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Die Gelehrtenrepublik

von am 10. Juli 2023

Arno Schmidt
DIE GELEHRTENREPUBLIK. Kurzroman aus den Roßbreiten.
Berlin & Bargfeld, Suhrkamp, 2023, 176 S.
Suhrkamp Taschenbuch st5333
ISBN 978-3-518-47333-7 / 16,- Euro

Nachdem ich zu Weihnachten 2022 die „Luxus“-Version dieses Buches als Geschenk für „Leute, die schon alles haben“ empfohlen habe, hat sich jetzt Suhrkamp erbarmt und den Text in einer sehr gut lesbaren (und viel preiswerteren) Ausgabe zugänglich gemacht. Deshalb soll das lustigste und wohl am einfachsten zugängliche Science-Fiction-Buch Schmidts hier ausdrücklich nochmals vorgestellt und angepriesen werden.

Arno Schmidts bereits 1957 geschriebener Kurzroman DIE GELEHRTENREPUBLIK spielt in einer glücklicherweise fiktiv gebliebenen Zukunft, nach einem Atomkrieg, der weite Teile der Welt unbewohnbar gemacht hat, und erzählt aus der Sicht des Journalisten Charles Henry Winer von dessen Weg zur und seinen Erfahrungen auf der IRAS – der „International Republic for Artists and Scientists“ –, einem riesigen, inselförmigen Kreuzfahrt-Schiff, dass die von Schmidt weitergesponnene politische Weltlage des Jahres 2008 im Kleinen spiegelt.

Nach dem verheerenden Krieg hat sich die überlebende Menschheit, unter der Führung der USA und Russlands, darauf geeinigt, ein „neutrales“ Refugium für Kunst und Wissenschaften zu errichten, um weitere kriegsbedingte Verluste von Kunstwerken und Wissen zu vermeiden. Diese „Gelehrtenrepublik“, ein gigantisches Schiff von mehr als fünf Kilometern Länge (eine „Risszeichnung“ des Autors ist im Buch enthalten), kreuzt in den windstillen Bereichen der Weltmeere und dient einer (von ihren jeweiligen Regierungen) ausgewählten internationalen Schar von Künstlern und Wissenschaftlern als Heimat. Winer wurde aus Gründen der Propaganda ausgewählt, die sonst für die Öffentlichkeit unzugängliche IRAS zu besuchen und quasi eine „Homestory“ darüber zu schreiben.

Winers Abenteuer beginnen schon während der Anreise, die offensichtlich sabotiert werden soll. Nur durch Zufall und die tätige Mithilfe von zu Zentauren mutierten Mischwesen überlebt er den Marsch durch eine von gefährlichen Mutanten bewohnten Landschaft inmitten der zweigeteilten USA. Glücklich auf dem Schiff angelangt, gerät Winer erneut zwischen die Fronten der Machtblöcke, die sich dort auf der Steuerbord- und Backbordseite gebildet haben. Er soll als Vermittler fungieren, erhält dadurch Zugang zu geheimen Bereichen der jeweiligen Schiffs-Hälften und erkennt schnell, dass hier nicht Kunst und Wissenschaft, sondern die Politiker und Geheimdienste das Sagen haben. Trotz seines aufopferungsvollen Einsatzes (auch in diversen Betten auf beiden Seiten) scheitert seine Mission.

Schmidts Schlussbild einer immer schneller um die eigene Achse kreiselnden Insel ist sowohl eine Reminiszenz an Jules Verne (dessen Roman DIE PROPELLERINSEL von 1895 für viele Details Pate stand) als auch ein resigniertes Eingeständnis seines Unglaubens an die „Erkenntnisfähigkeit“ oder den Willen zur Veränderung beim „Homo Politicus“.

DIE GELEHRTENREPUBLIK gehört auch 65 Jahre nach ihrer Erstveröffentlichung immer noch zu den kompaktesten, originellsten und humorvollsten Science-Fiction-Texten der deutschsprachigen Literatur. Ein Buch, dessen Lektüre die Augen öffnet, den Geist bereichert und das Zwerchfell vibrieren lässt.

Horst Illmer

von am 10. Juli 2023

Arno Schmidt
DIE GELEHRTENREPUBLIK. Kurzroman aus den Roßbreiten.
Berlin & Bargfeld, Suhrkamp, 2023, 176 S.
Suhrkamp Taschenbuch st5333
ISBN 978-3-518-47333-7 / 16,- Euro

Nachdem ich zu Weihnachten 2022 die „Luxus“-Version dieses Buches als Geschenk für „Leute, die schon alles haben“ empfohlen habe, hat sich jetzt Suhrkamp erbarmt und den Text in einer sehr gut lesbaren (und viel preiswerteren) Ausgabe zugänglich gemacht. Deshalb soll das lustigste und wohl am einfachsten zugängliche Science-Fiction-Buch Schmidts hier ausdrücklich nochmals vorgestellt und angepriesen werden.

Arno Schmidts bereits 1957 geschriebener Kurzroman DIE GELEHRTENREPUBLIK spielt in einer glücklicherweise fiktiv gebliebenen Zukunft, nach einem Atomkrieg, der weite Teile der Welt unbewohnbar gemacht hat, und erzählt aus der Sicht des Journalisten Charles Henry Winer von dessen Weg zur und seinen Erfahrungen auf der IRAS – der „International Republic for Artists and Scientists“ –, einem riesigen, inselförmigen Kreuzfahrt-Schiff, dass die von Schmidt weitergesponnene politische Weltlage des Jahres 2008 im Kleinen spiegelt.

Nach dem verheerenden Krieg hat sich die überlebende Menschheit, unter der Führung der USA und Russlands, darauf geeinigt, ein „neutrales“ Refugium für Kunst und Wissenschaften zu errichten, um weitere kriegsbedingte Verluste von Kunstwerken und Wissen zu vermeiden. Diese „Gelehrtenrepublik“, ein gigantisches Schiff von mehr als fünf Kilometern Länge (eine „Risszeichnung“ des Autors ist im Buch enthalten), kreuzt in den windstillen Bereichen der Weltmeere und dient einer (von ihren jeweiligen Regierungen) ausgewählten internationalen Schar von Künstlern und Wissenschaftlern als Heimat. Winer wurde aus Gründen der Propaganda ausgewählt, die sonst für die Öffentlichkeit unzugängliche IRAS zu besuchen und quasi eine „Homestory“ darüber zu schreiben.

Winers Abenteuer beginnen schon während der Anreise, die offensichtlich sabotiert werden soll. Nur durch Zufall und die tätige Mithilfe von zu Zentauren mutierten Mischwesen überlebt er den Marsch durch eine von gefährlichen Mutanten bewohnten Landschaft inmitten der zweigeteilten USA. Glücklich auf dem Schiff angelangt, gerät Winer erneut zwischen die Fronten der Machtblöcke, die sich dort auf der Steuerbord- und Backbordseite gebildet haben. Er soll als Vermittler fungieren, erhält dadurch Zugang zu geheimen Bereichen der jeweiligen Schiffs-Hälften und erkennt schnell, dass hier nicht Kunst und Wissenschaft, sondern die Politiker und Geheimdienste das Sagen haben. Trotz seines aufopferungsvollen Einsatzes (auch in diversen Betten auf beiden Seiten) scheitert seine Mission.

Schmidts Schlussbild einer immer schneller um die eigene Achse kreiselnden Insel ist sowohl eine Reminiszenz an Jules Verne (dessen Roman DIE PROPELLERINSEL von 1895 für viele Details Pate stand) als auch ein resigniertes Eingeständnis seines Unglaubens an die „Erkenntnisfähigkeit“ oder den Willen zur Veränderung beim „Homo Politicus“.

DIE GELEHRTENREPUBLIK gehört auch 65 Jahre nach ihrer Erstveröffentlichung immer noch zu den kompaktesten, originellsten und humorvollsten Science-Fiction-Texten der deutschsprachigen Literatur. Ein Buch, dessen Lektüre die Augen öffnet, den Geist bereichert und das Zwerchfell vibrieren lässt.

Horst Illmer

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