten, bleibt Gurks Menschheit auf der Erde – schließlich gibt es auch hier genug zu tun. Denn das Bestreben der künftigen Menschen ist es, alles zu vereinheitlichen. Das Ideal ist die Zahl 1 und der Weg dorthin geht über die Zerstörung von allem was „Natur“ ist – seien es Tiere, Pflanzen, Berge oder Meere. Auch die Menschen selbst sollen sich ändern, sollen einander „gleich“ werden, im ultimativen Versuch, damit eine gleichförmige Unsterblichkeit zu erreichen.
Diese Gleichheit Aller erreicht die „Graue Menschheit“ (die sich selbst so nennt) durch gezielte Genmanipulation ebenso wie eine ständig verbesserte Transplantations- und Prothesentechnik. Als Ideal wird eine Art Roboter oder Cyborg angestrebt, der Nahrung bzw. Energie ebenso wenig braucht wie Schlaf oder Ruhepausen.
In die Beschreibung dieser mit unerbittlicher Logik durchgeführten Vernichtungsarbeit schiebt der Autor immer wieder Kapitel mit fast märchenhaft anmutenden Passagen, in denen die Natur agiert. Hier unterhalten sich Meer und Wind, eine Quelle übersetzt die Menschensprache für die letzten Tiere und Pflanzen, die Dämonen von Hagel, Schnee und Unwetter erscheinen personifiziert. Die Berge sind – fast naiv – als Riesen dargestellt, die erst aus ihrem Schlaf hochschrecken, als es zu spät ist.
Alle diese Naturereignisse, Sinnbilder einer gesunden Ökologie, füllt Gurk mit Leben und Charakter. Hier ist seine Sprache, sein Stil poetisch, melodisch, farbig, ja manchmal melodramatisch. Ganz im Gegensatz dazu steht sein Stil bei der Beschreibung der „Grauen“: kurze, harte Sätze, Wiederholungen, eine jeglichen Ausdruck vermissen lassende Sprache, funktionell und farblos, kennzeichnen diese Abschnitte. Hier tritt Gurks Erfahrung als Verfasser expressionistischer Theaterstücke und Gedichte klar hervor. Vor allem durch diesen Stil unterscheidet sich TUZUB 37 von praktisch allen anderen damaligen und heutigen Zukunftsentwürfen.

Womit wir beim vorliegenden, eindrucksvoll-massiven Hardcover wären. Hier zeigt sich, wie toll es ist, wenn kluge Köpfe und engagierte Menschen zusammenarbeiten und einen Text die ihm gemäße Ehre erweisen. Neben einem Vorwort finden geneigte Lesende natürlich den hervorragend lektorierten Romantext von TUZUB 37 sowie zwei phantastische Erzählungen Gurks aus dessen Geschichtensammlung DIE BUNTEN SCHLEIER und ein begeisterndes Nachwort des Germanisten und Filmwissenschaftlers Emil Fadel, in dem dieser auf eine Vielzahl von Anspielungen, Parallelen und Anknüpfungspunkten zwischen Gurks visionärem Erzählen und der Gegenwarts-Science-Fiction aufmerksam macht.

Fazit: TUZUB 37 – DER MYTHOS VON DER GRAUEN MENSCHHEIT ODER VON DER ZAHL 1 ist für mich der literarisch herausragende Zukunftsentwurf des 20. Jahrhunderts in deutscher Sprache. Diese vollmundige Behauptung muss aber niemand mehr „einfach so“ glauben. Die ab sofort erhältliche Neuedition lädt dazu ein, das selbst zu überprüfen – und einzutauchen in einen Mythos, der aktueller und lebendiger kaum sein könnte.

Horst Illmer

  • Paul Gurk
    TUZUB 37.
    DER MYTHOS VON DER GRAUEN MENSCHHEIT ODER VON DER ZAHL 1.
    Vorwort: Horst Illmer, Nachwort: Emil Fadel
    Berlin, Hirnkost, 2024, 265 S.
    Wiederentdeckte Schätze der deutschsprachigen Science Fiction, Band VII
    ISBN 978-3-98857048-2 / 32,00 Euro
    Hardcover

Mit TUZUB 37 – DER MYTHOS VON DER GRAUEN MENSCHHEIT ODER VON DER ZAHL 1 schrieb Paul Gurk (26. April 1880, Frankfurt/Oder – 12. August 1953, Berlin) eine in die fernste Zukunft reichende Chronik über die weitere Entwicklung des Menschengeschlechts,

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Adventskalender 2024 T-21: Proxi

von am 3. Dezember 2024 noch kein Kommentar

  • Aiki Mira
    PROXI. Eine Endzeit-Utopie.
    Frankfurt, S.Fischer/TOR, 2024, 333 S.
    ISBN 978-3-596-70978-6, 18,00 Euro
    Klappenbroschur

Mit dem neuen Roman PROXI ist Aiki Mira jetzt endlich bei einem großen Publikums-Verlag angekommen, eine Entwicklung, die sich u. a. nach dem mehrfachen Gewinn des Kurd Laßwitz Preises abzeichnete.

Erneut widmet sich Mira den Problemen, die das Zusammenleben von Mensch und von Menschen geschaffener Technik in einer schon sehr nahen Zukunft mit sich bringen werden. Dass dabei die sogenannte „Künstliche Intelligenz“ eine Hauptrolle spielt, ist erwartbar. Allerdings deutet schon der Untertitel, dass es sich hier um eine „Endzeit-Utopie“ handelt, darauf hin, dass Mira gar nicht daran denkt, die derzeitig überwiegende Negativ-Haltung zu perpetuieren.

Ihre Protagonisten sind so divers und spannend wie es von richtigen Persönlichkeiten erwartet werden kann, die geschil­derte Handlung lässt überaus plastisch eine beschädigte Zukunftswelt entstehen, in der sich eine buntgemischte Truppe durchschlagen muss, die, mehr oder weniger freiwillig, auf der Suche nach der überdimensionalen „Sicherheitskopie“ einer virtuellen Welt ist. Ob wir am Ende dieser Reise ein utopisches oder ein abschreckendes Ergebnis vorfinden, liegt dann jedoch im Ermessen jedes Lesenden …

Miras Innovationsfreude, Stilsicherheit und erzählerische Kraft entwickeln sich von Text zu Text weiter, und so kann PROXI zugleich als bisheriger Schaffens-Höhepunkt und als Sprungbrett für weitere große Science-Fiction-Literatur angesehen werden.

Horst Illmer

  • Aiki Mira
    PROXI. Eine Endzeit-Utopie.
    Frankfurt, S.Fischer/TOR, 2024, 333 S.
    ISBN 978-3-596-70978-6, 18,00 Euro
    Klappenbroschur

Mit dem neuen Roman PROXI ist Aiki Mira jetzt endlich bei einem großen Publikums-Verlag angekommen, eine Entwicklung, die sich u. a. nach dem mehrfachen Gewinn des Kurd Laßwitz Preises abzeichnete.

Erneut widmet sich Mira den Problemen, die das Zusammenleben von Mensch und von Menschen geschaffener Technik in einer schon sehr nahen Zukunft mit sich bringen werden.

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Adventskalender 2024 T-23: Jagannath

von am 1. Dezember 2024 2 Kommentare

  • Karin Tidbeck
    JAGANNATH. Erzählungen.
    Ü: Hannes Riffel, Nachwort: Karin Tidbeck
    (JAGANNATH / 2012)
    Wittenberge, Carcosa, 2024, 219 S.
    ISBN 978-3-910914-22-3 / 18,00 Euro
    Hardcover

Das Herbstprogramm von Carcosa ist mit dem hübschen Hardcoverbändchen JAGANNATH, einer Kurzgeschichtensammlung von Karin Tidbeck, gestartet.

Tidbeck, 1977 in Stockholm geboren und heute in Malmö lebend, schreibt auf Schwedisch und Englisch, besuchte einen der berühmten Clarion Science-Fiction-Writers Workshops, erhielt 2013 den William L. Crawford Fantasy Award als beste Nachwuchskünstler*in und beeindruckte mit ihren Texten u. a. Ursula K. Le Guin, was sicherlich einer der Gründe war, warum JAGANNATH nun von Hannes Riffel übersetzt auf Deutsch erhältlich ist.

Ein weiterer – und sehr guter – Grund sind die Erzählungen selbst. Obwohl viele der Stories in den USA in Magazinen veröffentlicht wurden (z. B. in WEIRD TALES), lesen sie sich eher wie europäische Märchen oder phantastische Geschichten aus Schweden und weniger wie typisch angloamerikanische Science Fiction oder Fantasy. Tidbeck schreibt eindeutig in der Tradition Hans Christian Andersens, Franz Kafkas oder Hanns Heinz Ewers’. Vor allem dessen Grotesken aus dem frühen 20. Jahrhundert kamen mir in den Sinn, als ich von sich selbst verzehrenden Tanten und Nichten las, von Menschen, die sich in Maschinen verlieben, oder von Beamten, die sich für ihre Behörden buchstäblich „aufarbeiten“.

Keine einzige dieser Geschichten erfüllt irgendwelche vorgefassten Erwartungen, jede ist einzigartig und sensationell innovativ. 13 Stories auf 217 Seiten – es gibt viel zu entdecken auf dem Planeten Tidbeck.

Horst Illmer

  • Karin Tidbeck
    JAGANNATH. Erzählungen.
    Ü: Hannes Riffel, Nachwort: Karin Tidbeck
    (JAGANNATH / 2012)
    Wittenberge, Carcosa, 2024, 219 S.
    ISBN 978-3-910914-22-3 / 18,00 Euro
    Hardcover

Das Herbstprogramm von Carcosa ist mit dem hübschen Hardcoverbändchen JAGANNATH, einer Kurzgeschichtensammlung von Karin Tidbeck, gestartet.

Tidbeck, 1977 in Stockholm geboren und heute in Malmö lebend, schreibt auf Schwedisch und Englisch, besuchte einen der berühmten Clarion Science-Fiction-Writers Workshops, erhielt 2013 den William L.

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Parts Per Million – Gewalt ist eine Option

von am 20. November 2024 noch kein Kommentar

  • Theresa Hannig
    PARTS PER MILLION – GEWALT IST EINE OPTION. Roman.
    Frankfurt, S. Fischer/TOR, 2024, 368 S.
    ISBN 978-3-596-70891-8 / 18,00 Euro
    Klappenbroschur

Es gibt Geschichten, die müssen einfach immer wieder erzählt werden. Manchmal nur deswegen, weil das Thema unausschöpflich ist wie Liebe, Leben oder Tod, aber es gibt auch brennend Aktuelles, dringlich Aufblitzendes, sich unbarmherzig Aufdrängendes, das in eine literarische Form gebracht werden will.

Dazu gehört momentan (und ob wir ihn jemals wieder loswerden, ist mehr als fraglich) der Klimawandel. In den letzten Jahren sind hierzu bereits, neben ungezählten Sachtexten, auch einige Science-Fiction-Romane erschienen – als deren wichtigster und prominentester Kim Stanley Robinsons DAS MINISTERIUM FÜR DIE ZUKUNFT aus dem Jahr 2020 gilt.

An einen der vielen Lösungsansätze in Robinsons Buch knüpft nun der aktuelle Roman PARTS PER MILLION – GEWALT IST EINE OPTION von Theresa Hannig an, und der zweite Teil des Titels lässt unschwer erkennen, in welche Richtung es dabei geht.

Zuerst ist die erfolgreiche Buchautorin Johanna Stromann nur Beobachterin. Doch nachdem sie bei den Recherchen zu ihrem neuen Projekt etwas tiefer in die Materie eintaucht, fällt es ihr immer schwerer, diesen passiven Status beizubehalten. Denn Klimaaktivismus polarisiert, vor allem in Deutschland, und eine neutrale Meinung dazu wird von beiden Seiten nicht akzeptiert. Johanna erlebt deshalb auch bald am eigenen Leib, wie schnell Argumente verpuffen, wenn von Gegenüber Gewalt ins Spiel gebracht wird.

Nachdem sie sich entschlossen hat, auf Seiten der Aktivisten zu bleiben und von deren Warte aus ihr Buch zu schreiben, verlangt eine sich stetig weiterdrehende (Gewalt-)Spirale immer schmerzlichere Entscheidungen von ihr. Einmal ganz abgesehen davon, dass Johanna zuhause auch noch eine Familie hat, die unter ihrer Hingabe an „die Sache“ in immer größerem Ausmaß zu leiden hat …

Hannig hat sich selbst erkennbar intensiv mit den Themen Klimawandel, Fridays for Future, Naturkatastrophen und Anverwandtem sowie den politischen und gesellschaftlichen Reaktionen darauf beschäftigt. Ihr Buch ist aus einer radikalen Ich-Perspektive geschrieben, zeigt dabei den Weg ihrer Protagonistin in ihrer subjektiven, jedoch niemals unreflektierten Sichtweise und folgt ihr bis zum Ende – ohne dabei zu behaupten, dass Johannas Weg der richtige oder gar der einzige wäre. Stilistisch entwickelt sich die Story rasant voran, es gibt zwar einige Abschnitte, in denen die Aktivisten ihre „Erklärungen“ formulieren, größtenteils wird jedoch darauf gesetzt, dass das Lesepublikum nicht völlig unbeleckt davon ist, was an jedem neuen Tag um es herum passiert.

Insoweit ist PARTS PER MILLION die mitteleuropäische Actionversion von Robinsons MINISTERIUM und damit ein beachtliches Statement einer der engagiertesten deutschsprachigen Autorinnen der Gegenwart.

Horst Illmer

  • Theresa Hannig
    PARTS PER MILLION – GEWALT IST EINE OPTION. Roman.
    Frankfurt, S. Fischer/TOR, 2024, 368 S.
    ISBN 978-3-596-70891-8 / 18,00 Euro
    Klappenbroschur

Es gibt Geschichten, die müssen einfach immer wieder erzählt werden. Manchmal nur deswegen, weil das Thema unausschöpflich ist wie Liebe, Leben oder Tod, aber es gibt auch brennend Aktuelles, dringlich Aufblitzendes, sich unbarmherzig Aufdrängendes, das in eine literarische Form gebracht werden will.

Dazu gehört momentan (und ob wir ihn jemals wieder loswerden,

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Jol Rosenberg: ETOMI

von am 6. November 2024 noch kein Kommentar

  • Jol Rosenberg
    ETOMI. Erwachen. Roman.
    Hamburg, Plan 9, 2023, 399 S.
    ISBN 978-3-948700-83-6 / 20,00 Euro
    Paperback
    &
    ETOMI. Aufbruch. Roman.
    Hamburg, Plan 9, 2024, 411 S.
    ISBN 978-3-948700-84-3 / 20,00 Euro
    Paperback

Irgendwo in Mitteleuropa im 24. Jahrhundert: Unter einer schützenden Kuppel leben die Bewohner von Eos unbeschwert und sorgenfrei. Für alle wird gesorgt, sie können allen ihren Neigungen nachgehen, arbeiten wann und was sie wollen, lieben wann und wen sie wollen – bis die „Große Mutter“, die zentrale KI von Eos, verkündet, dass es Zeit zum „Austritt“ ist.
Die Bewohnerin Lea begleitet ihre Freundin Mari, deren Zeit abgelaufen ist, zu ihrer Erlösungsfeier. Sie wird nun in ihre „finale Form“ gebracht, d.h. sie stirbt. Erst in diesem Moment erkennt Lea, dass sie und Mari gleichaltrig waren – auch für sie wird wohl bald das Ende ihres Daseins erreicht sein.
Doch ganz gegen ihre sonstige Gewohnheit ist Lea nicht bereit, diese Entscheidung der Großen Mutter so einfach hinzunehmen. Sie beschließt zu fliehen – auch wenn sie keine Ahnung hat wohin und ob das überhaupt möglich ist. Dann erfährt sie durch Zufall davon, dass „Etomi“ nicht nur eine Parfummarke ist, sondern „der Ort an dem alles ist, wie es sein sollte“.
Lea ist total überrascht, denn die Welt außerhalb der Kuppelstadt, so wird behauptet, ist menschenleer und unfruchtbar. Das allerdings erweist sich schnell als Lüge. Eos ist von einem Ring aus geschäftigen, dreckigen, lebendigen Vorstädten umgeben, in denen alles produziert wird, was die Stadtmenschen für ihr Leben und ihren Luxus so brauchen. Allerdings ist das Leben in Aranus nicht halb so privilegiert wie in Eos. Dort gibt es nicht nur die Menschen, welche die komplexen Arbeiten verrichten, sondern auch Arbeitsklone mit nur rudimentären Hirnfunktionen, die als billige Sklaven herhalten müssen. Dazu kommen noch Cyborgs, die für Spezialaufgaben gedacht sind und die „Alphas“ in der Verwaltung.
In Aranus lernt Lea erstmals Personen kennen, die nicht wie sie in Eos aufgewachsen sind. Zum Beispiel die kecke und vorlaute Ingenieurin Josa, eine Meisterin im Improvisieren, oder den Schlachthaus-Klon Nori, der ihr das Leben rettet und damit sein Schicksal mit dem ihren verknüpft. Und ganz langsam kristallisiert sich heraus, dass Lea einen Weg beschreitet, den die Große Mutter für sie angelegt hat. Sie soll, gemeinsam mit einem kleinen Team von Freunden, nach Etomi suchen – denn der Araneos-Komplex ist in großer Gefahr und benötigt dringend Hilfe …

Damit haben wir in etwa den groben Rahmen, den Rosenberg für die Erzählung errichtet hat, doch das Eigentliche passiert in der Interaktion zwischen den Handelnden. Rosenberg beschreibt das Leben der Figuren sehr detailfreudig und psychologisch fundiert. Das reicht von den jeweiligen Sinneseindrücken und Gefühlen bis hin zu großartigen Inneren Monologen und glaubwürdigen Gesprächen und Diskussionen zwischen Freunden und Fremden, Geliebten und Feinden. Zudem wird deutlich erkennbar, dass sich die Persönlichkeiten im Lauf der Geschichte verändern, so etwa wenn Lea sich am Anfang noch hauptsächlich darum sorgt, wie ihr äußeres Erscheinungsbild ist, welches Parfum sie auflegen soll und ob sie jetzt eine oder zwei der Euphorie-Pillen einnehmen soll. Dagegen steht dann später eine verunsicherte, gequälte Seele, die sich fragt, ob es richtig war, einige ihrer liebsten Menschen mit in ihren persönlichen Kampf gegen die Große Mutter hineingezogen zu haben.
Weit über diesen Hauptstrang der Erzählung hinaus reicht allerdings die Entwicklung, die der Arbeitsklon Nori nimmt: Von einem unsicher-ängstlichen Geschöpf, das (aus der Sicht der KI und der Menschen, denen es begegnet) offenbar fehlerhaft ist, wächst Nori zu einer wirklichen Persönlichkeit, die durch Beobachtung, Selbstbefragung und steter Neugier zur Erkenntnis ihrer selbst gelangt und die letztlich ihre eigenen Entscheidungen fällt.

Natürlich (das Private ist immer auch das Politische) geht es in ETOMI auch um das große Ganze: Es gibt das gesichtslose Großkapital, normale Technikerinnen und Arbeiter, die stolz auf das von ihnen Geleistete sind, geklonte Arbeitssklaven ohne freien Willen, Cyborgs, die mit ihrer Programmierung kämpfen, bis es ihnen gelingt sie umzuschreiben, Künstliche Intelligenzen unterschiedlicher Stärke, die jedoch allesamt von ihrer Gottähnlichkeit überzeugt sind – und es gibt „System 5“, eine Guerilla-Gruppe von Außenseitern, die versuchen, eine Gleichstellung von Menschen, Klonen, Cybern, KIs und Tieren zu erreichen.

Im Laufe der insgesamt 800 Seiten entwickelt sich vor dem Auge der Leser*innen eine hervorragend konstruierte, spannend erzählte und perfekt getimte Geschichte, in der sich vieles als Camouflage herausstellt, jede Motivation mehrfach hinterfragt werden muss – und Lea, Josa und Nori am Ende Ziele erreicht haben, die weit von dem entfernt sind, was für sie vorgesehen war oder sie selbst sich vorstellen konnten.

Jol Rosenberg hat mit ETOMI eine moderne, „uneindeutige“ Utopie im Sinne Ursula K. Le Guins geschrieben. Einen Weltentwurf, in dem nur wenig vorbestimmt ist – und fast alles möglich. Das Setting und die Handlung haben den Anschein einer eher dystopischen Wirklichkeit, aber die Figuren haben, allen fremdbestimmten Plänen zum Trotz, die Möglichkeit, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen. Und je weiter sie vom Plan abweichen, desto erfolgreicher erfüllen sie ihn. Diese Zwiespältigkeit zieht sich wie ein roter Faden durch Rosenbergs Doppel-Roman und macht ETOMI zu einem der wichtigsten und lesenswertesten Bücher der letzten Jahre. Denn der Weg ist das Ziel …

Horst Illmer

  • Jol Rosenberg
    ETOMI. Erwachen. Roman.
    Hamburg, Plan 9, 2023, 399 S.
    ISBN 978-3-948700-83-6 / 20,00 Euro
    Paperback
    &
    ETOMI. Aufbruch. Roman.
    Hamburg, Plan 9, 2024, 411 S.
    ISBN 978-3-948700-84-3 / 20,00 Euro
    Paperback

Irgendwo in Mitteleuropa im 24. Jahrhundert: Unter einer schützenden Kuppel leben die Bewohner von Eos unbeschwert und sorgenfrei. Für alle wird gesorgt, sie können allen ihren Neigungen nachgehen, arbeiten wann und was sie wollen,

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Kurt Vonnegut: GALAPAGOS

von am 28. Oktober 2024 noch kein Kommentar

  • Kurt Vonnegut
    GALAPAGOS. Roman.
    Übersetzt von Lutz-W. Wolff
    (Galapagos / 1985)
    München, Heyne, 2024, 336 S.
    ISBN 978-3-453-32265-3 / 17,00 Euro
    Klappenbroschur

Die Sache war nämlich so …
Vor 1 Million Jahre erschien der neueste Roman von Kurt Vonnegut. Er beschrieb darin das Leben der heutigen Menschheit und wie das damals, im Jahre des Herrn 1986, alles anfing. Genau genommen begann alles natürlich noch viel früher, aber das soll uns hier und heute nicht stören, genauso wenig wie es Mr. Vonnegut jemals gestört hat.

Vernehmt also aus berufenem Mund, wie es dazu kam, dass es Menschen nur noch auf den Galapagos-Inseln gibt, und warum sie mit ihren Flossen und kleinen Köpfen und ihrem pelzartigem Fell dem Prinzip des Überlebens dienlicher sind als Anno dazumal.

„Die Sache war nämlich so“: Im Zeitalter der „großen Gehirne“ lebten die Menschen in einer Gemeinschaft namens Zivilisation, deren Zusammenhalt sich vor allem auf Geld gründete. Als dann dieses Geldsystem zusammenbrach, zerfiel auch die Zivilisation. Fast gleichzeitig machte ein neuartiges Bakterium alle Frauen unfruchtbar, womit die Geschichte eigentlich zu Ende wäre, wenn da nicht …

… eine Kreuzfahrt hätte stattfinden sollen. Ausgangspunkt war Guayaquil in Ecuador, Ziel sollten die Galapagos-Inseln sein, und die Teilnehmerliste umfasste von Jackie Onassis bis Mick Jagger alles, was Rang und Namen hatte. Stattdessen fanden sich einige eher unbedeutende Menschen ein: Die Witwe Mary Hepburn, eine schwangere Japanerin namens Hisako Hiroguchi, die erblindete Selena MacIntosh sowie sechs kleine Kank-bonos-Mädchen, die letzten Überlebenden ihres Stammes.

Diese neun Frauen befanden sich am Vorabend des geplanten Ausflugs im Hotel El Dorado in Guayaquil und waren die einzigen Gäste. Alle anderen waren wegen der kritischen Weltlage gar nicht nach Ecuador gekommen, und die Kreuzfahrt der BAHIA DE DARWIN war eigentlich schon abgesagt. Aber als die peruanische Luftwaffe Ecuador angriff, konnten die Frauen den Repräsentations-Kapitän der BAHIA DE DARWIN Adolf von Kleist dazu überreden, auch ohne Ausrüstung und Mannschaft auszulaufen. So trieben sie fünf Tage im Stillen Ozean herum, bis sie schließlich durch einen glücklichen Zufall vor Santa Rosalia strandeten.

Geschützt vor dem Bakterium, von dem sie nichts wussten, vergessen von einer Menschheit, die Wichtigeres zu tun hatte, als neun verschwundene Frauen zu suchen, gründete Kapitän von Kleist hier das neue Menschengeschlecht. Von ihm und der kleinen Akiko – der leicht mutierten Tochter von Hisako – stammen alle heutigen Menschen ab.

Diese Geschichte der heutigen Menschheit ist geschrieben mit einem liebenswert-heiteren Zynismus. Vonnegut erzählt in einer fahrig wirkenden Art, die es ihm erlaubt, in kurzen Bemerkungen die Lebensgeschichten der Haupt- und Nebenpersonen ebenso einfließen zu lassen wie Zitate aus Literatur und Geschichte.

Wenn ihr noch Hände hättet, ein Buch zu halten, und ein „großes Gehirn“, es zu lesen, würde ich euch auffordern: Zugreifen! Lesen!

Horst Illmer

  • Kurt Vonnegut
    GALAPAGOS. Roman.
    Übersetzt von Lutz-W. Wolff
    (Galapagos / 1985)
    München, Heyne, 2024, 336 S.
    ISBN 978-3-453-32265-3 / 17,00 Euro
    Klappenbroschur

Die Sache war nämlich so …
Vor 1 Million Jahre erschien der neueste Roman von Kurt Vonnegut. Er beschrieb darin das Leben der heutigen Menschheit und wie das damals, im Jahre des Herrn 1986, alles anfing. Genau genommen begann alles natürlich noch viel früher, aber das soll uns hier und heute nicht stören,

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Die Abschaffung des Todes

von am 16. Oktober 2024 noch kein Kommentar

  • Andreas Eschbach
    DIE ABSCHAFFUNG DES TODES. Thriller.
    Köln, Lübbe, 2024, 655 S.
    ISBN 978-3-7577-0051-5 / 26,00 Euro
    Hardcover

Es wird Herbst und der neueste Thriller von Andreas Eschbach erscheint – und auch nach fast dreißig Jahren, die seit seinem ersten Buch vergangen sind, und den gut vierzig Romanen, die dem Erstling folgten, kribbelt es mich in den Fingern und es erfasst mich eine gewisse Vorfreude auf die Lektüre.

Diesmal, im September 2024, geht es um DIE ABSCHAFFUNG DES TODES, also um die Unsterblichkeit für alle! Was für ein Thema, in Zeiten von Überbevölkerung und weltweiten Klimaproblemen. Doch gemach, Eschbach wäre nicht der Erfolgsautor, der er ist, wenn sich der Inhalt seines Romans so unterkomplex darbieten würde.

Also von vorn. Zuerst einmal lernen wir James Henry Windover kennen, den Herausgeber von The Windover View. Diese wohl exklusivste Zeitung der Welt hat nur ein paar dutzend Abonnenten, die allerdings bereit sind, für die Informationen, die The Windover View liefert, eine Million Euro pro Jahr zu zahlen! Dafür bekommen sie Fakten, Fakten und nochmals Fakten. Keine Meinung, keine manipulativen Fake-News, keine Handlungsempfehlungen – nur die harten, belastbaren Zahlen und Daten. Und nein, niemand kann diese Zeitung einfach so abonnieren. Dazu bedarf es der Zustimmung der anderen Leser – denn es handelt sich letztlich um „Herrschaftswissen“, also darum, als Leser oder Leserin der restlichen Welt immer einen Schritt voraus zu sein.

Allerdings gibt es auch in diesem erlauchten Kreis Hierarchien und Abstufungen. Wenn zum Beispiel die britische Multimilliardärin Anahit Kevorkian anruft, dann lässt Windover alles stehen und liegen und reist zu ihr nach London. Denn Kevorkian ist die Initiatorin und Geldgeberin hinter The Windover View. Und diesmal hat sie einen ganz besonderen Auftrag für ihren Schützling: Windover soll in die USA fliegen und sie bei einem ebenso exklusiven wie geheimnisvollen Event vertreten, zu dem sie und einige wenige andere Finanzgrößen eingeladen wurden.
Wiederwillig aber folgsam begibt sich Windover also zu diesem Geheimtreffen der Superreichen – und was er dort erfährt, ist geeignet, die Weltordnung über den Haufen zu werfen. Es geht um nichts weniger als darum, den Tod zu besiegen …

So, an dieser Stelle müsste meine Besprechung eigentlich enden, denn jedes weitere Wort wäre ein unfairer Spoiler, der das Vergnügen, selbst herauszufinden wie Eschbach aus diesem Schlamassel rauskommt, zunichtemachen würde.

Andererseits klingt das oben gesagte einfach allzu sehr nach „Routine“ und „Vorhersehbar“, was, nach einer so langen Erfolgsstrecke wie bei Eschbach, eine durchaus reale Gefahr auch für den besten Schriftsteller ist. Aber ich denke, dass sich Eschbach dieser Problematik bewusst war und deshalb rechtzeitig gegensteuerte. Gerade als wir Leser*innen denken, jetzt sei klar, wie die Sache weiterläuft, bringt ein verschwundener Schriftsteller das ganze Erzählgefüge zum Wanken. Alles bisher als sicher angesehene Wissen wird durch eine neue Information hinterfragbar, alle Protagonisten müssen neu bewertet werden – und die immer größer werdende Spannung steigert sich bis fast zur letzten Seite und lässt uns kaum Zeit zum Atemholen.

Eine der ganz wenigen Schwächen von Andreas Eschbach war, gerade bei seinen Thrillern (weniger bei seinen Science-Fiction-Romanen), immer die Tatsache, dass er keine (mich) zufriedenstellenden Enden hinbekam. Auch darüber hat sich Eschbach wohl einige Gedanken gemacht – und seine „mehrstufige“ Lösung hat dann doch positiv überrascht.

Wie erhofft liefert Eschbach mit DIE ABSCHAFFUNG DES TODES also einen überaus lesbaren Thriller ab, diesmal inklusive einiger tiefer Blicke „hinter die Kulissen“ des Schreibens. Der Herbst ist gerettet.

Horst Illmer

  • Andreas Eschbach
    DIE ABSCHAFFUNG DES TODES. Thriller.
    Köln, Lübbe, 2024, 655 S.
    ISBN 978-3-7577-0051-5 / 26,00 Euro
    Hardcover

Es wird Herbst und der neueste Thriller von Andreas Eschbach erscheint – und auch nach fast dreißig Jahren, die seit seinem ersten Buch vergangen sind, und den gut vierzig Romanen, die dem Erstling folgten, kribbelt es mich in den Fingern und es erfasst mich eine gewisse Vorfreude auf die Lektüre.

Diesmal,

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Schecks Bestsellerbibel

von am 7. Oktober 2024 noch kein Kommentar

  • Denis Scheck
    SCHECKS BESTSELLERBIBEL.
    Schätze und Schund aus 20 Jahren.
    Mit 21 Schwarz-Weiß-Illustrationen von Torben Kuhlmann
    München, Piper, 2024, 430 S.
    ISBN 978-3-492-07294-6, 28,00 Euro
    Hardcover

Unser liebster TV-Literaturkritiker, der schwäbelnde Kölner Denis Scheck, hat sich intensive Gedanken darüber gemacht, welche Bücher ihn in den letzten zwanzig Jahren so richtig beeindruckt, beziehungsweise so richtig geärgert haben.

Daraus entstand SCHECKS BESTSELLERBIBEL, sein neuestes soeben bei Piper erschienenes Buch, in dem Scheck auf 430 Seiten über literarische „Schätze und Schund aus 20 Jahren“ schreibt. Bereichert werden seine klugen Gedanken zum allgemeinen Bestseller-Kult und die launigen Jahresrückblicke durch 21 Schwarz-Weiß-Bilder von Torben Kuhlmann, der auch den Einband und die Vorsatzpapiere gestaltete.

Ausgestattet mit Lesebändchen und einem Register, gedruckt in Schwarz und Orange auf Fingerschmeichelpapier, das fadengeheftet in einem ansprechenden Halbleineneinband eingehängt ist, stellt SCHECKS BESTSELLERBIBEL weit mehr dar, als nur die Verschriftlichung seiner mehr als 200 DRUCKFRISCH-Sendungen: Hier fordert und fördert ein Büchermensch gleichermaßen sein Lieblingsmedium wie seine mit-lesenden Zeitgenossinnen und Zeitgenossen.

Wenn Denis Scheck im Dezember 2024 seinen 60. Geburtstag feiert, ist auch Weihnachten nicht mehr weit: Wer schlau ist, hat dann bereits (mindestens) ein Geschenk schon parat liegen.

Horst Illmer

  • Denis Scheck
    SCHECKS BESTSELLERBIBEL.
    Schätze und Schund aus 20 Jahren.
    Mit 21 Schwarz-Weiß-Illustrationen von Torben Kuhlmann
    München, Piper, 2024, 430 S.
    ISBN 978-3-492-07294-6, 28,00 Euro
    Hardcover

Unser liebster TV-Literaturkritiker, der schwäbelnde Kölner Denis Scheck, hat sich intensive Gedanken darüber gemacht, welche Bücher ihn in den letzten zwanzig Jahren so richtig beeindruckt, beziehungsweise so richtig geärgert haben.

Daraus entstand SCHECKS BESTSELLERBIBEL, sein neuestes soeben bei Piper erschienenes Buch,

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Die April-Toten

von am 23. September 2024 noch kein Kommentar

  • Alan Parks
    Die April-Toten
    Polar Verlag, Stuttgart 2024, 444 Seiten
    ISBN 978-3-91091806-1

Gute Neuigkeiten für alle, die Alan Parks’ erste drei Romane über den schottischen Polizisten Harry McCoy im Glasgow der 1970er-Jahre verschlungen haben: Der Polar Verlag fügt die Serie, weiterhin von Conny Lösch übersetzt, als Übernahme und Fortsetzung seinem herausragenden Krimi-Programm hinzu! Sehr schön, und sehr verdient. Wer die vorangegangenen Bücher nicht gelesen hat, oder nicht mehr antiquarisch beschafft kriegt, sollte definitiv den Quereinstieg mit dem vierten Band „Die April-Toten“ wagen. Die Krimis über die wilden Siebziger in Glasgow sind richtig, richtig gut, und ziemlich zugänglich.

Diesmal wird die raue, sozial ungleiche Stadt von Waterloo in Radio-Endlosschleife sowie fiesem Bomben-Terror heimgesucht – natürlich denkt man bei Letzterem gleich an die IRA und den brutalen Nordirlandkonflikt sozusagen um die Ecke. Doch Alan Parks packt noch einige andere Verdächtige, Motive und Elemente in seinen rasanten Roman, der gegen Ende obendrein wieder mühelos das „Hardcore“-Siegel verdient hätte, wenn es um hässliche Kriegsverbrechen geht. McCoys Magengeschwüre dürften vermutlich also schlimmer werden, zumal sein alter Gangster-Kumpel Cooper aus dem Knast entlassen wird und wie immer für noch mehr Unruhe und Unfrieden in McCoys zerrissener Welt sorgt …

Seit 2017 widmet sich der frühere Musikproduzent Alan Parks nun schon den Fällen von Harry McCoy in einem stimmungsvollen historischen Glasgow: Auf den ewigen Spuren von William McIlvanney und dessen Genre-prägendem schottischem Ermittler Laidlaw, wie Doug Johnstone in seinem Nachwort richtig feststellt – aber auch durchaus bereits in einem Atemzug mit dem modernen Meister Ian Rankin und dessen John Rebus zu nennen.

Christian Endres

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  • Alan Parks
    Die April-Toten
    Polar Verlag, Stuttgart 2024, 444 Seiten
    ISBN 978-3-91091806-1

Gute Neuigkeiten für alle, die Alan Parks’ erste drei Romane über den schottischen Polizisten Harry McCoy im Glasgow der 1970er-Jahre verschlungen haben: Der Polar Verlag fügt die Serie, weiterhin von Conny Lösch übersetzt, als Übernahme und Fortsetzung seinem herausragenden Krimi-Programm hinzu! Sehr schön, und sehr verdient. Wer die vorangegangenen Bücher nicht gelesen hat, oder nicht mehr antiquarisch beschafft kriegt,

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Hanna-Linn Hava kommt wieder! (18.10. merkt euch das Datum vor)

von am 18. September 2024 noch kein Kommentar

Welch große Freude.

Hermkes Romanboutique & Buchhandlung Erlesen präsentieren:
Hanna-Linn Hava liest und signiert am 18.10.2024
in der AMV gegenüber vom Laden

Es ist fast zehn Jahre her, dass Hanna-Linn Hava zum ersten mal bei uns in Würzburg gastierte. Die Lesung im Januar 2015 mit anschließender Signierstunde zum 34. Geburtstag von Hermkes Romanboutique war ein voller Erfolg! Viele Autorinnen und Autoren, Zeichnerinnen und Zeichner haben wir nach Würzburg geholt. Darunter waren Berühmtheiten wie Wolfgang Hohlbein und Don Rosa. Natürlich habe ich an sehr viele dieser Künstler gute Erinnerungen. Aber es gibt ein paar Ausnahmen, deren Auftritt und Persönlichkeit das zu Erwartende bei Weitem übertroffen hat. Hanna-Linn war einer dieser Fälle. Viel wussten wir damals noch nicht von ihr. Aber ihr einzigartig sympatisches Auftreten und ihre gewinnende Ausstrahlung haben diese Lesung und den Tag zu einem unvergesslichen Erlebnis gemacht. "Schneewittchens Geister" war damals ihr erster Roman. Und, was soll ich sagen, wir waren nicht nur von ihr als Person hingerissen, auch der unkonventionell frische Schreibstil und die ganz besondere Erzählweise haben nicht nur uns, sondern auch unsere Kunden begeistert. Ihr Buch war nicht nur am Tag selbst ein Verkaufsschlager, sondern konnte sich zum absoluten Steadyseller entwickeln. Bis heute zählt "Schneewittchens Geister" zu unseren meistverkauften Büchern und… das Feedback war eigentlich stets euphorisch. Allein schon die wenigen Rückläufer ins Antiquariat haben gezeigt, dass ihr alle von diesem Buch begeistert wart und es einen festen Platz in euren Bücherregalen gefunden hat.

Zehn Jahre sind eine ganz schön lange Zeit. Gerade weil Hanna-Linn ihr Einkommen nicht als professionelle Autorin verdient, ist es umso erfreulicher, zu sehen, dass auch ihr zweites Buch "Lilys Engelskostüm hat kaputte Flügel" bei uns im Laden ein Erfolg war. Ganz anders, aber wieder eines dieser besonderen Bücher. Als jetzt im Sommer eine Anfrage des Verlages ihres neuen Werkes "Wild" für eine Lesung mit Signierstunde eingetrudelt ist, war unsere Freude sehr groß. Ein neues Buch. Wieder ganz anders und wieder ein ganz besonderes Buch. Ich habe das Buch jetzt gelesen. Und wieder bin ich geplättet. Hanna-Linn nimmt uns mit auf eine Reise in Gefielde zwischen Traum, Phantasie und Dunkelheit. Die Verknüpfung der einzelnen novellenhaften Geschichten ist derart kunstvoll, dass man das ganze Werk wie einen Traum erfährt. Erotisch fremd zwischen renaissancistischer Poesie und immanenter Popkultur. Moderne Fantasy mit ganz besonderen Ingredienzien. Eben "Wild".

Mit "Wild" vereint Hanna-Linn poetische Erotik mit phantastischen Welten. Ein wunderschönes Büchlein, das weit mehr ist als einfach nur ein phantastisches Werk. Von Anfang an waren wir begeistert und gleichzeitig überzeugt, dass wir den Stellenwert des Werkes und der Autorin teilen und verbreiten wollen. Noch viel mehr als bei ihrem Erstling. Und uns war klar, dass wir dies über die Grenzen unseres Ladens hinaus treiben wollen. Also haben wir Petra Pohl von der Buchhandlung Erlesen mit ins Boot genommen. Wer sonst wäre eine bessere Verbündete, als die Powerfrau, deren Laden ich selbst als die schönste und bestkuratierte Buchhandlung Würzburgs sehe? Gemeinsam wollen wir euch jetzt zu einem Abend mit Hanna-Linn Hava einladen. Zu einer ganz besonderen Lesung mit einer ganz besonderen Autorin.

Am Abend des 18. Oktobers ab 19:00 liest Hanna-Linn Hava in der AMV gegenüber vom Laden. Die Mädels von der Buchhandlung Erlesen und wir aus Hermkes Romanboutique freuen uns auf euer aller Kommen. Ob ihr Hanna-Linn bereits kennt oder nicht, macht euch auf etwas ganz besonderes gefasst. Wir freuen uns auf euch!

Welch große Freude.

Hermkes Romanboutique & Buchhandlung Erlesen präsentieren:
Hanna-Linn Hava liest und signiert am 18.10.2024
in der AMV gegenüber vom Laden

Es ist fast zehn Jahre her, dass Hanna-Linn Hava zum ersten mal bei uns in Würzburg gastierte. Die Lesung im Januar 2015 mit anschließender Signierstunde zum 34. Geburtstag von Hermkes Romanboutique war ein voller Erfolg! Viele Autorinnen und Autoren, Zeichnerinnen und Zeichner haben wir nach Würzburg geholt. Darunter waren Berühmtheiten wie Wolfgang Hohlbein und Don Rosa.

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Hanna-Linn Hava: "Wild"

von am 16. September 2024 noch kein Kommentar

Hanna-Linn Hava
Wild
kul-ja! publishing 2024, 179 Seiten, Harcover
ISBN: 9783949260230, 25,- Euro

Wild, von Hanna-Linn Hava ist ein Meisterwerk. Es kann alles, was ein gutes Buch können kann. Es hat mich wütend gemacht, es hat mich zum Lachen gebracht und es hat mich weinen lassen. Tatsächlich bittere Tränen des Schmerzes. Trotzdem ist das Buch, und damit auch über dieses Buch zu schreiben, ein Kraftakt für mich. Fast als läge ein weiblicher Zauber darüber, der mich in die ewige Verdammnis bannt, wenn ich es wage. Aber ich versuches es wider besseres Wissen natürlich dennoch. Denn gute Bücher zu verbreiten, die Lust am Lesen zu vermitteln sehe ich als Mission. Und was wäre dafür besser geeignet, als ein wunderbar gefertigtes Büchlein, das all die Gefühle in sich trägt, die Sprache und Worte auszudrücken vermögen und dabei äußerlich noch so wunderbar das repräsentiert, was man als bibliophil bezeichnen.

Obwohl es möglicherweise das Buch einer Frau für Frauen sein könnte und auch ist, wenn wir dem Vorwort von Julia Kulewatz folgen, waren meine ersten Gedanken und Gefühle mit dem Werk eines großartigen französischen Comiczeichners verknüpft. Für mich ist und war das Werk von Philippe Cazaumayou alias Caza immer eines der feinsten Stücke erzählerischer und zeichnerischer Comic Kultur. Seine Kurzgeschichten vereinen wie kein mir bekanntes anderes Werk Traum und Träumerei, Freiheit und Wildheit, Gefühl und Realität. Immer wieder gibt es in seinen Stories übermächtige, fremdartig wirkende Frauengestalten, die als Gaia, als Mutter Natur, als Alraune oder als halb tierische Wesen auftreten. Diese stehen oft in krassem Gegensatz zu den überzeichnet stupiden oder einfach nur normal bürgerlichen männlichen Figuren. Ich liebe und verehre Cazas Werk vor allem in seiner Gesamtheit, die am Ende immer auch eine positiv träumerische Seite zeigt.

Als ich jetzt am Anfang von Hanna-Linns "Wild" stand und mir dieser Vergleich sofort in den Sinn gekommen ist, war meine Erwartungshaltung vorgeprägt, andererseits die Messlatte mindestens einen Meter nach oben verschoben. Wenn man jetzt etwas sofort spontan in eine Schublade steckt, die man im Schatzhort der besten Erinnerungen aufbewahrt, kommt es gerne auch zu unfairen Reaktionen und Vergleichen. Ein bisschen war das am Anfang auch so. Mir war die Wildheit ein wenig zu roh und ungezügelt. Vielleicht hat mir ein wenig das Versöhnliche gefehlt. Aber gerade diese Gefühlsachterbahn hat am Ende ein gewaltiges Stück des Buches ausgemacht. Für mich ist das Buch, auch wenn die einzelnen Geschichten erst nur lose verknüpft erscheinen, nur und ausschließlich als Gesamtwerk zu verstehen. Und als solches unfassbar stimmig und kostbar sorgfältig aufgebaut. Die einzelnen Geschichten, die anfangs sogar ein bisschen wie Gruselgeschichten aus einem Pulp-Magazin wirken und das auch dürfen, vielleicht sogar sollen, führen den Leser in alle möglichen Richtungen. Legen bewusst Fährten und loten Abgründe und Gefühlswelten aus, die bei weitem nicht immer schön oder angenehm sind. Gerade für den Leser mit Y Chromosom. Selbstverständlich dabei immer von untadeliger, faszinierend schöner Sprache und stets angemessener Ausdrucksweise. Trotzdem war ich zwischendurch hin und her gerissen. Zerfressen von unterschiedlichen Gefühlen und teilweise eben auch impulsiv wütend. Vor allem, weil mir dieses Quentchen Versöhnlichkeit gefehlt hat. Das, was ich bei Caza stets so genial fand. Dieses durch Augenzwinkern oder relativierende Überzeichnung erzeugte Gefühl der Wärme und letztendlich Harmonie.

Wie gesagt. Das war am Anfang so. Und hat sich im Laufe des Buches verändert, geklärt, erklärt. Das Buch war für mich eine wilde Reise der Gefühle und genau deswegen ist es erst möglich, dieses aus scheinbar einzelnen Geschichten zusammengesetzte Werk am Ende in seiner Gesamtheit zu verstehen und zu beurteilen. Ich bin mir sicher, dass Hanna-Linn genau das ganz bewusst so aufgebaut hat, denn ganz am Ende schreibt sie noch, dass dieses Büchlein vermutlich ein längerer Wegbegleiter sein wird. Weil es die Sicht verändert und sich vielleicht sogar in Träume schleichen kann. Ich denke, sie hat recht. Danke für diese wunderbaren Stunden. Jetzt, am Ende des Buches HOFFE ich, es wird mich noch lange begleiten. Gerne auch bis ich dem Freund der rothaarigen Frau gegenübertrete.

Hanna-Linn Hava
Wild
kul-ja! publishing 2024, 179 Seiten, Harcover
ISBN: 9783949260230, 25,- Euro

Wild, von Hanna-Linn Hava ist ein Meisterwerk. Es kann alles, was ein gutes Buch können kann. Es hat mich wütend gemacht, es hat mich zum Lachen gebracht und es hat mich weinen lassen. Tatsächlich bittere Tränen des Schmerzes. Trotzdem ist das Buch, und damit auch über dieses Buch zu schreiben, ein Kraftakt für mich. Fast als läge ein weiblicher Zauber darüber,

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Das Buch Anderswo

von am 11. September 2024 1 Kommentar

  • Keanu Reeves & China Miéville
    DAS BUCH ANDERSWO. Roman.
    Ü: Jakob Schmidt, Ill: Sister Hyde
    (THE BOOK OF ELSEWHERE / 2024)
    Berlin, Gutkind, 2024, 528 S.
    ISBN 978-3-98941-044-2 24,00 Euro
    Hardcover

Okay. China Miéville, für lange Zeit einer meiner absoluten Lieblingsautoren, hat seit über zehn Jahren keinen Roman mehr veröffentlicht. Und jetzt das: eine Zusammenarbeit mit Keanu Reeves! Hoppla. Mit wem? Reeves ist doch ein Schauspieler. Actionfilme. Matrix. John Wick.
Aber: Reeves ist inzwischen auch als Comic-Autor unterwegs. Seine 12-teilige Miniserie BRZRKR war in den USA ein riesiger Erfolg. Auch dabei hatte Reeves Co-Autoren, allerdings stammt die Grundidee wohl komplett von ihm. Also durchaus bemerkenswert.
In diversen Interviews haben sowohl Reeves wie Miéville betont, wie harmonisch die Zusammenarbeit verlief – und zwischen den Zeilen konnte man herauslesen, dass wohl China Miéville den „Roman zum Comic“ geschrieben hat, also eine Geschichte aus dem Leben von „B.“ (wie Reeves’ Figur des „ewigen Kriegers“ genannt wird) erzählt, die in der Welt des sich rasant weiter entwickelnden BRZRKR-Universums spielt.
(Bis zum Beweis des Gegenteils werde ich DAS BUCH ANDERSWO also mal als China-Miéville-Roman betrachten. Was die Messlatte ziemlich hoch legt, nebenbei gesagt.)

Irgendwann in fernster Vergangenheit beginnt der Weg von B. – als unsterblicher Krieger und als ewig Suchender. Seine Mission ist ihm unbekannt, aber er kann nichts so gut wie töten. Und wenn es ihn selbst erwischt, kehrt er in immer gleicher Gestalt zurück, voll entwickelt und bereit für den nächsten Kampf. In den Pausen dazwischen versucht er einen Sinn zu finden für sein Dasein. Und er sucht nach einer Möglichkeit, diesen endlosen Kreislauf zu durchbrechen.
Als die Handlung des Romans einsetzt, ist er bei dieser Suche inzwischen im Hier und Jetzt angekommen und beim US-Militär, wo man ihm wohl glaubwürdig versichert hat, dass sich da schon die eine oder andere Gelegenheit finden würde, sein finales Ende herbeizuführen. Das erweist sich aber als Täuschungsmanöver – die Herrschaften sind eher daran interessiert, weitere unzerstörbare Soldaten herzustellen. Als sich dann jedoch weitere unsterbliche Wesen aus B.s Vergangenheit einmischen, entwickelt sich das Projekt plötzlich in eine durchaus unerwünschte Richtung …

Ja, soweit es Stil und Sprachvermögen angeht, liest sich DAS BUCH ANDERSWO tatsächlich wie ein Mieville-Roman, wenngleich er die Komplexität und Kunstfertigkeit seiner frühen „Bas-Lag“-Bücher nicht erreicht. Trotzdem erkennt man im Text Mievilles Affinität zu Surrealismus und Mystik. Aber das Setting in der BRZRKR-Welt scheint dann doch als zu limitiert, um darin literarische Höchstleistungen erreichen zu können. Es fehlt einfach die Möglichkeit, die Leser*innen überraschen zu können. Ich kann mir zum Beispiel einfach nicht vorstellen, dass noch irgendwer darüber erstaunt sein könnte, dass B. vom militärischen Komplex der USA hintergangen wird.
Und als einziges originelles mystisches Element ist mir ein Zombie-Babirusa (sprich ein gemeiner Hirscheber) dann doch zu wenig.

Auch wenn der englische Originalverlag damit wirbt, dass THE BOOK OF ELSEWHERE (so der Originaltitel) „allerfeinste Science-Fiction-Sahne sei, mit einem überraschenden Konzept und undurchschaubaren Charakteren“, so kann ich mich nur dem zweiten Teil dieses Werbespruches anschließen: „ mit einem Plot, der Action, Drama und Existenzialismus auf eine Weise verbindet, die die Leserschaft staunend zurücklässt“.

Für mich gehört DAS BUCH ANDERSWO leider viel zu sehr zum derzeitigen Mainstream, jedenfalls unter der Prämisse, dass es ein Mieville-Roman ist, um es wirklich genießen zu können; vielleicht sollte ich meine Ansprüche einfach etwas zurücknehmen und das Werk im Regal unter „R“ wie Reeves einsortieren?

Horst Illmer

  • Keanu Reeves & China Miéville
    DAS BUCH ANDERSWO. Roman.
    Ü: Jakob Schmidt, Ill: Sister Hyde
    (THE BOOK OF ELSEWHERE / 2024)
    Berlin, Gutkind, 2024, 528 S.
    ISBN 978-3-98941-044-2 24,00 Euro
    Hardcover

Okay. China Miéville, für lange Zeit einer meiner absoluten Lieblingsautoren, hat seit über zehn Jahren keinen Roman mehr veröffentlicht. Und jetzt das: eine Zusammenarbeit mit Keanu Reeves! Hoppla. Mit wem? Reeves ist doch ein Schauspieler. Actionfilme. Matrix.

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Der absolute Horror

von am 4. September 2024 3 Kommentare

Christian Blees
DER ABSOLUTE HORROR.
Die Geschichte der Gruselcomics in Deutschland.
Durchgehend farbig illustriert
Barmstedt, Verlag Volker Hamann/Edition Alfons, 2024, 240 Seiten
Texte zur graphischen Literatur Band 6
ISBN 978-3-946266-48-8 / 29,95 Euro

Zu den wiederkehrenden Höhepunkten im Bereich der Sekundärliteratur zum Comic-Genre gehören die Bücher von Christian Blees. In der Reihe „Texte zur graphischen Literatur“, die von der Edition Alfons herausgegeben wird, erschien im Juni 2024 als Band 6 DER ABSOLUTE HORROR, in dem Blees „die Geschichte der Gruselcomics in Deutschland“ festhält. Und mit diesem Untertitel ist auch schon der Unterschied benannt, zwischen dem Buch von Blees und dem vor einigen Jahren von Alexander Braun veröffentlichten Band HORROR IM COMIC (Avant), der vor allem den internationalen Markt betrachtet.

In seinem sehr gut lesbaren Stil erzählt Blees von den ersten Höhepunkten des Horror-Comic-Genres im Amerika der 1950er Jahre, die hierzulande nur punktuell auftauchten – und sofort wieder verschwanden. Nachdem Film und Groschenroman das deutschsprachige Publikum dann etwas weiter vorbereitet hatten, gewann die Grusel-Welle auch bei uns an Kraft und ab etwa 1970 füllten Horror-Comics die Regale der Bahnhofsbuchhandlungen, Zeitungskioske und der wenigen Buchhändler, die diese „Schundheftchen“ im Programm hatten.

In zehn Kapiteln auf 240 zwei- bis dreispaltigen Textseiten, unterstützt von hunderten zumeist farbigen Bildbeispielen, vollzieht Blees diese Literaturgeschichte der besonderen Art nach und schaut am Ende sogar fast tagesaktuell auf derzeit Erscheinendes und Angekündigtes.

Blees schafft in DER ABSOLUTE HORROR fast Unmögliches: Auf beschränktem Raum eine vielfältige und detailgenaue Übersicht über eines der spannendsten Spezialthemen der Phantastik und der Neunten Kunst zu geben, die selbst ausgefuchste Spezialisten zufrieden stellen dürfte.

Horst Illmer

Christian Blees
DER ABSOLUTE HORROR.
Die Geschichte der Gruselcomics in Deutschland.
Durchgehend farbig illustriert
Barmstedt, Verlag Volker Hamann/Edition Alfons, 2024, 240 Seiten
Texte zur graphischen Literatur Band 6
ISBN 978-3-946266-48-8 / 29,95 Euro

Zu den wiederkehrenden Höhepunkten im Bereich der Sekundärliteratur zum Comic-Genre gehören die Bücher von Christian Blees. In der Reihe „Texte zur graphischen Literatur“, die von der Edition Alfons herausgegeben wird, erschien im Juni 2024 als Band 6 DER ABSOLUTE HORROR,

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Mickey 7 – Der letzte Klon

von am 2. September 2024 noch kein Kommentar

Edward Ashton
MICKEY 7 – Der letzte Klon. Roman.
Heyne, 2023, 366 S.
ISBN 9783453321724, 15,00 Euro

"Mickey 7 – Der letzte Klon" erzählt die Geschichte von Mickey, einem sogenannten "Expendable", der auf dem Planeten Niflheim lebt, einer lebensfeindlichen Welt, die von Kolonisten besiedelt wird. Als "Expendable" ist Mickeys Aufgabe, gefährliche Missionen zu übernehmen, bei denen er höchstwahrscheinlich stirbt, um dann in einem neuen Klon-Körper wieder aufzuerstehen. Mickey ist bereits in seiner siebten Inkarnation, als er wider Erwarten eine gefährliche Mission überlebt, während sein Team ihn für tot hält. Bei seiner Rückkehr stellt er fest, dass bereits ein neuer Klon – Mickey 8 – erschaffen wurde. Da das gleichzeitige Vorhandensein zweier Klone als inakzeptabel gilt, muss Mickey 7 nun sein Überleben sichern und gleichzeitig die Geheimhaltung über seine Existenz wahren. Währenddessen drohen zunehmende Spannungen auf der Kolonie und eine potenziell feindliche Begegnung mit den einheimischen Lebensformen von Niflheim.
Edward Ashtons Sprache in "Mickey 7" ist klar und zugänglich, mit einem trockenen Humor, der die düstere Thematik auflockert. Die Erzählweise ist introspektiv, der Protagonist hinterfragt seine eigene Existenz und die moralischen Implikationen seiner Wiederauferstehungen. Ashton verbindet spannende, actionreiche Szenen mit philosophischen Überlegungen. Es geht um Identität und Selbstwert, eben was bedeutet es, eine Person zu sein und wie bewältigt man die Identitätskrise, die entsteht, wenn mehrere Versionen derselben Person existieren. Auch Moral und Wiedergeburt sind ein Theam, werfen doch die wiederholten Klonungen ethische Fragen auf, insbesondere hinsichtlich der Behandlung von "Expendables" als entbehrliche Wesen.
"Mickey 7 – Der letzte Klon" ist eine intelligente und spannende Science-Fiction-Geschichte, die grundlegende Fragen über Identität, Moral und das menschliche Überleben aufwirft. Edward Ashton gelingt es, ein intensives und zugleich nachdenkliches Werk zu schaffen und da er das ganze auch noch mit ein wenig Humor würzt, ist es eine unterhaltsame und auch ein klein wenig herausforderende Lektüre.

 

Edward Ashton
MICKEY 7 – Der letzte Klon. Roman.
Heyne, 2023, 366 S.
ISBN 9783453321724, 15,00 Euro

"Mickey 7 – Der letzte Klon" erzählt die Geschichte von Mickey, einem sogenannten "Expendable", der auf dem Planeten Niflheim lebt, einer lebensfeindlichen Welt, die von Kolonisten besiedelt wird. Als "Expendable" ist Mickeys Aufgabe, gefährliche Missionen zu übernehmen, bei denen er höchstwahrscheinlich stirbt, um dann in einem neuen Klon-Körper wieder aufzuerstehen. Mickey ist bereits in seiner siebten Inkarnation,

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Raw Spirit

von am 21. August 2024 noch kein Kommentar

  • Iain Banks
    Raw Spirit
    In Search of the Perfect Dram
    Cornerstone, 2019, 384 S.
    ISBN 9781529124781 / 24,50 Euro

Als letzten Beitrag zu unserer Schottlandreise gibt es jetzt hier noch einen ganz besonderen Tipp. Für alle, die die wunderbare Art und Weise wertschätzen, wie Ian Banks Gedanken zu Paier bringt. Ein Hohelied auf Schottland und seinen Whisky. Also auf jeden Fall ein weiteres erhellendes Buch über Whisky für Kenner und Liebhaber, also für Genießer, aber selbst auch ein Genuß für Freunde schöner Worte. Und, das Buch gehört in die Riege der Bücher des Meisters, die ich in einer gewünschten Werksausgabe nicht missen möchte. Natürlich habe ich das Buch in Wigtown, bei Shaun Bythell gefunden… und sofort gekauft.

Ich persönlich liebe Bücher, ganz besonders die des Schotten Banks und ich liebe Single Malt Scotch. Die perfekte Mischung aus beidem zu finden war allein schon ein Glücksmoment. Das Buch ist keine Enzyklopädie und kein Führer, sondern die sehr persönliche Reise eines großen Mannes durch seine Heimat. Banks beschreibt dabei sein Faible für klassische Autos, Motorräder, Science Fiction und eben Whisky und Schottland. Banks schreibt dabei zutiefst menschlich. Über Freundschaften und Schönheit. Das Buch ist tatsächlich einmal mehr ein Genuss. Selbst wenn man dem Thema Single Malt noch nichts abgewinnen kann. Ich denke, es könnte sogar dabei helfen…

Und um gleich noch alle Missverständnisse auszuräumen, Dram hat nichts mit Drama oder Dramatik zu tun. Dram ist der Begriff für das klassische Scotch Whisky Glas. Dabei ist Dram kein weiteres seltsames britisches Maß, sonder versteht sich in etwa als die Menge Whisky, die man gewöhnlich in den Mund nimmt. Offiziell ein Schluck oder, wie ich es formulieren würde, ein Maulvoll.

  • Iain Banks
    Raw Spirit
    In Search of the Perfect Dram
    Cornerstone, 2019, 384 S.
    ISBN 9781529124781 / 24,50 Euro

Als letzten Beitrag zu unserer Schottlandreise gibt es jetzt hier noch einen ganz besonderen Tipp. Für alle, die die wunderbare Art und Weise wertschätzen, wie Ian Banks Gedanken zu Paier bringt. Ein Hohelied auf Schottland und seinen Whisky. Also auf jeden Fall ein weiteres erhellendes Buch über Whisky für Kenner und Liebhaber,

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Bedenke Phlebas

von am 19. August 2024 noch kein Kommentar

  • Iain Banks
    BEDENKE PHLEBAS. Roman.
    Heyne, 2019, 765 S.
    ISBN 9783453320215, 13,00 Euro

Nachdem Gerd ja ein kleines Essay mit Forderung an den Heyne Verlag über den Kultur Zyklus des Giganten Iain Banks entworfen hat, will ich Euch ergänzend doch noch einmal speziell den ersten (und einen der Wenigen in Printform lieferbaren) Roman ans Herz legen. Die anderen natürlich auch…aber eben halt nur als Ebook.
"Bedenke Phlebas" ist der erste Roman aus Iain Banks' "Kultur"-Zyklus. Er spielt in einem Universum, in dem die fortschrittliche und utopische Gesellschaft der Kultur mit der militaristischen und religiösen Zivilisation der Idiraner im Krieg steht. Die Geschichte folgt dem Gestaltwandler Bora Horza Gobuchul, der für die Idiraner arbeitet. Horza erhält den Auftrag, ein verlorenes Kultur-Mind, eine künstliche Intelligenz zu bergen, der sich auf einem Planeten namens Shars Welt befindet. Während seiner Odysee wird Horza durch eine Reihe von Hindernissen gewirbelt in denen seine Begegnungen und Auseinandersetzungen mit verschiedenen Protagonisten die moralischen und philosophischen Spannungen zwischen der Kultur und den Idiranern widerspiegeln
Banks' Sprache ist reich und detailliert, oft gespickt mit technischen und futuristischen Begriffen. Sein Stil kombiniert actiongeladene Szenen mit tiefgehenden philosophischen Überlegungen. Die Beschreibungen der Raumschlachten, der exotischen Planeten und der komplexen Technologie sind lebendig und eindrucksvoll, was eine immersive Leseerfahrung schafft.
Der Roman untersucht die moralischen Implikationen des Krieges und stellt die Frage, ob ein utopisches Gesellschaftssystem wie die Kultur moralisch gerechtfertigt ist, wenn es bereit ist, für seine Überzeugungen zu kämpfen und zu töten. Horzas Fähigkeit zur Gestaltwandlung hingegen symbolisiert Themen der Identität und der Anpassung. Seine Loyalität zu den Idiranern und seine Sichtweise auf die Kultur bieten einen einzigartigen Blick auf die Konflikte und Ambivalenzen innerhalb und zwischen den verschiedenen Zivilisationen. Die fortschrittliche Technologie der Kultur wirft Fragen nach der Rolle und Bedeutung der Menschlichkeit in einer post-scarcity-Gesellschaft auf. Die Minds und ihre Interaktionen mit Menschen reflektieren tiefere Überlegungen über Bewusstsein und Ethik.
"Bedenke Phlebas" ist eine komplexe und vielschichtige Space Opera, die nicht nur durch ihre actionreiche Handlung besticht, sondern auch durch ihre tiefgehenden philosophischen Themen. Banks fordert den Leser auf, über die Natur von Krieg, Moral und Identität nachzudenken und bietet eine kritische Perspektive auf utopische Gesellschaften und die Kosten, die mit ihrer Erhaltung verbunden sind.

Und als Grundgerüst für eine Masterarbeit und/oder Diskussion mit Gerd und Pete hab ich Euch hier noch was gebastelt:

Kultur-Zyklus von Iain Banks

Der Kultur-Zyklus von Iain Banks ist eine bedeutende und einflussreiche Science-Fiction-Serie, die sowohl durch ihre tiefgehenden Erkundungen sozialer und politischer Themen als auch durch ihr reiches und detailliertes Universum besticht. Die Serie besteht aus mehreren Romanen und Kurzgeschichten, die in einer fiktiven Zukunft spielen. Hier sind einige wesentliche Aspekte des Kultur-Zyklus:

Grundlegende Merkmale

    1. Die Kultur:
      Utopische Gesellschaft: Die Kultur ist eine utopische, post-scarcity Gesellschaft, bestehend aus verschiedenen humanoiden und künstlichen Lebensformen. Sie ist technologisch extrem fortgeschritten und wird von künstlichen Intelligenzen, den sogenannten Minds, verwaltet.
      Freiheit und Individualität: In der Kultur gibt es keine materiellen Engpässe, sodass die Mitglieder keine wirtschaftlichen oder physischen Bedürfnisse haben. Stattdessen konzentrieren sie sich auf persönliche, intellektuelle und künstlerische Entwicklungen.
    2. Technologie:
      Fortschrittliche Technik: Die Kultur nutzt Technologien, die weit über das hinausgehen, was wir heute kennen, einschließlich interstellarer Reisen, genetischer Modifikationen, leistungsstarker künstlicher Intelligenzen und Nanotechnologie.
      Charakteristische AI: Die Schiffe und künstlichen Intelligenzen der Kultur haben oft humorvolle oder skurrile Namen, die ihren einzigartigen Charakter unterstreichen.

Philosophische Themen

    1. Post-Scarcity und Utopie:
      Gesellschaft ohne Mangel: Der Kultur-Zyklus untersucht, wie eine Gesellschaft aussieht, die durch Technologie von materiellen Zwängen befreit ist. Die Kultur versucht, eine utopische Gesellschaft zu sein, in der Wohlstand und Freiheit für alle gewährleistet sind.
      Menschliche Schwächen: Banks stellt die Frage, ob und wie eine solche Gesellschaft menschliche Schwächen und Konflikte überwinden kann.
    2. Künstliche Intelligenz und Bewusstsein:
      Rolle der Minds: Ein zentrales Thema ist die Rolle der Minds, hochentwickelte künstliche Intelligenzen, die viele administrative und strategische Aufgaben der Kultur übernehmen.
      AI als vollwertige Mitglieder: Diese KIs sind nicht nur Werkzeuge, sondern vollwertige Mitglieder der Gesellschaft mit eigenen Persönlichkeiten und Rechten.
    3. Moralische und ethische Dilemmata:
      Intervention und Ethik: Trotz ihrer utopischen Ziele steht die Kultur oft vor moralischen Herausforderungen, insbesondere im Umgang mit weniger fortschrittlichen oder feindlichen Zivilisationen.
      Gewalt und Verantwortung: Die Serie stellt Fragen zur Nichteinmischung, zur Anwendung von Gewalt und zur Verantwortung einer überlegenen Zivilisation gegenüber anderen.

Wichtige Werke

    1. "Consider Phlebas" (1987):
      Krieg und Perspektive: Der erste Roman der Serie stellt die Kultur in den Kontext eines Krieges gegen das Idiranische Imperium, eine theokratische, kriegerische Spezies. Der Protagonist, ein Agent der gegnerischen Seite, bietet einen kritischen Blick auf die Kultur.
    2. "The Player of Games" (1988):
      Gesellschaftsspiel: Dieser Roman folgt einem Meisterspieler der Kultur, der in ein fremdes Imperium reist, um an einem komplizierten Spiel teilzunehmen, das die Gesellschaftsstruktur dieses Reiches widerspiegelt.
    3. "Use of Weapons" (1990):
      Trauma und Identität: Ein komplexer Roman, der die Geschichte eines Söldners der Kultur erzählt und sich mit Themen wie Trauma, Identität und der moralischen Ambivalenz von Gewalt auseinandersetzt.

Stil und Einfluss

Schwarzer Humor und Satire: Iain Banks kombiniert in seinen Büchern actionreiche Plots mit tiefgründigen philosophischen Reflexionen. Sein Schreibstil ist oft geprägt von schwarzem Humor und satirischen Untertönen.
Einfluss auf das Genre: Der Kultur-Zyklus hat das Genre der Space Opera modernisiert und viele nachfolgende Werke beeinflusst, indem er komplexe soziale und politische Fragen in einem weitläufigen, futuristischen Setting behandelt.

Zusammengefasst bietet der Kultur-Zyklus von Iain Banks eine faszinierende Mischung aus utopischer Vision, technologischer Spekulation und philosophischer Erkundung, die ihn zu einem herausragenden Werk der Science-Fiction-Literatur macht.

  • Iain Banks
    BEDENKE PHLEBAS. Roman.
    Heyne, 2019, 765 S.
    ISBN 9783453320215, 13,00 Euro

Nachdem Gerd ja ein kleines Essay mit Forderung an den Heyne Verlag über den Kultur Zyklus des Giganten Iain Banks entworfen hat, will ich Euch ergänzend doch noch einmal speziell den ersten (und einen der Wenigen in Printform lieferbaren) Roman ans Herz legen. Die anderen natürlich auch…aber eben halt nur als Ebook.
"Bedenke Phlebas" ist der erste Roman aus Iain Banks'

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Iain Banks – eine dringende Forderung an Penguin Random House

von am 14. August 2024 2 Kommentare

  • Iain M. Banks
    Alles und Nichts
    denn alles ist gut und (fast) nichts ist auf deutsch in Printform lieferbar

Iain Menzies Banks war ein schottischer Schriftsteller. Das ist letztendlich auch der Grund, warum ich mich durchgerungen habe, diesen Artikel zu schreiben. Nach unserer Schottlandreise und nach einigen Gesprächen mit Shaun Bythell, Inhaber von "The Bookshop". Banks wurde nur zehn Jahre vor uns (Bernie und mir) geboren, ist aber leider bereits 2013 verstorben. Für uns war er immer einer der Größten. Zufälligerweise hat Bernie auch gerade angefangen, sein Werk nochmal zu lesen. Aber wir sind beileibe nicht die einzigen. Die „New York Times“ nannte Banks den „bedeutendsten Science-Fiction-Autor der Gegenwart“ und die britische „The Times“ setzte ihn im Jahr 2008 auf die Liste der „größten britischen Schriftsteller seit 1945." Nicht nur sein Science Fiction Werk, der Kulturzyklus, sondern alle seine Romane und Bücher sind großartig. Gerade jetzt in Wigtown habe ich mir ein paar wunderbare Exemplare kaufen können, die teilweise nie auf deutsch erschienen sind. Es ist wirklich eine Schande, dass das Werk eines derart bedeutenden und großartigen Autors im deutschsprachigen Raum keine Würdigung findet.

Seine SF Romane, bei denen er übrigens stets unter Ian M. Banks firmiert hat, was bei den deutschen Ausgaben komplett ignoriert wurde, spielen fast gänzlich in seinem "Kultur-Universum". Seine Sprache, seine literarische Gewalt, seine philosophische Tiefe und seine unvergleichliche Komplexität machen dieses Kultur Unversum zu einem Schatz. Jeder einzelne Band ist genial und immer auch komplett ohne den gesamten Kontext lesbar, aber die tatsächliche Tiefe und Diversität erschließt sich erst durch die unterschiedlichen Blickwinkel und Aspekte jedes einzelnen Romans. Nicht umsonst habe ich oft davon gesprochen, dass Banks mir immer wieder und bis heute Stunden und Tage philosophischer Dispute und Diskussionen beschert hat, die ich niemals missen möchte.

Als ebbok sind die meisten seiner Bücher lieferbar und so muss ich euch in diesem Fall das Medium nahelegen, das mir so gar nicht liegt. Antiquarisch sind die meisten Bücher schwer bis gar nicht zu besorgen und die englische Ausgabe erfordert mit absoluter Sicherheit extrem gute Sprachkenntnisse. Also ich zumindest bin hoffnungslos überfordert. Also bitte meine Lieben Damen und Herren von Penguin Random House. Bitte würdigt diese große Stimme moderner Literatur mit einer entsprechend umfassend und bibliophilen Gesamtausgabe auf deutsch. Es kann doch nicht sein, dass ein solch großartiger Literat in Deutschland nicht zu den Werken gehört, bei denen der Anstand gebietet immer und ständig eine angemessene Ausgabe lieferbar zu halten. Für mich ist das ein echtes Armutszeugnis und erzeugt frustriertes Kopfschütteln.

Und als kleine Annekdote zum Schluss. Es gibt sogar einen Kunden, der immer und immer wieder eine einzige Frage stellt. Nach Banks. Und auch wenn das in diesem Fall ein kleines Spielchen oder Ritual ist, steckt eine große Wahrheit dahinter. Die Würdigung eines Giganten.

  • Iain M. Banks
    Alles und Nichts
    denn alles ist gut und (fast) nichts ist auf deutsch in Printform lieferbar

Iain Menzies Banks war ein schottischer Schriftsteller. Das ist letztendlich auch der Grund, warum ich mich durchgerungen habe, diesen Artikel zu schreiben. Nach unserer Schottlandreise und nach einigen Gesprächen mit Shaun Bythell, Inhaber von "The Bookshop". Banks wurde nur zehn Jahre vor uns (Bernie und mir) geboren, ist aber leider bereits 2013 verstorben.

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Ich und die Menschen

von am 12. August 2024 noch kein Kommentar

Matt Haig
Ich und die Menschen
Hörbuch gelesen von Christoph Maria Herbst
Hoerverlag, 2015, 8:29 Std.
ISBN 9783844519235 / 9,99 Euro

Puh, da war ich wieder einmal viel zu spät dran. Und ja, es ist normalerweise nicht meine Art über olle Kamellen zu schreiben oder zu sprechen. Aber dieses Buch von Matt Haig ist mir schlicht und einfach durch die Lappen gegangen UND ich möchte trotzdem darüber schreiben. Obwohl nur noch das Hörbuch lieferbar ist. Aber genau das habe ich auch während unserer Schottlandreise gehört.

Matt Haig ist kein unbekannter. Horst hat über die Mitternachtsbibliothek geschrieben. Habe ich auch gelesen, war mir dann aber am Ende doch zu wenig konkret. Auch wenn ich die Sprache und die fantastische Stimmung geschätzt habe. Matt Haig ist auf der anderen Seite kein klassischer Phantastik Autor, oder wird bei deutschen Verlagen jedenfalls nicht unter diesem Genre geführt. Also ist es irgendwie doch entschuldbar, dass mir dieser unglaublich rührende und wahnsinnig schöne Titel komplett durch die Lappen gegangen ist. Ein Fehler…

Es gibt außerirdisches Leben. Und zwar jede Menge. Aber die Erde und die Menschheit sind viel zu uninteressant und viel zu unterentwickelt für eine offene Kontaktaufnahme. Aber die Menschheit wird ständig überwacht. Denn durch ihre kriegerische Grundhaltung und die primitiven Wertvorstellungen wird sie als potentiell gefährlich und schädlich für die Gemeinschaft der intelligenten Lebewesen eingestuft. Und so geschieht es dass die intergalaktische Wächterschaft, die Moderatoren eingreifen. Als ein Universitätsprofessor in Cambridge, Andrew Martin, nach mehr als 150 Jahren die Riemannsche Vermutung beweist und damit die Menschheit auf die Stufe emporhebt, die intergalaktisches Reisen möglich machen würde. Er wird kurzerhand eliminiert und ein Agent schlüpft in seine Rolle um alle weiteren Spuren zu löschen.

Dieser neue Andrew Martin erscheint also auf der Bühne unserer Welt. Voller Vorurteile und Hochmut und mit dem einzigen Ziel alle Spuren, inklusive menschlichen Individuen, zu beseitigen. Was sich dann entwickelt ist eine teilweise humorige Handlung, die sich zum Teil sogar an Douglas Adams bedient, aber im Lauf des Romans immer philosophischer und differenzierter wird. Wir müssen gar nicht darum herumreden. Ich und die Menschen ist ein überaus romantisches Buch und schildert eine extrem spezielle Sicht auf die menschliche Spezies. Es geht um Liebe, Verantwortung, Gefühle und Werte. Aber diese Dinge gehören eben untrennbar zu dieser barbarischen Spezies, deren Augenmerk sonst auf deutlich weniger altruistische Dinge gerichtet ist.

Am Ende ist alles ein romantisiertes Märchen, aber eben zutiefst rührend und schön. Und ist es nicht so, dass genau solche Bücher und genau solche Gedanken unsere Welt besser machen? Hat nicht schon bei Douglas Adams irgendwer den Hinweis gegeben, dass es doch schön wäre, wenn die Menschen ausnahmsweise einfach nur nett zueinander sein könnten. Soweit ich mich erinnere, ist der dann an ein Kreuz geschlagen worden… Tatsächlich – und nicht nur aus Ermangelung einer gedruckten, lieferbaren Ausgabe – kann ich diese ungekürzte Lesung uneingeschränkt empfehlen. Christoph Maria Herbst ist ein meisterlicher Leser und gerade den Wandel des Besuchers, des feindlichen Agenten, fasst er unglaublich eindrucksvoll in Sprechweise und Sprachmelodie. Einfach nur großartig.

Matt Haig
Ich und die Menschen
Hörbuch gelesen von Christoph Maria Herbst
Hoerverlag, 2015, 8:29 Std.
ISBN 9783844519235 / 9,99 Euro

Puh, da war ich wieder einmal viel zu spät dran. Und ja, es ist normalerweise nicht meine Art über olle Kamellen zu schreiben oder zu sprechen. Aber dieses Buch von Matt Haig ist mir schlicht und einfach durch die Lappen gegangen UND ich möchte trotzdem darüber schreiben. Obwohl nur noch das Hörbuch lieferbar ist.

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Scottish Ghosts

von am 7. August 2024 noch kein Kommentar

Lily Seafield
Scottish Ghosts
Crabtree Publishing Company, 2001, 192 S.
ISBN 9781565548435 / 15,00 Euro

Warum ich hier plötzlich ein englischsprachiges Buch empfehle? Noch dazu ein relativ altes? Ganz einfach, weil ich es in Shauns "The Bookshop" aufgestöbert habe und der Meinung bin, dass es das perfekte kleine Büchlein für Leute ist, die sozusagen ein realistisches Quellenbuch für Rollenspiele suchen.

Lily Seafield beschreibt schnell, eingängig und unterhaltsam, alles, was man über das übernatürliche Shottland wissen sollte. Ich habe das kleine Büchlein mitgenommen, aus genau dem Grund, es potentiell für Rollenspielrunden zu verwenden. Und genau dafür passt es auch trefflich. Keine hohe Literatur, aber unterhaltsam und informativ geschrieben. Mit massenhaft Informationen, Klassifikationen und Szenarios für unendlich viele Abende prickelnder Horrorstimmung im Rollenspiel.

Das ist ja auch eines der Dinge, die ich immer wieder vorschlage. Warum nicht unterhaltsame Lektüre mit Rollenspiel verbinden? Das gilt sehr oft für Romane, aber immer einmal wieder, wie auch in diesem Fall für Stories. Bei dem kleinen Büchlein gibt es noch jede Menge Hintergründe dazu um lebendige Gruselstimmung in Schottland zu erzeugen. Probiert es einfach aus…

Lily Seafield
Scottish Ghosts
Crabtree Publishing Company, 2001, 192 S.
ISBN 9781565548435 / 15,00 Euro

Warum ich hier plötzlich ein englischsprachiges Buch empfehle? Noch dazu ein relativ altes? Ganz einfach, weil ich es in Shauns "The Bookshop" aufgestöbert habe und der Meinung bin, dass es das perfekte kleine Büchlein für Leute ist, die sozusagen ein realistisches Quellenbuch für Rollenspiele suchen.

Lily Seafield beschreibt schnell, eingängig und unterhaltsam, alles, was man über das übernatürliche Shottland wissen sollte.

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Das wahre Tagebuch eines Buchhändlers

von am 5. August 2024 noch kein Kommentar

Shaun Bythell
Tagebuch eines Buchhändlers
btb, 2019, 448 S.
ISBN 9783442718658 / 13,00 Euro

Das Buch ist nicht neu. Horst hat bereits einen Beitrag zu diesem Band und auch zu Teil 2 geschrieben. Wir haben das Buch recht gut verkauft. Sogar sehr gut, wenn man bedenkt, dass es thematisch so gar nicht in unser Genre passt. Aber so ist das eben, wenn man selbst von etwas begeistert ist. Und wir sind alle Fans von Shaun Bythells teils trockener, teils humoriger aber stets prägnanten Schilderung seiner subjektiven Sicht auf die Welt seiner Buchhandlung in Wigtown, Schottland.

Ziemlich bald hat Katha die Idee gehabt, wie es denn wäre, diesen Shaun Bythell einmal zu besuchen. Dann kamen Corona und viel Arbeit und immer neue Ausreden. Aber irgendwann hat sich dieser Plan dann doch verfestigt und so sind wir jetzt losgezogen, um uns das Ganze mal persönlich und vor Ort anzusehen. Der Plan war ein spontaner Roadtripp nach Schottland. Ohne irgendwelche Vorplanung, mit unserem Aufzeichnungsgerät an Bord und mit dem festen Ziel, Wigtown, "The Bookshop" und Shaun Bythell zu besuchen und, wenn möglich ein Interview mit ihm zu machen. Der Rest würde sich ergeben.

Was daraus geworden ist, ob unsere spontane und komplett unangekündigte Herangehensweise am Ende aufgegangen ist und was es mit dieser "Booktown" auf sich hat, erfahrt ihr in unseren beiden nächsten Podcast Folgen. Für heute sage ich nur, vieles ist anders, als man sich das so vorstellt und anderes ist genauso oder schöner. Die Tage in Schottland waren unglaublich schön. Shaun ist tatsächlich derjenige, den man aus seinen Büchern herauslesen kann. Wigtown ist kleiner, als ich es mir vorgestellt hatte, hat aber noch mehr Buchhandlungen, als gedacht. Tja und Schottland birgt einen großen Schatz. Die Menschen, die dort wohnen und die Freundschaften, die wir dazugewonnen haben.

Shaun Bythell
Tagebuch eines Buchhändlers
btb, 2019, 448 S.
ISBN 9783442718658 / 13,00 Euro

Das Buch ist nicht neu. Horst hat bereits einen Beitrag zu diesem Band und auch zu Teil 2 geschrieben. Wir haben das Buch recht gut verkauft. Sogar sehr gut, wenn man bedenkt, dass es thematisch so gar nicht in unser Genre passt. Aber so ist das eben, wenn man selbst von etwas begeistert ist. Und wir sind alle Fans von Shaun Bythells teils trockener,

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Der Exorzist

von am 10. Juli 2024 noch kein Kommentar

William Peter Blatty
DER EXORZIST
Festa Verlag
2. Edition (27. Februar 2023)
ISBN-13: 978-3865527721

Etwas Böses und Krankhaftes hat vom Mädchen Regan partiellen Besitz ergriffen und verwandelt das Kind… es verhält sich zeitweise pervers und dämonisch mit unerklärlichen Symptomen: Regan spricht plötzlich fremde Sprachen und äußert sich extrem abartig. Lange vermuten Mutter und Ärzte, ihr Verhalten habe eine organische, neurologische oder gar psychische Ursache. Die Mutter schaltet Fachärzte ein, die aber ebenso keine wirkliche Erklärung finden, … also bittet Regans Mutter den Priester Karras um Hilfe. Karras sieht und erlebt das Kind mit dessen absonderlichen und bösartigen "Anfällen“ und er beantragt bei seiner Kirche den Exorzismus. Der Priester will wirklich eine Teufelsaustreibung vornehmen, um (die von einem Dämon besessene?) Regan zu retten…

Nur wenige (ausser den Horror-Fans) wissen, dass die Filme zu DER EXORZIST auf einem Roman von William Peter Blatty (bereits aus dem Jahr 1971) basieren. Seine Idee und Buchvorlage basiert auf einem echten Exorzismus, der im Jahre 1949 in den USA vorgenommen wurde. Die erste Verfilmung von 1973 löste damals weltweite Skandale aus. Schockierte Zuschauer verließen entrüstet die Kinos. Heute gilt der Film als Klassiker (mit drei Oscars ausgezeichnet).

Der Film ist zwar bekannter, sein literarischer Grund und Boden, das Buch DER EXORZIST, kommt aber viel tiefer, nämlich als thematisch sehr gut recherchierte, spannende und dichte Lektüre, daher; eine Erzählung, die mit archaischem und realem Grusel beim Leser einschlägt und seine Filmnachzügler aussticht.

Für mich ist DER EXORZIST einer der besten Romane, die ich die letzten zwei Jahre gelesen habe. Das Buch hat aus meiner Sicht nur Stärken, keine Schwächen: eine geniale und schnelle Handlung mit Wendungen; gleichzeitig tolle Charaktertiefe und Atmosphäre; ein toller Mix aus Grusel, Krimi, Charakterstudie und Themenbuch. Absoluter Geheimtipp!

Der Roman beweist uns heute, dass Horrorliteratur der siebziger Jahre mit zeitgenössischer Genreliteratur der Gegenwart mithalten und mitunter diese sogar übertrumpfen kann.

Die von Blatty überarbeitete und erweiterte Ausgabe von DER EXORZIST wurde für den FESTA-Verlag neu und – so finde ich – sehr gut übersetzt von Patrick Baumann.

Es grüßt Euch, MITCH!

William Peter Blatty
DER EXORZIST
Festa Verlag
2. Edition (27. Februar 2023)
ISBN-13: 978-3865527721

Etwas Böses und Krankhaftes hat vom Mädchen Regan partiellen Besitz ergriffen und verwandelt das Kind… es verhält sich zeitweise pervers und dämonisch mit unerklärlichen Symptomen: Regan spricht plötzlich fremde Sprachen und äußert sich extrem abartig. Lange vermuten Mutter und Ärzte, ihr Verhalten habe eine organische, neurologische oder gar psychische Ursache. Die Mutter schaltet Fachärzte ein, die aber ebenso keine wirkliche Erklärung finden,

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Der weisse Hai

von am 3. Juli 2024 noch kein Kommentar

Peter Benchley
DER WEISSE HAI
330 Seiten
Hardcover mit Schutzumschlag, Leseband
Milena Verlag
ISBN 978-3-903460-16-4

Reiner Zufall! Durch den BookTube-Kanal "Literatur & Whisky" bin ich letztes Jahr auf das Buch DER WEISSE HAI gestoßen und es entpuppte sich zu einem Highlight meiner Spannungsromane 2023. Der Roman aus 1974 wird 50 Jahre alt und der Milena-Verlag wartet hier mit einer tollen Jubiläumsausgabe auf.

Ich gestehe, dass ich bislang immer glaubte, DER WEISSE HAI sei "nur" der Film von 1975. Soll heißen, ich hätte nicht gedacht, dass dem guten (alten) Film ein Roman (zudem ein solch genialer) zugrunde liegt.

Der DER WEISSE HAI wartet mit einigen Besonderheiten auf, die im Film gänzlich fehlen, vor allem eine spürbare Charakterentwicklung des Polizeichefs Brody. Auch beleuchtet das Buch den Umgang (der Protagonisten sowie des Ortes) mit der Krise "Hai", es liefert so einige dem Film fehlende packende Handlungsstränge.

Der Plot: Als eine junge Frau nachts von einem Hai getötet wird, erkennt der Polizeichef eines Inselstädtchens die Gefahr, doch er muss dem Druck des Bürgermeisters nachgeben und den Unglücksfall verschweigen, … nicht ohne Folgen. Der Polizist Brody hat bald beruflich und privat an allen Fronten zu kämpfen, zuletzt Auge um Auge mit dem Hai. Es beginnt ein Kampf gegen einen weißen Hai, der nicht nur für die betuchten Besucher des beliebten Badestrands, sondern für das ganze Örtchen Amity eine vernichtende Bedrohung darstellt.

Für mich punktet der DER WEISSE HAI auf allen Ebenen: Schreibstil und Sprache fand ich sehr gut; Charaktere und Geschichte sind lebendig; das Buch wartet mit Überraschungen und Wendungen auf; natürlich merkt man dem Buch seine Zeit an, Benchley schreibt aus den 70ern, doch mir gefällts, er liefert mit DER WEISSE HAI Spannung, Faszination und Ausgewogenheit. Ich bin durch das Buch geflogen und es hatte mich dann mit seinen spannenden Finale echt geflasht. Wie gesagt, eines meiner Highlights 2023.

Es grüßt Euch, der MITCH!

Peter Benchley
DER WEISSE HAI
330 Seiten
Hardcover mit Schutzumschlag, Leseband
Milena Verlag
ISBN 978-3-903460-16-4

Reiner Zufall! Durch den BookTube-Kanal "Literatur & Whisky" bin ich letztes Jahr auf das Buch DER WEISSE HAI gestoßen und es entpuppte sich zu einem Highlight meiner Spannungsromane 2023. Der Roman aus 1974 wird 50 Jahre alt und der Milena-Verlag wartet hier mit einer tollen Jubiläumsausgabe auf.

Ich gestehe, dass ich bislang immer glaubte, DER WEISSE HAI sei "nur"

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Strandgut

von am 1. Juli 2024 1 Kommentar

Marianne Labisch (Hrsg.)
STRANDGUT.
Vorwort: Jacqueline Montemurri
Nachwort: Marianne Labisch
Zwischentexte: Michael K. Iwoleit
Illustrationen: Mario Franke & Uli Bendick
Originalzusammenstellung
Berlin, Hirnkost, 2024, 370 S.
ISBN 978-3-98857-054-3 / 32,00 Euro

Mit STRANDGUT, herausgegeben von Marianne Labisch, veröffentlicht der Hirnkost Verlag erneut eine seiner hochklassigen Original-Anthologien.

Dass es nicht nur im Hier und Heute Flüchtlinge gibt, sondern überall im Universum und zu allen Zeiten, ist das Kernthema dieser Sammlung. Erzählt werden diese etwas anderen „Flüchtlingsgeschichten“ von 20 deutschsprachigen Autor*innen in ihren phantastischen Stories, die stilistisch alle Bereiche des Genres abdecken: Science Fiction, Fantasy, Horror (themenbedingt praktisch überall vorhanden), Thriller, aber auch Überraschendes wie Märchen oder ein Lied.

Die Liste der Beiträger*innen kann sich echt sehen lassen: Rudolf Arlanov, Arno Endler, Anke Höhl-Kayser, Heidrun Jänchen, Veith Kanoder-Brunnel, Marianne Labisch, Karsten Lorenz, Aiki Mira, Jacqueline Montemurri, Monika Niehaus, Janika Rehak, Jol Rosenberg, Ansgar Sadeghi, Regina Schleheck, Michael Schmidt, Friedhelm Schneidewind, Achim Stößer, Michael Tinnefeld, Yvonne Tunnat und Vincent Voss.

Der editorische und produktive Aufwand für diese Anthologie wurde selbst für Hirnkost-Verhältnisse nochmals gesteigert. Von der Autorin und Flüchtlingsberaterin Jacqueline Montemurri stammt das sehr persönliche und bewegende Vorwort. Bebildert sind die Stories wie gewohnt von Mario Franke und Uli Bendick, für alle Beiträger*innen gibt es kurze biografische Informationen und als »Extra« gibt mit Michael K. Iwoleit ein ausgewiesener Kurzgeschichten-Spezialist kenntnisreiche Erläuterungen zu allen Geschichten.

Das und die Ausstattung des Bandes mit Fadenheftung, massivem Papp-Einband, umlaufendem Umschlagbild und Lesebändchen sollten auch die unbedarftesten Kritiker davon überzeugen, dass „Science Fiction“ schon lange nicht mehr für „Fluchtliteratur“ steht – außer es ist notwendig!

Horst Illmer

Marianne Labisch (Hrsg.)
STRANDGUT.
Vorwort: Jacqueline Montemurri
Nachwort: Marianne Labisch
Zwischentexte: Michael K. Iwoleit
Illustrationen: Mario Franke & Uli Bendick
Originalzusammenstellung
Berlin, Hirnkost, 2024, 370 S.
ISBN 978-3-98857-054-3 / 32,00 Euro

Mit STRANDGUT, herausgegeben von Marianne Labisch, veröffentlicht der Hirnkost Verlag erneut eine seiner hochklassigen Original-Anthologien.

Dass es nicht nur im Hier und Heute Flüchtlinge gibt, sondern überall im Universum und zu allen Zeiten, ist das Kernthema dieser Sammlung.

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In fernen Gefilden

von am 24. Juni 2024 1 Kommentar

Joanna Russ
IN FERNEN GEFILDEN.
Werke 1
Ü: Hannes Riffel, Erik Simon & Thomas Ziegler
Nachwort: Jeanne Cortiel
Wittenberge, Carcosa, 2024, 393 S.
ISBN 978-3-910914-18-6 / 26,00 Euro

Respekt.

Nicht nur bei mir selbst, sondern auch in all den Äußerungen, Besprechungen, Interviews über und mit Joanna Russ, die ich kenne, ist „Respekt“ die am deutlichsten erkennbare Emotion.
Was für eine außergewöhnliche Person muss Russ gewesen sein, dass sie solche Empfindungen auslöst – und das oftmals sogar bei Menschen, die sie überhaupt nicht persönlich gekannt haben. (Ein schönes und lesenswertes Beispiel ist das Interview, das Charles Platt – mittels Telefon! – 1981 mit Russ geführt hat. Selbst bei dieser Distanz hält er sich erkennbar mehr zurück als bei den meisten anderen seiner Gesprächspartner. Vgl. DIE WELTENSCHÖPFER: Band 3; Memoranda, 2022).

Vergnügen.

Neben all den ernsten Themen und der feministischen Metaebene für die Joanna Russ vor allem bekannt ist (aber: wer hat denn, und wann, überhaupt zuletzt ein Russ-Buch gelesen?), muss es doch gute Gründe dafür geben, dass ein deutscher Verlag wie Carcosa rechtzeitig zu Buchmesse im Frühjahr 2024 als Glanzstück seines aktuellen Programms den ersten Band einer Werkausgabe von Joanna Russ publiziert.
Und wer sich unvoreingenommen auf das Buch, das den Titel IN FERNEN GEFILDEN trägt, und neben den kompletten „Alyx“-Geschichten zwei wichtige Essays, eine Reihe von Buchbesprechungen der amerikanischen Autorin sowie ein kluges Nachwort der Herausgeberin Jeanne Cortiel enthält, einlässt, wird zuallererst eine Autorin entdecken, deren Geschichten zu lesen echtes Vergnügen bereitet.
Die „Barbarin“ Alyx entwickelt sich innerhalb von 5 Kurzgeschichten und einem kurzen Roman von einer selbstbewussten Fantasy-Kämpferin zu einer außergewöhnlich begabten Science-Fiction- Transtemporal-Agentin. Dabei erlebt sie Abenteuer, Leidenschaften, Liebe und Verzweiflung und bewahrt dabei eine stoische, in sich selbst ruhende Gelassenheit, die selbst bekanntere Superhelden vor Neid blass werden lässt.

Intelligenz.

Russ hat nicht nur Geschichten und Romane geschrieben, sondern auch viele Jahre lang an Hochschulen unterrichtet und Buchbesprechungen und Essays verfasst. Einige dieser Rezensionen und Sachtexte, parallel zu den Alyx-Geschichten am Ende der 1960er und zu Beginn der 1970er Jahre entstanden, fanden Eingang in diesen ersten von drei geplanten Bänden der „Werke“. In ihnen blitzen die herausragende Intelligenz und der große Furor auf, die hinter und neben der Kunst ihres Schreibens (und ihres Humors), die Wirkung Russ’scher Texte bestimmen. Egal ob sie die Romane und Erzählungen ihrer Genre-Kolleg*innen ins Visier nimmt oder theoretische Überlegungen zum Realitätsgehalt phantastischer Texte anstellt, egal ob sie schimpft, flucht, lobt, zerreißt, widerlegt oder begeistert ist – immer versucht sie gerecht zu sein und auch der „Gegenseite“ zumindest zuzuhören. Es handelt sich dabei um eine lobenswerte und leider ein wenig ins Vergessen geratene Tugend, und auch deshalb kann es nur von Vorteil sein, dieses kurzweilige und intelligente und Respekt erheischende Buch zu lesen.

Horst Illmer

Joanna Russ
IN FERNEN GEFILDEN.
Werke 1
Ü: Hannes Riffel, Erik Simon & Thomas Ziegler
Nachwort: Jeanne Cortiel
Wittenberge, Carcosa, 2024, 393 S.
ISBN 978-3-910914-18-6 / 26,00 Euro

Respekt.

Nicht nur bei mir selbst, sondern auch in all den Äußerungen, Besprechungen, Interviews über und mit Joanna Russ, die ich kenne, ist „Respekt“ die am deutlichsten erkennbare Emotion.
Was für eine außergewöhnliche Person muss Russ gewesen sein, dass sie solche Empfindungen auslöst – und das oftmals sogar bei Menschen,

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She Who Became the Sun

von am 19. Juni 2024 noch kein Kommentar

Shelley Parker-Chan
She Who Became the Sun
Der Strahlende Kaiser 1
Cross Cult, 2023, 509 Seiten
ISBN 9783986662783 / 18,00 Euro

Wow. Ein modernes Buch mit einem historischen Kern. Eine fremde Kultur einer längst vergangenen Zeit mit ganz aktuellen Themen verknüpft, ohne dass es aufgesetzt oder falsch wirkt.

Fast wäre der Roman als historischer Roman über den Beginn der Ming Dynastie im fernen China einzuordnen. Fast könnte man das Buch von Shelley Parker als Parallelwelten Geschichte bezeichnen. Irgendwie würde auch die Schublade Fantasy passen. Im Grunde ist es egal und das Buch hat von alledem ein bisschen.

Die Idee eines Mädchens, das sich als Junge ausgibt, kennen wir aus verschiedenen Geschichten. Ob es um die lernbegierige "Yentl, the Yeshiva Boy" von Isaac Bashevis Singer geht, die im Film von Barbra Streisand gespielt wurde, oder um Johanna aus "Die Päpstin" von Donna Woolfolk Cross, die sich in der Kleidung ihres Bruders als Bruder Johannes Anglicus in das Kloster Fulda begibt. Und natürlich ist das Thema auch mit einem gewissen Zeitgeist in Verbindung zu bringen.

Was das Buch so besonders macht, ist die unglaublich detailverliebte geschichtliche Genauigkeit. Der plakativ eingefangene Zeitgeist. Die harte und martialische Realität. Und das alles eben ohne die Intension ein Historisches Drama abzuliefern, sondern als phantastische was-wäre-wenn-es-so-gewesen-wäre Geschichte. Natürlich geht es auch darum, dass ein Mädchen, dem das Schicksal NICHTS verspricht, sich daran macht, eben das zu ändern. Es geht um Selbstfindung und Selbstverwirklichung, um das über die eigenen Grenzen hinauswachsen, über die gesellschaftlichen Normen erwachsen. Insofern ist es ein persönliches und sehr subjektives Buch. All das aber wieder in ein derart detailliertes historisches Korsett gezwängt, dass es zu einem stimmigen und beeindruckenden Ganzen wird. Shelley Parker-Chan untermauert die Verschmelzung dieser Kontraste durch ihre ganz besondere Mischung aus poetisch nüchterner Sprache.

Zhu Chongba, das Mädchen, dem nichts bevorsteht übernimmt den Namen und die Identität ihres Bruders, dem großes bestimmt war. Der Tausch ist komplett, denn der Bruder verliert sich in Trauer und Leid und an seiner statt nimmt seine Schwester ihr Leben in die Hand und macht ihr eigenes daraus. Shelley Parker-Chan wechselt Tempo, Schauplätze, Charaktere und schafft schon im ersten von zwei Bänden einen gewaltigen Hintergrund für den Weg des Zhu Chongba, der eigentlich seine Schwester ist.

Mittlerweile habe ich auch den zweiten Band gelesen und muss sagen, eine runde Sache und ein beeindruckendes Werk. Voll von zeitgemäßen und zeitgenössischen Themen. Auch der zweite Band ist eine mit Szechuan Pfeffer gewürzte Mischung aus Intrigen, Kriegswirren, Gier und Hochmut vor einem historisch inspirierten Hintergrund, von der der Herr von Westeros noch eine Menge lernen könnte. Zum Beispiel, wie man eine solche Mischung abschließt, ohne sich zu verzetteln.

Shelley Parker-Chan
She Who Became the Sun
Der Strahlende Kaiser 1
Cross Cult, 2023, 509 Seiten
ISBN 9783986662783 / 18,00 Euro

Wow. Ein modernes Buch mit einem historischen Kern. Eine fremde Kultur einer längst vergangenen Zeit mit ganz aktuellen Themen verknüpft, ohne dass es aufgesetzt oder falsch wirkt.

Fast wäre der Roman als historischer Roman über den Beginn der Ming Dynastie im fernen China einzuordnen. Fast könnte man das Buch von Shelley Parker als Parallelwelten Geschichte bezeichnen.

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Schwelende Rebellion

von am 12. Juni 2024 3 Kommentare

Leigh Brackett
SCHWELENDE REBELLION. Novellen.
Übersetzung & Kommentar: Helmut W. Pesch
Originalzusammenstellung
Wittenberge, Carcosa, 2024, 263 S.
ISBN 978-3-910914-14-8 / 22,00 Euro

Inhalt:
Königin der Marskatakomben
(Queen of the Martian Catacombs / 1949)
Zauberin der Venus
(Enchantress of Venus / 1949)
Schwarze Amazone des Mars
(Black Amazon of Mars / 1951)

Die ersten Bücher der Autorin Leigh Brackett wurden in Deutschland bereits Ende der 1950er Jahre veröffentlicht, trotzdem (oder auch deswegen) haftet ihr immer noch der Ruch der Groschenheft-Schreiberin an, deren Texte niveaulose Unterhaltungsliteratur seien. Dem entgegenzuwirken hat sich der Carcosa Verlag vorgenommen, der letztes Jahr bereits das beeindruckende Meisterwerk DAS LANGE MORGEN neu heraus gebracht hat.

Mit den drei Novellen, die den Inhalt des Sammelbandes SCHWELENDE REBELLION bilden, werden diesmal drei Abenteuer veröffentlicht, die Bracketts Pulp-Charakter Eric John Stark zum Helden haben. Die Stories erschienen im Original erstmals zwischen 1949 und 1951 und wurden von Helmut W. Pesch in ein furioses, eloquentes Deutsch übersetzt (und zudem kommentiert).

Natürlich steht auch hier vor allem die Action im Vordergrund, aber was Brackett ihrem Helden (und Stark ist ein Helden-Prototyp) an Hintergrund und Psychologie mitgibt, geht weit über alles Erwartbare hinaus. 2024 scheint ein gutes Jahr zu sein, um Leigh Bracket neu zu entdecken – und ihr endlich ein wenig Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.

Horst Illmer

Leigh Brackett
SCHWELENDE REBELLION. Novellen.
Übersetzung & Kommentar: Helmut W. Pesch
Originalzusammenstellung
Wittenberge, Carcosa, 2024, 263 S.
ISBN 978-3-910914-14-8 / 22,00 Euro

Inhalt:
Königin der Marskatakomben
(Queen of the Martian Catacombs / 1949)
Zauberin der Venus
(Enchantress of Venus / 1949)
Schwarze Amazone des Mars
(Black Amazon of Mars / 1951)

Die ersten Bücher der Autorin Leigh Brackett wurden in Deutschland bereits Ende der 1950er Jahre veröffentlicht,

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Die unorthodoxen Fälle des Grimshaw Griswald Grimsby

von am 10. Juni 2024 Kommentare deaktiviert für Die unorthodoxen Fälle des Grimshaw Griswald Grimsby

Dead Man’s Hand
Die unorthodoxen Fälle des Grimshaw Griswald Grimsby 1
von James J. Butcher
Heyne, 2024, 478 Seiten
ISBN 9783453322882 / 17,00 Euro

Als das Buch bei den Vorbestellungen für das Halbjahr aufgetaucht ist, war da nicht viel zu lesen. Nur einer der austauschbaren Teaser zum Inhalt. Hm. Urban Fantasy. Ein Ermittler in Sachen Magie und Hexerei. Ein Held in Grautönen. Ein Autor namens Butcher. Na, wenn das nicht… Ja, aber was? Eine Persiflage auf Harry Dresden à la J.R.R. Tollkühns Herr der Augenringe? Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm? Ein dreistes Plagiat? Nepotismus?

Das Rätsel ist schnell gelöst. Tatsächlich ist James Butcher der Sohn von Jim Butcher. Damit ist sein eigener Werdegang offensichtlich schon in die Wiege gelegt. Wie bei Joseph Hillström King alias Joe Hill. Zumindest hat anscheinend die Sozialisierung bei James Butcher gefruchtet. Mit seinen 25 Jahren hat er (im englischen Original) immerhin schon ansehnliche drei Bücher der Serie um den Helden Grimshaw Griswald Grimsby veröffentlicht. Mal sehen, was es taugt. Also auf die Leseliste, sobald es vorliegt. Natürlich immer mit einer gewissen Skepsis.

Ja, er fischt in ähnlichen Wassern wie der Vater. Aber er schafft seine ganz eigene Welt und sein ganz eigenes Flair. Mir hat der erste Band echt gut gefallen. James Butcher fackelt nicht lange und wirft den Leser gleich mitten in die Geschehnisse. Der "Held" Grimsby hat wirklich in die Scheiße gelangt. Und jetzt steckt er bis zum Hals in irren Verstrickungen. Ja, alles ein bisschen wie bei Harry Dresden. Vielleicht ist das ja ein Pseudonym und Grimsby heist in Wirklichkeit Dresden? Trotz aller Parallelen löst James die ganze Sache aber wesentlich Action lastiger und rezählt schneller. Rasanter eben und anders als der Vater.

Die Charaktere sind eigen und frisch. Der Loser Grimsby, sein Sidekick Mayflower wirken in diesem ersten Band wesentlich lebendiger, als der untote Harry Dresden. Klar lese ich den immer noch gerne, aber manchmal schleppt sich das schon dahin. Die unorthodoxen Fälle des Grimshaw Griswald Grimsby Nummer 1 ist bestimmt keine hohe Literatur aber allemal rasantes und herrlich böses Lesefutter. Ich werde da auf jeden Fall dranbleiben.

Dead Man’s Hand
Die unorthodoxen Fälle des Grimshaw Griswald Grimsby 1
von James J. Butcher
Heyne, 2024, 478 Seiten
ISBN 9783453322882 / 17,00 Euro

Als das Buch bei den Vorbestellungen für das Halbjahr aufgetaucht ist, war da nicht viel zu lesen. Nur einer der austauschbaren Teaser zum Inhalt. Hm. Urban Fantasy. Ein Ermittler in Sachen Magie und Hexerei. Ein Held in Grautönen. Ein Autor namens Butcher. Na, wenn das nicht… Ja, aber was? Eine Persiflage auf Harry Dresden à la J.R.R.

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Das Einstein Vermächtnis

von am 5. Juni 2024 Kommentare deaktiviert für Das Einstein Vermächtnis

Samuel R. Delany
DAS EINSTEIN-VERMÄCHTNIS. Roman.
Ü: Jakob Schmidt
(THE EINSTEIN INTERSECTION / 1967)
Wittenberge, Carcosa, 2024, 170 S.
ISBN 978-3-910914-16-2 / 20,00 Euro

Die 1960er Jahre gelten als die Zeit der Hippies, der Flower-Power-Bewegung, der sexuellen Befreiung, der Drogen-Experimente – und der New Wave der Science Fiction.

Unter den „jungen Wilden“, die damals ihre ersten Werke veröffentlichten, und damit viele ihrer etablierten Kollegen ziemlich alt aussehen ließen, war Samuel R. Delany einer der experimentierfreudigsten, intelligentesten und lesenswertesten.

Seine Werke – allen voran NOVA, BABEL-17 und das hier vorliegende EINSTEIN-VERMÄCHTNIS – begeisterten Publikum und Kritik gleichermaßen und gehören inzwischen zum kanonischen Bestand jeder gut sortierten Science-Fiction-Bibliothek.

In Deutschland erschienen zwischen 1972 und 1985 gleich drei Ausgaben von THE EINSTEIN INTERSECTION, wie der mit einem Nebula Award ausgezeichnete Kurzroman im amerikanischen Original heißt, seither war das Werk nur noch antiquarisch zu bekommen. Diesen Missstand beseitigt jetzt DAS EINSTEIN-VERMÄCHTNIS, die bei Carcosa in der neuen Übersetzung von Jakob Schmidt vorliegende Ausgabe, die aufgrund einiger späteren Überarbeitungen durch den Autor und eines intensiven Lektorats auch die älteren Übersetzungen obsolet macht.

Von der ersten Zeile an ist es ein Vergnügen, der unverstellt-respektlosen Ich-Erzählung von Lobey zu folgen, der in ferner Zukunft auf einer Welt voller Mutanten nach Liebe, Glück und Bestimmung sucht und dafür nicht mehr zur Verfügung hat als seine Macheten-Flöte und sein unglaubliches musikalisches Talent.
Eine großartige (Wieder-)Entdeckung.

Horst Illmer

Samuel R. Delany
DAS EINSTEIN-VERMÄCHTNIS. Roman.
Ü: Jakob Schmidt
(THE EINSTEIN INTERSECTION / 1967)
Wittenberge, Carcosa, 2024, 170 S.
ISBN 978-3-910914-16-2 / 20,00 Euro

Die 1960er Jahre gelten als die Zeit der Hippies, der Flower-Power-Bewegung, der sexuellen Befreiung, der Drogen-Experimente – und der New Wave der Science Fiction.

Unter den „jungen Wilden“, die damals ihre ersten Werke veröffentlichten, und damit viele ihrer etablierten Kollegen ziemlich alt aussehen ließen, war Samuel R.

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Die Stimme der Kraken

von am 29. Mai 2024 Kommentare deaktiviert für Die Stimme der Kraken

Ray Nayler
DIE STIMME DER KRAKEN. Roman.
Ü: Benjamin Mildner
(THE MOUNTAIN IN THE SEA / 2022)
Stuttgart, Tropen, 2024, 461 S.
ISBN 978-3-608-50013-4 / 26,00 Euro

Es gibt immer noch Bücher, denen ich beim ersten Blick darauf voll auf den Leim gehe, also sofort weiß, worum es geht – und dann bei der Lektüre feststelle, dass ich komplett danebenliege. So jetzt bei DIE STIMME DER KRAKEN, dem Erstlingsroman des Kanadiers Ray Nayler. Ohne eine Zeile gelesen zu haben, hätte ich das Ding sofort in mein Lovecraft-Epigonen-Regal einsortiert, was zum einen natürlich an meinen Vorurteilen liegt, zum anderen aber der durchaus gelungenen Buchgestaltung mit einem ziemlich fies blickenden Oktopus und dem dunkelvioletten Seitenschnitt geschuldet ist.

Aber dann war alles doch ganz anders: Es geht in DIE STIMME DER KRAKEN tatsächlich um Kopffüßler und darum, ob diese jemals in der Lage sein werden, ihre angeborene Intelligenz bis zu einem Grad weiter zu entwickeln, an dem sie mit unserer Spezies kommunizieren könnten.

Nayler siedelt seinen Hard-SF-Thriller in einer nicht allzu fernen Zukunft an, in der die großen Seen und die Meere tatsächlich leergefischt sind, und der „Nachschub“ nur noch aus Naturschutzgebieten kommen kann. Ein solches Reservat ist das Gebiet um die Insel Con Dao, das vor einigen Jahren vom Technikkonzern DIANIMA gekauft und abgeriegelt wurde. Natürlich nicht ganz uneigennützig, vermuten die Verantwortlichen dort doch die Möglichkeit, dass hinter den Gespenstergeschichten der Einheimischen weit mehr steckt – z. B. eine hochentwickelte Krakenpopulation. Deshalb sollen Ha Nguyen, eine Meeresbiologin, und Evrim, der erste und einzige Androide des Planeten, ein Team bilden und eine Möglichkeit der Kontaktaufnahme entwickeln. Dabei müssen sie jedoch nicht nur das physikalische Gesetz vom Beobachter, der sein Beobachtungsobjekt beeinflusst beachten, sondern auch die Tatsache, dass sie selbst im Fokus einer ganzen Schar (teilweise sogar feindlich gesinnter) Beobachter stehen.

Nayler packt diesen Plot in eine personenreiche und teilweise spektakuläre Handlung. Die unterschiedlichsten Parteien versuchen Einfluss auf das Gesehen auf Con Dao zu nehmen: fehlgeleitete Tierschützer, Piraten, konkurrierende Firmen, heimwehkranke Taucher, verzweifelte Fischer, buddhistische Roboter-Mönche und ein ausgefuchster Hacker machen sich auf den Weg oder sind bereits vor Ort. Allerdings geht die größte Gefahr manchmal auch von einer Person aus, der alle unbedingt vertrauen …

Die 460 Seiten vergehen wie im Flug, die Informationen über Kraken, die geschickt eingestreut werden, scheinen hervorragend recherchiert und dass es unter Umständen eine gute Idee wäre, sich nicht mit der Gattung Mensch einzulassen, würden bestimmt eine ganze Reihe der von uns ausgerotteten Spezies unterschreiben. Allerdings lässt Nayler seinen Leser*innen am Ende noch die Hoffnung auf eine positive Wendung.

Horst Illmer

Ray Nayler
DIE STIMME DER KRAKEN. Roman.
Ü: Benjamin Mildner
(THE MOUNTAIN IN THE SEA / 2022)
Stuttgart, Tropen, 2024, 461 S.
ISBN 978-3-608-50013-4 / 26,00 Euro

Es gibt immer noch Bücher, denen ich beim ersten Blick darauf voll auf den Leim gehe, also sofort weiß, worum es geht – und dann bei der Lektüre feststelle, dass ich komplett danebenliege. So jetzt bei DIE STIMME DER KRAKEN, dem Erstlingsroman des Kanadiers Ray Nayler.

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Die Sterne leuchten am Erdenhimmel

von am 22. Mai 2024 Kommentare deaktiviert für Die Sterne leuchten am Erdenhimmel

Sylvana Freyberg, Alexandra Dickmann & Jeawon Nielbock-Yoon (Hrsg.)
DIE STERNE LEUCHTEN AM ERDENHIMMEL.
Science Fiction aus Südkorea.
Ü: Alexandra Dickmann u.a.
Ill. : Daniel Lozano
Originalausgabe
Berlin, Memoranda, 2024, 201 S.
ISBN 978-3-948616-96-0 / 22,00 Euro

Im Laufe der letzten paar Jahre rückte nicht nur China ins Scheinwerferlicht der Genreliteratur-Lesenden und zeigte die erstaunliche Vielfalt und Qualität seiner Science Fiction, auch das wesentlich kleinere Südkorea trat aus dem Schatten der übermächtig scheinenden angloamerikanischen Veröffentlichungen. Nachdem nun bereits eine ganze Reihe Science-Fiction-Romane südkoreanischer Autor*innen veröffentlicht wurden, war es nur noch eine Frage der Zeit, bis endlich auch die Kurzform zu ihrem Recht kommen würde.
Im Berliner Memoranda Verlag erschien jetzt, herausgegeben von Sylvana Freyberg, Alexandra Dickmann und Jeawon Nielbock-Yoon, mit DIE STERNE LEUCHTEN AM ERDENHIMMEL eine erste Anthologie mit sieben Science-Fiction-Stories aus Südkorea, allesamt deutsche Erstveröffentlichungen.

Auf den ersten Blick sagten mir die Namen über den Geschichten nichts (meiner Ignoranz geschuldet, natürlich), aber zumindest Kim Bo-Young und Bora Chung scheinen bereits international einiges Ansehen zu genießen, von Chung erschien 2023 mit DER FLUCH DES HASEN (Culturebooks) auch schon eine Storysammlung auf Deutsch. Davon abgesehen sind es ja auch die Stories selbst, die ihre Leserschaft überzeugen und begeistern müssen, andernfalls bleibt selbst ein so engagiertes Projekt nur eine Sternschnuppe.

Die sieben Stories handeln von sehr unterschiedlichen Themen, manche ähneln klassischer Golden-Age-SF aus Amerika, manche lesen sich wie moderne Märchen, andere wie Berichte vom ganz normalen Leben eines Menschen unserer Zeit – aber jede einzelne enthält ein überraschendes Moment, einen „turn“, der aufzeigt, dass mitteleuropäische Vorstellungen (oder auch ganz allgemein „menschliche“) manchmal nur Vorurteile sind, die wir zum Verständnis der Erzählung über Bord werfen müssen.

Begleitet werden die Texte von sehr schönen Illustrationen von Daniel Lozano, von dem auch das Umschlagbild stammt. Was die Übersetzungen angeht, muss der Vergleich mit den Originalen hier ausfallen; trotzdem darf konstatiert werden, dass sich die Texte allesamt flüssig lesen lassen und nicht mehr Irritationen aufweisen als von Übersetzungen aus dem Englischen gewohnt. Insoweit ist DIE STERNE LEUCHTEN AM ERDENHIMMEL als eine mehr als gelungene Geschichtensammlung zu bezeichnen.
Davon bitte gerne mehr.

Horst Illmer

Sylvana Freyberg, Alexandra Dickmann & Jeawon Nielbock-Yoon (Hrsg.)
DIE STERNE LEUCHTEN AM ERDENHIMMEL.
Science Fiction aus Südkorea.
Ü: Alexandra Dickmann u.a.
Ill. : Daniel Lozano
Originalausgabe
Berlin, Memoranda, 2024, 201 S.
ISBN 978-3-948616-96-0 / 22,00 Euro

Im Laufe der letzten paar Jahre rückte nicht nur China ins Scheinwerferlicht der Genreliteratur-Lesenden und zeigte die erstaunliche Vielfalt und Qualität seiner Science Fiction, auch das wesentlich kleinere Südkorea trat aus dem Schatten der übermächtig scheinenden angloamerikanischen Veröffentlichungen.

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Wolfszone

von am 15. Mai 2024 Kommentare deaktiviert für Wolfszone

Christian Endres
WOLFSZONE. Cyberthriller.
München, Heyne, 2024, 510 S.
ISBN 978-3-453-27471-6 / 20,00 Euro

Als der Berliner Privatermittler Joe Denzinger den anonymen Anruf auf seinem Smartphone entgegennimmt, denkt er zuerst, dass ihn jemand verschaukeln will. Ausgerechnet die reichste Frau Deutschlands will sich mit ihm treffen? Will ihn womöglich sogar engagieren. Er kann’s nicht glauben. Doch Auftraggeberin und Auftrag sind echt: Lisa, die Tochter von Sylvia Kraupen ist seit ein paar Tagen verschwunden und Joe soll sie suchen und finden. Und vor allem kein Aufsehen erregen. Denn die Firma von Frau Kraupen stellt Waffen und Material für die Bundeswehr her und ist eine mehr als nur „interessierte“ Partei beim ersten großen Inlands-Kampf-Einsatz, den die Soldaten im Osten Deutschlands als Schutztruppe rund um ein Cyborg-Wolfs-Reservat durchführen.

Dort, im Wald bei Dölmow, stehen sich die unversöhnlichen Lager der Pro-Wolf-Aktivisten und der „Macht-die-Viecher-platt“-Bewegung gegenüber und die Bundeswehr hat am Rand der Sperrzone Stellung bezogen und hält den derzeitigen, für alle Seiten gleichermaßen unbequemen wie unbefriedigenden Status Quo aufrecht.

Natürlich war die rebellische Lisa im Lager der Tierfreunde und Militär-Gegner unterwegs als der Kontakt abbrach, aber ihre Mutter möchte trotzdem wissen, ob es ihr gut geht. Also zieht Joe los, um ein wenig Babysitter zu spielen.

Wie falsch er die Situation eingeschätzt hat, wie tief er in die ihm als Stadtmensch fremde Welt einer verschworenen Dorfgemeinschaft eintauchen muss, wie wenig er über die Struktur einer militärischen Operation weiß, wie sehr ihn ein einziger Blick in die Augen einer freischaffenden Journalistin aus dem Konzept bringt, das erschließt sich Joe bereits während der ersten ein, zwei Tage vor Ort – was ihn aber nicht daran hindert, den Karren wortwörtlich in den Graben zu fahren …

Die actionreiche Handlung in und um Dölmow wird zwar überwiegend aus Joes Sicht erzählt, aber Endres nutzt geschickt eine Vielzahl an Nebenfiguren und eine rasante, filmreife Schnitttechnik, um Hintergründe und Biografien zu erklären, über die Joe nichts wissen kann, oder um multiperspektivisch zu zeigen, welche Auswirkungen einzelne Handlungen über das Offensichtliche hinaus haben. Dabei gelingt ihm sogar das Kunststück, den inneren Monolog eines der Cyber-Wölfe so glaubwürdig darzustellen, dass auch dessen Sichtweise auf seine Handlungen nachvollziehbar wird.

Das Tempo ist von Beginn an hoch, wird aber nach dem Tod des ersten Opfers in der Mitte des Romans noch einmal deutlich gesteigert. Tatsächlich nimmt auch die Spannung mit jeder Seite zu, und wer nicht weiß, was ein „Pageturner“ ist, kann das hier am eigenen Leib erfahren.
Endres hat mit seinem Privatermittler Joe Denzinger einen sympathisch-unvollkommenen Protagonisten erschaffen, der mehr von den Ereignissen getrieben wird, als dass er sie mit seinen Ermittlungen vorantreibt. Vielleicht gerade deshalb gelingt es ihm, nicht nur aus verstockten Reichsbürgern, trotzigen Drogenschmugglern und biestigen Hotelbesitzerinnen brauchbare Informationen herauszulocken, sondern auch ziemlich schnell die Herzen der Leser*innen zu gewinnen. Abgehalfterte, zynische Kotzbrocken gibt es nicht nur in amerikanischen Krimis und deutschen TV-Serien mehr als genug – da tut so eine reflektierte (und hin und wieder auch mal romantische) Persönlichkeit richtig gut.

Mit WOLFSZONE hat Christian Endres seinen bisher besten Roman vorgelegt. Dass ihn Andreas Eschbach, Brandon Q. Morris und Andreas Brandhorst dafür schätzen und in ihrer Liga willkommen heißen, ist nachvollziehbar und berechtigt. Große Unterhaltung!

Horst Illmer

Christian Endres
WOLFSZONE. Cyberthriller.
München, Heyne, 2024, 510 S.
ISBN 978-3-453-27471-6 / 20,00 Euro

Als der Berliner Privatermittler Joe Denzinger den anonymen Anruf auf seinem Smartphone entgegennimmt, denkt er zuerst, dass ihn jemand verschaukeln will. Ausgerechnet die reichste Frau Deutschlands will sich mit ihm treffen? Will ihn womöglich sogar engagieren. Er kann’s nicht glauben. Doch Auftraggeberin und Auftrag sind echt: Lisa, die Tochter von Sylvia Kraupen ist seit ein paar Tagen verschwunden und Joe soll sie suchen und finden.

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Wenn das der Führer wüsste

von am 8. Mai 2024 Kommentare deaktiviert für Wenn das der Führer wüsste

Otto Basil
WENN DAS DER FÜHRER WÜSSTE. Roman.
Wien, Milena, 2024, 400 S.
ISBN 978-3-9034-6028-7 / 26,00 Euro
Hardcover

Noch ein Buch über Hitler, zudem ein Science-Fiction-Roman, und eine Satire soll es auch noch sein. Das Thema „Nazi-Zeit“ hat ja eigentlich immer Hochkonjunktur. Gibt es da überhaupt noch etwas Neues (oder wenigstens Originelles) nach Science-Fiction-Romanen von Philip K. Dick, Norman Spinrad, Len Deighton u. v. a.?
Dazu solle man wissen, dass das Buch von Otto Basil schon 1966 geschrieben wurde, also eher als Vorläufer zu betrachten ist, keinesfalls als epigonal.

Basil beschreibt aus der Sicht des kleinen Parteigenossen Albin Totila Höllrigel eine Welt, wie sie nach dem Sieg Hitler-Deutschlands im 2. Weltkrieg aussehen könnte.

Der Krieg wurde gewonnen, weil Deutschland die „Bombe“ rechtzeitig entwickelte und sie gegen England einsetzte. In den USA und anderen amerikanischen Staaten haben sich faschistische Diktaturen etabliert, die mit dem Reich kooperieren. Japan, ebenfalls Gewinner des Krieges, hält Asien, Australien und den Ostteil der ehemaligen Sowjetunion besetzt. Dieser Status Quo besteht solange Hitler lebt. Doch mit seinem Tod beginnt das Reich zu zerfallen, die Bündnispartner wenden sich vom Reich ab. Und Japan sieht seine Chance, auch den Rest der Welt zu unterwerfen.

Die Welt treibt also auf einen 3. Weltkrieg zu, als Höllrigels Odyssee beginnt, während der er in die Kreise von Widerstandsgruppen im Harz gerät, durch den Abwurf einer japanischen Atombombe strahlenverseucht wird, den Bürgerkrieg bei der Beisetzung des Führers miterlebt und sich auf einmal auf dem Weg nach Alaska befindet. Dort haben Parteibonzen ein Lager errichtet, von dem aus die „Elite des Volkes“ in ein arktisches „Paradies“ weiterreist, in dem ein Überleben des Krieges möglich sein soll …

Otto Basil (1901–1983) war ein österreichischer Literat und Journalist. Sein bissig-ironischer Stil ist nicht unbedingt flüssig zu lesen, zwingt aber gerade dadurch zu erhöhter Konzentration und zur Auseinandersetzung mit dem Inhalt. Begeistert ist man von diesem Roman nicht, kann man nicht sein, zu oft bleibt das Lachen im Halse stecken. Zu entsetzlich ist das Bild, das Basil zeichnet. Der Inhalt jedoch ist zeitlos, heute so gültig wie 1966. Der Autor zeigt sich als weitsichtiger Warner vor den Gefahren jeder politisch extremen Richtung.

Horst Illmer

Otto Basil
WENN DAS DER FÜHRER WÜSSTE. Roman.
Wien, Milena, 2024, 400 S.
ISBN 978-3-9034-6028-7 / 26,00 Euro
Hardcover

Noch ein Buch über Hitler, zudem ein Science-Fiction-Roman, und eine Satire soll es auch noch sein. Das Thema „Nazi-Zeit“ hat ja eigentlich immer Hochkonjunktur. Gibt es da überhaupt noch etwas Neues (oder wenigstens Originelles) nach Science-Fiction-Romanen von Philip K. Dick, Norman Spinrad, Len Deighton u. v. a.?
Dazu solle man wissen, dass das Buch von Otto Basil schon 1966 geschrieben wurde,

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phantastisch! 94

von am 29. April 2024 Kommentare deaktiviert für phantastisch! 94

Klaus Bollhöfener (Hrsg.)
phantastisch! 94
Ausgabe 2/2024
Seit Januar 2001 das Magazin für Science Fiction, Fantasy & Horror
Stolberg, Atlantis Verlag, 84 Seiten / 7,95 Euro

Der zigarettenrauchende Roboter-Priester (herausragend gezeichnet von Dirk Berger), der den Umschlag der phantastisch!-Ausgabe 2/2024 schmückt, passt zwar hervorragend zum derzeitigen „der-Frühling-der-ein-Winter-werden-wollte“-Wetter, aber der Inhalt des neuen 84-Seiten-Heftes ist schon sehr gut geeignet, das Herz zu erwärmen und ganz allgemein Frühlings-Gefühle hervorzurufen. Nach drei lesenswerten Stories (von Lucy Guth, Marco Rauch und Markus K. Korb) sind es vor allem die Essays von Aiki Mira (über James Tiptree Jr.), Wolfgang Pippke (über Philosophie in der SF), Thilo Corzilius (über Leben in der Postapokalypse) und Achim Schnurrer (über Beuys und STAR TREK!), die Stoff zum Nachdenken anbieten und für Diskussionen sorgen werden. Die Interviews wurden diesmal nicht von, sondern mit Unterfranken geführt: Christian Endres und Chris Noeth dürfen über ihre aktuellen Neuerscheinungen plaudern.

Natürlich gibt es auch wie gewohnt Beiträge über phantastische Comics, Bücher und Filme, über Mulitmedia-Schauerromantik und einen sehr tiefen Blick hinter die Kulissen des Literaturbetriebs. Ebenfalls im Programm: Cartoons, Comics und das allgemein beliebte „update“.

Auch beim 94. Mal ist das „Magazin für Science Fiction, Fantasy & Horror“ eine lohnenswerte Wundertüte, gefüllt mit vielen tollen Texten und Bildern. Extremempfehlung!

Horst Illmer

Klaus Bollhöfener (Hrsg.)
phantastisch! 94
Ausgabe 2/2024
Seit Januar 2001 das Magazin für Science Fiction, Fantasy & Horror
Stolberg, Atlantis Verlag, 84 Seiten / 7,95 Euro

Der zigarettenrauchende Roboter-Priester (herausragend gezeichnet von Dirk Berger), der den Umschlag der phantastisch!-Ausgabe 2/2024 schmückt, passt zwar hervorragend zum derzeitigen „der-Frühling-der-ein-Winter-werden-wollte“-Wetter, aber der Inhalt des neuen 84-Seiten-Heftes ist schon sehr gut geeignet, das Herz zu erwärmen und ganz allgemein Frühlings-Gefühle hervorzurufen. Nach drei lesenswerten Stories (von Lucy Guth,

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Schnell und zwischenrein zwei alte Bekannte – eine Veranstaltung

von am 24. April 2024 Kommentare deaktiviert für Schnell und zwischenrein zwei alte Bekannte – eine Veranstaltung

Mal wieder eine (Eil)Meldung zwischendurch. Am kommenden Freitag, dem 26.04. um 19:00 Uhr findet mal wieder eine Lesung von Volker Sebold statt. In der Buchhandlung Erlesen von Petra Pohl. Und natürlich möchte ich dafür die Werbetrommel rühren. Über beide haben wir bereits geschrieben und mit beiden hatten wir bereits Podcast Folgen.

Volker, seine Bücher und auch seine Lesungen habe ich euch bereits früher angepriesen. Der dritte und abschließende Teil seiner Franken Noir Krimis erscheint gegen Ende des Jahres. Wenn ich richtig informiert bin und alles gut geht. Auch bei Volker hatte ich das Privilleg, zu den Testlesern zu gehören und auch vom dritten Teil bin ich wieder sehr begeistert. Die aktuelle Lesung ist sozusagen ein kleines Warm Up. Auch wenn es dem Veranstaltungstitel nach in erster Linie um den zweiten Band "Am Anschlag" geht, ist es immer eine Freude, den Erklärungen, Hintergründen und Ausführungen von Volker zu lauschen. Und vielleicht gibt es ja bereits ein paar Ausblicke auf den Abschlussband. Wie auch immer, ich bin sicher, es wird ein unterhaltsamer Abend.

Die Buchhandlung von Petra ist für mich persönlich die hübscheste, bestkuratierte und sympatischste Buchhandlung in Würzburg. Natürlich außer unserem eigenen Laden :). Aber der steht ja außer Konkurrenz und hat ein ganz anderes Sortiment. Wie ich schon oft geschrieben und gesagt habe, gibt es (nahezu) keine Rivalitäten zwischen all den kleinen, feinen, inhabergeführten Geschäften und es ist und bleibt mir ein dringendes Anliegen, immer wieder auf diese unglaubliche Bereicherung und diese wunderbare Vielfalt hinzuweisen. Nicht nur einmal, sondern andauernd, solltet ihr – sollten alle – solche Läden frequentieren. Den Unterschied spüren zum vermeindlich gemütlichen Internetshopping auf der heimischen Couch. Den Zugewinn an Lebensqualität erspüren und erlangen. Und wann gäbe es eine bessere Gelegenheit, als genau zu dieser Veranstaltung damit zu beginnen.

Vertraut mir, ich weiß wovon ich spreche.

mehr unter Buchhandlung Erlesen und Volker Sebold

Mal wieder eine (Eil)Meldung zwischendurch. Am kommenden Freitag, dem 26.04. um 19:00 Uhr findet mal wieder eine Lesung von Volker Sebold statt. In der Buchhandlung Erlesen von Petra Pohl. Und natürlich möchte ich dafür die Werbetrommel rühren. Über beide haben wir bereits geschrieben und mit beiden hatten wir bereits Podcast Folgen.

Volker, seine Bücher und auch seine Lesungen habe ich euch bereits früher angepriesen. Der dritte und abschließende Teil seiner Franken Noir Krimis erscheint gegen Ende des Jahres.

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Moebius Zeichenwelt

von am 22. April 2024 Kommentare deaktiviert für Moebius Zeichenwelt

Andreas Platthaus
MOEBIUS ZEICHENWELT.
Mit mehr als 250 meist unveröffentlichten Bildern.
Berlin, Aufbau Verlag, Die Andere Bibliothek, 2023, 300 S.
ISBN 978-3-8477-2044-7 / 28,00 Euro

„Wer ist Moebius?“
Dieser schnell gestellten, jedoch nur schwer zu beantwortenden Frage, nimmt sich der FAZ-Redakteur Andreas Platthaus in einem umfangreichen biographischen Essay an. Er beginnt mit der für den französischen Künstler Jean Giraud alias Moebius so wichtigen Schlüsselszene in einer Kneipe in der mexikanischen Wüste, als der 17-jährige die Horizontlinie in der offenen Tür der Bar als „sein“ Stilelement erkannte. Der weitere Weg des Zeichners stand im Zeichen des Möbiusbandes und der Janusköpfigkeit.

Ersten Veröffentlichungen, die er als Moebius signierte, stellte sich plötzlich der für zehn lange Jahre (1963–1973) alles andere zurückdrängende Welterfolg BLUEBERRY in den Weg, den er unter seinem bürgerlichen Namen zeichnete. Erst in der Mitte der 70er Jahre begann sich „Moebius“ wieder zu regen. Er war der Revolutionär, der alle klassischen Zeichenstile über Bord warf und dem amerikanischen „Underground“-Comic eine europäische Variante an die Seite stellte. Gemeinsam mit Zeichnern wie Robert Crumb erneuerte Moebius das zur reinen Kinderunterhaltung degenerierte Medium Comic. Und seither lebten – ach – zwei Seelen in einer Brust.

Wie Giraud diesen Zwiespalt für sich in künstlerische Höchstleistungen umzusetzen vermochte, verdeutlichen auch die vielen, teils farbigen Bilder, die das Buch zieren. Das Herzstück ist „Fumetti“, ein bisher unveröffentlichter autobiographischer Comic von Moebius, in dem der müde gewordene Zeichner Giraud von einigen seiner Schöpfungen heimgesucht wird, die sich Sorgen um ihr Fortbestehen machen. Am Ende dieser einhundert Seiten steht dann aber ein optimistisches und für das Medium typisches „Fortsetzung folgt …“

Daran anschließend begutachtet Platthaus in einem fulminanten Rundumschlag das „Leben nach dem Tod des Comics“. Er beginnt bei den Wurzeln, den ersten Zeitungs-Bildergeschichten, die am Ende des 19. Jahrhunderts erschienen, springt über die Superhelden- und Micky-Maus-Comics der letzten hundert Jahre direkt ins postmoderne 3. Jahrtausend: Welche Möglichkeiten und Chancen hat der Comic noch?

Jean Henry Gaston Giraud, der seine Werke mit „Gir“ oder „Moebius“ unterzeichnete, lebte von 1938 bis 2012. Er zeichnete Western- und Science-Fiction-Comics von unerreichter Eleganz und Pracht. Er illustrierte eine Vielzahl von Büchern klassischer und moderner Autoren. Er prägte über Jahrzehnte das Erscheinungsbild der europäischen Comics. Ihn einmal ausführlich vorzustellen und zu würdigen war mehr als notwendig – Andreas Platthaus hat dies in MOEBIUS ZEICHENWELT mustergültig getan!

Horst Illmer

Andreas Platthaus
MOEBIUS ZEICHENWELT.
Mit mehr als 250 meist unveröffentlichten Bildern.
Berlin, Aufbau Verlag, Die Andere Bibliothek, 2023, 300 S.
ISBN 978-3-8477-2044-7 / 28,00 Euro

„Wer ist Moebius?“
Dieser schnell gestellten, jedoch nur schwer zu beantwortenden Frage, nimmt sich der FAZ-Redakteur Andreas Platthaus in einem umfangreichen biographischen Essay an. Er beginnt mit der für den französischen Künstler Jean Giraud alias Moebius so wichtigen Schlüsselszene in einer Kneipe in der mexikanischen Wüste, als der 17-jährige die Horizontlinie in der offenen Tür der Bar als „sein“ Stilelement erkannte.

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Biokrieg

von am 17. April 2024 Kommentare deaktiviert für Biokrieg

Paolo Bacigalupi
BIOKRIEG. Roman.
Übersetzung: Hannes Riffel und Dorothea Kallfass
(THE WINDUP GIRL / 2009)
München, Heyne, 2019, 608 S.
ISBN 978-3-453-32011-6 / 10,99 Euro
Meisterwerke der Science Fiction

Bangkok, Thailand – für Europäer seit Jahrhunderten der Inbegriff des Exotischen, Fremden. Daran hat sich auch in Bacigalupis Zukunftsversion wenig geändert: In einer völlig aus den Fugen geratenen Welt voller furchtbarer Hungersnöte, ausgelöst unter anderem durch gentechnisch veränderte und außer Kontrolle geratene Pflanzenschädlinge, in die Welt gesetzt von skrupellosen Konzernen, die damit ihre Gewinne maximieren wollten, und mit einem durch die Klimaveränderung deutlich gestiegenen Meeresspiegel und unvorhersehbaren Wetterkapriolen, versuchen seine Protagonisten, in dem undurchschaubaren Machtgefüge der Multimillionen-Stadt am Leben zu bleiben und zurecht zu kommen.

Am besten gelingt dies noch Anderson Lake, einem mit allen Wassern gewaschenen hochrangigen Mitarbeiter von AgriGen, einem der größten Nahrungsproduzenten der Welt. Allerdings dient die Spannfederfabrik, die AgriGen in Bangkok zu Forschungszwecken betreibt, nur Andersons Tarnung. In Wirklichkeit ist er einer der weltweit gefürchteten und gehassten „Kalorienjäger“ und bereit, für den Zugang zu den thailändischen Genlabors und ihren Samenbänken über Leichen zu gehen – wenn es sein muss, über sehr viele Leichen.

Seine Gegenspieler sind weniger die führenden Leute in der thailändischen Politik, sondern eine nationalistische Gruppe um den unbestechlichen Hauptmann Jaidee, die sogenannten Weißhemden, die versuchen, den Einfluss der Fremden, der „Farang“, zurückzudrängen. Jaidee weiß, dass er sich damit jede Menge Feinde einhandelt, doch der „Tiger“ setzt auf seine Popularität beim thailändischen Volk. Es ist schließlich ausgerechnet seine einzige Vertraute und Stellvertreterin Kanya, die auf der Gehaltsliste des Gegners steht und seinen Untergang herbeiführt.

Mit dem Exil-Chinesen Hock Seng, ehemals einer der reichsten Männer der Welt und nun als geduldeter „Yellow Card“-Hilfsarbeiter für Anderson tätig, und der zur Prostitution gezwungenen Emiko, einem japanischen „Aufziehmädchen“, hat Bacigalupi zwei weitere, bemerkenswerte Charaktere in die Handlung eingebaut. Während Hock Seng alles daran setzt, die Konstruktionspläne der Spannfedern aus der Fabrik zu entwenden und zu Geld zu machen, gelingt es Emiko, mehr durch Zufall, Andersons Interesse zu wecken und ihn für sich einzunehmen.

Überhaupt stellt Emiko das faszinierendste Element in BIOKRIEG, Bacigalupis mit Preisen überhäuftem Erstlingsroman, dar. Sie gehört zu den „Neuen Menschen“, im Labor gezüchteten und gentechnisch optimierten Wesen, die ihren Schöpfern in fast allen Belangen überlegen sind – und deshalb mit eingebauten Sperren und Konditionierungen (wie zum Beispiel Unfruchtbarkeit und dem Verlangen, einem Meister zu dienen) ausgeliefert werden. Wobei „ausgeliefert“ für Emiko in mehrfacher Hinsicht zutrifft. Sie wurde als „Ballast“ von ihrem japanischen Erstbesitzer in Bangkok zurückgelassen, wo sie von den Einheimischen verabscheut und gefürchtet wird. Deshalb bleibt ihr nichts anderes übrig, als sich in einem Sexclub allabendlich auf der Bühne vorführen zu lassen. Dabei sind es vor allem ihre (einprogrammierten) ruckartigen Bewegungen, die das „Aufziehmädchen“ (THE WINDUP GIRL lautet der amerikanische Originaltitel) für die Gäste zur exotischen Attraktion machen.

In der schwül-warmen Hitze des zukünftigen Bangkoks brodelt eine explosive Mischung aus Korruption, Gen-Spionage, Rassismus, Nationalismus und dem unbedingten Streben aller nach möglichst viel Gewinn – immer noch sind alle gefangen im Glauben an die alleinseligmachende Macht des Geldes. Doch in einer Stadt, die, umgeben von Deichanlagen, inzwischen zum größten Teil weit unterhalb des Meeresspiegels liegt, genügt ein winziger Funke, um die Katastrophe herbeizuführen.

Die erzählerische Kraft und Unbekümmertheit Paolo Bacigalupis ist bemerkenswert. Mit BIOKRIEG hat er eine exakt recherchierte und (leider) äußerst glaubwürdige Schwarze Utopie vorgelegt, die voll ist, mit jenen winzigen literarischen Preziosen, die aus einem guten Buch ein sehr gutes Buch machen. Dazu gehören die allgegenwärtigen Cheshire-Katzen, gentechnisch aufgerüstete Vorläufer der Neuen Menschen, die wegen fehlender Beschränkungen innerhalb kürzester Zeit alle normalen Katzen verdrängten. Oder die Figur des Gen-Ingenieurs Gibbons, der sich, trotz erheblicher körperlicher und charakterlicher Mängel, für eine Art Gottvater hält – und dessen Genius für alle Konfliktparteien so wichtig ist, dass sie ihn in diesem Glauben auch noch bestärken.

BIOKRIEG ist ein sehr unterhaltsamer und zum Nachdenken anregender Zukunftsroman, der eine nur noch schwer vermeidbare Entwicklung stringent weiterverfolgt und mit Bangkok einen faszinierenden Schauplatz wählt, der für westliche Leser oft so fremdartig wirkt wie ein ferner Planet. Unbedingt empfehlenswert!

Horst Illmer

Paolo Bacigalupi
BIOKRIEG. Roman.
Übersetzung: Hannes Riffel und Dorothea Kallfass
(THE WINDUP GIRL / 2009)
München, Heyne, 2019, 608 S.
ISBN 978-3-453-32011-6 / 10,99 Euro
Meisterwerke der Science Fiction

Bangkok, Thailand – für Europäer seit Jahrhunderten der Inbegriff des Exotischen, Fremden. Daran hat sich auch in Bacigalupis Zukunftsversion wenig geändert: In einer völlig aus den Fugen geratenen Welt voller furchtbarer Hungersnöte, ausgelöst unter anderem durch gentechnisch veränderte und außer Kontrolle geratene Pflanzenschädlinge,

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Berge Meere und Giganten

von am 3. April 2024 Kommentare deaktiviert für Berge Meere und Giganten

Alfred Döblin
BERGE MEERE UND GIGANTEN.
Nachwort: Gabriele Sander
Frankfurt, Fischer Taschenbuch, 2013, 656 S.
ISBN 978-3-596-90464-8 / 14,99 Euro

Alfred Döblin (1878–1957) war Arzt und zugleich einer der wichtigsten Vertreter des deutschen Expressionismus, Verfasser von Romanen, Erzählungen, Essays, Theaterstücken und Reiseberichten sowie 1949 Mitbegründer der Akademie der Wissenschaften und der Literatur. Bekannt ist er noch heute vor allem durch seinen Roman BERLIN ALEXANDERPLATZ.

Vor genau einhundert Jahren, 1924, erschienenen sein einziger Zukunftsroman BERGE MEERE UND GIGANTEN, in dem Döblin vom Fortgang der Menschheitsgeschichte vom 23. bis ins 27. Jahrhundert berichtet. Das (in neun Großkapitel unterteilte) Buch widmet sich dabei, neben einer Vielzahl weiterer Themen, vor allem dem Verhältnis von Mensch und seiner Umwelt – ein Genre, das inzwischen als „climate fiction“ weltweit Bedeutung und Anerkennung gefunden hat. Allerdings schreibt Döblin radikaler und anspruchsvoller (und „politisch unkorrekter“) als die meisten Gegenwartsautor*innen.

Im 23. Jahrhundert haben „Die westlichen Kontinente“ die nationalen und rassischen Grenzen überwunden. Die Staatengebilde der alten Zeit haben sich aufgelöst, Völker und Nationen sind vermischt. Es herrscht jedoch keine utopische Egalität; „Herrenmenschen“ regieren in Stadtschaften wie London, Brüssel, Berlin oder New York über die „Massenmenschen“. Mittels eines Wissens- und Waffenmonopols halten einige wenige Herrscherfamilien die Massen in Schach. Eine totale Technisierung, gepaart mit der Auflösung der Landwirtschaft, führt zu großen Kon­flikten. Die Menschen verstehen sich nicht mehr als Teil der Natur. Künstliche Ernährung, allgemeine Arbeitslosigkeit, Lange­weile und der trotzdem vorhandene materielle Überfluss führen zu Massenpsychosen, Gewaltorgien, Zerstörungswut und undifferenziertem Hass. Um das Volk wieder ruhig zu stellen, muss ein Krieg her.

„Der uralische Krieg“ im 25. Jahrhundert lässt riesige Heerscharen gen Osten, nach Asien, zie­hen. Ausgestattet mit veralteten Waffen und von ihren Führern zynisch zu „Kanonenfutter“ erklärt, sollen sich die überschüssigen Energien so entladen. Dummerweise wollen die Asiaten aber keine Invasoren im Land und schlagen mit einer unerwarteten Wucht und gigantischen Kriegswaffen zurück. Die völlige Vernichtung Osteuropas und vieler Millionen Menschen sind das Ergebnis des Kriegszuges. Politische Erdbeben folgen dieser Wahnsinnsaktion.

Das dritte Buch „Marduk“ beschäftigt sich mit den Konse­quenzen: Marduk, Konsul von Berlin, wird wichtigste Kraft im politischen Leben der Welt. Er entmachtet „die Täuscher“ und versucht eine Synthese zwischen Technik und Natur. Es entspannt sich eine Auseinandersetzung zwischen Befürwortern des synthetischen Lebens und den Apologeten der Rückbesinnung, zwischen dem Hedonismus einer kleinen Oberschicht und dem Bedürfnis der Vielen nach Glück in einem selbstverantwortlichen, durch eigene Produktivität gestalteten Leben. Aber indem Marduk seinen Weg zur „Rettung“ der Menschen vor der Vernichtung durch die Technik mittels brutalster Methoden durchzusetzen versucht, scheitert er. Zuletzt vernichten ihn die Heere der angrenzenden Stadtschaften, welche seinem Treiben nicht mehr länger zuschauen mögen.

Wie alles Böse immer auch Gutes bewirkt, so war Marduks Wollen nicht folgenlos. „Das Auslaufen der Städte“ nennt Döblin die Rebellion der „Siedler“. Während die Städter immer mehr körperlich und geistig verkümmern, breiten sich auf den riesigen, seit Jahrhunderten leeren Landflächen verschiedenste Natur- und Siedlergruppen aus. Sie kehren zurück zum Kreatürlichen. Diese Fluchtbewegung, für die Stadtschaften ein langsames Ausbluten der Eliten, führt fast zum Zusammenbruch des bisher Erreichten. Wieder wird ein Plan ersonnen, durch den die Herrscher die Menschen kontrollieren können. Delvil, Delegierter der Stadt London, schlägt die Enteisung Grönlands vor. Mit diesem Menschheitsprojekt soll gleichzeitig die Degeneration der Städter gestoppt und die Siedlerbewegung kanalisiert und kontrolliert werden.

Delvils Plan gelingt. „Island“ ist das erste Ziel auf dem Weg zu neuem Lebensraum. Erfasst von Pioniertaumel, versehen mit den neuesten technischen Errungenschaften folgen die Menschen dem Wissenschaftler Kylin ins Nordmeer. Islands Vulkane werden gesprengt, die gigantischen Naturkräfte werden in „Turmalin“-Netzen gespeichert. In dieser ersten Etappe scheint der Plan übermäßig zu gelingen. Niemals fühlte sich der Mensch der Natur näher als beim Eindringen ins Erdinnere. Die unermesslichen Licht- und Hitzefelder, die „abgeerntet“ werden, führen trotz vieler tausend Opfer zu rauschhaften Zuständen bei den Arbeitern.

Als nun „Die Enteisung Grönlands“ beginnt, zeigen sich die ersten unerwarteten Nebenwirkungen. Die mit den Turmalinnetzen beladenen Schiffe werden zu Inseln wuchernder Fruchtbarkeit im eiskalten Norden. Im Packeis kreuzend und langsam auf Grönland zusteuernd wachsen richtige Tang-Wälder, in denen sich Vögel und anderes Getier niederlassen, auf den eisernen Schiffen. Ständig von Walen und Fischschwärmen umgeben erleben auch die Besatzungen einen Gemütszustand, der zu zügellosen sexuellen Ausschweifungen führt. Die Führer der Expedition, zusammengeschweißt von den gemeinsam überstandenen Gefahren, getrennt von den ideologischen und politischen Wurzeln der Städte, nähern sich in ihrer Einstellung den Siedlern immer mehr an. Doch gerade diese Weltsicht erlebt mit dem Beginn der Enteisungsaktion einen unerwarteten Rückschlag. Die Natur selbst wehrt sich. Vögel sterben, Wirbelstürme brechen über die Flotte herein, Angst und Entsetzen ergreift die Gemüter der Menschen, so dass sie in Panik fliehen. Erst viele Jahre später trauen sich einzelne Späher wieder an Grönland heran. Was sie sehen, ist unglaublich: Reptilien, Flugechsen ungeheure Drachenwesen haben ihren Jahrmillionenschlaf beendet und sind wieder lebendig. Und sie brauchen Raum! Eine Welle von hungrigen Kreaturen kommt auf Europa zu.

Unterdessen entdeckt man, dass die Turmalinschleier, welche für diese Entwicklung verantwortlich sind, noch weitere Kräfte enthalten. Alle Materie kann durch das Turmalin verbunden und verwandelt werden. Sofort werden Freiwillige, die sich opfern und bereit sind, mit Steinen und Tieren eine Synthese eingehen, als lebendiger Schutzwall gegen die Ungeheuer eingesetzt. Gleichzeitig beginnt der Rückzug der verunsicherten Menschheit unter die Erde. Die Städte und ihre Bewohner ziehen sich in die Tiefe zurück. Sie sind, bei völligem Erhalt ihres gewohnten Luxuslebens, nun nur noch Höhlenmenschen.

Ihre machtgierigen Führer verwandeln sich mittels Turmalin in „Giganten“. Diese riesigen Turmwesen verlieren ihre Menschlichkeit und halten sich immer mehr für Götter. Sie tummeln sich an der Oberfläche, veranstalten sinnlose Wettkämpfe und verfallen trotz ihrer Allmacht immer mehr ins Primitive. In einer „Götterdämmerung“ vernichten sie sich letztendlich selbst.

Übrig bleiben nur die Siedler, welche, geleitet von „Venaska“, ein auf die Natur ausgerichtetes Leben beginnen. Venaska ist eine Bekannte Kylins und trägt viele Züge der Göttin Venus in sich. Ihr Hauptwesenszug ist eine absolute Bejahung des Lebens und die Bereitschaft Liebe zu geben. Angesiedelt in den gemäßigten Zonen Südfrankreichs beginnen die Menschen ein neues Leben. Schließlich gesellen sich auch die Überlebenden der Grönlandexpedition zu ihnen. Geläutert durch die Ereignisse wagen sie einen Neubeginn.

Döblins Roman nimmt unter den literarischen Zukunftsvorstellungen einen herausragenden Platz ein. Wie kein zweiter Autor beherrscht er den lyrisch-expressiven Stil. Nie wurde der Gegensatz „Mensch – Natur“ intensiver untersucht, kaum jemals wurde der erzählerische Bogen vom Schicksal des Einzelnen bis zu einem den ganzen Planeten betreffenden Ereignis weiter gespannt. Während der Erzählung bleibt über lange Zeit unklar, auf welcher Seite die Sympathie des Autors liegt. Erst in der schlussendlichen Aussöhnung mit der Natur bekennt sich Döblin zur utopischen Tradition.

Horst Illmer

Alfred Döblin
BERGE MEERE UND GIGANTEN.
Nachwort: Gabriele Sander
Frankfurt, Fischer Taschenbuch, 2013, 656 S.
ISBN 978-3-596-90464-8 / 14,99 Euro

Alfred Döblin (1878–1957) war Arzt und zugleich einer der wichtigsten Vertreter des deutschen Expressionismus, Verfasser von Romanen, Erzählungen, Essays, Theaterstücken und Reiseberichten sowie 1949 Mitbegründer der Akademie der Wissenschaften und der Literatur. Bekannt ist er noch heute vor allem durch seinen Roman BERLIN ALEXANDERPLATZ.

Vor genau einhundert Jahren, 1924, erschienenen sein einziger Zukunftsroman BERGE MEERE UND GIGANTEN,

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Der Ozean am Ende der Straße

von am 25. März 2024 Kommentare deaktiviert für Der Ozean am Ende der Straße

Neil Gaiman
DER OZEAN AM ENDE DER STRASSE. Roman.
Übersetzung: Hannes Riffel, Illustrationen: Elise Hurst
(THE OCEAN AT THE END OF THE LANE / 2013)
Köln, Eichborn, 2021, 336 S.
ISBN 978-3-8479-0071-9 / 25,00 Euro

Es ist Sonntagnachmittag und draußen regnet es seit Stunden und es ist so dunkel, dass man drinnen fast Licht machen müsste, um zu lesen – aber es geht auch, wenn man sich ganz nah ans Fenster setzt –, und ich bin glücklich und zufrieden und wenn ich eine Katze wäre, würde ich jetzt schnurren, so gut fühlt es sich an, nach den letzten Seiten von Neil Gaimans Roman DER OZEAN AM ENDE DER STRASSE das Buch zu schließen und vorsichtig wegzulegen.

In den letzten 48 Stunden war ich mit einigen ganz ungewöhnlichen Charakteren zusammen auf einer Farm in England und habe gespannt den Erinnerungen des Ich-Erzählers gelauscht, eines Mannes „im besten Alter“, der hier vor vielen Jahren als Siebenjähriger seine Ferien verbrachte und dabei die elfjährige Lettie Hempstock kennen lernte – die schon sehr lange Zeit elf Jahre alt war – und mit ihr gemeinsam ein Abenteuer erleben durfte, das sein weiteres Leben mehr prägte, als er glaubt und das er sich erst langsam wieder zusammenreimen muss, dort am Ufer eines Ententeiches sitzend, von dem Lettie behauptete, es sei ein Ozean.

DER OZEAN AM ENDE DER STRASSE gehört zu jener Sorte von Büchern, die man in jedem Alter lesen kann – und vermutlich auch unabhängig vom Geschlecht – und die man gut auch an fast jeden Menschen verschenken kann, von dem man weiß, dass sie oder er Bücher liest. Allerdings sollte man niemals fragen, wie es gefallen hat. Denn, wie sagt Großmutter Hempstock so schön: „Verschiedene Leute erinnern sich an verschiedene Dinge und es gibt keine zwei Menschen, deren Erinnerung an etwas übereinstimmt, ob sie nun dabei waren oder nicht.“

Neil Gaiman ist als Autor so wenig zu greifen wie Stephen King. Beide haben als Genre-Autoren angefangen, sind inzwischen jedoch als Schriftsteller so weit gereift, dass ihnen keine Schublade mehr passt. Die Schatten, die sie mit ihren Büchern nunmehr zu werfen in der Lage sind, fallen hin und wieder sogar auf die Schreibtische der etablierten Literaturkritik, weshalb alle heiligen Zeiten auch im Feuilleton eine verwundert-begeisterte Besprechung erscheint, deren Tenor das immer gleiche „Ach, dass der so etwas Gutes zu schreiben vermag, hätte ich nicht gedacht!“ ist. Worüber wir Leserinnen und Leser der ersten Stunde, wir Fans von SANDMAN und NIEMALSLAND, von AMERICAN GODS und GRAVEYARD BOOK, die wir die wundervolle, mitreißende, begeisternde Prosa Neil Gaimans kennen, immer wieder nur amüsiert den Kopf zu schütteln vermögen.

Es ist immer noch das gleiche verregnete Wochenende, an dem ich DER OZEAN AM ENDE DER STRASSE von vorne bis hinten durchgelesen habe und dann im Anschluss diesen Text in die Tasten klopfte – aber der Himmel klart langsam auf, die Sonne kämpft sich durch die Regenwolken, dabei kräftig vom Wind unterstützt, die nassen Straßen beginnen zu trocknen und bevor ich mir jetzt einen Tee bereite, mit „Milch und Zucker, wie es sich gehört“ und so „heiß und wunderbar stark, da würde ein Löffel drin stecken bleiben“, werde ich noch einen Spaziergang unternehmen. Nur um sicher zu gehen, dass der Ententeich auf der anderen Seite meines Dorfes noch so ruhig und friedlich daliegt, wie ich ihn in Erinnerung habe.

Horst Illmer

Neil Gaiman
DER OZEAN AM ENDE DER STRASSE. Roman.
Übersetzung: Hannes Riffel, Illustrationen: Elise Hurst
(THE OCEAN AT THE END OF THE LANE / 2013)
Köln, Eichborn, 2021, 336 S.
ISBN 978-3-8479-0071-9 / 25,00 Euro

Es ist Sonntagnachmittag und draußen regnet es seit Stunden und es ist so dunkel, dass man drinnen fast Licht machen müsste, um zu lesen – aber es geht auch, wenn man sich ganz nah ans Fenster setzt –,

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Meine Schwester, die Serienmörderin

von am 18. März 2024 Kommentare deaktiviert für Meine Schwester, die Serienmörderin

Meine Schwester die Serienmöderin von Oyinkan Braithwaite
Aufbau Verlag Taschenbuch
240 Seiten
Veröffentlichung 11.10.2021
978-3-7466-3853-9

Thriller mit Humor, beiläufig feministisch, ironisch. Brennt sich ins Gedächtnis!

Aus dem Buch:
„Kennen Sie den schon? Kommen zwei Frauen in ein Zimmer. Das Zimmer ist in einer Wohnung. Die Wohnung ist im 3. Stock. In dem Zimmer liegt die Leiche eines erwachsenen Mannes. Wie bekommen sie die Leiche ins Erdgeschoss, ohne gesehen zu werden? – Erstens, sie suchen Hilfsmittel.“ …

Was Titel und Cover versprechen, hält Oyinkan Braithwaite und kommt sofort auf den Punkt! Ohne Schnörkel wird man direkt in den eben geschehenden Mord hineingesogen. Bam! Die Taktzahl bleibt hoch. Die beiden Schwestern müssen die Leiche loszuwerden, Bam! ihre Spuren verwischen Bam! und wieder im „Alltag“ untertauchen. Bam! Aber eigentlich sind sie ja Rivalinnen und so spitzt sich die Lage natürlich zu.

Was passierte wirklich in der Nacht? Warum macht Korede, die älteste der beiden Schwestern, das überhaupt mit? Wie gefährlich ist Ihre Schwester Ayoola tatsächlich?

Trotz der eher schmalen Seitenzahl steckt eine immens vollgepackte Story in dem Roman. Kurz aber prägnant gibt Oyinkan Braithwaite tiefe Einblicke in Lagos, die korrupten Polizei, den dort verwurzelten Traditionen und den Hierarchien innerhalb der Familie.

Zum Thema Familie noch eine Warnung: Das Ausmaß dieses "Familiengeimnisses", wird immer wieder in kurzen Kapiteln eingestreut. Und die Wahrheit über den brutalen Vater ist wirklich nicht für jeden was.

Die nigerianisch-britische Autorin hat kreatives Schreiben und Jura in Kingston studiert. Mit Ihrem ersten Roman „My Sister, the Serial Killer“ wurde sie international bekannt und erhielt 2020 u.a. (!) den Crime & Thriller Book of the Year, der British Book Awards. Im Interview der BBC News Africa erläutert Braithwaite, dass sie das genretypische Thema – Männer morden Frauen, herumdreht. Wie bei diversen Spinnenarten, wo das Männchen verspeist wird…

Oyinkan Braithwaite thematisiert das Schönheitsprivileg, Frauenbilder und entwickelt ihre Story insgesamt gesellschaftskritisch. Aus der perfekte Schönheit der jüngeren Schwester, und die durch deren "Schönheitsprivileg" offen stehenden Möglichkeiten und Vorteile, baut sie gekonnt eine Absurde Umkehr und menschliche Abgründe. So erzeugt sie einen spannenden, unheimlichen Sog, der jedenfalls weit über den „gängigen“ Krimi hinausgeht!

Ich dachte erst, ich habe das Buch verschlungen. Aber es war andersherum.
Eindeutige Leseempfehlung für Crime-lovers die mal was anderes erlesen/erleben möchten!

Your friendly Bärbl in Gedanken in Lagos…

Meine Schwester die Serienmöderin von Oyinkan Braithwaite
Aufbau Verlag Taschenbuch
240 Seiten
Veröffentlichung 11.10.2021
978-3-7466-3853-9

Thriller mit Humor, beiläufig feministisch, ironisch. Brennt sich ins Gedächtnis!

Aus dem Buch:
„Kennen Sie den schon? Kommen zwei Frauen in ein Zimmer. Das Zimmer ist in einer Wohnung. Die Wohnung ist im 3. Stock. In dem Zimmer liegt die Leiche eines erwachsenen Mannes. Wie bekommen sie die Leiche ins Erdgeschoss, ohne gesehen zu werden?

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  • Kategorie: Bücher , Rezis
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Durch die dunkelste Nacht

von am 6. März 2024 Kommentare deaktiviert für Durch die dunkelste Nacht

Hervé Le Corre
Durch die dunkelste Nacht
Suhrkamp, Berlin, 340 Seiten
ISBN 978-3-518-473696

Die Zeiten sind bekanntlich ziemlich düster. Wie finster sollte Literatur da sein, und wie viel Finsternis vertagen wir in unserer Lese- und Freizeit, vor und nach vom Doomscrolling, der Schlagzeilen-Beschallung? Hoffentlich genug, jedenfalls wenn es um die Finsternis im Kriminalroman „Durch die dunkelste Nacht“ geht, für den Hervé Le Corre mit dem Prix Des Lecteurs Quais Du Polar / 20 Minutes 2022 ausgezeichnet wurde. Schwer vorstellbar, dass 2024 ein weiterer Roman erscheinen wird, der zugleich so unfassbar finster und niederschmetternd und dennoch stilistisch so exquisit daherkommt.

Der 1955 geborene Franzose verbindet in seiner aus drei Perspektiven erzählten Geschichte Hardboiled und Noir, desillusionierenden Polizeikrimi und alltägliche Schwärze. Die Zutatenliste liest sich erst mal ganz klassisch: Comissaire Jourdan aus Bordeaux zerbricht jeden Tag, jede Nacht ein Stück mehr an der Gewalt und dem Elend, die er Fall für Fall sieht. Die junge Louise wird von ihrem gewalttätigen Ex heimgesucht, was auch das Leben ihres kleinen Sohnes Sam in Schatten stürzt. Und ein Serienkiller hat seine Triebe weniger denn je im Griff, eskaliert mehr und mehr. Aus diesen für das Krimi-Genre so typischen Ingredienzien macht Monsieur Le Corre das, was man in der Literaturkritik so gern als Tour de Force bezeichnet. „Durch die dunkelste Nacht“ ist finster, kraftvoll, zart, brutal, gnadenlos, bitter, krass, direkt, schockierend, herzzerreißend. Aber der Roman ist auch so gut, so einfühlsam und intensiv geschrieben, dass jede Seite den Schmerz und den Blick in den Abgrund wert ist.

Während Betrachtungen von Politik und Klimawandel wie nebenbei als Brandbeschleuniger der Hoffnungslosigkeit und zur passend schonungslosen Bestandaufnahme unserer Gegenwart genutzt werden, hat Le Corres Roman noch einen heimlichen Protagonisten, der durch die Prosa mehr wird als ein Element: Regen. In all seinen Formen nieselt, schüttet, rinnt, verzerrt er, vermischt er sich mit Lichtern und Gedanken. Hervé Le Corre ist wirklich ein großer Könner und Stilist, den deutschsprachige Krimi-Fans nach mehr als einem Dutzend Romanen im französischen Original relativ spät kennenlernen dürfen. Diese erste Übersetzung eines seiner Bücher setzt jedenfalls ein finsteres Glanzlicht, ein erstes Ausrufezeichen des noch recht jungen Krimi- und Thriller-Jahres.

Christian Endres

@MisterEndres auf Twitter folgen

Hervé Le Corre
Durch die dunkelste Nacht
Suhrkamp, Berlin, 340 Seiten
ISBN 978-3-518-473696

Die Zeiten sind bekanntlich ziemlich düster. Wie finster sollte Literatur da sein, und wie viel Finsternis vertagen wir in unserer Lese- und Freizeit, vor und nach vom Doomscrolling, der Schlagzeilen-Beschallung? Hoffentlich genug, jedenfalls wenn es um die Finsternis im Kriminalroman „Durch die dunkelste Nacht“ geht, für den Hervé Le Corre mit dem Prix Des Lecteurs Quais Du Polar / 20 Minutes 2022 ausgezeichnet wurde.

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Der Weg der Wünsche

von am 4. März 2024 2 Kommentare

Patrick Rothfuss
Der Weg der Wünsche
Stuttgart, Klett-Cotta, 2023, 218 Seiten
ISBN 9783608987744 / 20,00 Euro
Hardcover

Ich wollte es nicht lesen. Ich wollte es ignorieren. Patrick Rothfuss hat zwar bei mir noch nicht wirklich den Status "persona non grata" erreicht – wie der dessen Namen nicht genannt werden darf und der die Geschichte des Kontinentes Weseros niemals zu einem Ende bringen wird – aber ein wenig griesgrämig bin ich schon. Vom fulminanten Start 2007 bis heute wäre genug Zeit gewesen, diese Trilogie zu einem Ende zu bringen.

Aber (natürlich) habe ich das Büchlein dann doch auf meinen Lesestapel gelegt und in einem Haps durchgelesen. Es ist toll wieder in die Welt von Kvothe oder Reschi, wie Bast ihn nennt zurückzukehren. Wie auch schon in "Die Musik der Stille", wo wir die (Kurz)geschichte von Auris unter der Universität von Imre lesen durften, ist dieses Buch mehr ein Augenblick (ein Tag), als ein Einblick in das Leben von Bast dem Fae. Erzählt als kleine Episoden, die am Ende ineinandergreifen. Trotzdem aber nur ein paar Schlaglichter.

So kurz und wenig ergiebig diese erweiterte Kurzgeschichte im Endeffekt ist, so schön und berührend ist die Rückkehr zu vertrauten Charakteren und Orten.

Patrick Rothfuss hat mich wieder erwischt. Trotz meiner eigentlich schon feststehenden Meinung und meines Unmutes. Die Geschichte, die Stimmung und der Zauber. Nicht ganz unschuldig daran ist sicher auch hier wieder Jochen Schwarzer, der einmal mehr die Worte von Patrick Rothfuss in eine adäquate deutsche Sprache übertragen hat. Das Büchlein ist wunderbar und trotz der Kürze das Geld wert. Schön, dass bei Klett Cotta etwas mehr Geld in die Hand genommen wird, um Übersetzer zu bezahlen und wertige Bücher zu fertigen. Toller Verlag, tolles Buch und ja, tolle Geschichte.

Aber von ihnen, Herr Rothfuss erhoffe ich mir jetzt natürlich wieder einmal mehr. Selber Schuld. Hätten sie sich nicht mit diesem Büchlein dringend zurück im meine Erwartung zurückgeschlichen, hätte ich wahrscheinlich mehr Geduld gehabt. Jetzt in diesem Moment, bin ich aber nicht abgelenkt oder zufriedengestellt, sondern angestachelt und voller Erwartung. Wie, wo und wann wird Kvothe einen König töten? Wie, wo und wann erlernt er den Namen des Windes? Wie wird Kvothe zu Kote dem Wirt? Kvothe muss ja irgendwie noch einen Krieg auslösen, das Geheimnis um Chandrian und Amyr auflösen…

Ach ja und Bast muss er ja auch noch begegnen… Argh! Jetzt bin ich wieder voll im Fieber!

Patrick Rothfuss
Der Weg der Wünsche
Stuttgart, Klett-Cotta, 2023, 218 Seiten
ISBN 9783608987744 / 20,00 Euro
Hardcover

Ich wollte es nicht lesen. Ich wollte es ignorieren. Patrick Rothfuss hat zwar bei mir noch nicht wirklich den Status "persona non grata" erreicht – wie der dessen Namen nicht genannt werden darf und der die Geschichte des Kontinentes Weseros niemals zu einem Ende bringen wird – aber ein wenig griesgrämig bin ich schon. Vom fulminanten Start 2007 bis heute wäre genug Zeit gewesen,

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Erdling

von am 28. Februar 2024 Kommentare deaktiviert für Erdling

Emma Braslavsky
ERDLING. Roman.
Berlin, Suhrkamp, 2023, 425 Seiten
ISBN 978-3-518-43101-6
Hardcover / 26,00 Euro

Nur weil ich das Buch zu spät in die Hände bekommen und jetzt erst gelesen habe, ist die 1971 in Erfurt geborene, inzwischen in Berlin lebende, Emma Braslavsky mit ihrem im Dezember 23 veröffentlichten Roman, der den hübschen, sofort an Science Fiction erinnernden Titel ERDLING trägt, an einer Empfehlung im „Adventskalender“ der Romanboutique vorbeigeschrammt.

Braslavsky, die nicht nur Vorlagen für OSCAR-nominierte Filme schreibt und mehrere Literaturpreise gewonnen hat, ist spätestens seit ihrem im letztenJahr mit einem Kurd Laßwitz Preis ausgezeichneten SF-Hörspiel DIE NACHT WAR BLEICH, DIE LICHTER BLINKTEN nicht mehr aus der deutschen Phantastik wegzudenken.

Wie sehr sie allerdings in dieses Genre „eingetaucht“ ist, wird erst bei der Lektüre von ERDLING so richtig klar. Nicht nur der Plot um eine von Aliens entführte Sahra Wagenknecht ist so außergewöhnlich und originell wie selten in der deutschen Science Fiction der letzten Jahrzehnte, auch der frech-direkte Stil ist ein Alleinstellungsmerkmal, und die Auswahl der Protagonist*innen und Schauplätze deuten auf ein vertieftes Studium der Geschichte des deutschsprachigen Zukunftsromans hin. So besucht die mit dem Auffinden der Entführten beauftrage Detektiv*in Emma Erdling, unterstützt unter anderem von Hanns Heinz Ewers (!), die von Johannes Kepler ersonnenen Mondbewohner ebenso wie die marsianischen Numen von Kurd Laßwitz, springt in der Zeit umher wie ein Flaschenteufelchen und diskutiert alternative Weltlinien mit Voltaire und Thomas Mann.

Diese Reise durch multiple Literatur-Universen gleicht einer ebenso wilden wie vergnüglichen Fahrt in einer Galaxien umspannenden Achterbahn. Da lässt sich auf „Thank you for traveling with me!“, Braslavskys letzten Satz im Buch, nur mit einem „Danke, dass wir dabei sein durften“ antworten.

Horst Illmer

Emma Braslavsky
ERDLING. Roman.
Berlin, Suhrkamp, 2023, 425 Seiten
ISBN 978-3-518-43101-6
Hardcover / 26,00 Euro

Nur weil ich das Buch zu spät in die Hände bekommen und jetzt erst gelesen habe, ist die 1971 in Erfurt geborene, inzwischen in Berlin lebende, Emma Braslavsky mit ihrem im Dezember 23 veröffentlichten Roman, der den hübschen, sofort an Science Fiction erinnernden Titel ERDLING trägt, an einer Empfehlung im „Adventskalender“ der Romanboutique vorbeigeschrammt.

Braslavsky, die nicht nur Vorlagen für OSCAR-nominierte Filme schreibt und mehrere Literaturpreise gewonnen hat,

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Die Schwarze Königin

von am 21. Februar 2024 Kommentare deaktiviert für Die Schwarze Königin

Markus Heitz
Die Schwarze Königin
München, Knaur, 2023, 537 Seiten
ISBN 9783426227817 / 18,00 Euro
Paperback

Bei Markus Heitz bin ich persönlich schon länger der Meinung, dass seine Bücher, die eher dem Horrorgenre oder der dunklen Phantastik zuzuordnen sind, besser als seine reinen Fantasy-Romane sind. Von seinen Zwergen war ich so mittel begeistert, auch wenn sie für ihn wohl den Durchbruch zum Bestsellerautor bedeutet haben. Ritus und Sanctum waren die ersten Bücher, mit denen er mich wirklich begeistert hat. 2021/22 habe ich mich noch einmal auf seine Zwerge eingelassen. Und tatsächlich war diese "nächste Generation" im geborgenen Land sehr unterhaltsam und für mich auch runder. Sozusagen ein wenig gereifter. Entsprechend war ich jetzt schon ziemlich vorfreudig auf "Die Schwarze Königin".

Markus Heitz webt ein vielschichtiges Garn aus dem bekannten Stoff um die Drăculea, den Orden der Drachen und die Strigoi, Vampire und sonstige Geschöpfe der Nacht. Die Geschichte spielt auf mehreren Zeitebenen, die, perfekt verwoben, gemeinsam nach und nach die Geschichte und die Hintergründe entfalten. Dabei unterscheiden sich die Stile und Charaktere der unterschiedlichen Zeiten deutlich und gerade durch diesen Kontrast wird eine abwechslungsreiche und sehr unterhaltsame Geschichte erzählt. Weit entfernt von Bram Stoker und wahrscheinlich (ohne das jetzt genauer recherchiert zu haben) deutlich näher an historischen Fakten.

Markus Heitz trifft im Heute den richtigen, passenden Ton und erzeugt immer wenn er sich in die Vergangenheit begibt ein ebenso passendes historisches Bild. Dabei sind auch die jeweiligen Handlungsträger und Schauplätze hervorragend gewählt. Der ernste und dem Thema entsprechende Ton der Geschichte, die Ende des 14. Jahrhunderts beginnt, wird in der Gegenwart durch den jungen, liebenswert unbedarften und fast ein wenig torhaften Helden Len ergänzt.

Markus Heitz geht ungewöhnliche Wege in seiner Interpretation einer Vampirgeschichte, weiß es aber außergewöhnlich gut zu unterhalten. "Die Scharze Königin" ist eine wirklich gelungenes und empfehlenswertes Stück Unterhaltung.

Markus Heitz
Die Schwarze Königin
München, Knaur, 2023, 537 Seiten
ISBN 9783426227817 / 18,00 Euro
Paperback

Bei Markus Heitz bin ich persönlich schon länger der Meinung, dass seine Bücher, die eher dem Horrorgenre oder der dunklen Phantastik zuzuordnen sind, besser als seine reinen Fantasy-Romane sind. Von seinen Zwergen war ich so mittel begeistert, auch wenn sie für ihn wohl den Durchbruch zum Bestsellerautor bedeutet haben. Ritus und Sanctum waren die ersten Bücher, mit denen er mich wirklich begeistert hat.

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Paris Requiem

von am 19. Februar 2024 Kommentare deaktiviert für Paris Requiem

Chris Lloyd
Paris Requiem
Suhrkamp, Berlin, 446 Seiten
ISBN 978-3-518-473733

Chris Lloyd wurde in Wales geboren, machte seinen Abschluss in Spanisch und Französisch und siedelte anschließend für über zwanzig Jahre nach Katalonien um. Inzwischen lebt er wieder in Südwales. In seinen Krimis um den französischen Polizisten Inspecteur Eddie Giral kanalisiert Mr. Lloyd sein Interesse für den Zweiten Weltkrieg. „Paris Requiem“, der neueste Roman des Walisers, setzt im September 1940 ein. Die Nazis haben Frankreich und Paris seit drei Monaten besetzt, der Eiertanz zwischen unterdrückten Franzosen und tonangebenden deutschen Militärs geht oft blutig aus und hat schwer zu durchschauende Spielregeln, an die sich lediglich eine Seite halten muss. Eddie und seine Kollegen kommen sich wie Marionetten vor, das rationierte Essen reicht hinten und vorne nicht, der deutsche Geheimdienst verfolgt jeden und alles. Und dann wird in einem geschlossenen Jazzclub die Leiche eines kleinen Ganoven gefunden, dem man brutal die Lippen zusammen genäht hat – wobei der Einbrecher eigentlich im Knast sitzen müsste. Eddie ermittelt und bekommt mit der Gegenwart, aber auch der Vergangenheit bald einige neue Probleme …

„Paris Requiem“ ist nach „Die Toten vom Gare D’Austerlitz“ der zweite Band um Lloyds erschütterten Ermittler in einer genauso erschütterten Stadt. „Paris Requem“ war allerdings mein erstes Buch mit Eddie Giral, und ich habe es problemlos wegsuchten können und kein einziges Mal das Gefühl gehabt, dass mir eine Info fehlte – wenn es Bezüge zum Auftaktband gibt, werden die erklärt oder erschließen sich so. Das ist im Übrigen etwas, das gute Krimi-Serien für mich mit auszeichnet: Man kann auch später, mittendrin einstiegen, kreuz und quer lesen, ich denke da an Bosch, Rebus, Hap & Leonard, Reacher, Kinky Friedman. Und im Fall von Chris Lloyd und Eddie Giral lohnt der Einstieg bzw. Quereinstieg definitiv: „Paris Requiem“ ist ein süffiger, mustergültiger Hardboiled-Roman vor einer komplexen historischen Kulisse. Man spürt, dass Lloyd sich mit Materie und Setting auskennt, und obendrein schreibt er einfach einen richtig guten, düsteren Cop-Roman. „Paris Requiem“ hat durch die Besatzung natürlich etwas andere Vorzeichen, doch dieser historische Harboiled-Krimi ist genau das Richtige für alle Fans von Philip Kerr und Robert Harris.

Christian Endres

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Chris Lloyd
Paris Requiem
Suhrkamp, Berlin, 446 Seiten
ISBN 978-3-518-473733

Chris Lloyd wurde in Wales geboren, machte seinen Abschluss in Spanisch und Französisch und siedelte anschließend für über zwanzig Jahre nach Katalonien um. Inzwischen lebt er wieder in Südwales. In seinen Krimis um den französischen Polizisten Inspecteur Eddie Giral kanalisiert Mr. Lloyd sein Interesse für den Zweiten Weltkrieg. „Paris Requiem“, der neueste Roman des Walisers, setzt im September 1940 ein. Die Nazis haben Frankreich und Paris seit drei Monaten besetzt,

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Ein Fluss so rot und schwarz

von am 14. Februar 2024 Kommentare deaktiviert für Ein Fluss so rot und schwarz

Anthony Ryan
EIN FLUSS SO ROT UND SCHWARZ. Roman.
Ü: Sara Riffel
(Red River Seven / 2023)
Stuttgart, Tropen, 2023, 269 S.
ISBN 978-3-608-50179-7 / 22,00 Euro

Anthony Ryan ist ein schottischer Schriftsteller, der seit einigen Jahren mit epischen Fantasy-Romanen (Die RABENSCHATTEN-Trilogie, DRACONIS MEMORIA, DER STÄHLERNE BUND) große Erfolge feiert. Im Herbst 2023 erschien jedoch im Tropen Verlag der Roman EIN FLUSS SO ROT UND SCHWARZ, der ganz offensichtlich keine Fantasy war, sondern wohl eher als Nach-Katastrophen-Thriller bezeichnet werden kann. (Außerdem hat das Buch nur 270 Seiten und keine Fortsetzung!)

Vermutlich wollte Ryan einfach einmal in andere Gefilde eintauchen und das ist ihm, so viel darf schon hier verraten werden, auf erstaunlich eindringliche Weise gelungen. Die Geschichte beginnt damit, dass jemand Selbstmord begeht und mit dem Knall seiner Pistole einen Mann weckt, der zuerst einmal feststellt, dass er weder weiß, wo er sich befindet, noch warum er da ist, und auch keine Ahnung hat, wie er heißt. Allerdings verrät ihm ein kurzer Rundblick und das Schwanken des Bodens, dass er sich auf einem Schiff befindet. Als er den Toten untersucht, stellt er fest, dass dieser die Tätowierung „Conrad“ auf dem Unterarm trägt. Bei ihm selbst steht da „Huxley“ – na, und als dann noch „Plath“, „Rhys“, „Pynchon“, „Golding“ und „Dickinson“ auftauchen, ist die Truppe vollständig. Dass sie alle nicht wissen wo und wer sie sind, deutet darauf hin, dass ihr Zusammentreffen nicht zufällig ist. Zudem fährt das Schiff, offenbar ferngesteuert, übers offene Meer. Sie finden an Bord jede Menge Waffen, Nahrung – und viele verschlossene Türen. Dann klingelt ein Satellitentelefon und eine synthetische Stimme gibt ihnen erste Anweisungen.

Offenbar müssen sie die Themse hinauf nach London fahren und dort eine bestimmte Aufgabe erfüllen. Dabei erwarten sie diverse Hindernisse und Gefahren, über deren Beschaffenheit sie von der Telefonstimme jedoch nur spärliche Informationen erhalten. Aber es wird schnell klar, dass der Sprengstoff und die vielen Waffen nicht zufällig an Bord sind …

Bei dieser Art von literarischem Versteckspiel ist es für den Rezensenten immer schwer, die Balance zu finden zwischen dem, was auf gar keinen Fall verraten werden darf und den Informationen, mit denen Leserinnen und Leser neugierig gemacht werden. Also stelle ich mal folgende Behauptungen auf: EIN FLUSS SO ROT UND SCHWARZ ist ein überaus flottes, hervorragend konzipiertes Stück Abenteuerliteratur, angereichert mit einer sehr plastisch beschriebenen, unterhaltsamen und überraschenden Handlung und sechs (oder eigentlich sieben) klug charakterisierten Protagonist*innen.

Der Roman kommt nach 270 Seiten atemloser Spannung zu einem überraschenden, jedoch zufriedenstellenden Ende – und es sollte niemanden wundern, wenn es in naher Zukunft dazu einen Kinofilm oder eine Mini-Serie gibt.

Horst Illmer

Anthony Ryan
EIN FLUSS SO ROT UND SCHWARZ. Roman.
Ü: Sara Riffel
(Red River Seven / 2023)
Stuttgart, Tropen, 2023, 269 S.
ISBN 978-3-608-50179-7 / 22,00 Euro

Anthony Ryan ist ein schottischer Schriftsteller, der seit einigen Jahren mit epischen Fantasy-Romanen (Die RABENSCHATTEN-Trilogie, DRACONIS MEMORIA, DER STÄHLERNE BUND) große Erfolge feiert. Im Herbst 2023 erschien jedoch im Tropen Verlag der Roman EIN FLUSS SO ROT UND SCHWARZ, der ganz offensichtlich keine Fantasy war, sondern wohl eher als Nach-Katastrophen-Thriller bezeichnet werden kann.

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Ein Muss für MCU Fans: Der komplette neue MCU Kanon in einem Buch!

von am 7. Februar 2024 Kommentare deaktiviert für Ein Muss für MCU Fans: Der komplette neue MCU Kanon in einem Buch!

Marvel Timelines: Die visuelle Chronik des Marvel Cinematic Universe (Dorling Kindersley Verlag)
Autoren: Anthony Breznican, Amy Ratcliffe, Rebecca Theodore-Vachon, Kevin Feige (Vorwort)
344 Seiten im Format 25.8 x 3 x 30.8 cm
Hardcover (49,95 €)

Ihr sucht nach einem Geschenk für einen richtigen Marvel Fan oder seid, wie ich selbst, seit langer Zeit dem Marvel Comic Universum und seinen Verfilmungen verfallen? Dann habe ich einen Tipp für Euch. Im Dorling Kindersley Verlag liegt seit November 2023 dieser wunderschöne Bildband im Überformat vor. Das Buch befasst sich, wie der Titel schon sagt, mit dem Marvel Cinematic Universe – kurz MCU – dem Film-Universum der Avengers, der Guardians of the Galaxy, der nordischen Götter, usw…

Was diesen Band von eigentlich allen Begleitbänden zum Film Universum von Marvel unterscheidet ist die Aufmachung. Das ganze Buch ist aufgebaut wie ein riesiger Zeitstrahl der sich vom Anfang bis zum Ende durch den kompletten Band zieht (und sogar abweichende Zeitstrahlen enthält!). Dieser beginnt mit der Erschaffung des Universums und endet einige Jahre in unserer Zukunft. Eingegliedert in diesen Zeitstrahl ist das komplette, offizielle und aktualisierte MCU von Kevin Feige, denn der große Ober-Guru von Disney/Marvels Filmabteilung hat einige Serien wie z.B. die "Agents of S.H.I.E.L.D." und die "Runaways" aus dem offiziellen Kanon herausgenommen. Ich persönlich finde das sehr schade, allerdings macht es das MCU auch um einiges übersichtlicher.

"Marve Timelines" selbst ist großartig recherchiert, übersichtlich aufgebaut und mit reichlich Bildmaterial aus den Filmen und Serien versehen. Meiner Meinung darf dieses Prachtstück in keiner Marvel Sammlung fehlen. Natürlich haben wie den Band im Laden stehen 😉

Tschau, valar morghulis, euer Dom

Marvel Timelines: Die visuelle Chronik des Marvel Cinematic Universe (Dorling Kindersley Verlag)
Autoren: Anthony Breznican, Amy Ratcliffe, Rebecca Theodore-Vachon, Kevin Feige (Vorwort)
344 Seiten im Format 25.8 x 3 x 30.8 cm
Hardcover (49,95 €)

Ihr sucht nach einem Geschenk für einen richtigen Marvel Fan oder seid, wie ich selbst, seit langer Zeit dem Marvel Comic Universum und seinen Verfilmungen verfallen? Dann habe ich einen Tipp für Euch. Im Dorling Kindersley Verlag liegt seit November 2023 dieser wunderschöne Bildband im Überformat vor.

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Dex & Helmling

von am 24. Januar 2024 Kommentare deaktiviert für Dex & Helmling

Becky Chambers
EIN PSALM FÜR DIE WILD SCHWEIFENDEN.
Dex & Helmling 1
Ü: Karin Will
(A Psalm for the Wild-Build / 2021)
Wittenberge, Carcosa, 2024, 188 S.
ISBN 978-3-910914-10-0 / 18,00 Euro

 

EIN GEBET FÜR DIE ACHTSAM SCHREITENDEN.
Dex & Helmling 2
Ü: Karin Will
(A Prayer for the Crown-Shy / 2022)
Wittenberge, Carcosa, 2024, 182 S.
ISBN 978-3-910914-12-4 / 18,00 Euro

Dem erfolgreichen ersten Programm des Carcosa Verlags (siehe dazu meine diversen Besprechungen in den letzten Monaten) folgten im Januar 2024 gleich zwei neue Bücher von Becky Chambers, die sowohl die Programmintentionen (topaktuelle Titel anstelle der großen Klassiker) als auch die Optik (Hardcover im Taschenbuchformat, farbig illustrierte Einbände) von Carcosa deutlich bereicherten.

Mit EIN PSALM FÜR DIE WILD SCHWEIFENDEN und EIN GEBET FÜR DIE ACHTSAM SCHREITENDEN liegen hier zwei in den USA äußerst erfolgreiche Novellen (die sich zu einem „Doppelroman“ ergänzen) der auch bei uns sehr erfolgreichen Autorin vor, in denen auf augenzwinkernd-humorvolle Weise die Utopie einer ökologisch und sozial erfolgreichen Mensch-Roboter-Natur-Beziehung beschrieben wird.

Die Story spielt auf einem bewohnten Mond, dessen Bewohner vor langer Zeit von ihren mit Selbstbewusstsein ausgestatteten Robotern verlassen wurden und seither ihre Zivilisation zu einem gewissen Einklang mit ihrer Umwelt entwickelt haben. Auf einer Selbstfindungsreise in die Wildnis trifft Teemönch Dex überraschend auf Helmling, einen Roboter, der sich als Begleiter anbietet …

Die Übersetzung von Karin Will nimmt dabei gekonnt die genderspezifisch-sprachlichen Besonderheiten von Chambers’ Original auf und transformiert die Erzählung in ein schlüssiges (und flüssiges) Deutsch, das bereits nach wenigen Seiten zum Genuss des Textes beiträgt. Wie immer bei Becky Chambers bewirkt bereits der erste Satz einen Sog, der ihre Leser*innen erst nach der letzten der zusammen fast 400 Seiten wieder loslässt.

Deshalb meine Empfehlung: gleich beide Bändchen besorgen und die dafür nötige Zeit einplanen!

Horst Illmer

Becky Chambers
EIN PSALM FÜR DIE WILD SCHWEIFENDEN.
Dex & Helmling 1
Ü: Karin Will
(A Psalm for the Wild-Build / 2021)
Wittenberge, Carcosa, 2024, 188 S.
ISBN 978-3-910914-10-0 / 18,00 Euro

 

EIN GEBET FÜR DIE ACHTSAM SCHREITENDEN.
Dex & Helmling 2
Ü: Karin Will
(A Prayer for the Crown-Shy / 2022)
Wittenberge, Carcosa, 2024, 182 S.
ISBN 978-3-910914-12-4 / 18,00 Euro

Dem erfolgreichen ersten Programm des Carcosa Verlags (siehe dazu meine diversen Besprechungen in den letzten Monaten) folgten im Januar 2024 gleich zwei neue Bücher von Becky Chambers,

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Der Spurenfinder

von am 22. Januar 2024 Kommentare deaktiviert für Der Spurenfinder

von Marc-Uwe, Luise und Johanna Kling
illustriert von Bernd Kissel
Der Spurenfinder
Berlin, Ullstein, 2023, 327 Seiten
ISBN 9783550202681 / 19,99 Euro
Hardcover

von Marc-Uwe, Luise und Johanna Kling
illustriert von Bernd Kissel
Der Spurenfinder
Hamburg, Hörbuch Hamburg, 2023, 7:44 Stunden
ISBN 9783957133090 / 22,00 Euro
Audio CDs

Marc-Uwe Kling hat diesmal zusammen mit seinen Zwillingstöchtern einen Fantasy Roman geschrieben. Und natürlich wieder höchstselbst eingesprochen. Als Hörbuch. Wir wissen ja schon von seinen früheren Werken, dass bei diesem Autor das Hörbuch die Königsdisziplin ist. Kein anderer trifft die gewünschte Artikulation – mit all den irre relevanten Einschüben, platzierten Lachern, offensichtlich versteckten Anspielungen und charakterspezifischen Nuancen – so gut, wie der Urheber selbst. Meines Erachtens nach versteht man die einzig richtige Les(e)art überhaupt erst, wenn man zumindest mal eine Konserve gehört oder am besten sogar einen Live Auftritt gesehen hat. Deswegen habe ich das Buch auch diesmal gehört. Wiedereinmal macht der Meister das, was er macht, ziemlich besonders und mit ganz eigenem Charme. In unvergleichlicher Art und Weise sind Fantasy, kriminalistische Spannung und Humor verwoben.

Am Anfang war ich mir nicht ganz sicher, Ob ich Marc-Uwe Kling auch diesmal komplett folgen würde oder könnte. Als Leser von phantastischen Büchern seit vielen Jahrzehnten spielt die Angst immer ein klein wenig mit, wenn ein Autor sich auf ein ganz neues Terrain begibt, in dem er vielleicht nicht ganz zu Hause sein könnte. Wenn man zuerst meint, dass die Geschichte vielleicht ein wenig kindlich oder gar kindisch herüberkommen könnte und wirklich nicht sicher ist, ob die känguruesken Lacher die Geschichte tragen können, fühlt man aber die Änderung der Tonart sehr schnell. Die Anfangs recht einfach und linear wirkende Geschichte und die hunoresken Dialoge sind aber nichts anderes als eine stilistische Überleitung von Känguru und Qualityland in die Welt der Fantasy und so verzweigt und wendet sich der Plot im Verlauf der Geschichte derart, dass ich auch dem kriminalistischen Aspekt gebannt folgen musste. Dieser neue Roman ist nicht nur wieder beste Unterhaltung, sondern auch spannend und überraschend. Mit einer jederzeit angemessenen Dosis Humor.

Natürlich gibt es auch wieder jede Menge Anspielungen und Entlehnungen aus Popkultur und phantastischer Literatur. Die Würze sind die herrlich familiären Zankereien zwischen Elos und seinen Zwillingen. Da erklärt sich auch die Mitautorenschaft von Luise und Johanna Kling.

Und auch wenn am Ende eindeutig noch die Tür für eine oder mehrere Fortsetzungen aufgestoßen wird, ist doch genau dieses Ende und die Auflösung hervorragend gelungen. Und ja, natürlich würde ich Elos von Bergen und den Zwillingen Ada und Naru jederzeit wieder in die "Verlorenen Provinzen" folgen.

Die tollen Illustrationen und vor allem die Karte von Bernd Kissel machen das gedruckte Buch als Zweitkauf unabdingbar, auch wenn in der CD Box einige Illustrationen abgebildet sind..

von Marc-Uwe, Luise und Johanna Kling
illustriert von Bernd Kissel
Der Spurenfinder
Berlin, Ullstein, 2023, 327 Seiten
ISBN 9783550202681 / 19,99 Euro
Hardcover

von Marc-Uwe, Luise und Johanna Kling
illustriert von Bernd Kissel
Der Spurenfinder
Hamburg, Hörbuch Hamburg, 2023, 7:44 Stunden
ISBN 9783957133090 / 22,00 Euro
Audio CDs

Marc-Uwe Kling hat diesmal zusammen mit seinen Zwillingstöchtern einen Fantasy Roman geschrieben. Und natürlich wieder höchstselbst eingesprochen. Als Hörbuch.

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Das Licht ungewöhnlicher Sterne

von am 17. Januar 2024 Kommentare deaktiviert für Das Licht ungewöhnlicher Sterne

von Ryka Aoki
ins deutsche übertragen von Michael Pfingstl
Das Licht ungewöhnlicher Sterne
München, Heyne, 2024, 494 Seiten
ISBN 9783453323094 / 17,00 Euro
Paperback

Für alte weiße Männer wie mich ist es immer ein va banque Spiel, solche Bücher zu rezensieren und – übrigens auch – zu lesen. Wen meine Erklärungen und mein Vorgeplänkel nicht interessiert und wer eigentlich nur etwas über das Buch lesen möchte, sollte jetzt einfach zu "das Buch ist wunderschön" springen.

Ich bin in einer Zeit groß geworden, in der wir Gender-Fragen entweder sehr frei oder sehr verklemmt wahrgenommen haben. Ziggy Stardust war ein Held oder eine Heldin für mich. Wenn ich "Turn the Page" von Bob Seger damals gehört habe, war die Szene im Cafe, in der sich die Leute am Nachbartisch das Maul zerreißen, für mich fremd und unverständlich. Ich habe die "Rocky Horror Picture Show" mehr als 50 mal im Kino gesehen, wir haben "La cage aux folles" zelebriert. Nichts war daran ungewöhnlich. In der Rockmusik gab es "Twisted Sister", "Freddy Mercury" war der Größte und ich konnte gar nicht verstehen, warum Rob Halford solches Aufsehen erregt hat, als er sich in den 90ern (!) geoutet hat. Ich bin in einem Umfeld groß geworden, in dem es keine Tabus und keine Diskriminierung gab. Natürlich war es mir bewusst, dass das nicht überall und zu jeder Zeit so war. Aber ich kannte KEINE GRENZEN, KEINE AUSGRENZUNG und schon gar keine DISKRIMINIERUNG. Für mich waren Menschen, die andere Menschen wegen ihrer Herkunft, ihrer Neigung oder wegen IRGENDETWAS für minderwertig, krank, kaputt oder sogar böse erachtet haben, zumindest dumm. Wenn dann noch Hass, Unterdrückung oder Verfolgung dazukam, waren das einfach nur A…löcher. Meine Welt war da genauso einfach wie offen. Danke dafür an meine Eltern und an mein gesamtes Umfeld.

Trotz dieser relativen Freiheit und Vorurteilslosigkeit, oder gerade wegen meiner Erziehung und Vergangenheit, kann ich viele der heutigen Problematiken nur unzureichend verstehen oder nachvollziehen. Ich bin einfach nicht der richtige Mensch, um zu begreifen, warum eben genau diese Themen von Queerness und/oder Transgender heute wieder so relevant sind. Wann ist diese mir bekannte und selbsverständliche Freiheit verloren gegangen?  A…löcher bleiben A…löcher, meist bis an ihr Lebensende. Sie können eben nur eine Sache besonders gut, Sch… von sich geben. Daran wird sich nichts ändern.

Will ich mich jetzt aber als Person und als Leser auf dieses Buch einlassen? Ist mir das zu kondensiert und beschränkt (auf den Werbeträger LGBQT+)? Wird hier eine relevante Realität dargestellt, oder der Trend der aktuellen neu gestellten Gender-Frage genutzt, der von Industrie und Werbung ausgeschlachtet wird.

Früher wäre genau an dieser Stelle ein Nerd, ein Freak oder sonst irgendein pubertärer Misthaufen gestanden (denkt mal an Carrie von Stephen King). Das wäre genauso passend gewesen. Und für mich weniger speziell. Aber ist es wirklich so oder zu speziell? Vielleicht ist genau dieser Aspekt einfach komplett egal. Wie gesagt, ich bin wahrscheinlich nicht der Richtige, um das zu verstehen und somit auch nicht zu beurteilen.

Aber ich kann durchaus beurteilen, ob ein Buch wertig oder nicht ist. Und da kommt der zweite Punkt ins Spiel.

Jetzt gerade ist wieder diese Zeit vorbei, in der ich tausende von Prospekten und Katalogen durchforsten musste um die Halbjahresvorbestellung auf den Weg zu bringen. Eine Zeit in der ich mich mit mehr Schrott und unglaublich schlechten Werbetexten beschäftigen muss, als ich mir jemals vorstellen konnte und als ich gewillt bin, kommentarlos hinzunehmen. Wenn in genau dieser Zeit ein Büchlein aus komplett unbekannter Feder, mit zweifelhaft hyperromantischem und neomodernem Teaser es schafft, meine Aufmerksamkeit im Vorfeld zu erregen, ist das schon eine Besonderheit. Dass dieses Buch im weltweiten Netz auf Plattformen wie Booktock immensen Furor erzeugt hat, führt nicht dazu, dass meine eigene Meinung oder Vorauswahl in positiven Sinne beeinflusst werden könnte. Dass aber drei Kunden (in diesem Fall tatsächlich Kundinnen – und zwar persönlich bekannte und gewertschätzte) dieses Buch bereits vor Erscheinen bestellt hatten und ich es (ohne all dies vorher recherchiert zu haben) auch in die Bestelliste meines eigenen Lesestapels gestellt habe, ist dann schon eine gewisse subjektive Vorentscheidung.

Wie auch immer. Ich habe das Buch mit gemischten Gefühlen mit in unseren kleinen Winterurlaub genommen. Neben Werken von Le Guin und anderen Größen, die ich mir eher zum persönlichen plaisir mitgenommen habe, gilt es eben auch potentiell interessante Romane auf Herz und Nieren zu untersuchen. Ab und an kommt dann Mist dabei heraus, ab und an auch eine Praline. Aber man soll ein Buch nicht nach den Cover beurteilen (oder nach den Werbetexten oder dem Klappentext). Jetzt weiß ich: alle Ängste waren unsinnig.

Denn das Buch ist wunderschön. Es hat mich zum Lachen und Weinen gebracht, wie es selten einem modernen Roman gelingt. Ich habe vor fast einem Jahr Lutz Büge für "Noah schläft" den imaginären Douglas Adams Award vergeben. Und jetzt muss ich diesen Preis definitiv auch für dieses Jahr bereits sehr früh im Jahr abermals vergeben. Was Ryka Aoki da zusammengeschrieben und fabuliert hat, ist nicht einfach nur unterhaltend, sondern einfach brillant. Ryka Aoki schreibt über Themen, in denen ich nicht zu Hause bin und hat mich an der Hand genommen und das Buch zu meinem Zuhause gemacht. Die Geschichte ist so viel mehr, als nur die Geschichte der Menschen, die sie tragen. Es geht um alles. Um das Menschsein, um Liebe um Glück und um die wunderbare Welt mit all den wunderbaren Dingen, Menschen und Genüssen. Auch wenn die Geschichte eigentlich nicht mehr als ein Märchen ist, öffnet es neue Einblicke auf uns selbst und auf alles andere. Eines der zentralen Themen ist es, dass die Künstlerinnen, in diesem Fall mit den Stimmen ihrer Geigen Geschichten erzählen, Gefühle erzeugen, Bilder vermitteln, Stimmungen erzeugen und die Zuhörerschaft auf diese Weise zu besseren, glücklicheren Menschen machen. Genau das schafft die Künstlerin Ryka Aoki ihrerseits. Nur nicht mit der Geige sondern mit Buchstaben, Wörten, Zeilen und Kapiteln. Das ganze Buch ist ein vollendetes Kunstwerk, das unsere Gefühle befreit, unsere Gedanken auf Reisen über den Horizont schickt.

Ich habe mich gekringelt und amüsiert. Ich habe Referenzen zu all den großen Meistern des Genres gefunden. Ich habe geweint und gelitten und – und das ist das ganz Besondere – schon nach sehr kurzer Zeit das Gefühl gehabt, ich bin gefühlsmäßig komplett dabei. Eingebunden und involviert in Themen, die meinen Horizont bisher überschritten haben. Nach kurzem Zögern, ob genau diese spezielle Situation wirklich relevant und vor allem für mich akzeptabel ist, war der Verlauf der Geschichte derart passend und sensationell, dass genau das perfekt und richtig war. Ja, Katrina ist die perfekte Protagonistin in einer irren Geschichte zwischen Aliens, einem Pakt mit dem Teufel, wunderbaren Geschmacksexplosionen und einfühlsamen Einblicken in die Welten der Musik, der Popkultur, moderner Technik, Zeitgeist, Wandel und ländlichen Stilleben.

Ich kann dieses wunderbare Büchlein nur jedermann, jederfrau und jederwasweißichwas empfehlen. Es ist ein kleiner Schritt auf dem Weg zu Glück und vielleicht sogar etwas Weisheit.

von Ryka Aoki
ins deutsche übertragen von Michael Pfingstl
Das Licht ungewöhnlicher Sterne
München, Heyne, 2024, 494 Seiten
ISBN 9783453323094 / 17,00 Euro
Paperback

Für alte weiße Männer wie mich ist es immer ein va banque Spiel, solche Bücher zu rezensieren und – übrigens auch – zu lesen. Wen meine Erklärungen und mein Vorgeplänkel nicht interessiert und wer eigentlich nur etwas über das Buch lesen möchte, sollte jetzt einfach zu "das Buch ist wunderschön"

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Handbuch der Planeten

von am 8. Januar 2024 1 Kommentar

Gunther Barnewald
HANDBUCH DER PLANETEN.
Reiseführer durch die Welten von Jack Vance.
Vorwort: Denis Scheck
Erkrath, Fanpro, 2023, 271 S.
ISBN 978-3-946502-03-6 / 49,80 Euro
Hardcover

Mein guter Freund Zufall stieß mich kürzlich bei Korrektur-Lese-Arbeiten auf ein bereits im Sommer 2023 erschienenes Sachbuch, das – wohl vor allem wegen seines Titels – sicher auch vielen sonst daran Interessierten bisher entgangen sein dürfte: Es handelt sich dabei um das HANDBUCH DER PLANETEN von Gunther Barnewald. Erst der Untertitel „Reiseführer durch die Welten von Jack Vance“ weist den Blick in die richtige Richtung. Es handelt sich nicht etwa um ein Hilfsmittel zur Astronomie unseres Sonnensystems, sondern um ein 270 Seiten starkes Kompendium zu Leben und Werk des US-amerikanischen Science-Fiction- und Fantasy-Großmeisters Jack Vance – im Format DIN A4 und mit einem Vorwort von Denis Scheck! Aufgeteilt in 16 reich bebilderte Kapitel betrachtet Barnewald jede Story und jeden Roman von Vance, inklusive pseudonymer Werke, gibt einen biografischen Abriss und versucht in mehreren Essays eine literaturgeschichtliche Einordnung. Ergänzend angefügt ist ein umfangreiches Interview mit dem Autor, und in der Abteilung „Anhänge“ finden wir Zeittafeln, Bibliografien, Personen- und Titelregister.

Mit diesem Buch haben deutschsprachige Jack Vance-Fans und -Forscher endlich ein Standardwerk zur Verfügung, das keine Wünsche mehr offen lässt.

Horst Illmer

Gunther Barnewald
HANDBUCH DER PLANETEN.
Reiseführer durch die Welten von Jack Vance.
Vorwort: Denis Scheck
Erkrath, Fanpro, 2023, 271 S.
ISBN 978-3-946502-03-6 / 49,80 Euro
Hardcover

Mein guter Freund Zufall stieß mich kürzlich bei Korrektur-Lese-Arbeiten auf ein bereits im Sommer 2023 erschienenes Sachbuch, das – wohl vor allem wegen seines Titels – sicher auch vielen sonst daran Interessierten bisher entgangen sein dürfte: Es handelt sich dabei um das HANDBUCH DER PLANETEN von Gunther Barnewald.

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