Drei Phasen der Entwurzelung – Oder Die Liebe der Schildkröten
von Horst Illmer am 5. April 2023 Kommentare deaktiviert für Drei Phasen der Entwurzelung – Oder Die Liebe der Schildkröten
Lisa Jenny Krieg
DREI PHASEN DER ENTWURZELUNG ODER DIE LIEBE DER SCHILDKRÖTEN.
Aachen, Wortschatten Verlag, 2022, 464 S.
ISBN 978-3 96964-028-9 / Kartoniert / 17,00 Euro
Manchen Büchern merkt man schon an ihren Titeln an, dass sie für ihre Autor*innen eine schwere Geburt waren. So lautet der etwa bei Lisa Jenny Kriegs Erstling DREI PHASEN DER ENTWURZELUNG ODER DIE LIEBE DER SCHILDKRÖTEN. Aufgeteilt in drei Großkapitel erzählt Krieg vom Leben dreier Frauen, die nicht nur, aber vor allem durch familiäre Bande zusammengehören, und die doch jede für sich gezwungen wird, ihr Schicksal ohne die jeweils anderen anzunehmen und neue, eigene Wege zu finden.
Mehr als 150 Jahre in der Zukunft versucht die Menschheit verzweifelt ihr Überleben in einer immer feindseligeren Umwelt zu sichern, indem sie auch die letzten Hemmungen fallen lässt und mittels der fortschrittlichsten Biotechnik Hybridwesen erschafft, deren genetischer Quellcode teilweise von Meerestieren stammt. Obwohl es erste Erfolge gibt, sind die gesellschaftlichen Widerstände zu groß und die Ergebnisse nicht wie gewünscht. Dass das Leben „immer einen Weg findet“, wissen wir ja nicht erst seit JURASSIC PARK – und was alles dabei schief geht, erzählen uns die Geschichten um Pandora und den Zauberlehrling.
Kriegs Neufassung dieser Schöpfungsmythen besticht durch gleich mehrere ungewöhnliche Ansätze. Da ist zum einen eine radikal-weibliche Sichtweise der Protagonistinnen, deren Handlungen und Überlegungen oftmals in einem sehr intimen Einblick in ihren Bewusstseinsstrom mitgeteilt werden. Die Handlungsorte sind in Nordafrika und auf der arabischen Halbinsel sowie den sie umgebenden Gewässern angesiedelt und spiegeln, ähnlich wie die Tätigkeiten und Interessen ihrer Figuren das Lebensumfeld der Autorin.
Und dann (als Wichtigstes) ist da noch die Tatsache, dass Lisa Jenny Krieg einfach eine herausragende Erzählerin ist. Ihre Geschichte entwickelt von Beginn an einen unwiderstehlichen Sog, ihre Sprache ist vollmundig, weltzugewandt und trotz aller technischen Präzession märchenhaft heimelig.
Als Beispiel möge die folgende Szene am Lagerfeuer zweier Forscherinnen dienen, die den sie umgebenden Wald kartieren: „Lokapi faltet Savannas Karte zusammen und steckt sie in die Tasche ihres Gewands, aber nicht, bevor sie nicht ein paar orangene Webervögel herausholt, die gerade dabei waren, ein Nest zu bauen. Entrüstet fliegen sie weg.“ (S. 417).
Horst Illmer
Lisa Jenny Krieg
DREI PHASEN DER ENTWURZELUNG ODER DIE LIEBE DER SCHILDKRÖTEN.
Aachen, Wortschatten Verlag, 2022, 464 S.
ISBN 978-3 96964-028-9 / Kartoniert / 17,00 Euro
Manchen Büchern merkt man schon an ihren Titeln an, dass sie für ihre Autor*innen eine schwere Geburt waren. So lautet der etwa bei Lisa Jenny Kriegs Erstling DREI PHASEN DER ENTWURZELUNG ODER DIE LIEBE DER SCHILDKRÖTEN. Aufgeteilt in
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Street Cop
von Horst Illmer am 15. März 2023 Kommentare deaktiviert für Street Cop
Robert Coover
STREET COP.
Übersetzt von Clemens Meyer
Illustrationen von Art Spiegelman
(STREET COP / 2020)
Frankfurt/M., Berlin, S.Fischer, 2023, 132 S.
ISBN 978-3-10-397529-1 / 22,00 Euro
Der S.Fischer Verlag hat seinen Lesern zum 75. Geburtstag des Comic-Bestseller-Autors & -Zeichners Art Spiegelman (am 15. Februar 2023) ganz überraschend ein neues Buch geschenkt. Das kleinformatige und kaum 130 Seiten umfassende Werk enthält eine Science-Fiction-Geschichte von Robert Coover und trägt den Titel STREET COP. Spiegelman tritt hier als Illustrator an Coovers Seite. Er fertigte den Umschlag sowie zwanzig farbige Bilder an, die Spiegelman dabei zeigen, wie er, in absoluter Höchstform, einen Spaziergang durch die Comic-Historie hinlegt. Von Winsor McCay über EC-Grusel-Comics bis hin zu Robert Crumbs U-Comix und seinen eigenen MAUS-Geschichten reichen die Zitatsplitter, wobei jederzeit das Spiegelman-Original erkennbar bleibt.
Worum geht es in STREET COP? Coover wollte vor allem an Stelle eines Privatdetektivs oder eines Kriminalbeamten einmal einen ganz gewöhnlichen Straßen-Polizisten zur zentralen Figur einer Geschichte machen. Sein Ich-Erzähler ist ein leicht trotteliger Verlierertyp, der mit der neuen Technik in einem zukünftigen New York nicht so richtig zurechtkommt. Das beginnt mit der sexy KI-Assistentin auf seinem Diensthandy und hört mit den sich unablässig verschiebenden Straßenzügen aus dem 3D-Drucker, die ständig irgendwo in der Stadt auftauchen, noch lange nicht auf. Trotzdem versucht er, seinen Job zu erledigen, so gut es eben möglich ist in dieser surreal anmutenden neuen Welt. Selbst wenn es dabei um mysteriöse Todesfälle oder illegale Geschäfte mit echten Zombies geht. Als ihm im Laufe eines sehr langen Arbeitstages langsam klar wird, dass ihn seine Vorgesetzten und die Nachrichtenmedien zum Abschuss freigegeben haben, kommen ihm seine Erfahrungen als ehemaliger Drogendealer zugute. Es entwickelt sich eine atemberaubende Hetzjagd durch den Big Apple, die schon fast filmreif genannt werden kann. Auf der einen Seite verfolgt ihn eine unsichtbare, anonyme und unpersönliche Bürokratie, auf der anderen Seite verhelfen ihm fliegende Oldtimerautos, die Gäste einer Nudisten-Bar und eine ebenso verliebte wie untote Mutantin immer wieder zur Flucht.
Robert Coovers kurze Erzählung ist stilistisch so dicht gepackt, dass daraus auch ein weit umfangreicherer Science-Fiction-Roman in der Nachfolge des frühen Philip K. Dick hätte werden können. Hier wirken dann auch Spiegelmans Illustrationen imaginationsfördernd: die Doppelseite, die den Besuch des Street Cops in der „Zoohandlung Living Dead“ zeigt, spart dem Autor locker zwanzig Seiten ausführlicher Beschreibung – und bringt in Kleindetails auch noch den hintergründigen Humor des Ganzen zum Vorschein.
Jedenfalls steckt in dem relativ kleinen Büchlein weit mehr, als ihm auf den ersten Blick anzusehen ist. Ich empfehle, einfach mal rein zu schnuppern – da zeigen zwei Altmeister, dass sie noch lange nicht zum alten Eisen gehören!
Horst Illmer
Robert Coover
STREET COP.
Übersetzt von Clemens Meyer
Illustrationen von Art Spiegelman
(STREET COP / 2020)
Frankfurt/M., Berlin, S.Fischer, 2023, 132 S.
ISBN 978-3-10-397529-1 / 22,00 Euro
Der S.Fischer Verlag hat seinen Lesern zum 75. Geburtstag des Comic-Bestseller-Autors & -Zeichners Art Spiegelman (am 15. Februar 2023) ganz überraschend ein neues Buch geschenkt. Das kleinformatige und kaum 130 Seiten umfassende Werk enthält eine Science-Fiction-Geschichte von Robert Coover und
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CAMP 4
von Horst Illmer am 13. März 2023 Kommentare deaktiviert für CAMP 4
Volker Hamann & Matthias Hoffmann (Hrsg.)
CAMP 4
Magazin für Comic, Illustration und Trivialkultur
Barmstedt, Edition Alfons, 2022, 140 S.
Großformat / 19,00 Euro
Ende des Jahres 2022 erschien die langerwartete, heißersehnte Ausgabe Nummer 4 von CAMP, dem weltbesten Magazin für Comic, Illustration und Trivialkultur. Nach dreijähriger Pause hatten die Herausgeber Volker Hamann und Matthias Hofmann endlich genug Material zusammen (und die nötige Zeit für ihr Lieblingsprojekt auf der Zeitsparkasse angehäuft) und was soll man sagen: das Warten hat sich gelohnt.
Bereits das Titelbild (von Beeple, dem auch die erste große Bilderstrecke gewidmet ist) ist spektakulär – und die Texte und Bilder im Inneren halten dieses Niveau. Es gibt reichbebilderte Artikel u. a. von Hartmut Becker über die Kinderbuchillustratorin Ditz von Schneidewind; Paolo Caneppele und Günter Krenn schreiben über das seit einhundert Jahren andauernde Fortleben Nosferatus in der Neunten Kunst, Heinz J. Galle über Spielzeug-Roboter aus Blech, Christian A. Bachmann über quadratische Pulp-Bücher in den USA, Alex Nevala-Lee über die unschönen Seiten von Isaac Asimov, Horst Illmer über unbrennbare Bücher und Christian Blees stellt die vielfältigen Arbeiten des britischen Bildkünstlers Richard Clifton-Dey vor.
Das alles (und der ganze Rest) ist in einem wunderschönen, großzügigen und übersichtlichen Design gestaltet, das ständig zum Zurückblättern, intensiven Noch-mal-Betrachten, durch die Finger laufen lassen, an anderer Stelle festlesen und stetigem Erstaunen einlädt. An dieser Heftgestaltung können sich praktisch alle anderen (und nicht nur Genre-)Magazine ein Beispiel nehmen!
Wenn dabei jedes Mal so eine tolle CAMP-Ausgabe herauskommt, dann lohnt es sich auch nochmals drei Jahre auf die nächste Nummer zu warten – und dabei immer mal wieder die alten Ausgaben durchzusehen.
Horst Illmer
Volker Hamann & Matthias Hoffmann (Hrsg.)
CAMP 4
Magazin für Comic, Illustration und Trivialkultur
Barmstedt, Edition Alfons, 2022, 140 S.
Großformat / 19,00 Euro
Ende des Jahres 2022 erschien die langerwartete, heißersehnte Ausgabe Nummer 4 von CAMP, dem weltbesten Magazin für Comic, Illustration und Trivialkultur. Nach dreijähriger Pause hatten die Herausgeber Volker Hamann und Matthias Hofmann endlich genug Material zusammen (und die nötige Zeit für
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Comicverführer
von Horst Illmer am 6. März 2023 Kommentare deaktiviert für Comicverführer
Timur Vermes
COMICVERFÜHRER.
Hamburg, HarperCollins, 2022, 319 S.
ISBN 978-3-365-00058-8 / 25,00 Euro
Kartoniert
Etwas überraschend tauchte das Sachbuch COMICVERFÜHRER (HarperCollins, 319 S.) von Timur Vermes vor Kurzem auf meinem „Radarschirm“ auf. Vermes hatte ich bisher nur als Autor von ER IST WIEDER DA (2012) gekannt, dass er nicht nur Club-Fan, sondern auch ein Comic-Kenner allerersten Ranges ist, war mir neu.
Angelehnt an Rolf Vollmanns unerreichten „Roman-Verführer“ DIE WUNDERBAREN FALSCHMÜNZER erzählt Vermes von den Bildergeschichten seiner Jugend und den „Wiedereinstiegsdrogen“, die ihn als erwachsenen Comic-Leser erneut in ihren Bann schlugen. Da ist naturgemäß vieles dabei, das man kennt (WATCHMEN, MAUS und Will Eisner), aber in 36 Kapiteln (die Titel tragen wie „Draufgänger, Dummköpfe, Drecksäcke“, Rückenschwimmen für romantiker“ oder „Die Sache mit den Mangas“) stellt Vermes auch viele Alternativen zum altbekannten Mainstream vor, gibt Anregungen und fügt auch, durchaus kritisch, jeweils eine Reihe von „Outtakes“ hinzu, die er für erwähnenswert aber nicht essenziell hält.
Und ein Buch, das mit den Worten „Frank Miller ist schuld“ beginnt, muss einfach jeden echten Comic-Fan zum Weiterlesen reizen!
Horst Illmer
Timur Vermes
COMICVERFÜHRER.
Hamburg, HarperCollins, 2022, 319 S.
ISBN 978-3-365-00058-8 / 25,00 Euro
Kartoniert
Etwas überraschend tauchte das Sachbuch COMICVERFÜHRER (HarperCollins, 319 S.) von Timur Vermes vor Kurzem auf meinem „Radarschirm“ auf. Vermes hatte ich bisher nur als Autor von ER IST WIEDER DA (2012) gekannt, dass er nicht nur Club-Fan, sondern auch ein Comic-Kenner allerersten Ranges ist, war mir neu.
Angelehnt an Rolf Vollmanns unerreichten
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TRISOLARIS – Die Trilogie
von Horst Illmer am 22. Februar 2023 Kommentare deaktiviert für TRISOLARIS – Die Trilogie
Cixin Liu
TRISOLARIS – Die Trilogie
Ü: Karin Betz und Martina Hasse
München, Heyne, 2022, 1740 S.
ISBN 978-3-453-32245-5 / 40,00 Euro
Hardcover
Es ist ja eher selten, dass ein einzelnes Buch (oder in unserem Fall eine Trilogie) dafür verantwortlich gemacht werden kann, dass gleichsam ein neuer Kontinent auf der literarischen Landkarte auftaucht, aber Cixin Liu ist dies mit DIE DREI SONNEN für die chinesische Science Fiction gelungen. Nachdem der Roman erfolgreich die USA erobert hatte, gelang ihm dieses Kunststück auch in Deutschland. Der Heyne Verlag krönt diesen Triumphzug nun mit einer wirklichen Monumental-Ausgabe, die unter dem Titel TRISOLARIS – Die Trilogie alle drei Bücher (also auch DER DUNKLE WALD und JENSEITS DER ZEIT) vereint und zugleich editorische und herstellungstechnische Maßstäbe setzt.
Neben den Romanen gibt es im Buch je ein Vor- und ein Nachwort des Autors, sowie Anmerkungen und Erläuterungen zu Schreibweise und Aussprache von den Übersetzerinnen Karin Betz und Martina Hasse. Der Weltbestseller aus China (Werbetext) steckt in einem kräftigen Pappband im Format 25 x 18 Zentimeter, ist fadengeheftet, hat ein Lesebändchen – und einen Umfang von 1740 Seiten! Und man mag es glauben oder nicht: sogar die Ökobilanz ist so positiv wie möglich, wurde das Werk doch komplett in Deutschland gedruckt und gebunden. Wenn man dann noch den Preis von vierzig Euro mit den Einzelpreisen der Taschenbücher vergleicht, kann man ob der Ersparnis nur staunen.
Mit TRISOLARIS – Die Trilogie liegt die »Bibel« der chinesischen Science Fiction jetzt in einer absolut empfehlenswerten Ausgabe vor.
Horst Illmer
PS
Wer mehr über die Inhalte der einzelnen Bände erfahren möchte, kann hier
Die drei Sonnen
Der dunkle Wald
Jenseits der Zeit
weiterlesen.
Cixin Liu
TRISOLARIS – Die Trilogie
Ü: Karin Betz und Martina Hasse
München, Heyne, 2022, 1740 S.
ISBN 978-3-453-32245-5 / 40,00 Euro
Hardcover
Es ist ja eher selten, dass ein einzelnes Buch (oder in unserem Fall eine Trilogie) dafür verantwortlich gemacht werden kann, dass gleichsam ein neuer Kontinent auf der literarischen Landkarte auftaucht, aber Cixin Liu ist dies mit DIE DREI SONNEN für die chinesische Science
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Die linke Hand der Dunkelheit
von Horst Illmer am 20. Februar 2023 Kommentare deaktiviert für Die linke Hand der Dunkelheit
Ursula K. Le Guin
DIE LINKE HAND DER DUNKELHEIT. Roman.
Aus dem amerikanischen Englisch neu übersetzt von Karin Nölle
(The Left Hand of Darkness / 1969)
Frankfurt/M., Fischer/TOR, 2023, 350 S.
ISBN 978-3-596-70712-6 / 18,00 Euro
Klappenbroschur
„Ich werde meinen Bericht so abfassen, als erzählte ich eine Geschichte, denn man hat mich als Kind auf meiner Heimatwelt gelehrt, dass die Wahrheit eine Frage der Phantasie ist.“
Es gibt umfangreiche Sammlungen mit den „famous last words“ – den „berühmten letzten Worten“ – bekannter Persönlichkeiten aus Geschichte und öffentlichem Leben, desgleichen Anthologien mit Roman-Anfängen und -Enden, gezogen aus den Werken der Weltliteratur, aber in den wenigsten davon wird man einen Satz finden, der eine tiefere Weisheit und ein größeres Verständnis der Weltzusammenhänge ausdrückt, als der Anfang von Ursula K. Le Guins Roman DIE LINKE HAND DER DUNKELHEIT.
Die Handlung spielt auf einer fremden Welt und erzählt aus der Sicht eines Botschafters (oder Beobachters) von dessen Erlebnissen während der ersten Phase des Kennenlernens nach dem Erstkontakt. Dass ein solcher Prozess nicht ohne Komplikationen verläuft, ist normal, dennoch reichen die Schwierigkeiten in diesem Fall weit über das Erwartbare hinaus – ebenso wie die Lösungen, die sich im Verlauf der Geschichte ergeben …
Während der Lektüre steigert sich die Empfindung, hier weit mehr als nur eine spannende Abenteuerstory vorgesetzt zu bekommen, und führt am Ende zur Erkenntnis, dass wir einer außergewöhnlichen Erzählerin dabei lauschen durften, wie sie nicht nur eine ganze neue Welt aufgebaut, sondern dabei viele unserer Vorurteile zerschmettert und zugleich unsere Seele gestreichelt hat.
Le Guin ist die große Philosophin unter den Science-Fiction-Autorinnen, eine liebevoll und leichthändig Lehrende, und DIE LINKE HAND DER DUNKELHEIT ist unter ihren vielgestaltigen Meisterwerken eines der besten und wichtigsten. Umso schöner ist es da, dass dieser Klassiker jetzt in einer sehr gelungenen Neuübersetzung von Karen Nölle wieder vorliegt.
So findet auch der letzte Satz des Buches unsere wohlwollende Zustimmung und wir betteln gemeinsam mit den einheimischen Zuhörern am Herdfeuer: „Erzählst du uns von den anderen Welten in den Sternen – den anderen Menschen, den anderen Leben?“
Horst Illmer
Ursula K. Le Guin
DIE LINKE HAND DER DUNKELHEIT. Roman.
Aus dem amerikanischen Englisch neu übersetzt von Karin Nölle
(The Left Hand of Darkness / 1969)
Frankfurt/M., Fischer/TOR, 2023, 350 S.
ISBN 978-3-596-70712-6 / 18,00 Euro
Klappenbroschur
„Ich werde meinen Bericht so abfassen, als erzählte ich eine Geschichte, denn man hat mich als Kind auf meiner Heimatwelt gelehrt, dass die Wahrheit eine Frage der Phantasie ist.“
Es gibt
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Im Schatten keiner Türme
von Horst Illmer am 13. Februar 2023 Kommentare deaktiviert für Im Schatten keiner Türme
Art Spiegelman (Text & Bilder)
IM SCHATTEN KEINER TÜRME.
Aus dem Amerikanischen von Christine Brinck und Jürgen von Rutenberg
(IN THE SHADOW OF NO TOWERS / 2004)
Frankfurt, S. Fischer, 2019, 42 S.
Pappband im Überformat 36,5 x 25,5 cm
ISBN 978-3-10-397479-9 / 34,90 Euro
Am 15. Februar 2023 jährt sich der Geburtstag von Art Spiegelman zum 75. Mal. Obwohl ihm nach dem Pulizer Preis 1992 (für MAUS) und dem Siegfried Unseld Preis 2012 in den USA im letzten Jahr die „Medal for Distinguished Contribution to American Letters“ der National Book Foundation verliehen wurde, erfährt er hierzulande bei weitem nicht die Aufmerksamkeit, die ihm eigentlich zustünde. Das hat vermutlich damit zu tun, dass Spiegelman „Comics“ zeichnet.
Und Comics, schon immer im Spannungsfeld zwischen leichter/seichter Unterhaltung für ein Massenpublikum und höchstem künstlerischem Anspruch hin und her schwankend, haben im Literaturbetrieb immer noch einen schweren Stand. Dabei sind es die Arbeiten von Künstlern wie Art Spiegelman, die belegen, dass Comics im Allgemeinen, und nicht nur in Form der inzwischen allgemein akzeptierten „graphic novel“, ein ernst zu nehmendes Medium darstellen.
Deshalb wollte ich anstelle eines Geburtstagsständchens unbedingt eines meiner Lieblingsbücher von Spiegelman vorstellen.
Und das ist IM SCHATTEN KEINER TÜRME, das trotz seines Riesenformats in einem ganz bewusst gewählten minimalistisch-unaufgeregtem Design daherkommt, eine gleichermaßen bemerkens- wie beachtenswerte Ausnahmeerscheinung.
Der mattschwarze Einbandhintergrund wirkt durch die in schwarzem Hochglanzlack aufgetragenen Silhouetten der „Twin Towers“, das bunte Comic-Strip-Fenster und den in Grau gehaltenen Titel und Autornamen wie das Bildnis eines New York bei Stromausfall, aus dessen Black Out-Finsternis ein einzelnes, hellerleuchtetes Fenster heraussticht. Das macht bereits aus dem Bucheinband ein einzigartiges „Memento mori!“ für den 11. September 2001.
Art Spiegelman war ein von diesem Terrorakt gleich mehrfach Betroffener: Zum einen befinden sich sein Atelier und seine Wohnung im Süden Manhattans, zum anderen ging seine Tochter in eine Schule, direkt neben dem (ehemaligen) WTC-Standort. Da Spiegelman mitsamt Frau und Tochter an jenem verhängnisvollen Tag zuhause (also in Lower Manhattan) war, erlebten sie den Angriff und die Zerstörung der Türme aus nächster Nähe.
Art Spiegelman ist zugleich ein von mehreren Terrorakten Betroffener: Der Anschlag vom 11. September war für ihn ein weiteres Glied in einer Katastrophen-Kette, die bereits in den 1930er und 40er Jahren mit dem Vernichtungsfeldzug gegen die Juden in Europa begann (geschildert in dem immer noch unvergleichlichen MAUS-Büchern), sich mit anti-jüdischen Erlebnissen in den USA und dem völlig undemokratischen „Regierungssturz“ des Jahres 2000 durch George W. Bush fortsetzte – gefolgt vom hastig ausgerufenen und nur von persönlichen Interessen geleiteten „Krieg gegen den Terror“ des Bush-Regimes.
Wer nun glaubt, für all das wären wohl tausend Romanseiten nicht genug, der wird erstaunt feststellen, dass ein Genius wie der von Art Spiegelman genau zehn Comic-Seiten dafür brauchte.
Horst Illmer
Art Spiegelman (Text & Bilder)
IM SCHATTEN KEINER TÜRME.
Aus dem Amerikanischen von Christine Brinck und Jürgen von Rutenberg
(IN THE SHADOW OF NO TOWERS / 2004)
Frankfurt, S. Fischer, 2019, 42 S.
Pappband im Überformat 36,5 x 25,5 cm
ISBN 978-3-10-397479-9 / 34,90 Euro
Am 15. Februar 2023 jährt sich der Geburtstag von Art Spiegelman zum 75. Mal. Obwohl ihm nach dem Pulizer Preis 1992 (für
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Schattengold – Ach wie gut, dass niemand weiss…
von Horst Illmer am 6. Februar 2023 Kommentare deaktiviert für Schattengold – Ach wie gut, dass niemand weiss…
Christian Handel
SCHATTENGOLD – ACH WIE GUT, DASS NIEMAND WEISS …
München, Piper, 2022, 400 S.
ISBN 978-3-492-70637-7 / Hardcover / 20,00 Euro
Dass Christian Handel in der vom Spessart umgebenen Kleinstadt Lohr am Main zur Welt kam, bietet dem inzwischen in Berlin lebenden Autor einen bezugsreichen biografischen Hintergrund, vor allem, wenn man hinzufügt, dass Lohr als „Schneewittchen-Stadt“ bekannt geworden ist (und, wie Spötter hinzusetzen mögen, als Standort der hässlichsten Märchen-Figuren-Statue Deutschlands). Unbeeindruckt von diesen Ephemera nahm sich Handel nun das „Rumpelstilzchen“-Märchen der Gebrüder Grimm vor und schrieb eine zeitgemäße, mit Fantasy-Elementen bereicherte Neuinterpretation, die unter dem Titel SCHATTENGOLD – ACH WIE GUT, DASS NIEMAND WEISS … zu Weihnachten 2022 im Piper Verlag erschienen ist.
Die Halbwaise Farah, die mit ihrem Vater und dem jüngeren BruderThomas im Wald lebt, hat trotz ihrer Jugend bereits Sorgen und Geheimnisse. Nicht nur das aufbrausende Gemüt des Vaters, der Verlust der viel zu früh gestorbenen Mutter, sondern auch die ungewöhnlichen Empfindungen ihres Bruders für andere Männer und ihr eigenes unbedachtes Überschreiten der Grenze zum Feenreich bringen sie in eine schwierige Lage. Und obwohl die Ratschläge ihrer alten Freundin Berit von Weisheit und Mitgefühl zeugen – Farah muss diese und jede Menge weitere Prüfungen selbst durchleben und ihre Lösungen dafür finden. Und dabei schmerzhaft erfahren, dass jede Goldmünze die hell im Licht glänzt auch eine schattige Seite besitzt …
Die Neuerzählung der märchenhaften Geschichte einer goldspinnenden Müllerstochter und eines dämonischen Kinderräubers entwickelt in Handels immerhin vierhundert Seiten langen Version eine zauberhafte Sogwirkung und eine Spannung, die noch dadurch unterstützt wird, dass ja auch bei den Grimms schon nicht immer alles gut ausging – und modernen Erzählern ist ja fast alles zuzutrauen!
Christian Handels literarische „Rumpelstilzchen“-Ahnenreihe reicht einerseits von Sigmund Freud über Theodor Storm bis zurück zu Georg Büchner, andererseits kann er sich natürlich auf seine eigenen Fähigkeiten als Verfasser so gelungener Phantastikromane wie ROWAN & ASH und BECOMING ELEKTRA verlassen. Fortschritt und Geschichtsbewusstsein prägen SCHATTENGOLD also genauso wie schauerlich-spannende Unterhaltung und atmosphärisch-gelungene Figurenbeschreibungen. Unter Umständen ist die Herkunft aus der sagenumwobenen Stadt im fränkischen Spessart ja doch nicht so unwichtig.
Horst Illmer
Christian Handel
SCHATTENGOLD – ACH WIE GUT, DASS NIEMAND WEISS …
München, Piper, 2022, 400 S.
ISBN 978-3-492-70637-7 / Hardcover / 20,00 Euro
Dass Christian Handel in der vom Spessart umgebenen Kleinstadt Lohr am Main zur Welt kam, bietet dem inzwischen in Berlin lebenden Autor einen bezugsreichen biografischen Hintergrund, vor allem, wenn man hinzufügt, dass Lohr als „Schneewittchen-Stadt“ bekannt geworden ist (und, wie
- Kategorie: Bücher , deutschsprachige Autoren , Fantasy
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Weißer Schrecken – Limitierte Ausgabe
von Horst Illmer am 30. Januar 2023 Kommentare deaktiviert für Weißer Schrecken – Limitierte Ausgabe
Thomas Finn
Weißer Schrecken. Roman.
Illustriert von Ben Baldwin
Grimma, Buchheim Verlag, 2022, 480 S. + Beilagen
Limitierte Ausgabe, Hardcover im Schuber, Ohne ISBN, 79,99 Euro
Es beginnt im Dezember 2010, im Studio eines bayerischen Lokalsenders, während einer Spendengala für hungernde Kinder: Der Arzt Andreas Meyenberg wird von einem der Anrufer persönlich attackiert. Wie sich schnell herausstellt, sind der Anrufer und Andreas alte Bekannte. Gemeinsam wuchsen sie in Perchtal auf, einem abgelegenen Dorf im Berchtesgadener Land. Und damals, vor sechzehn Jahren, in der Woche vor dem Nikolaustag 1994, erlebten Andreas, Miriam, Niklas, Robert und Elke die schlimmste Woche ihres Lebens.
Es begann eigentlich noch viel früher: Wie sich herausstellt, handelt es sich bei der Wasserleiche, die 1994 von den Jugendlichen entdeckt wurde, um ein 1978 verschwundenes Mädchen aus dem Dorf – und dass sie den Zwillingsschwestern Elke und Miriam aufs Haar gleicht, ist leider auch kein Zufall!
Nach und nach stellt sich heraus, dass jeder der fünf Freunde in einer Familie groß wurde, die vor sechzehn Jahren ein Kind verloren hat. Und obwohl in einem kleinen Dorf über praktisch alles geredet wird, war über dieses schreckliche Geschehen ein absoluter Mantel des Schweigens gebreitet. Und auch jetzt wollen die Erwachsenen nicht mit der Sprache herausrücken. Was bleibt den Heranwachsenden also anderes übrig, als auf eigene Faust zu versuchen, dieses Geheimnis zu lüften. Denn alle Kinder verschwanden an einem 6. Dezember – und bis Nikolaus sind es nur noch wenige Stunden …
Für Andreas, der die damaligen, traumatischen Erlebnisse niemals vergessen konnte und der deshalb Perchtal und den Bergen für immer den Rücken gekehrt hat, wird durch den Anruf von Niklas deutlich, dass er sich, zusammen mit seinen Ex-Freunden, erneut dem „weißen Schrecken“ stellen muss.
Es endet im Dezember 2010 mit einer Katastrophenmeldung aus dem Studio eines bayerischen Lokalsenders – und erst in sechzehn Jahren wird sich zeigen, ob der „weiße Schrecken“ wirklich gebannt wurde.
Munter vermischt Finn in seinem Buch alteingesessene heidnische Bräuche der bayerischen „Ureinwohner“ mit Schreckensszenarien a la Lovecraft oder King. Nach der Lektüre der fast 500 Seiten sieht man jedenfalls den Nikolaus – und vor allem dessen unheimlichen Begleiter Knecht Ruprecht – mit ganz anderen Augen!
Mit dem erstmals 2010 als Taschenbuch erschienenen Roman WEISSER SCHRECKEN erfüllte sich der in Chicago geborene und heute in Hamburg lebende Thomas Finn seinen Traum, einmal einen stimmungsvollen Gruselroman zu schreiben. Nachdem die Rechte an ihn zurückgefallen waren, fand er beim Buchheim Verlag offene Arme und konnte dort eine mehrfarbig gedruckte, illustrierte und um ein Rollenspielszenario und diverse Beilagen erweiterte und auf 777 Exemplare limitierte Hardcoverausgabe herausbringen. (Wer das breite Grinsen auf Tom Finns Gesicht bei der Buchpräsentation in Würzburg gesehen hat, weiß, dass hier ein Herzenswunsch in Erfüllung ging – und tatsächlich hat der Verlag selbst bei der Umsetzung eines Daumenkinos auf den Seitenrändern mit keiner Wimper gezuckt und auch diesen Autorenwunsch erfüllt.) Herausgekommen ist bei dieser Zusammenarbeit ein bibliophiles Meisterstück – fast zu schade, um es ganz profan seiner Bestimmung nach als Buch zum Lesen und Spielen zu benutzen. 🙂
Horst Illmer
Thomas Finn
Weißer Schrecken. Roman.
Illustriert von Ben Baldwin
Grimma, Buchheim Verlag, 2022, 480 S. + Beilagen
Limitierte Ausgabe, Hardcover im Schuber, Ohne ISBN, 79,99 Euro
Es beginnt im Dezember 2010, im Studio eines bayerischen Lokalsenders, während einer Spendengala für hungernde Kinder: Der Arzt Andreas Meyenberg wird von einem der Anrufer persönlich attackiert. Wie sich schnell herausstellt, sind der Anrufer und Andreas alte Bekannte. Gemeinsam
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Die Weltenschöpfer Band 3
von Horst Illmer am 18. Januar 2023 Kommentare deaktiviert für Die Weltenschöpfer Band 3
Charles Platt
DIE WELTENSCHÖPFER. Band 3.
Kommentierte Gespräche mit Science-Fiction-Autorinnen und -Autoren.
Ü: Frank Böhmert, Horst Illmer, Matita Leng u.v.a.m.
(DREAM MAKERS II / 1983)
Berlin, Memoranda, 2022, 338 Seiten
ISBN 978-3-948616-74-8 / 21,90 Euro
Klappenbroschur
Es ist ja häufig so: Das Beste kommt zuletzt.
Auch die Reihe der WELTENSCHÖPFER-Bücher von Charles Platt, die von 2021 bis 2022 im Memoranda Verlag erschienen ist, macht da keine Ausnahme. Allerdings spielt hier wohl eher der Zufall eine Rolle, als bewusste Planung. Durch die Aufteilung der zwei Originalbücher der DREAM MAKERS in drei deutsche Ausgaben kam es jedenfalls zu einer Häufung der interessantesten Interviews, die Platt mit gut fünf Dutzend Schriftsteller*innen führte, in DIE WELTENSCHÖPFER. Band 3.
Erstmals kommen hier mit Andre Norton, Kit Reed, Joanna Russ, Alice Sheldon (aka James Tiptree jr.) Janet Morris und Joan D. Vinge gleich mehrere Autorinnen ausführlich zu Wort und rechtfertigen dadurch den Untertitel der „kommentierten Gespräche mit Science-Fiction-Autorinnen und -Autoren“. Hinzu kommen dann viele weitere interessante Künstler und Herausgeber wie Theodore Sturgeon, Fritz Leiber, Poul Anderson, Harry Harrison, Donald A. Wollheim, Joe Haldeman und Piers Anthony. Bei den Interviews mit den „Außenseitern“ Robert Anton Wilson und L. Ron Hubbard beweist Platt erneut, dass er den Blick über den Tellerrand nicht scheut und auch vor einem intensiven persönlichen Einsatz (wie im Fall des Scientology-Gründers Hubbard) nicht zurückscheut. Glanz- und Schlusspunkt ist das Doppelinterview, das Platt zusammen mit seinem Freund Douglas E. Winter mit dem 1982 zwar schon weltberühmten, aber eigentlich noch am Anfang seiner Karriere stehenden Stephen King führte. Der „Meister des Horrors“ erweist sich auch als „Meister der Inszenierung“ wie Platt in seinen Nachbemerkungen eindrücklich schildert.
Überhaupt muss nochmals darauf hingewiesen werden, dass alle drei WELTENSCHÖPFER-Bände Welterstveröffentlichungen darstellen. Die von Platt als „Historischer Kontext“ bezeichneten Anmerkungen und Erinnerungen sind zwar bei einigen der Interviewten recht kurz – dafür erreichen sie bei den wichtigen und spannenden Leuten zuweilen einen Umfang, der den Interviewtext verdoppelt. Die hier gewährten Einblicke in das „Allerheiligste“ der Science Fiction sind von unschätzbaren Wert für alle an diesem Genre Interessierten und zudem auch noch unterhaltsam zu lesen!
So muss gute Sekundärliteratur aussehen!!
Horst Illmer
Charles Platt
DIE WELTENSCHÖPFER. Band 3.
Kommentierte Gespräche mit Science-Fiction-Autorinnen und -Autoren.
Ü: Frank Böhmert, Horst Illmer, Matita Leng u.v.a.m.
(DREAM MAKERS II / 1983)
Berlin, Memoranda, 2022, 338 Seiten
ISBN 978-3-948616-74-8 / 21,90 Euro
Klappenbroschur
Es ist ja häufig so: Das Beste kommt zuletzt.
Auch die Reihe der WELTENSCHÖPFER-Bücher von Charles Platt, die von 2021 bis 2022 im Memoranda Verlag erschienen ist, macht da keine Ausnahme. Allerdings spielt
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Adventskalender 2022 T-02: "Neongrau"
von Horst Illmer am 22. Dezember 2022 Kommentare deaktiviert für Adventskalender 2022 T-02: "Neongrau"
Aiki Mira
NEONGRAU – GAME OVER IM NEUROSUBSTRAT
Heidelberg, Polarise, 2023, 520 S.
ISBN 978-3-949345-28-9 / 16,95 Euro
Es ist nicht gänzlich unwahrscheinlich, dass Hamburg in einhundert Jahren nicht mehr am Meer liegt, sondern im Meer. Um dennoch als Stadt, Besuchermagnet und Wirtschaftszone bestehen zu können, sind drastische Änderungen nötig. Schwimmende Wohnungen, Unterwasser-Touristenbusse für Besichtigungstouren in den versunkenen Stadtteilen und die Übergabe der Stadtschlüssel an einen E-Sport-und-Gaming-Konzern sind nur einige der Lösungsansätze wie sie Aiki Mira (die selbst begeisterte Hamburgerin ist) in ihrem neuen Roman NEONGRAU – GAME OVER IM NEUROSUBSTRAT anbietet.
Erleben lässt sie uns diese Zukunftswelt durch die (bioelektrisch veränderten) Augen von ELLL und Stuntboi , zwei Jugendlichen, die sich erstmals begegnen, als ELLL dafür sorgt, dass sich Stuntboi bei einer gewagten Stunt-Szene für ein VR-Video so schwer verletzt, dass die Karriere als Risiko-Double erst mal auf Eis liegt. Den Auftrag dazu erhielt ELLL von einer älteren Freundin, für die sie hin und wieder solche Jobs erledigt. Allerdings war es nicht eingeplant, dass sich die Beiden bei dieser Aktion ineinander verlieben …
Eingebettet ist deren immer komplizierter werdende Beziehung in eine Rahmenhandlung, in der in Hamburg ein VR-Gaming-Turnier der Superlative stattfindet, bei der sich sowohl für ELLL wie für Stuntboi ganz neue Wege zum Ruhm auftun, wo sich die immer „stärker“ werdenden Gaming-KIs überlegen, ob sie ihre Überlegenheit zeigen und „ausspielen“ sollen – und dann gibt es noch einen bösen alten Mann, der hektisch an einer Bombe bastelt, die er während des Turniers hochgehen lassen will.
Abstrakte Beschreibungen einer Zukunft in der abstrakte Protagonisten abstrakte Dinge tun gibt es zuhauf. Bei Aki Mira dagegen lässt sich miterleben was mit richtigen Personen in ihrem zukünftigen Dasein geschieht und wie sie darauf reagieren. Wenn Gamer im Neurosubstrat versinken und eintauchen in die virtuellen Realitäten ihrer Spiele, wenn Konzertbesucher sich den Beats ihrer Lieblingsbands hingeben, wenn zwei frisch Verliebte scheue Blicke miteinander tauschen, dann fühlt sich das beim Lesen so an als sei man dabei und spiele mit, fiebere mit, leide mit.
Nachdem Aiki Mira schon mehrfach bewiesen hat, dass sie stilistisch praktisch alle Sub-Genres der Science Fiction beherrscht (Space Opera, Utopie, Steampunk usw.), ist es keine allzu große Überraschung, dass sie genauso überzeugend im Jugendslang des Jahres 2112 erzählen kann.
NEONGRAU ist eine brillant geschriebene, fiebrig pulsierende, rasant sich entwickelnde Geschichte, deren Sog sich bis zur letzten Seite sogar noch steigert. Es bleibt keine Zeit zum Luft holen, Atmen wird total überschätzt, bestellen Sie einfach ein Reanimationsteam – und LOS!
Horst Illmer
Aiki Mira
NEONGRAU – GAME OVER IM NEUROSUBSTRAT
Heidelberg, Polarise, 2023, 520 S.
ISBN 978-3-949345-28-9 / 16,95 Euro
Es ist nicht gänzlich unwahrscheinlich, dass Hamburg in einhundert Jahren nicht mehr am Meer liegt, sondern im Meer. Um dennoch als Stadt, Besuchermagnet und Wirtschaftszone bestehen zu können, sind drastische Änderungen nötig. Schwimmende Wohnungen, Unterwasser-Touristenbusse für Besichtigungstouren in den versunkenen Stadtteilen und die Übergabe der
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Adventskalender 2022 T-16 "Neue Bekenntnisse eines Buchhändlers"
von Horst Illmer am 8. Dezember 2022 Kommentare deaktiviert für Adventskalender 2022 T-16 "Neue Bekenntnisse eines Buchhändlers"
Shaun Bythell
NEUE BEKENNTNISSE EINES BUCHHÄNDLERS.
Ü: Klaus Berr
(Confessions of a Bookseller / 2019)
München, btb, 2022, 460 S.
ISBN 978-3-442-77067-0 / 12,00 Euro
Nein, nein, nein!
Ich werde jetzt nichts aus diesem Buch mit dem unscheinbaren Titel NEUE BEKENNTNISSE EINES BUCHHÄNDLERS zitieren.
Auf keinen Fall. Niet, Nix, Niente!!
(Keine Ahnung ob „Niente“ ein Wort ist, das es gibt und welche Bedeutung es hat.)
Das ist einfach unfair. Da versucht man als Rezensent seiner Bestimmung zu folgen, entwickelt spannende Handlungsbögen und verkaufsfördernde Argumentationsketten, will die Leser mit feinem Gespür für die Lektüre präparieren, möchte nicht zu viel verraten, nicht spoilern und trotzdem spannend und interessant sein – und dann das!!!
Dieser Shaun Bythell (der ja von sich behauptet, Buchhändler zu sein, kein Schriftsteller) setzt sich einfach hin, führt Tagebuch, schreibt auf, was in seiner Buchhandlung im schottischen Wigtown so passiert – und Du kannst das ver###te Buch an jeder beliebigen Stelle aufschlagen und liest Dich sofort fest, blätterst um, lachst, grinst, liest weiter, blätterst zurück usw. usw. etc. pp…
Was braucht’s da noch Rezensenten. Lest das Ding doch einfach.
Horst Illmer
Shaun Bythell
NEUE BEKENNTNISSE EINES BUCHHÄNDLERS.
Ü: Klaus Berr
(Confessions of a Bookseller / 2019)
München, btb, 2022, 460 S.
ISBN 978-3-442-77067-0 / 12,00 Euro
Nein, nein, nein!
Ich werde jetzt nichts aus diesem Buch mit dem unscheinbaren Titel NEUE BEKENNTNISSE EINES BUCHHÄNDLERS zitieren.
Auf keinen Fall. Niet, Nix, Niente!!
(Keine Ahnung ob „Niente“ ein Wort ist, das es gibt und welche Bedeutung es hat.)
Das ist einfach unfair. Da
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Adventskalender 2022 T-17 "Fern vom Licht des Himmels"
von Horst Illmer am 7. Dezember 2022 Kommentare deaktiviert für Adventskalender 2022 T-17 "Fern vom Licht des Himmels"
Tade Thompson
FERN VOM LICHT DES HIMMELS.
Ü: Jakob Schmidt
(Far from the Light of Heaven / 2021)
München, Golkonda, 2022, 381 S.
ISBN 978-3-96509-059-0 / 20,00 Euro
Klappenbroschur
Für die Anhänger der „Reinen Lehre“ ist es sicherlich immer wieder verstörend, wenn sie mit ansehen müssen, dass sich als gegensätzlich Empfundenes nicht abstößt, sondern anzieht, vermengt und in amalgamierter Form als ein „Mehr-als-seine-Einzelteile“ weiterexistiert.
Ein gutes Beispiel für dieses Kuddelmuddel ist die utopisch-phantastische Kriminalerzählung (der SF-Krimi), in der sich die Genres Krimi und Science Fiction vereinen und, im Idealfall, die Leserschaft in beiden Lagern begeistert. So wie das FERN VOM LICHT DES HIMMELS, dem neuen Roman von Tade Thompson gelingt.
Für den Rezensenten ergibt sich dabei ein kleines Problem: Was für die Science-Fiction-Fraktion normalerweise dazugehört, sind Erläuterungen des Was, Wo und vor allem Wie – während die Liebe zum Krimi normalerweise auch aus dem Verlangen herrührt, das Was, Wo und vor allem Wie selbst herauszufinden. Belassen wir es im Folgenden also bei einem quecksilbrigen Amalgam aus Expostion und Cliffhanger.
Wenn in der Zukunft Menschen zu weit entfernten Kolonialplaneten reisen, so geschieht dies in modular aufgebauten Raumschiffen, deren Steuerung eine starke KI übernimmt (und als deren „Back up“ ein einzelner Mensch mitgeschickt wird). Natürlich fällt eine solche KI niemals aus, deshalb fliegt auf der neugebauten „Ragtime“ die Raumfahrt-Novizin Michelle Campion, genannt „Shell“, mit. Ziel ist es, eintausend Passagiere zum Planeten Bloodroot zu befördern.
Shell ist die Tochter eines im Weltraum verschollenen (und deshalb berühmten) Astronauten und wird von dem für den Flug verantwortlichen Raumfahrtkonzern vor allem aus PR-Gründen engagiert. Ihr Anspruch ist es jedoch, durch eigene Leistungen den „Bonus“ einer Prominententochter hinter sich zu lassen. Als sie nach dem letzten Raumsprung am Zielort aus dem Traumschlaf geweckt wird, muss sie plötzlich zeigen, ob sie diesen Erwartungen gerecht werden kann.
Die KI hat sich abgeschaltet, das Schiff läuft im Notbetrieb, einige Passagiere sind auf nicht natürliche Weise ums Leben gekommen – und auf ihren Notruf hin schickt Bloodroot Shell mit dem psychisch labilen Rasheed Fin und seinem Androiden-Helfer Salvo ein Ermittlergespann zur Unterstützung, das ihr äußerst suspekt erscheint …
FERN VOM LICHT DES HIMMELS bedient also gleichermaßen die Anforderungen einer Space Opera wie des typischen Verbrechens hinter einer verschlossenen Tür. Da ist es nur gut, dass sich Tade Thompson ausdrücklich auf Edgar Allan Poe bezieht – der hat ja nicht nur die Detektivstory „erfunden“, sondern seine Helden auch mehrfach auf „Große Fahrt“ (u. a. sogar zum Mond) geschickt. Und um im oben begonnen alchemistischen Bild zu bleiben: FERN VOM LICHT DES HIMMELS erweist sich als ätherisch-leicht zu lesendes, inhaltlich aber gewichtiges „Goldstück“.
Horst Illmer
Tade Thompson
FERN VOM LICHT DES HIMMELS.
Ü: Jakob Schmidt
(Far from the Light of Heaven / 2021)
München, Golkonda, 2022, 381 S.
ISBN 978-3-96509-059-0 / 20,00 Euro
Klappenbroschur
Für die Anhänger der „Reinen Lehre“ ist es sicherlich immer wieder verstörend, wenn sie mit ansehen müssen, dass sich als gegensätzlich Empfundenes nicht abstößt, sondern anzieht, vermengt und in amalgamierter Form als ein „Mehr-als-seine-Einzelteile“ weiterexistiert.
Ein gutes Beispiel für
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Adventskalender 2022 T-20 "Der kleine Holzroboter und die Baumstumpfprinzessin"
von Horst Illmer am 4. Dezember 2022 Kommentare deaktiviert für Adventskalender 2022 T-20 "Der kleine Holzroboter und die Baumstumpfprinzessin"
Tom Gauld (Text & Bilder)
DER KLEINE HOLZROBOTER UND DIE BAUMSTUMPFPRINZESSIN.
Ü: Jörg Mühle
(The Little Wooden Robot and the Log Princess / 2021)
Frankfurt/M., Moritz, 2022, unpaginiert (ca. 40 S.)
ISBN 978-3-89565-430-5 / 18,00 Euro
Hardcover
Der schottische Comiczeichner und Cartoonist Tom Gauld war bisher vor allem bekannt für seine liebevoll-spöttischen Betrachtungen über die ganz gewöhnlichen Tücken des Alltags. Nun hat er sich an sein erstes Kinderbuch gewagt und herausgekommen ist dabei das ganz entzückende Werk DER KLEINE HOLZROBOTER UND DIE BAUMSTUMPFPRINZESSIN.
Das Märchen, das Gauld auf knapp vierzig farbenfrohen und durchgängig illustrierten Seiten erzählt, hat fast Grimm’sche Qualitäten, das Besondere sind jedoch seine Bilder, in denen er die für ihn typische Mischung aus kubistischer Strenge und Wimmelbild-Überfülle in den Dienst einer längeren Handlung einbindet. Die abenteuerliche Handlung entwickelt ihre Spannung viel mehr über die Identifikation mit den beiden Hauptfiguren als über Gefahr und Bedrohung. Gauld erweist sich als Meistererzähler, der keine Gewaltdarstellungen benötigt, um sein Publikum zu fesseln.
DER KLEINE HOLZROBOTER UND DIE BAUMSTUMPFPRINZESSIN ist ein Vergnügen für Leser*innen wirklich jeden Alters, und ein Prachtstück in jeder Bibliothek!
Horst Illmer
Tom Gauld (Text & Bilder)
DER KLEINE HOLZROBOTER UND DIE BAUMSTUMPFPRINZESSIN.
Ü: Jörg Mühle
(The Little Wooden Robot and the Log Princess / 2021)
Frankfurt/M., Moritz, 2022, unpaginiert (ca. 40 S.)
ISBN 978-3-89565-430-5 / 18,00 Euro
Hardcover
Der schottische Comiczeichner und Cartoonist Tom Gauld war bisher vor allem bekannt für seine liebevoll-spöttischen Betrachtungen über die ganz gewöhnlichen Tücken des Alltags. Nun hat er sich an sein erstes
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Adventskalender 2022 T-23 "Stephen Kings Es als Luxusausgabe"
von Horst Illmer am 1. Dezember 2022 Kommentare deaktiviert für Adventskalender 2022 T-23 "Stephen Kings Es als Luxusausgabe"
Stephen King
ES. Roman.
Ü: A. v. Reinhardt, J. Körber & A. Weiligmann
Illustriert von Max Löffler, Nachwort: Dietmar Dath
Glossar: Sven-Eric Wehmeyer
(IT / 1986)
München, Heyne, 2022, 1360 S.
ISBN 978-3-453-27240-8
Limitierte Prachtausgabe im Schuber / 75,00 Euro
„Der Schrecken begann, soweit ich weiß und sagen kann, mit einem Boot aus Zeitungspapier, das einen vom Regen überfluteten Rinnstein entlangtrieb …“
So beginnt einer der besten und wichtigsten Romane im an guten und wichtigen Büchern nicht gerade armen Werk von Stephen King. Mit ES gelang ihm das Kunststück, alle seine Stärken in einem Roman zu konzentrieren und das Erzählniveau über die gesamte Länge von mehr als 1300 Seiten durchgängig hoch zu halten. Es ist alles da: Die amerikanische Kleinstadt Derry, die Gruppe der Kinder bzw. Jugendlichen, die allen Widrigkeiten zum Trotz zusammenfinden und – was fast noch wichtiger ist – zusammenhalten, die Erwachsenen, deren Phantasielosigkeit sie daran hindert, die Gefahr zu erkennen und zu bekämpfen – und natürlich „Das Grauen!“ (Josef Conrad), das sich, so wie hier, häufig hinter der allertrivialsten Maske verbirgt.
Am 21. September 2022 wurde Stephen King 75 Jahre alt und sein deutscher Verlag feiert dies mit einer (auf 10.000 Stück) „limitierten Prachtausgabe“ von ES: Die ungekürzte Neuübersetzung von Kings Hauptwerk ist als Hardcover schlappe 1360 Seiten stark, enthält fünf Farbtafeln mit Illustrationen von Max Löffler (eine davon als separater Siebdruck) sowie eine lose beiliegende Zeitungsseite, die sich zum Papierschiffchenfalten anbietet. Der Schmuckschuber hat auf der Vorderfront zwei Ausstanzungen, die gleichzeitig den Titel bilden und als Gitter für einen hämisch grinsenden Clown (auf dem Buchcover) dienen. Im Anhang findet man ein von Sven-Eric Wehmeyer zusammengestelltes Glossar wichtiger Begriffe aus dem Werk sowie ein 30seitiges Nachwort von Dietmar Dath.
Horst Illmer
Stephen King
ES. Roman.
Ü: A. v. Reinhardt, J. Körber & A. Weiligmann
Illustriert von Max Löffler, Nachwort: Dietmar Dath
Glossar: Sven-Eric Wehmeyer
(IT / 1986)
München, Heyne, 2022, 1360 S.
ISBN 978-3-453-27240-8
Limitierte Prachtausgabe im Schuber / 75,00 Euro
„Der Schrecken begann, soweit ich weiß und sagen kann, mit einem Boot aus Zeitungspapier, das einen vom Regen überfluteten Rinnstein entlangtrieb …“
So beginnt einer der besten und wichtigsten Romane
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Stephen King – 100 Seiten
von Horst Illmer am 23. November 2022 Kommentare deaktiviert für Stephen King – 100 Seiten
Dietmar Dath
STEPHEN KING. 100 Seiten.
Mit Abbildungen und Infografiken
Ditzingen, Reclam, 2022, 101 S.
ISBN 978-3-15-020674-4 / 10,00 Euro
Der King wird 75 und niemand merkt was.
Niemand?
Nun, ganz so anti-royal aufgestellt sind nicht alle Verlage in der bundesdeutschen Demokratie. Während also „das Volk“ gebannt und mit offenen Mäulern vor dem Flachbildschirm der Grablegung Ihrer Majestät Elisabeth II. folgt, lese ich Dietmar Daths kleinformatiges Reclam-Büchlein STEPHEN KING aus der noch relativ jungen „100 Seiten“-Reihe des badischen Traditionsverlags.
100 Seiten über Stephen King, den meisterlichen Beschreiber amerikanischer Horrorvorstellungen, dessen Bibliografie ja schon umfangreicher wirkt als der Buchumfang – kann das gut gehen?
Ganz klar: Ja!
Dath hält sich gar nicht lange damit auf, Zahlen, Daten, Fakten wiederzukäuen, die jede Frau und jeder Mann jederzeit aus dem Internet schöpfen kann. Vielmehr erzählt er Kings Leben als Abenteuergeschichte.
Der „Held“ dieser (immer noch andauernden!) „Avienture“ musste, laut Dath, auf seiner Fahrt (seinem Leben) gleich mehrere „Ungeheuer“ (Hindernisse) überwinden: Geldnot, Dünkel, Ablehnung und ethische Missbilligung.
Den bisherigen Zwischenstand dieser „Ritterreise“ kennen wir alle: fast einhundert Bücher (und viele hundert Millionen Leser) belegen, dass der tapsige Nachbarsjunge aus einer Kleinstadt in Maine zu einem ausgewachsenen Weltliteraten geworden ist. Wir wussten ja schon lange, dass es so ist, aber nach der Lektüre von 100 Seiten Dietmar Dath wissen wir jetzt auch warum es so ist.
Horst Illmer
Dietmar Dath
STEPHEN KING. 100 Seiten.
Mit Abbildungen und Infografiken
Ditzingen, Reclam, 2022, 101 S.
ISBN 978-3-15-020674-4 / 10,00 Euro
Der King wird 75 und niemand merkt was.
Niemand?
Nun, ganz so anti-royal aufgestellt sind nicht alle Verlage in der bundesdeutschen Demokratie. Während also „das Volk“ gebannt und mit offenen Mäulern vor dem Flachbildschirm der Grablegung Ihrer Majestät Elisabeth II. folgt, lese ich Dietmar Daths kleinformatiges Reclam-Büchlein
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Wiederentdeckte Schätze der Science Fiction 4: Die große Revolution
von Horst Illmer am 16. November 2022 Kommentare deaktiviert für Wiederentdeckte Schätze der Science Fiction 4: Die große Revolution
Paul Scheerbart
DIE GROSSE REVOLUTION – ein Mondroman.
LESABÉNDIO – ein Asteroiden-Roman.
Vorwort: Michael Marrak, Nachwort: Hans Frey
Berlin, Hirnkost, 2022, 408 S.
ISBN 978-3-949452-40-6 / 32,00 Euro (bzw. 28,00 Euro im Abonnement)
Hardcover mit Lesebändchen
Wiederentdeckte Schätze der Science Fiction, Band 4
Der „aus Wut“ zum Humoristen gewordene Berliner Boheme-Künstler Paul Scheerbart (1863–1915) gehört zu den wenigen wirklich eigenständigen Figuren der phantastischen Literatur. Während H. G. Wells, Kurd Laßwitz und Jules Verne (von Vorläufern wie Julius von Voss einmal abgesehen) zwischen 1870 und 1910 fast den gesamten Themenkanon der Science Fiction festschrieben, gelang es Paul Scheerbart, unabhängig und unbeeinflusst von diesen Unterhaltungsströmungen, einen Großteil dieser Themen in einer völlig eigenen Art aufzugreifen und zu verwenden. Dabei schrieb er in einem eigentümlichen Stil, der gewollt Simplizität mit mystischen Ideen und krudestem Humor vereinigte.
Einen ersten Eindruck dieser Unabhängigkeit gibt Scheerbart im „Mondroman“ DIE GROSSE REVOLUTION, der 1902 erschien und der ihm den großen Durchbruch beim Publikum bringen sollte. Allerdings erzählt er hier eine so weit von allem Gängigen entfernte satirisch-philosophische Geschichte, dass auch hundert Jahre später das Kunstverständnis der Leserschaft immer noch aufs Äußerste beansprucht wird. Kurz gesagt gibt es auf dem Mond zwei Parteien von Mondbewohnern: die einen wollen die seit Jahrhunderten andauernde Beobachtung der Erdbewohner fortführen, die andere Fraktion ist vom ewig Krieg führenden Homo Sapiens so enttäuscht, dass sie lieber von der Mondrückseite aus in die Ferne des Weltraums schauen wollen. Das alles beschreibt der Autor in einem Stilgemisch, dass sich in einigen Passagen wie ein Vorläufer der „New Wave“ der 1960er Jahre liest, aber auch schon in Einzelstellen auf den aufkeimenden Expressionismus hinweist.
Gleiches gilt für den 1913 veröffentlichten „Asteroiden-Roman“ LESABÉNDIO. Scheerbarts Meisterwerk über die Bewohner des Asteroiden Pallas, deren Anführer (und Titel-Held) Lesabéndio es versteht, ihrer aller Streben nach einem gemeinsamen Ziel hin auszurichten (der Vereinigung mit einer Plasmawolke) und der am Ende selbst zu einem Himmelskörper wird, sprüht geradezu über von skurrilsten Einfällen. Die geneigten Leser*innen werden bombardiert mit wirklich „fremden“ Lebensformen, mit einem politischen und kulturellen System, welches ein provozierend unvermitteltes Gegenbild zum Erdenleben darstellt, und mit einem absolut gesetzten ästhetischen Modell, das Technik und Philosophie ganz anders betrachtet und wertet als die traditionelle Science-Fiction-Literatur.
Ähnlich wie bei Olaf Stapledon gelingt es hier einem Außenseiter, in den Kosmos der phantastischen Literatur einzubrechen, ihn auszuweiten und um zwei wundervolle Werke reicher zu machen.
Horst Illmer
Paul Scheerbart
DIE GROSSE REVOLUTION – ein Mondroman.
LESABÉNDIO – ein Asteroiden-Roman.
Vorwort: Michael Marrak, Nachwort: Hans Frey
Berlin, Hirnkost, 2022, 408 S.
ISBN 978-3-949452-40-6 / 32,00 Euro (bzw. 28,00 Euro im Abonnement)
Hardcover mit Lesebändchen
Wiederentdeckte Schätze der Science Fiction, Band 4
Der „aus Wut“ zum Humoristen gewordene Berliner Boheme-Künstler Paul Scheerbart (1863–1915) gehört zu den wenigen wirklich eigenständigen Figuren der phantastischen Literatur. Während H. G. Wells,
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Die Gelehrtenrepublik – Kurzroman aus den Roßbreiten
von Horst Illmer am 7. November 2022 Kommentare deaktiviert für Die Gelehrtenrepublik – Kurzroman aus den Roßbreiten
Arno Schmidt
DIE GELEHRTENREPUBLIK. Kurzroman aus den Roßbreiten.
Mit 26 Holzstichcollagen von Thomas Franke, einer Kartenskizze der »Gelehrtenrepublik« von Arno Schmidt und einem editorischen Nachwort von Bernd Rauschenbach
Winnert, p.machinery Michael Haitel, 2022, 243 S.
ISBN 978-3-95765-302-4
Fulminant Fantastische Folianten, Band 1 / Großformat 26 x 18 cm
Hardcover / Normalausgabe 99,90 Euro / Vorzugsausgabe (111 Expl.) in Planung
Arno Schmidts „Kurzroman aus den Roßbreiten“, der 1957 unter dem Titel DIE GELEHRTENREPUBLIK veröffentlicht wurde, liest sich auf den ersten Blick wie ein klassischer Schelmenroman.
In der (damaligen) Zukunft des Jahres 2008 erhält der Journalist Charles H. Winer die (selten erteilte) Erlaubnis, eine schwimmende Insel (aus heutiger Sicht ist es ein überdimensionierter Kreuzfahrtdampfer), die „International Republic of Artists and Scientists“ (kurz auch IRAS oder eben „Gelehrtenrepublik“ genannt), zu besuchen und eine „Homestory“ über deren von der Weltgemeinschaft alimentierte „Bewohner“ (lauter berühmte Künstler und Forscher) zu machen.
Bereits die Anreise wird zum Abenteuer, erfolgt sie doch per Ballonflug über einen sogenannten „Hominidenstreifen“ hinweg, ein riesiges, atomverseuchtes Areal inmitten der USA, das von zwei gigantischen Mauern eingeschlossen ist und von Tier-Mensch-Mutanten bewohnt wird, mit denen jeder Umgang strengstens untersagt ist. Nachdem Winers Ballon dort notlanden muss, kommt er allerdings ungewollt in sehr direkten (und teileweise auch sehr intimen) Kontakt mit den dort lebenden Zentauren.
Endlich auf der IRAS angekommen, braucht Winer nicht allzu lange, um herauszufinden, dass auch in einer „Gelehrtenrepublik“, dieser scheinbar zivilisiertesten aller Gesellschaften, der Schein trügt. Die in zwei politische Lager geteilte Insel, auf der die IRAS-Bewohner durch die Weltmeere schippern, erweist sich als „Labor“, in dem zum Beispiel Sportler mittels Bioengineering zu Höchstleistungen gebracht und sogar die Gehirne der Genies von den jeweiligen Geheimdiensten „entführt“ werden.
Bei Schmidt liest sich das zuerst einmal sehr unterhaltsam, bis man dann merkt, welche Schrecken unter dieser obersten Erzählschicht liegen. Zutiefst pessimistisch ist Schmidts Erkenntnis, dass sich die alteingefahrenen Muster von Machtmissbrauch und Schwarz-Weiß-Denken, von skrupellosem Gewinnstreben und naivem Obrigkeitsglauben auch nach einem Atomkrieg nicht ändern werden.
Im Verlag p.machinery erschien nun Anfang Oktober eine außergewöhnliche und hochpreisige Neuausgabe der GELEHRTENREPUBLIK. Bei diesem Künstlerbuch im Überformat (26 x 18 cm) handelt es sich um den ersten Band der Reihe „Fulminant Fantastische Folianten“, die der Künstler Thomas Franke gemeinsam mit Verleger Michael Haitel ersonnen hat. Das Werk zieren 26 Holzstichcollagen Frankes (sowie ein Faksimile mit Schmidts Planskizze der schwimmenden Insel IRAS), viele davon als ausklappbare Doppelseiten angelegt. Nach dem Nachwort von Bernd Rauschenbach äußert sich auch Franke kurz zu seinen programmatischen Überlegungen. Zusätzlich zur (bereits vorliegenden) „Normalausgabe“ ist eine „Vorzugsausgabe“ von 111 Exemplaren in Planung, die eine zusätzliche, nummerierte und signierte Grafik enthalten soll. Beide Ausgaben sind in CABRA eingebunden, einem Material, das sich anfühlt als würde man(n) eine Zentaurin streicheln. Gefühlsecht!
Horst Illmer
Arno Schmidt
DIE GELEHRTENREPUBLIK. Kurzroman aus den Roßbreiten.
Mit 26 Holzstichcollagen von Thomas Franke, einer Kartenskizze der »Gelehrtenrepublik« von Arno Schmidt und einem editorischen Nachwort von Bernd Rauschenbach
Winnert, p.machinery Michael Haitel, 2022, 243 S.
ISBN 978-3-95765-302-4
Fulminant Fantastische Folianten, Band 1 / Großformat 26 x 18 cm
Hardcover / Normalausgabe 99,90 Euro / Vorzugsausgabe (111 Expl.) in Planung
Arno Schmidts „Kurzroman aus den Roßbreiten“, der 1957
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Wiederentdeckte Schätze der Science Fiction 3: Ini
von Horst Illmer am 2. November 2022 Kommentare deaktiviert für Wiederentdeckte Schätze der Science Fiction 3: Ini
Julius von Voss
INI.
Roman aus dem einundzwanzigsten Jahrhundert.
Vorwort: Hans Frey, Nachwort: Hans Esselborn
Berlin, Hirnkost, 2022, 276 S.
ISBN 978-3-949452-34-5 / 32,00 Euro (bzw. 28,00 Euro im Abonnement)
Hardcover mit Lesebändchen
Wiederentdeckte Schätze der Science Fiction, Band 3
Schon vor Jahren stieß ich bei Forschungen über die frühe deutsche Science Fiction in der Sekundärliteratur auf Julius von Voss und INI, seinen 1810 erstmals erschienenen Roman aus dem 21. Jahrhundert. Es stellte sich jedoch schnell heraus, dass es praktisch unmöglich war, dieses Buch aufzutreiben und zu lesen. Und das, obwohl es sich, nach den Beschreibungen, ganz offensichtlich um einen recht ansprechenden Text zu handeln schien. Im Hirnkost Verlag hat man sich jetzt meiner, der Genreforschung und der interessierten Leserschaft erbarmt und INI nach über zweihundert Jahren neu herausgegeben. Damit hat das lange Warten und Suchen ein Ende – und das Werk übertrifft tatsächlich noch die kühnsten Erwartungen.
Der Roman spielt am Ende des 21. Jahrhunderts und beschreibt anhand der Liebesgeschichte von Guido und Ini, das durch stetigen Fortschritt wesentlich weiter entwickelte Leben der Menschheit. Die sittlich-moralische Bildung seiner Hautpersonen begleitend, führt uns Julius von Voss durch diese Zeit und lässt uns die Wunder der von ihm erdachten Zukunft schauen.
Die beiden Königskinder Guido und Ini wachsen auf Sizilien in benachbarten Häusern auf, angeleitet von Mentoren, denen von den Eltern der Auftrag erteilt wurde, künftige Führungspersönlichkeiten mit idealen Charakterzügen heranzubilden. Natürlich verlieben sich die Beiden ineinander. Als Guido Ini seine Liebe gesteht, entwirft ihm diese ein Ideal-Bild, dem er sich durch stetiges geistiges und körperliches Streben annähren soll. Bis er dies erreicht hat, will auch Ini an sich arbeiten – und ihn dann erhören. Guido nimmt diese Herausforderung an.
Er reist in Begleitung seines Lehrers durch Europa, lernt die Geschichte und politische Entwicklung der »Vereinigten Staaten von Europa« kennen, dient im Heer, bei der Luftwaffe und in der Marine, um danach in den Metropolen der alten Welt auch noch das mondäne Leben der Schönen und Reichen kennen zu lernen.
Anschließend führt die Reise nach Amerika (mittels einer von Walen gezogenen »Reise-Insel«) und weiter zum Nordpol. Dort erleidet er Schiffbruch und muss ein ganzes Jahr am unwirtlichsten Punkt der Erde überleben. Als eine zweite Expedition ihn endlich findet und rettet, hat sich die weltpolitische Situation dramatisch zugespitzt. Die diversen Blöcke (Europa, Asien, Afrika) sind sich spinnefeind und beginnen einen Weltkrieg …
Bei INI handelt es sich zuforderst um einen klassischen Erziehungs- und Bildungsroman. Das von der geliebten Ini aufgestellte Ideal gilt es für Guido zu erreichen. Seine Ausbildung, seine Mühen und Kämpfe, seine Entsagungen und Erlebnisse führen ihn auf dieses Ziel hin.
Zugleich versucht sich Julius von Voss allerdings auch als Zukunftsdeuter und greift mit seinen utopischen und phantastischen Darstellungen weit voraus. Die Darstellung des politischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kriegerischen Wesens der zukünftigen Gesellschaft zeugen von der regen Phantasie des Verfassers und seinem reichen Schatz an ironischen und humoristischen Ideen.
Interessant sind sowohl die politischen wie die technischen Veränderungen, die Voss für die nächsten Jahrhunderte antizipiert: Verbesserungen beim Luftverkehr, bei der Kommunikation und im häuslichen Bereich helfen, das Leben der Menschen zu vereinfachen. Die meisten näher ausgeführten Erfindungen sind waffentechnischer Art werden jedoch oftmals für den zivilen Gebrauch weiterentwickelt. Die politischen Verbesserungen, hin zu einem mittels Verfassung gesicherten Gesamteuropa, sind wohlüberlegt, aber immer noch utopisch.
Die Originalausgabe von 1810 wurde in einen Neusatz übertragen. Die Kommentare von Hans Frey und Professor Esselborn geben wertvolle Erläuterungen zu Leben und Werk des ehedem erfolgreichen und bekannten, inzwischen aber völlig vergessenen Autors sowie zur Textgestalt und einigen zeitgleich veröffentlichten Werken u. a. von Jean Paul.
Mit INI ist einer der wichtigsten frühen Science-Fiction-Texte in deutscher Sprache endlich zugänglich. Hier zeigt sich, dass auch in Deutschland bereits zur Goethe-Zeit hervorragende utopisch-phantastische Literatur geschrieben wurde. Dieses Buch ist eine echte Entdeckung und es zu lesen macht (trotz der manchmal für moderne Augen ein wenig ungewohnten Sprache) riesigen Spaß und bringt (vor allem wegen der teilweise immer noch nicht erreichten Wunschvorstellungen und manchmal auch wegen der zutreffenden Einsichten in die immer noch recht traurigen politischen Verhältnisse) zum Nachdenken – und Träumen.
Ein sehr empfehlenswertes Buch, das von der Liebhaberin der utopischen Literatur bis zum Fan historischer Romane alle anzusprechen vermag.
Horst Illmer
Julius von Voss
INI.
Roman aus dem einundzwanzigsten Jahrhundert.
Vorwort: Hans Frey, Nachwort: Hans Esselborn
Berlin, Hirnkost, 2022, 276 S.
ISBN 978-3-949452-34-5 / 32,00 Euro (bzw. 28,00 Euro im Abonnement)
Hardcover mit Lesebändchen
Wiederentdeckte Schätze der Science Fiction, Band 3
Schon vor Jahren stieß ich bei Forschungen über die frühe deutsche Science Fiction in der Sekundärliteratur auf Julius von Voss und INI, seinen 1810 erstmals erschienenen Roman aus
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Das Humboldt-Tier – Ein Marsupilami-Abenteuer
von Horst Illmer am 31. Oktober 2022 Kommentare deaktiviert für Das Humboldt-Tier – Ein Marsupilami-Abenteuer
Flix (Text & Zeichnungen)
DAS HUMBOLDT-TIER. Ein Marsupilami-Abenteuer.
Hamburg, Carlsen, 2022, 72 Seiten
ISBN 978-3-551-78168-0 / 16,00 €
Hardcover-Album im Großformat
Flix, der eigentlich Felix Görmann heißt und 1976 in Münster geboren wurde, gehört seit fast 25 Jahren zu den innovativsten und erfolgreichsten deutschen Comic-Künstlern. Sein Portfolio reicht von Adaptionen klassischer Stoffe (FAUST, 1998; DON QUIJOTE, 2012) über Funnies (SCHÖNE TÖCHTER, 2015) bis hin zum wöchentlichen Zeitungs-Comicstrip der alten Schule (GLÜCKSKIND, seit 2015 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung).
Seine Liebe zum franko-belgischen Comic und der Ligne claire belegen Homage-Bücher wie SPIROU IN BERLIN (2018) und das seit ein paar Wochen vorliegende MARSUPILAMI-Abenteuer DAS HUMBOLDT-TIER.
Flix erzählt in seinem Comic eine Vor- und Parallel-Geschichte zum bekannten MARSUPILAMI-Universum: Bei ihm trifft der ebenso wagemutige wie unbekümmerte Naturforscher Alexander von Humboldt während seiner Südamerika-Reise im Jahr 1801 auf ein gelb-schwarz geflecktes Tier mit langem Schwanz, das gleichermaßen neugierig wie mutig auftritt und Humboldt samt Begleitung mehrfach das Leben rettet. Dieser revanchiert sich dafür mit Ignoranz („Ein Affe! Kennste einen, kennste alle.“), packt das schlafende Tier jedoch zu seinen anderen „Fundsachen“ und lässt alles nach Berlin bringen.
130 Jahre später: Dezember 1931, Winter in Berlin; Weltwirtschaftskriese, Inflation, Hunger und Kälte halten die deutsche Hauptstadt fest im Griff. Ein kleines Mädchen, dessen alleinerziehende Mutter tagsüber arbeiten muss und deshalb ein schlechtes Gewissen hat, darf mit deren Erlaubnis den Nachbarn zu seiner Arbeit im Archiv des Naturkundemuseums begleiten. Dort stöbert sie unbeaufsichtigt zwischen Humboldts staubigen Kisten herum – und natürlich fällt eine runter und heraus purzelt …
Der Rest ist eine liebevoll zwischen Zeitgeschichte und Versatzstücken aus der MARSUPIAMI-Überlieferung und Flix-eigenen Charakteren (wie z. B. das unerschrockene und trotzige Kind) hin und her pendelnde Comic-Erzählung, die alle Erwartungen weit übertrifft und mit zum Besten gehört, was in der inzwischen schon recht anschaulichen Reihe mit Homagen an bekannte Comic-Figuren in den letzten Jahren erschienen ist.
Die Verortung im „realen“ Raum-Zeit-Gefüge sorgt zudem dafür, dass DAS HUMBOLDT-TIER auch von Leser*innen genossen werden kann, die bisher weder SPIROU & FANTASIO noch das MARSUPILAMI kennen (ja, auch die soll es geben) und die gegen eine fantastische Idee in einer realistischen Geschichte keine Einwände haben.
Horst Illmer
Flix (Text & Zeichnungen)
DAS HUMBOLDT-TIER. Ein Marsupilami-Abenteuer.
Hamburg, Carlsen, 2022, 72 Seiten
ISBN 978-3-551-78168-0 / 16,00 €
Hardcover-Album im Großformat
Flix, der eigentlich Felix Görmann heißt und 1976 in Münster geboren wurde, gehört seit fast 25 Jahren zu den innovativsten und erfolgreichsten deutschen Comic-Künstlern. Sein Portfolio reicht von Adaptionen klassischer Stoffe (FAUST, 1998; DON QUIJOTE, 2012) über Funnies (SCHÖNE TÖCHTER, 2015) bis hin zum
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Wiederentdeckte Schätze der Science Fiction 1: Der Tunnel
von Horst Illmer am 17. Oktober 2022 1 Kommentar
Bernhard Kellermann
DER TUNNEL.
Vorwort: Andreas Eschbach, Nachwort: Hans Frey
Berlin, Hirnkost, 2022, 485 Seiten
ISBN 978-3-949452-28-4 / 32,00 Euro / 28,00 Euro im Abonnement
Hardcover mit Lesebändchen
Wiederentdeckte Schätze der Science Fiction, Band 1
Egal ob technische Großprojekte wie Stuttgart 21 oder das Constellation-Raumfahrtprogramm der NASA, irgendwer zieht deren Realisierung, den Sinn des Ganzen, die Finanzierbarkeit oder unsere technischen Fähigkeiten dazu in Zweifel oder gibt die ethisch-moralischen Verwicklungen, die dabei entstehen könnten, zu Protokoll.
Wie einfach hatten es da die Erfinder, Ingenieure, Planer, Politiker, Wissenschaftler (und Kapitalisten) in der „guten alten Zeit“. Da spielten alle diese Punkte doch gar keine Rolle!?
Nun, ganz so war es dann doch wohl auch nicht. Jedenfalls nicht, wenn man in Bernhard Kellermanns technischer Zukunftsutopie DER TUNNEL einmal genau nachliest. Zwar schwappt in dem 1913 erstmals erschienen Roman zuerst eine fast grenzenlose Welle der Begeisterung von der amerikanischen Ostküste an die französische Atlantikküste (den beiden Endpunkten des geplanten Eisenbahntunnels zwischen den USA und Europa), doch als sich die ersten Schwierigkeiten zeigen, beginnt es auch für den Industriellen Mac Allan und sein „Atlantic-Tunnel-Syndikat“ eng zu werden. Dass und wie weitergebaut wird, gehört dann zu den Dingen, die uns Heutigen zeigen, dass sich so viel in den letzten hundert Jahren gar nicht geändert hat …
Das trifft es sich doch hervorragend, dass der Titel soeben wieder in einer vorbildlich editierten Neuauflage zugänglich ist. Versehen mit einem begeisterten Vorwort von Andreas Eschbach und einem klugen, ausführlichen Nachwort von Hans Frey, bildet der Roman den Auftakt einer neuen Buchreihe mit lange vergriffenen Meisterwerken aus einer Zeit, als bei uns Science Fiction noch „Erzählung aus der Zukunft“ hieß.
Horst Illmer
Bernhard Kellermann
DER TUNNEL.
Vorwort: Andreas Eschbach, Nachwort: Hans Frey
Berlin, Hirnkost, 2022, 485 Seiten
ISBN 978-3-949452-28-4 / 32,00 Euro / 28,00 Euro im Abonnement
Hardcover mit Lesebändchen
Wiederentdeckte Schätze der Science Fiction, Band 1
Egal ob technische Großprojekte wie Stuttgart 21 oder das Constellation-Raumfahrtprogramm der NASA, irgendwer zieht deren Realisierung, den Sinn des Ganzen, die Finanzierbarkeit oder unsere technischen Fähigkeiten dazu in Zweifel oder gibt die
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Das Science Fiction Jahr 2022
von Horst Illmer am 12. Oktober 2022 Kommentare deaktiviert für Das Science Fiction Jahr 2022
Hardy Kettlitz & Melanie Wylutzki (Hrsg.)
DAS SCIENCE FICTION JAHR 2022.
Berlin, Hirnkost, 2022, 570 Seiten
ISBN 978-3-949452-69-7 / 28,00 Euro
Klappenbroschur
„Zunächst muss jedoch festgestellt werden, dass es offenbar leichter ist, sich ein Raumschiff mit Lichtgeschwindigkeit vorzustellen als das Ende des Kapitalismus. Während der Postkolonialismus bereits als Thema in der neuen Space Opera angekommen ist, bleibt der Postkapitalismus noch nicht denkbar. Und was nicht vorstellbar ist, kann auch nicht Zukunft werden.“
Soweit Aiki Mira in ihrem überaus lesenswerten Essay „Die neue Space Opera im Zeitalter der kommerziellen Raumfahrt“, veröffentlicht im soeben erschienenen Jahrbuch DAS SCIENCE FICTION JAHR 2022.
Die fleißigen Herausgeber Hardy Kettlitz und Melanie Wylutzki haben es mal wieder geschafft und erneut ein SCIENCE FICTION JAHR zusammengetragen, lektoriert, gesetzt und veröffentlicht. Der Schwerpunkt im SCIENCE FICTION JAHR 2022 liegt diesmal auf der privat finanzierten Raumfahrt und den ökonomischen Interessen und Versuchungen, die dadurch entstehen.
Die Betrachtungen, Essays und Übersichts- Artikel dazu stammen u. a. von Judith Vogt (über die Science-Fiction-Autorinnen Octavia E. Butler und Mary R. Kowal), Bernd Flessner (über superreiche Raumfahrtpioniere), Hartmut Kasper (über Kolonien im Weltraum) und Wolfgang Neuhaus (über John Brunners Meisterwerk MORGENWELT).
Dazu gibt es wie gewohnt jede Menge Besprechungen und Informationen zu Allem was die Science-Fiction-Gemeinde im letzten Jahr beschäftigt hat.
Mehr als dreißig Beiträger*innen widmeten ihre Zeit und Arbeitskraft diesem nach wie vor unverzichtbaren (und immerhin schon zum 37. Mal erscheinenden) Jahrbuch – also unbedingt kaufen!
Horst Illmer
Hardy Kettlitz & Melanie Wylutzki (Hrsg.)
DAS SCIENCE FICTION JAHR 2022.
Berlin, Hirnkost, 2022, 570 Seiten
ISBN 978-3-949452-69-7 / 28,00 Euro
Klappenbroschur
„Zunächst muss jedoch festgestellt werden, dass es offenbar leichter ist, sich ein Raumschiff mit Lichtgeschwindigkeit vorzustellen als das Ende des Kapitalismus. Während der Postkolonialismus bereits als Thema in der neuen Space Opera angekommen ist, bleibt der Postkapitalismus noch nicht denkbar. Und was nicht
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Unter den Sternen von Tha
von Horst Illmer am 17. August 2022 Kommentare deaktiviert für Unter den Sternen von Tha
Heribert Kurth
UNTER DEN STERNEN VON THA.
Die Niederschriften zum Fonpo-Rätsel.
Winnert, p.machinery, 2020, 227 S.
ISBN 978-3-95765-169-3 / 15,90 Euro
Es passiert mir nur noch äußerst selten, dass ich das Buch eines deutschen Autors lese (gar ein Erstlingswerk) und mir schon über dessen „Einsortierung“ (Roman oder Geschichtensammlung) nicht klar werden kann, geschweige denn darüber, was ich davon halten soll. Deshalb ist diese Besprechung unter anderem auch ein Klärungsprozess für das Gemüt des Rezensenten.
Was zuerst (auch optisch) auffällt, ist die extreme „Kleinteiligkeit“ des Textes. Es handelt sich um hunderte von Ideen-Keimen, oftmals nur wenige Sätze lang, manchmal ein paar Seiten, nur selten ganze Kapitel. Aneinandergelegt (wenn auch erst nach einer Sortierung durch das Leserhirn) ergeben diese Puzzleteile ein stimmiges Gesamtbild – aber die einzelnen „Keime“ enthaltenen oftmals ganz eigenständige Bilder, aus denen sich dutzende exzellenter Kurzgeschichten machen ließen.
Den Inhalt dieser (laut Untertitel) „Niederschriften zum Fonpo-Rätsel“ könnte man gleichermaßen als Zukunfts-Historie (unsere nächsten 500.000 Jahre!) wie als originellen Weltschöpfungs-Mythos (wo und wann begann das alles?) beschreiben, allerdings braucht Kurth für seine Ausarbeitung kaum mehr als 200 Seiten.
Und während ich noch über Vorläufer wie Olaf Stapledon oder J. R. R. Tolkien nachsinnen wollte, legte mir der Zufall die kaum vier Seiten umfassende Kurzgeschichte „Und so weiter, und so weiter“ von James Tiptree Jr. in die Hände – es gereicht beiden zur Ehre: Tiptree dafür, Jahrzehnte vorher Kurths Vorstellungen bereits auf ein Atom konzentriert zu haben, und Kurth dafür, bei diesem Vergleich durchaus bestehen zu können.
UNTER DEN STERNEN VON THA versucht sich daran, eine Gesamtschau menschlicher Politik, Kultur und Religion zu entwerfen, ohne dabei allzu sehr ins Metaphysische und Schwammig-Religiöse abzudriften. Einer meiner Lieblings-Ideen-Keime ist Kurths ganz pragmatischer Entwurf für ein „Valutaregister“ – (s)eine Form eines galaxisweiten Grundeinkommens!
Ein befreundeter Buchhändler pflegte, wenn er einem seiner eifrigen Adepten ein Buch mit besonderem Nachdruck ans Herz legen wollte, zu sagen, dass man ebenjenen Titel „nicht Jedem“ empfehlen könne. Das machte aus Buch und Leser ein magisches Amalgam und beförderte gleichermaßen Leselust und Aufmerksamkeit.
In diesem Sinne ist UNTER DEN STERNEN VON THA definitiv ein Buch, das ich „nicht Jedem“ empfehlen kann.
Horst Illmer
Heribert Kurth
UNTER DEN STERNEN VON THA.
Die Niederschriften zum Fonpo-Rätsel.
Winnert, p.machinery, 2020, 227 S.
ISBN 978-3-95765-169-3 / 15,90 Euro
Es passiert mir nur noch äußerst selten, dass ich das Buch eines deutschen Autors lese (gar ein Erstlingswerk) und mir schon über dessen „Einsortierung“ (Roman oder Geschichtensammlung) nicht klar werden kann, geschweige denn darüber, was ich davon halten soll. Deshalb ist diese Besprechung
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Titans Kinder
von Horst Illmer am 8. August 2022 Kommentare deaktiviert für Titans Kinder
Aiki Mira
TITANS KINDER. Eine Space-Utopie.
Winnert, p.machinery, 2022, 194 Seiten
ISBN 978-3-95765- 294-2
Kartoniert / 14,90 Euro
Dieses Jahr scheint das Jahr des literarischen Durchbruchs für Aiki Mira zu sein: Nicht nur, dass sie für ihre Geschichte „Utopie 27“ (aus der Hirnkost-Anthologie AM ANFANG WAR DAS BILD) sowohl den Kurd Laßwitz Preis als auch den Deutschen Science Fiction Preis abräumen konnte, bei p.machinery erschien mit TITANS KINDER auch ihr erster Roman.
Als der ESA-Astronaut Marlon kurz vor Erreichen des Mars erfährt, dass er mit seinen zwei Kolleginnen auf einer Geheimmission und ihr eigentliches Ziel der Saturn-Mond Titan ist, braucht er einige Zeit, um das zu verarbeiten und akzeptieren zu können. Als die ESP3 Titan schließlich erreicht und Marlon endlich mehr über die Hintergründe erfährt, vor allem aber, als er die inzwischen auf dem Titan etablierte Mensch-Alien-Kolonie näher kennen lernt, ist er mit seinem Schicksal, nie wieder zur Erde zurückkehren zu können, versöhnt.
Auf nicht einmal 200 Seiten entwickelt Mira „eine Space-Utopie“, die gleichermaßen auf großen Genre-Klassikern wie Arthur C. Clarke und Robert A. Heinlein aufbaut und doch erzähltechnisch absolut auf der Höhe der Zeit ist. In TITANS KINDER gibt es Raumschiffe und KIs, Aliens und Genderprobleme, internationale Verwicklungen und hilfreiche NGOs.
Wenn es nicht so abgedroschen klänge, würde ich sagen: Ich habe die Zukunft der deutschen Science Fiction gesehen!
Horst Illmer
Aiki Mira
TITANS KINDER. Eine Space-Utopie.
Winnert, p.machinery, 2022, 194 Seiten
ISBN 978-3-95765- 294-2
Kartoniert / 14,90 Euro
Dieses Jahr scheint das Jahr des literarischen Durchbruchs für Aiki Mira zu sein: Nicht nur, dass sie für ihre Geschichte „Utopie 27“ (aus der Hirnkost-Anthologie AM ANFANG WAR DAS BILD) sowohl den Kurd Laßwitz Preis als auch den Deutschen Science Fiction Preis abräumen konnte, bei p.machinery erschien
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Lee Falks Phantom
von Horst Illmer am 3. August 2022 Kommentare deaktiviert für Lee Falks Phantom
Christian Blees
LEE FALKS PHANTOM.
Der ultimative Wegweiser durch den Dschungel der deutschsprachigen Veröffentlichungen.
Texte zur Graphischen Literatur Band 5
Barmstedt, Verlag Volker Hamann / Edition Alfons, 2022, 240 Seiten
ISBN 978-3-946266-35-8 / 29,95 Euro
Als im Februar 1936 der erste Comicstrip mit der von Lee Falk (1911–1999) erfundenen PHANTOM-Figur erschien, wurde damit Comic-Geschichte geschrieben. Der weltweite Siegeszug als Zeitungs-Strip und (ab 1938) als Comic-Heft führte dazu, dass zwischenzeitlich mehr als 100 Millionen Leser täglich die Abenteuer von PHANTOM verschlangen. Da diese Faszination, wenngleich in abgeschwächter Form, bis heute anhält, war es wohl unumgänglich, dass die PHANTOM-Geschichte einmal von kundiger Hand niedergeschrieben wurde.
In der Edition Alfons liegt nun in der Reihe „Texte zur Graphischen Literatur“ der von Christian Blees verfasste 5. Band LEE FALKS PHANTOM vor. Auf 240 Seiten erzählt Blees die Historie dieses Superhelden-Vorläufers nach, vom ersten Strip am 17. Februar 1936 im New York Evening Journal bis hin zu den im deutschen Wick Verlag 2022 und 2023 geplanten „Phantom-Comics“.
Dabei geht er überwiegend chronologisch vor, beginnt mit den amerikanischen Originalveröffentlichungen und arbeitet sich im zweiten Teil dann an der (für „normale“ Leser*innen) unfassbar unübersichtlichen deutschsprachigen Publikationsgeschichte ab. Die letzten 40 Seiten füllen dann insgesamt zwanzig (!) Tabellen, anhand derer sich Sammler und Forscher einen Überblick über die zig-tausend PHANTOM-Seiten verschaffen können, die in den letzten 85 Jahren veröffentlicht wurden. Wenn Autor und Verlag (im Untertitel) also behaupten, LEE FALKS PHANTOM sei „der ultimative Wegweiser durch den Dschungel der deutschsprachigen Veröffentlichungen“, kann man ihnen nur Recht geben.
Ein Band, der für die Comic-Forschung (und die Erschließung der eigenen Sammlung) unverzichtbar ist.
Horst Illmer
Christian Blees
LEE FALKS PHANTOM.
Der ultimative Wegweiser durch den Dschungel der deutschsprachigen Veröffentlichungen.
Texte zur Graphischen Literatur Band 5
Barmstedt, Verlag Volker Hamann / Edition Alfons, 2022, 240 Seiten
ISBN 978-3-946266-35-8 / 29,95 Euro
Als im Februar 1936 der erste Comicstrip mit der von Lee Falk (1911–1999) erfundenen PHANTOM-Figur erschien, wurde damit Comic-Geschichte geschrieben. Der weltweite Siegeszug als Zeitungs-Strip und (ab 1938) als Comic-Heft führte
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Die Schattensammlerin
von Horst Illmer am 27. Juli 2022 Kommentare deaktiviert für Die Schattensammlerin
T. S. Orgel
DIE SCHATTENSAMMLERIN – DICHTER UND DÄMONEN.
München, Heyne, 2022, 480 S.
ISBN 978-3-453-32179-3
Klappenbroschur, 16,00 Euro
Wenn wir uns in einigen Jahren an diese „verrückte“ Zeit zurückerinnern, werden wir auch sehr häufig einen akustischen „Flashback“ haben – denn die Pandemie-Zeit war auch eine Podcast-, Hörbuch- und Hörspiel-Zeit. Wen wundert’s also, dass auch die Orgel-Brüder Tom und Stephan dieses Medium ausprobierten. Wer schon einmal auf einer Lesung von T. S. Orgel war, weiß um deren Vortragskünste – was lag also näher als ein Hörspiel einzusprechen.
Das Ergebnis war 2021 DIE SCHATTENSAMMLERIN, ein historischer Krimi aus dem alten Frankfurt/M. der späten Goethe-Jahre. Auch wenn der Geheimrat damals eigentlich in Weimar zuhause war, seine Geburtsstadt war ihm doch stets wichtig geblieben. Als dort während eines Fastnachts-Festes aus einem Museumskeller ein ganz bestimmter Schädel gestohlen wird, lässt Johann Wolfgang von Goethe alle seine Beziehungen spielen, diesen Kultgegenstand wieder zu erlangen. Unerwartete Hilfe erfährt er dabei (wenngleich eher zufällig) durch die junge Millicent Wohl, eine Museumsangestellte, die Zeugin des Raubüberfalls war …
Die Niederschrift des Hörspiels ist jetzt unter dem Titel DIE SCHATTENSAMMLERIN – DICHTER UND DÄMONEN bei Heyne als Roman erschienen. Klassische Urban Fantasy aus Deutschland – das ist nicht ganz neu, aber herrlich frech erzählt und mit einer ganzen Schar interessanter Charaktere besetzt.
Und da Millicent Wohl am Ende eine ebenso freundliche wie dringliche Einladung nach Weimar überbracht wird, dürfen wir uns vermutlich auf eine Fortsetzung freuen.
Horst Illmer
T. S. Orgel
DIE SCHATTENSAMMLERIN – DICHTER UND DÄMONEN.
München, Heyne, 2022, 480 S.
ISBN 978-3-453-32179-3
Klappenbroschur, 16,00 Euro
Wenn wir uns in einigen Jahren an diese „verrückte“ Zeit zurückerinnern, werden wir auch sehr häufig einen akustischen „Flashback“ haben – denn die Pandemie-Zeit war auch eine Podcast-, Hörbuch- und Hörspiel-Zeit. Wen wundert’s also, dass auch die Orgel-Brüder Tom und Stephan dieses Medium ausprobierten. Wer schon
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Nachruf auf H. W. Franke (1927 – 2022)
von Horst Illmer am 20. Juli 2022 Kommentare deaktiviert für Nachruf auf H. W. Franke (1927 – 2022)
Herbert W. Franke ist im Alter von 95 Jahren gestorben!
Wie jetzt? War das nicht erst gestern, dass ich ihm in der EXODUS zu seinem 90. Geburtstag gratuliert habe – und kurz vorher in der phantastisch! die Frage stellte: „Was macht eigentlich … Herbert W. Franke?“ So war es eigentlich immer mit diesem Wiener Tausendsassa – wenn man ihn irgendwo dingfest machen wollte, war er schon wieder weiter. Rastlos verfolgte er mehr als ein halbes Dutzend Karrieren, von denen jede Einzelne für einen „Normalmenschen“ ausgereicht hätte. Egal ob als Schriftsteller, Herausgeber, Dichter, Dramatiker, Höhlenforscher, Computer-Künstler, Philosoph, Philologe, Futurologe, immer gab er sein Bestes und immer stellte er sein Publikum zufrieden. Experimentierfreudig, innovativ, unabhängig – all dies traf auf Herbert W. Franke zu wie auf kaum einen anderen deutschsprachigen Künstler, der sich in die vermeintlichen Niederungen der Genreliteratur begeben hat. Unbedingt hinzufügen muss ich an dieser Stelle noch ein „großzügig“! In den Genuss dieser Großzügigkeit kamen 1980 eine Handvoll junger Science-Fiction-Fans aus Würzburg, die, ohne große Ahnung und eigentlich recht naiv und respektlos, den arrivierten Professor Doktor Franke anschrieben, ob er nicht „irgendwas“ hätte, das sie in ihrem, noch in Planung befindlichen, neuen „Magazin für Science-Fiction“ veröffentlichen könnten? Unfassbar freundlich und eben auch großzügig stellte Herbert W. Franke uns das Drehbuch für sein soeben fertiggestelltes Fernsehspiel „Die Stimmen der Sylphiden“ (Produziert vom ZDF) zur Verfügung, das dann auch das Herzstück des ersten COSMONAUT wurde. (Für meine Illustrationen wage ich mich bis heute nicht zu entschuldigen – ich war jung und wollte den Ruhm.) Als „Bezahlung“ (natürlich hatte Franke von uns keinerlei Entlohnung verlangt) sandten wir ihm damals zwei „Bocksbeutel“ – und unseren tief empfundenen Dank.
Prof. Dr. phil. Herbert W. Franke wurde am 14. Mai 1927 in Wien geboren. An der dortigen Universität studierte er Physik, Mathematik, Chemie, Psychologie und Philosophie. 1950 Dissertation zum Doktor der Philosophie. Von 1973 bis 1997 hatte er einem Lehrauftrag für »Kybernetische Ästhetik und Computerkunst« an der Universität München. Weitere Lehraufträge u. a. für Computergrafik an der Akademie der Bildenden Künste München und für eine »Einführung in die Science-Fiction-Literatur« an der Hochschule für Gestaltung in Bielefeld. 1979 war er Mitbegründer des ARS ELECTRONICA-Festivals in Linz, Österreich. 1980 wurde Herbert W. Franke zum Mitglied des deutschen PEN-Clubs gewählt; im selben Jahr wurde ihm der Berufstitel Professor verliehen. Seit 1957 veröffentlichte Franke Sachbücher und erzählende Texte, darunter etwa 20 SF-Romane, mehrere Story-Sammlungen und Dutzende Anthologien. Er war jahrelang für die SF-Programme der Verlage Goldmann und Heyne verantwortlich, gab bei Ullstein 1984 die Reihe „Ozeanische Bibliothek“ heraus, und erhielt für sein Schaffen mehrfach den Deutschen Science Fiction Preis und den Kurd Laßwitz Preis. Seit 2015 sind in der von p.machinery veranstalteten Herbert W. Franke-Werkausgabe bereits 18 Bände erschienen.
Am 16. Juli 2022 informierte seine Frau Susanne Päch die Öffentlichkeit über das Ableben ihres „geliebten Dinosauriers“ (Päch).
Horst Illmer
Herbert W. Franke ist im Alter von 95 Jahren gestorben!
Wie jetzt? War das nicht erst gestern, dass ich ihm in der EXODUS zu seinem 90. Geburtstag gratuliert habe – und kurz vorher in der phantastisch! die Frage stellte: „Was macht eigentlich … Herbert W. Franke?“ So war es eigentlich
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Ein seltsamer Tag
von Horst Illmer am 18. Juli 2022 Kommentare deaktiviert für Ein seltsamer Tag
Olaf Brill (Text) & Michael Vogt (Bilder)
EIN SELTSAMER TAG.
DIE TRANSUNIVERSALE EISENBAHN UND ANDERE ROBOTERMÄRCHEN.
Stuttgart, Panini, 2022, 104 S.
ISBN 978-3-7416-3093-4
Hardcover / 29,00 Euro
Bereits seit 2011 läuft die Comic-Serie EIN SELTSAMER TAG, gezeichnet von Michael Vogt, getextet von Olaf Brill, im Science-Fiction-Magazin phantastisch! (sowie in Einzelepisoden auch immer mal an anderer Stelle). Held der inzwischen mehr als fünfzig Episoden ist der Roboter „Elf-Zehn“, der irgendwo in einem recht menschenleeren Universum nicht nur die tollsten Abenteuer, sondern auch die „Gefahren“ des häuslichen Lebens zu bestehen hat. Selbst für Leser*innen der ersten Stunde ist es da schwer, den Überblick zu bewahren bzw. „das Ganze“ im Gedächtnis zu behalten.
2018 gab es bereits einen ersten Sammelband (Episode 1 bis 32) im Atlantis Verlag, jetzt hat der Panini Verlag das Potenzial dieser bebilderten Robotermärchen erkannt und im Sommer 2022 eine neue Gesamtausgabe (inklusive einiger Erstveröffentlichungen) vorgelegt, die den epischen Titel EIN SELTSAMER TAG: DIE TRANSUNIVERSALE EISENBAHN UND ANDERE ROBOTERMÄRCHEN trägt und im Album-Großformat immerhin 104 Seiten stark geworden ist.
Dieser Band ist für Fans der Serie ein „muss“, zugleich ein hübsches Geschenk für jedes Alter und Geschlecht, und für Neueinsteiger einfach eine unerschöpfliche Fundgrube herrlich-skurriler Stories, die vermutlich selbst Stanislaw Lem, dem Meistererzähler der ROBOTERMÄRCHEN, gefallen hätten.
Horst Illmer
Olaf Brill (Text) & Michael Vogt (Bilder)
EIN SELTSAMER TAG.
DIE TRANSUNIVERSALE EISENBAHN UND ANDERE ROBOTERMÄRCHEN.
Stuttgart, Panini, 2022, 104 S.
ISBN 978-3-7416-3093-4
Hardcover / 29,00 Euro
Bereits seit 2011 läuft die Comic-Serie EIN SELTSAMER TAG, gezeichnet von Michael Vogt, getextet von Olaf Brill, im Science-Fiction-Magazin phantastisch! (sowie in Einzelepisoden auch immer mal an anderer Stelle). Held der inzwischen mehr als fünfzig Episoden ist der
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Lyrics
von Horst Illmer am 4. Juli 2022 Kommentare deaktiviert für Lyrics
Paul McCartney
LYRICS. 1956 bis heute.
Herausgegeben und eingeleitet von Paul Muldoon
Übersetzt aus dem Englischen von Conny Lösch
Illustriert
(The Lyrics: 1956 to Present / 2021)
München, C. H. Beck, 2021, 900 S.
ISBN 978-3-406-77650-2 / 2 Bände im Schuber / 78,00 Euro
Was ist groß und grün und wiegt gefühlte zehn Kilogramm?
Kleiner Tipp: Es liegt in Buchhandlungen rum und enthält ein ganzes Musikerleben.
Na?
Okay, hier die Auflösung: LYRICS von Paul McCartney.
Der Titel ist pures, englisches Understatement. Dahinter verbergen sich zwei großformatige Hardcoverbände (die in einem giftgrünen Leinenschuber stecken) mit zusammen fast 900 Seiten, in denen neben 154 Songs, die McCartney in den letzten 64 Jahren geschrieben hat, vor allem die mehr als 600 Bilder und natürlich die autobiografischen Kommentare eines der größten Songwriter aller Zeiten für sich sprechen.
Die Songs sind alphabetisch geordnet, was beim Lesen zu spannenden „Zeitsprüngen“ verhilft. Die ersten dreißig Seiten enthalten ein Vorwort von McCartney und einen Essay von Herausgeber Paul Muldoon, dann geht es Schlag auf Schlag, bzw. Song für Song, durch eines der spannendsten Musikerleben der letzten 80 Jahre. Die Songtexte stehen im englischen Original, alles andere wurde von Conny Lösch hervorragend übersetzt.
Manchmal steckt ein ganzes Leben in einem Lied – bei Paul waren es mehr als 150!
Horst Illmer
Paul McCartney
LYRICS. 1956 bis heute.
Herausgegeben und eingeleitet von Paul Muldoon
Übersetzt aus dem Englischen von Conny Lösch
Illustriert
(The Lyrics: 1956 to Present / 2021)
München, C. H. Beck, 2021, 900 S.
ISBN 978-3-406-77650-2 / 2 Bände im Schuber / 78,00 Euro
Was ist groß und grün und wiegt gefühlte zehn Kilogramm?
Kleiner Tipp: Es liegt in Buchhandlungen rum und enthält ein ganzes Musikerleben.
Na?
Okay, hier die Auflösung:
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Kunst ist wichtig
von Horst Illmer am 27. Juni 2022 3 Kommentare
Neil Gaiman
KUNST IST WICHTIG – WEIL DEINE VORSTELLUNGSKRAFT DIE WELT VERÄNDERN KANN.
Übersetzt von Rainer Schumacher, Dominique Pleimling & Ruggero Leò
Illustriert von Chris Riddell
(ART MATTERS / 2018)
Köln, Eichborn, 2022, 111 Seiten
ISBN 978-3-8479-0114-3 / 12,00 Euro
Viele Bücher von Neil Gaiman sind illustriert (und ich spreche nicht von seinen Comics), und wenn Chris Riddell mit am Start ist, lohnt es sich durchgängig, das Ergebnis in die Sammlung aufzunehmen. Die aktuellste Zusammenarbeit der Beiden ist der schmale Essay-Band KUNST IST WICHTIG.
Auf knapp 100 Seiten sind hier vier Texte Gaimans gesammelt, die ganz grob in die Richtung „Lebenshilfe“ tendieren. Darunter natürlich seine berühmte Vorlesung MAKE GOOD ART / MACHT GUTE KUNST, aber auch eine CREDO genannte Verteidigung der Meinungsfreiheit und eine Lobpreisung von Büchern, Bibliotheken und Bibliothekar*innen. Das alles wird durch die Bleistiftskizzen Riddells aufs Schönste ergänzt und oftmals ironisch gebrochen. In diesem Zusammenspiel macht selbst der Bericht darüber, was passieren kann, wenn ein Autor EINEN STUHL BAUEN will, höllisch viel Vergnügen.
Ein Buch (nicht nur) für junge Künstler jeden Alters!
Horst Illmer
Neil Gaiman
KUNST IST WICHTIG – WEIL DEINE VORSTELLUNGSKRAFT DIE WELT VERÄNDERN KANN.
Übersetzt von Rainer Schumacher, Dominique Pleimling & Ruggero Leò
Illustriert von Chris Riddell
(ART MATTERS / 2018)
Köln, Eichborn, 2022, 111 Seiten
ISBN 978-3-8479-0114-3 / 12,00 Euro
Viele Bücher von Neil Gaiman sind illustriert (und ich spreche nicht von seinen Comics), und wenn Chris Riddell mit am Start ist, lohnt es sich durchgängig, das
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Lex Talionis
von Horst Illmer am 20. Juni 2022 Kommentare deaktiviert für Lex Talionis
Michael Marrak
LEX TALIONIS. Roman.
Berlin, Memoranda, 2022, 320 S.
ISBN 978-3-948616-64-9 / 19,90 Euro
Es ist alles vorhanden: Ein „beratender“ Fallanalyst mit übernatürlichen Fähigkeiten im Dienst der Ermittlungsbehörden. Eine On-Off-Beziehungskiste zwischen dem „postkognitiven Rekonstruktor“ Alexander Crohn und der Kommissarin Miriam Fechner. Dazu noch die „üblichen Verdächtigen“: Gute Bullen, böse Bullen, treue Freunde, unsichere Kandidaten und ein Serienmörder, der den Helden an die Grenzen seiner Fähigkeiten bringt – und es handelt sich hier nicht um einen schwachen Abklatsch von Jim Butchers „Harry Dresden“-Bücher, sondern um den neuesten Roman von Michael Marrak mit dem Titel LEX TALIONIS, der soeben bei Memoranda erschienen ist.
Die Handlung setzt unmittelbar damit ein, dass Crohn von Fechner zum Tatort eines grausigen Verbrechens gerufen wird. Trotz einer „Pause“ in ihrer persönlichen Beziehung vertraut sie seinen Fähigkeiten uneingeschränkt. Diese allerdings erweisen sich im Verlauf des Geschehens als überaus trügerisch und bringen nicht nur die Ermittlungen, sondern auch die Beteiligten selbst in größte Gefahr. Wie sich herausstellt, gibt es wohl ein Wesen aus einem Zwischenreich, das unsere Welt dafür nutzt, seinen Hass auf alles Lebendige „auszuleben“. Das titelgebende „Lex Talionis“ (eine uralte Rechtsformel, die auf einen Ausgleich zwischen Täter und Opfer hinwirken soll) wirft in seiner archaischen Bedeutung die Frage danach auf, wer nun „Opfer“ und wer „Täter“ ist …
Nach gut 300 ebenso gruseligen wie kurzweiligen, immer aber spannend erzählten Seiten ist der Boden bereitet, das Personal vorgestellt und nichts wirklich geklärt – gut dass da „Ende des ersten Bandes“ steht!
Horst Illmer
Michael Marrak
LEX TALIONIS. Roman.
Berlin, Memoranda, 2022, 320 S.
ISBN 978-3-948616-64-9 / 19,90 Euro
Es ist alles vorhanden: Ein „beratender“ Fallanalyst mit übernatürlichen Fähigkeiten im Dienst der Ermittlungsbehörden. Eine On-Off-Beziehungskiste zwischen dem „postkognitiven Rekonstruktor“ Alexander Crohn und der Kommissarin Miriam Fechner. Dazu noch die „üblichen Verdächtigen“: Gute Bullen, böse Bullen, treue Freunde, unsichere Kandidaten und ein Serienmörder, der den Helden an die Grenzen
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Pantopia
von Horst Illmer am 13. Juni 2022 Kommentare deaktiviert für Pantopia
Theresa Hannig
PANTOPIA. Roman.
Frankfurt, Fischer TOR, 2022, 460 Seiten
ISBN 978-3-596-70640-2 / 16,99 Euro
Klappenbroschur
Die 1984 geborene Theresa Hannig entwickelt sich nach ihrem überraschend erfolgreichen Erstlings-Duo DIE OPTIMIERER / DIE UNVOLLKOMMENEN (Bastei Lübbe) zu einer der interessantesten Autorinnen im Bereich der deutschen Science Fiction.
Wenn PANTOPIA ein Kriminalroman wäre, würde er auf Seite 10 enden. Denn dort „verrät“ die Autorin bereits, wie die Geschichte ausgeht. Glücklicherweise handelt es sich hier jedoch um einen Science-Fiction-Roman und in diesem Fall gilt immer noch: Das Wichtigste ist „die Idee“ und „Der Weg ist das Ziel“.
Wenn ich einen gewöhnlichen Roman besprechen würde, wäre meine Rezension hier zu Ende, denn eigentlich habe ich schon zu viel „verraten“. Glücklicherweise handelt es sich hier jedoch um eine Utopie von Theresa Hannig – und wenn es irgendwo „unzuverlässige“ Erzähler*innen gibt, dann in utopischen Geschichten.
Es könnte also alles auch ganz anders gewesen sein.
Bei Fischer TOR ist soeben Hannigs neuer Roman PANTOPIA erschienen, in dem sie es tatsächlich wagt, eine Utopie nicht nur anzudenken, sondern als erfolgversprechende Möglichkeit durchzudeklinieren. Im Gegensatz zu den meisten mir bekannten Büchern ihrer Kollegen, sieht Hannig in der Weiterentwicklung der Künstlichen Intelligenz eine Chance (wenngleich auch nur eine kleine) für das Überleben der menschlichen Zivilisation.
Allein dafür gebührt ihr schon jede Menge Respekt; unabhängig von solchen Vorschusslorbeeren zeigt sich dann zudem noch, dass Hannig eine glänzende Erzählerin ist, sodass schon in diesem Frühjahr einer der wichtigsten Romane des Jahres 2022 vorliegt.
Unbedingt lesenswert.
Horst Illmer
Theresa Hannig
PANTOPIA. Roman.
Frankfurt, Fischer TOR, 2022, 460 Seiten
ISBN 978-3-596-70640-2 / 16,99 Euro
Klappenbroschur
Die 1984 geborene Theresa Hannig entwickelt sich nach ihrem überraschend erfolgreichen Erstlings-Duo DIE OPTIMIERER / DIE UNVOLLKOMMENEN (Bastei Lübbe) zu einer der interessantesten Autorinnen im Bereich der deutschen Science Fiction.
Wenn PANTOPIA ein Kriminalroman wäre, würde er auf Seite 10 enden. Denn dort „verrät“ die Autorin bereits, wie die Geschichte
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Schlachthof 5 oder der Kinderkreuzzug: Ein Pflichttanz mit dem Tode
von Horst Illmer am 8. Juni 2022 Kommentare deaktiviert für Schlachthof 5 oder der Kinderkreuzzug: Ein Pflichttanz mit dem Tode
Kurt Vonnegut mit Ryan North (Text) & Albert Monteys (Bilder)
SCHLACHTHOF 5 ODER DER KINDERKREUZZUG: EIN PFLICHTTANZ MIT DEM TODE.
Ü: Matthias Wieland
(SLAUGHTERHOUSE-FIVE / 2020)
Ludwigsburg, Cross Cult, 2022, 192 S.
ISBN 978-3-96658-504-0 / 35,00 Euro
Hardcover-Album
Ich kenne und liebe Vonneguts Roman SLAUGHTERHOUSE-FIVE/SCHLACHTHOF 5 seit vielen Jahrzehnten, habe ihn immer mal wieder zur Hand genommen (auch mehrfach rezensiert) und betrachtete den Hinweis auf eine Visualisierung via Bildergeschichte mit etwas zwiespältigen Gefühlen.
Nun, nach der Lektüre der Graphic Novel SCHLACHTHOF 5 ODER DER KINDERKREUZZUG, für deren Skript der Kanadier Ryan North verantwortlich zeichnet und deren Bilder vom Spanier Albert Monteys stammen, überwiegt die Erleichterung: Dieses Buch war ein Monument seit es 1969 erschienen ist – und es ist ein monumentaler Comic daraus geworden!
Autor und Zeichner nehmen sich viel Raum (fast 200 Seiten) und „übersetzen“ Vonneguts Text gekonnt und respektvoll ins Medium Comic. Beachtlich ist dabei, dass sie nicht nur die, auch bei Vonnegut schon vorhandenen, plakativen Szenen von Sex, Gewalt und Alien-Exotik in den Vordergrund stellen und so billige Effekthascherei betreiben, sondern ihren Protagonisten Billy Pilgrim ebenso geduldig wie liebevoll auch dann begleiten, wenn er sinnend im Bett liegt, Patienten in seiner Praxis untersucht, mit Geschäftsfreunden langweilige Partys feiert oder geduldig die besorgten Vorwürfe seiner Tochter über sich ergehen lässt.
SCHLACHTHOF 5 ODER DER KINDERKREUZZUG war schon immer mehr als „nur“ ein Anti-Kriegsbuch oder ein Science-Fiction-Roman oder eine satirische Zustandsbeschreibung der menschlichen Rasse: Vonneguts Text ist ein erzählerisches Meisterwerk, ein Jahrhundertbuch – und die Graphic Novel von North und Monteys wird dem absolut gerecht.
Die Transformation in ein anderes Medium ist geglückt und so wird SCHLACHTHOF 5 ODER DER KINDERKREUZZUG nicht nur Menschen erfreuen, die das Original noch nicht kennen, sondern auch allen anderen Vergnügen beim „Wieder-Lesen“ bereiten.
Horst Illmer
Kurt Vonnegut mit Ryan North (Text) & Albert Monteys (Bilder)
SCHLACHTHOF 5 ODER DER KINDERKREUZZUG: EIN PFLICHTTANZ MIT DEM TODE.
Ü: Matthias Wieland
(SLAUGHTERHOUSE-FIVE / 2020)
Ludwigsburg, Cross Cult, 2022, 192 S.
ISBN 978-3-96658-504-0 / 35,00 Euro
Hardcover-Album
Ich kenne und liebe Vonneguts Roman SLAUGHTERHOUSE-FIVE/SCHLACHTHOF 5 seit vielen Jahrzehnten, habe ihn immer mal wieder zur Hand genommen (auch mehrfach rezensiert) und betrachtete den Hinweis auf
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Die geheime Geschichte von Wonder Woman
von Horst Illmer am 1. Juni 2022 1 Kommentar
Jill Lepore
DIE GEHEIME GESCHICHTE VON WONDER WOMAN.
Ü: Werner Roller
(THE SECRET HISTORY OF WONDER WOMAN / 2014)
München, C. H. Beck, 2022, 552 S.
ISBN 978-3-406-78455-2
Hardcover / 29,90 Euro
Sie war die erste Superheldin der Comic-Geschichte und ihre Erfolgsgeschichte gleicht der ihrer Kollegen Batman und Superman: Die Rede ist von Wonder Woman, die Ende 1941 ihren ersten Auftritt im achten Heft von DCs All-Star Comics hatte.
So konnte also auch Diana Prince (WWs Tarnidentität) inzwischen ihren „Achtzigsten“ feiern; und alles Wissenswerte über die kampferprobte Amazone ist nachzulesen in dem soeben bei C. H. Beck erschienenen Band DIE GEHEIME GESCHICHTE VON WONDER WOMAN. Geschrieben hat diese „Secret History“ die amerikanische Geschichtsphilosophin Jill Lepore, die weltweit mit DIESE WAHRHEITEN, einem historischen Wälzer über die Vereinigten Staaten, Erfolg hatte und 2021 mit dem Hannah-Arendt-Preis ausgezeichnet wurde.
Lepores Comic-Biografie, die im Original bereits 2014 erschien, berichtet nicht nur über die Meilensteine in Wonder Womans Publikationsgeschichte, sondern bringt auch jede Menge bisher unbekannter Fakten über deren Erfinder, den Experimental-Psychologen William M. Marston zutage. Zugleich zieht Lepore durchaus schlüssige Querverbindungen zum (amerikanischen) Feminismus, der sich mit Wonder Woman auch erst einmal anfreunden musste. Das großformatige Hardcover enthält jede Menge Bildmaterial, den üblichen akademischen Anhang (inklusive Register), und ist in der Übersetzung von Werner Roller eine durchaus kurzweilige Lektüre.
Horst Illmer
Jill Lepore
DIE GEHEIME GESCHICHTE VON WONDER WOMAN.
Ü: Werner Roller
(THE SECRET HISTORY OF WONDER WOMAN / 2014)
München, C. H. Beck, 2022, 552 S.
ISBN 978-3-406-78455-2
Hardcover / 29,90 Euro
Sie war die erste Superheldin der Comic-Geschichte und ihre Erfolgsgeschichte gleicht der ihrer Kollegen Batman und Superman: Die Rede ist von Wonder Woman, die Ende 1941 ihren ersten Auftritt im achten Heft von DCs All-Star
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Die Wächterinnen von New York
von Horst Illmer am 18. Mai 2022 Kommentare deaktiviert für Die Wächterinnen von New York
N. K. Jemisin
DIE WÄCHTERINNEN VON NEW YORK. Roman.
Ü: Benjamin Mildner
(THE CITY WE BECAME / 2020)
Stuttgart, Tropen (Klett-Cotta), 2022, 538 S.
ISBN 978-3-608-50018-9
Hardcover mit Schutzumschlag
Ab einer bestimmten Größe werden Städte lebendig und suchen sich Avatare unter ihren Bewohnern aus, die als Stellvertreter für sie denken und handeln. Ausgestattet mit mystisch-magischen Fähigkeiten (ähnlich den Superhelden-Kräften von Comic-Figuren) müssen diese gegen mächtige und uralte außerweltliche Feinde kämpfen, welche die Gelegenheit eines Generationenwechsels dazu nutzen wollen, aus ihrer Dimension in unsere zu wechseln und hier Fuß zu fassen, einen Brückenkopf für eine Invasion zu errichten.
Als nun in New York gleich mehrere neue „Wächterinnen“ ihre Ämter in den fünf Stadtbezirken übernehmen, mehren sich die Zeichen, dass der Feind diese Situation ausnutzen will. Und noch während die fünf Avatare versuchen, sich in ihren neuen Rollen zurechtzufinden, beginnen die ersten Angriffe …
N. K. Jemisin ist eine der auffälligsten neuen Stimmen der US-amerikanischen Phantastik und hat in den letzten Jahren Genre-Preise abgeräumt wie keine Zweite. In Deutschland erschien zuletzt die Trilogie DIE GROSSE STILLE bei Knaur. Ihren neuesten, wieder allseits hochgelobten Roman DIE WÄCHTERINNEN VON NEW YORK hat sich nun der Tropen Verlag gesichert, wo der Titel in der Übersetzung von Benjamin Mildner als Hardcover erschienen ist.
Auch wenn der von einigen Kritikern gezogene Vergleich zum wohl berühmtesten New York-Buch MANHATTAN TRANSFER von John Dos Passos vielleicht etwas überzogen ist, so finden sich neben mehr oder weniger deutlichen Querverbindungen zu Alan Moores WATCHMEN-Comic und den Erzählungen eines H. P. Lovecraft bei aller Modernität auch Anspielungen auf Walt Whitmans Lyrik und Mark Twains Humor. Der Urban-Fantasy-Roman DIE WÄCHTERINNEN VON NEW YORK steht auch im erzählerischen Werk von Jemisin noch etwas verlassen im Raum, als erster Teil einer neuen Trilogie stellt er jedoch vollumfänglich zufrieden.
Horst Illmer
N. K. Jemisin
DIE WÄCHTERINNEN VON NEW YORK. Roman.
Ü: Benjamin Mildner
(THE CITY WE BECAME / 2020)
Stuttgart, Tropen (Klett-Cotta), 2022, 538 S.
ISBN 978-3-608-50018-9
Hardcover mit Schutzumschlag
Ab einer bestimmten Größe werden Städte lebendig und suchen sich Avatare unter ihren Bewohnern aus, die als Stellvertreter für sie denken und handeln. Ausgestattet mit mystisch-magischen Fähigkeiten (ähnlich den Superhelden-Kräften von Comic-Figuren) müssen diese gegen mächtige
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Erzähler des Klimawandels
von Horst Illmer am 11. Mai 2022 Kommentare deaktiviert für Erzähler des Klimawandels
Fritz Heidorn & Kim Stanley Robinson
KIM STANLEY ROBINSON – ERZÄHLER DES KLIMAWANDELS
Ü: Anne-Marie Wachs & Jakob Schmidt
Originalausgabe
Berlin, Hirnkost, 2022, 320 S.
ISBN 978-3-949452-31-4 / 28,- Euro
Hardcover
„Kim Stanley Robinson ist als philosophisch gebildeter und politisch interessierter Schriftsteller daran interessier, Erzählungen über die Entwicklung der Menschheit in den nächsten denkbaren Zukunftsvariationen zu schreiben. Science-Fiction in der Definition von Robinson ist naturwissenschaftlich basiert, technologisch interessiert […], ethisch, moralisch, politisch und philosophisch begründet – und – nicht zuletzt, auf gute Entwicklungen hin ausgerichtet.“ (S. 32)
Seit dem Erscheinen seines Romans DAS MINISTERIUM FÜR DIE ZUKUNFT (Heyne) ist Kim Stanley Robinson dem „Ghetto“ der Science Fiction endgültig entwachsen und „in der Mitte“ der literarischen Diskussion über die Zukunft der Menschheit angekommen.
Zu behaupten, dass Robinson seine Karriere als Schüler der großen Ursula K. Le Guin startete, wäre wohl nur wenig übertrieben. Jedenfalls besuchte er in den 1970er Jahren Schreib-Workshops bei denen er Le Guin traf, was zu einer lebenslangen Freundschaft führte. Seine ersten Geschichten erschienen 1976 in der ORBIT-Reihe von Damon Knight, seine ersten Romane 1984. Beide Bücher, DAS WILDE UFER und DIE EISIGEN SÄULEN DES PLUTO, erschienen dann 1986/87 bei Bastei Lübbe und machten ihn hierzulande bekannt. Trotz eines Wechsels zu Heyne, wo dann Ende der 1990er Jahre die berühmte MARS-Trilogie veröffentlicht wurde, gab es eine unerklärliche Publikations-Pause (von 2002 bis 2013), in der in den USA eine ganze Reihe wichtiger Romane erschienen, die bisher noch keinen Weg ins Deutsche gefunden haben. Erst in den letzten zehn Jahren ist Robinson auf dem deutschen Markt wieder präsent. Seither erschienen so herausragende utopische Zukunftsentwürfe wie AURORA, NEW YORK 2140 und ROTER MOND.
Da Kim Stanley Robinson bei uns vor allem als Romanautor in Erscheinung getreten ist, bot es sich an, auch sein Schaffen als Verfasser kurzer Texte in einem Sammelband zu präsentieren und ihn dabei auch als Mensch, Umweltschützer, Wissenschaftler und politischen Aktivisten vorzustellen.
Der 1952 geborene Robinson und der gleichaltrige Didaktiker und Umweltaktivist Fritz Heidorn sind seit vielen Jahren befreundet. Das bisher schönste Ergebnis dieser Beziehung ist das in Zusammenarbeit mit dem Klimahaus Bremerhaven entstandene Buch KIM STANLEY ROBINSON – ERZÄHLER DES KLIMAWANDELS, das, neben zehn Kurzgeschichten Robinsons (alle entweder deutsche Erstausgaben oder neu übersetzt), einen umfangreichen biografischen Essay Heidorns, Interviews, eine Bibliografie und zusätzlich Informationen über das erstaunliche „Klimahaus“-Projekt in Bremerhaven enthält.
Lob und Preis gebührt dem Hirnkost Verlag außerdem für die herausragende liebevolle Buchgestaltung. Nicht nur der zweifarbige Druck, das ausgeklügelte Design und das beziehungsreiche Titelbild erfreuen Hand und Auge, auch die feste Bindung und das Lesebändchen sorgen dafür, dass man KIM STANLEY ROBINSON – ERZÄHLER DES KLIMAWANDELS immer wieder gerne zur Hand nimmt.
Das Schlusswort zu diesem überaus gelungenen Buch stammt von Kim Stanley Robinson selbst, dessen Credo lautet: „Wir leben in einem großen Science-Fiction-Roman, den wir alle gemeinsam schreiben.“
Horst Illmer
Fritz Heidorn & Kim Stanley Robinson
KIM STANLEY ROBINSON – ERZÄHLER DES KLIMAWANDELS
Ü: Anne-Marie Wachs & Jakob Schmidt
Originalausgabe
Berlin, Hirnkost, 2022, 320 S.
ISBN 978-3-949452-31-4 / 28,- Euro
Hardcover
„Kim Stanley Robinson ist als philosophisch gebildeter und politisch interessierter Schriftsteller daran interessier, Erzählungen über die Entwicklung der Menschheit in den nächsten denkbaren Zukunftsvariationen zu schreiben. Science-Fiction in der Definition von Robinson ist naturwissenschaftlich basiert,
- Kategorie: Bücher , Horsts Bibliothek , Science Fiction
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Die Albatross Connection
von Horst Illmer am 25. April 2022 Kommentare deaktiviert für Die Albatross Connection
Michele K. Troy
DIE ALBATROSS CONNECTION.
Drei Glücksritter und das »Dritte Reich«.
Übersetzung: Herwig Engelmann
(Strange Bird – The Albatross Press and The Third Reich / 2017)
München, Europa Verlag, 2021, 544 Seiten
ISBN 978-3-95890-380-7 / 42,00 Euro
Ein außergewöhnliches historisches Werk ist Anfang des Jahres 2022 im Europa Verlag erschienen: Die „Biografie“ eines Verlags und seiner drei Gründer; ein Sachbuch, das sich wie ein Krimi liest und Einblicke in ein bisher übersehenes (oder verdrängtes) Kapitel des deutschen Literaturbetriebs in den 1930er Jahren vermittelt.
Die amerikanische Professorin für Englische Literatur Michele K. Troy legt mit DIE ALBATROSS CONNECTION – DREI GLÜCKSRITTER UND DAS »DRITTE REICH« das umfangreiche Ergebnis ihrer jahrelangen Studien vor, die sich dem Verlag Albatross Press widmeten. Gegründet wurde Albatross von John Holroyd-Reece, Max Christian Wegner und Kurt Enoch im Jahr 1932. Die drei hatten die unglaubliche Idee, im Schatten, den das heraufziehende „Dritte Reich“ warf, von Hamburg aus das Deutsche Reich und das ganze Kontinentaleuropa mit den herausragenden Werken der zeitgenössischen anglo-amerikanischen Literatur zu versorgen – und für immerhin sieben Jahre gelang es ihnen, entgegen aller Wahrscheinlichkeit, Bücher von James Joyce und Aldous Huxley, Virginia Woolf und Katherine Mansfield, Dashiel Hammett und Thornton Wilder, und viele andere Hauptwerke der literarischen Moderne, zu drucken und zu verkaufen!
Troy erzählt in ihrem Buch welche Energie, Intelligenz, Durchsetzungskraft, aber auch wie viel Glück und Zufälle nötig waren, dieses Projekt ins Leben zu rufen und für eine so lange Zeit „unter dem Radar“ der diversen nationalsozialistisch kontrollierten Organisationen zu fliegen. Hier erfährt man zudem auch, dass der Albatross Verlag, praktisch „nebenbei“, das moderne Taschenbuch erfunden und so auf der ganzen Welt ein Medium für preiswerte Literaturvermittlung durchgesetzt hat.
Das alles erzählt Troy in einem flüssigen, eleganten Stil, der so gar nichts Akademisches hat, und nur der umfangreiche Anhang mit den Fußnoten und Anmerkungen, dem Register und der Bibliografie erinnern einen am Ende wieder daran, dass hier Tatsachen vermittelt wurden und die Glücksritter-Geschichte tatsächlich passiert ist. Und so ist DIE ALBATROSS CONNECTION nicht nur eine Lektüre für Menschen, die gerne einmal „hinter die Kulissen“ schauen wollen, sondern auch noch gute Unterhaltung.
Horst Illmer
Michele K. Troy
DIE ALBATROSS CONNECTION.
Drei Glücksritter und das »Dritte Reich«.
Übersetzung: Herwig Engelmann
(Strange Bird – The Albatross Press and The Third Reich / 2017)
München, Europa Verlag, 2021, 544 Seiten
ISBN 978-3-95890-380-7 / 42,00 Euro
Ein außergewöhnliches historisches Werk ist Anfang des Jahres 2022 im Europa Verlag erschienen: Die „Biografie“ eines Verlags und seiner drei Gründer; ein Sachbuch, das sich wie ein Krimi liest
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KI 2041 – Zehn Zukunftsvisionen
von Horst Illmer am 13. April 2022 Kommentare deaktiviert für KI 2041 – Zehn Zukunftsvisionen
Kai-Fu Lee & Quifan Chen
KI 2041 – ZEHN ZUKUNFTSVISIONEN.
Aus dem Englischen von Thorsten Schmidt
(AI 2041 – TEN VISIONS FOR OUR FUTURE / 2021)
Frankfurt/New York, Campus, 2022, 534 Seiten
ISBN 978-3-593-51549-6 / 26,00 Euro
Am 14. Februar 2022 las ich im Wirtschaftsteil (!!!) der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Auszüge aus einer Sammlung von kommentierten Science-Fiction-Geschichten, die sich mit der Entwicklung von künstlicher Intelligenz, also von superklugen Computern und dem befürchteten negativen Einfluss auf unser Leben beschäftigten.
Den Anlass für diesen Artikel gaben die beiden chinesischen Wissenschaftler und Autoren Kai-Fu Lee und Quifan Chen, die gemeinsam einen Band mit „zehn Zukunftsvisionen“ verfasst haben, der unter dem Titel KI 2041 im Campus Verlag erschienen ist. Darin teilen sich der Computerexperte Lee und der Science-Fiction-Starautor Chen die Arbeit: Chen hat zehn Kurzgeschichten geschrieben, in denen die Interaktion zwischen KI und Mensch im Mittelpunkt steht, und Lee analysiert danach jeweils, welchen Realitätsgehalt die Geschichten bergen, welche Möglichkeiten mit welchen Wahrscheinlichkeiten eintreten (oder eben auch nicht eintreten). Der gewählte Zeitraum von zwanzig Jahren (das Original erschien 2021, die Geschichten spielen alle im Jahr 2041) erscheint aus Sicht der Science Fiction erst mal nicht besonders spektakulär, allerdings würden die meisten KI-Forscher sich wohl im Moment schon bei Vorhersagen unwohl fühlen, die auch nur zwanzig Monate in die Zukunft reichen.
Das Buch präsentiert sich als Zwitter aus Science Fiction und Sachbuch – die Geschichten bekommen alle einen „Fakten-Check“-Rahmen, am Ende steht ein Register – und so geht man mit gemischten Gefühlen an die Lektüre, die sich dann jedoch als kurzweilig, informativ und überraschend positiv erweist. Der „andere“ Blickwinkel dieser Autoren verlangt danach, eigene Vorurteile zurückzustellen und vieles neu zu überdenken. Ob wie die Zukunft danach ebenfalls „anders“ bewerten, bleibt uns jedoch immer (noch) selbst überlassen.
Wenn die Zukunftsliteratur jetzt schon im Wirtschaftsteil der Zeitung stattfindet und nicht mehr im Feuilleton, dann ist es wohl auch nicht mehr weit bis zum Eintritt der von Vernor Vinge bzw. Ray Kurzweil prognostizierten „Singularität“. In KI 2041 finden wir einige tröstliche und optimistische Ansichten darüber, was das für uns bedeutet.
Horst Illmer
Kai-Fu Lee & Quifan Chen
KI 2041 – ZEHN ZUKUNFTSVISIONEN.
Aus dem Englischen von Thorsten Schmidt
(AI 2041 – TEN VISIONS FOR OUR FUTURE / 2021)
Frankfurt/New York, Campus, 2022, 534 Seiten
ISBN 978-3-593-51549-6 / 26,00 Euro
Am 14. Februar 2022 las ich im Wirtschaftsteil (!!!) der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Auszüge aus einer Sammlung von kommentierten Science-Fiction-Geschichten, die sich mit der Entwicklung von künstlicher Intelligenz, also
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Die Erzählungen des Folio Club
von Horst Illmer am 6. April 2022 3 Kommentare
Edgar Allan Poe
DIE ERZÄHLUNGEN DES FOLIO CLUB
Übersetzt, herausgegeben und mit einem Nachwort von Rainer Bunz
(TALES OF THE FOLIO CLUB / 1833)
München, Manesse, 2021, 310 Seiten
ISBN 978-3-7175-2480-9 / 25,00 Euro
Ein ganzes Buch voller Kurzgeschichten von Edgar Allan Poe (1809–1849) in Deutscher Erstveröffentlichung? Das ist bei einem solchen Autor von Weltrang schon eine große Überraschung.
Wie es dazu kam, dass DIE ERZÄHLUNGEN DES FOLIO CLUB erst jetzt erschienen sind, erklärt sich aus der spannenden und komplizierten Editionsgeschichte des Originals, die vom Übersetzer und Herausgeber Rainer Bunz im umfangreichen Anhang und Nachwort detailversessen dargelegt wird.
Die Rahmenhandlung und die elf Stories gehören zu den frühesten Texten Poes und wurden in dieser Form erst viele Jahre nach seinem Tod aus dem Nachlass zusammengestellt. Die meisten Geschichten überarbeitete Poe später und in diesen veränderten Fassungen sind sie dann auch weltbekannt geworden. Allerdings war bereits der frühe Poe ein vorzüglicher Erzähler und Spötter, was diesen überwiegend satirischen Hommagen an die zeitgenössische Literatur und ihre Verfasser sehr gut bekommt. Poe zu lesen ist immer ein Vergnügen, das sich hier zudem mit dem Genuss vermischt, einige sehr bekannte Geschichten, wie etwa „Metzengerstein“ oder „Das Manuskript in der Flasche“, quasi in einer „Rohdiamant-Fassung“ kennen zu lernen.
Der handliche, sehr schön produzierte Band (orangefarbener Schutzumschlag mit passendem Lesebändchen und gleichfarbigem Garn für die Fadenheftung!) war eine echte Entdeckung für mich, die wohlige Erinnerungen an ganz frühe Lektüreerlebnisse wachgerufen hat.
Horst Illmer
Edgar Allan Poe
DIE ERZÄHLUNGEN DES FOLIO CLUB
Übersetzt, herausgegeben und mit einem Nachwort von Rainer Bunz
(TALES OF THE FOLIO CLUB / 1833)
München, Manesse, 2021, 310 Seiten
ISBN 978-3-7175-2480-9 / 25,00 Euro
Ein ganzes Buch voller Kurzgeschichten von Edgar Allan Poe (1809–1849) in Deutscher Erstveröffentlichung? Das ist bei einem solchen Autor von Weltrang schon eine große Überraschung.
Wie es dazu kam, dass DIE ERZÄHLUNGEN DES
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Schwarze Spiegel
von Horst Illmer am 28. März 2022 Kommentare deaktiviert für Schwarze Spiegel
Arno Schmidt & Nicolas Mahler
SCHWARZE SPIEGEL.
Illustriert von Niclas Mahler
Berlin, Suhrkamp, 2021, 190 Seiten
Bibliothek Suhrkamp, Band 1528
ISBN 978-3-518-22528-8
Und dann gab’s 2021 noch SCHWARZE SPIEGEL, ein ARNO SCHMIDT-Comic, gezeichnet von Nicolas Mahler, dem 1969 in Wien geborenen und vielfach preisgekrönten Karikaturisten und Meister der „Verknappung“.
Seine Nacherzählung einer Science-Fiction-Story von Schmidt (aus dem Jahr 1955) erschien in der klassischen „Hochliteratur“-Reihe „Bibliothek Suhrkamp“, die dafür ihr „heiliges“ Klein-Oktav-Format aufgeben musste, da Mahlers Bilder dann doch etwas mehr Platz brauchten.
Dafür erzählt er mit dem Tuschepinsel in Schwarz und Lila vom Leben eines Misanthropen, nachdem ein Atomkrieg im Jahr 1960 zumindest dessen Lebensraum – also Deutschland – menschenleer hinterlassen hat. Der Ich-Erzähler fährt mit dem Rad übers Land, besorgt sich aus den Ruinen was er braucht, stöbert durch Kaufläden und Museen – und redet sich ein: ALLES IST GUT.
Bis dann – hoppla – eine Frau auftaucht! Und sofort kommen die alten Eitelkeiten wieder zum Vorschein, beginnt der Balz-Tanz aufs Neue, „entdecken“ sich Mann und Frau wie zu allen Zeiten.
Allerdings scheint SIE die Klügere zu sein. Nach einiger Zeit drängt es sie zum Aufbruch: Die Welt will erforscht werden – und Sie ist offensichtlich nicht so selbstgenügsam – auch nicht so mit sich selbst allein zufrieden – wie ER. Mit einem Trick gelingt es IHR, eine peinliche Abschiedsszene zu vermeiden und einfach zu verschwinden. Wieder ist ER allein – aber es steht jetzt die Frage im Raum, ob immer noch ALLES GUT ist?
Horst Illmer
Arno Schmidt & Nicolas Mahler
SCHWARZE SPIEGEL.
Illustriert von Niclas Mahler
Berlin, Suhrkamp, 2021, 190 Seiten
Bibliothek Suhrkamp, Band 1528
ISBN 978-3-518-22528-8
Und dann gab’s 2021 noch SCHWARZE SPIEGEL, ein ARNO SCHMIDT-Comic, gezeichnet von Nicolas Mahler, dem 1969 in Wien geborenen und vielfach preisgekrönten Karikaturisten und Meister der „Verknappung“.
Seine Nacherzählung einer Science-Fiction-Story von Schmidt (aus dem Jahr 1955) erschien in der klassischen „Hochliteratur“-Reihe „Bibliothek Suhrkamp“, die
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Sternenschöpfer
von Horst Illmer am 16. März 2022 Kommentare deaktiviert für Sternenschöpfer
Stapledon, Olaf
STERNENSCHÖPFER – STAR MAKER.
Ü: Thomas Schlück
(STAR MAKER / 1937)
Lüneburg, Dieter von Reeken, 2022, 243 Seiten
ISBN 978-3-945807-76-5 / 17,50 Euro
Ein namenloser Mensch nimmt als Vertreter der Erde an einer kosmischen Weltschau teil, die von den Ursprüngen, noch vor dem Urknall, bis weit nach dem Erlöschen der letzten Atombewegung reicht.
Er durchreist das Universum, findet bewohnte Welten und beobachtet die Entwicklung der dortigen „Menschen“. Es läuft die immer gleiche Geschichte ab, in der nach dem Erfolg einer Idee sofort die Gegenbewegung einsetzt und die Fortschritte zunichtemacht. Auf vielen Welten gewinnt der Erzähler Gefährten, die sich ihm anschließen, und gemeinsam ziehen sie weiter. Langsam erweitert sich ihr geistiger Horizont, sodass sie auch erfolgreiche utopische Gesellschaften besuchen können. Die geistige Entwicklung der kosmischen Beobachtertruppe reicht am Ende des Buches aus, zusammen mit dem „kosmischen Geist“ den „größten Moment“, das Erblicken des „Sternenschöpfers“, zu erleben.
Das Höchste Wesen erscheint als Schöpfer-Künstler und unser Kosmos ist sein erstes Meisterwerk. Es folgt eine lange Reihe weiterer Schöpfungen, bis endlich der „letzte Kosmos und der ewige Geist“ Vollendung finden.
Stapledon unternimmt hier den Versuch, eigentlich nicht Vermittelbares in menschlicher Sprache darzustellen. Er weiß von Beginn an über sein Scheitern Bescheid, lässt sich davon aber nicht abhalten, die Geschichte zu erzählen. Es ist ein Thematisieren völlig abstrakter Ideen mit den Mitteln der Science Fiction und der Queste.
Intuitiv hat er dabei eine Reihe kosmologischer Phänomene beschrieben, die ihn als seiner Zeit weit voraus zeigen. Sein „Held“ beobachtet ein entropisches Universum, dessen Bewohner zwei wichtige Gemeinsamkeiten haben: Die Angst vor dem Ende und das Streben nach Gott.
Stilistisch bewegt sich das Buch zwischen detaillierten Beschreibungen utopischer Welten und philosophisch-religiösen Überblicken. Es verschweigt nicht, dass Leid, Verzweiflung und Irrsinn die vorherrschenden Strömungen für das Leben in allen seinen Formen darstellt, schafft es aber auch, während der Erzählung die Ästhetik des Fremden, Unbegreiflichen immer weiter zu steigern.
Olaf Stapledon erweist sich in diesem Buch als großer Utopist und Mythenmacher – vielleicht als der Größte überhaupt.
Horst Illmer
Stapledon, Olaf
STERNENSCHÖPFER – STAR MAKER.
Ü: Thomas Schlück
(STAR MAKER / 1937)
Lüneburg, Dieter von Reeken, 2022, 243 Seiten
ISBN 978-3-945807-76-5 / 17,50 Euro
Ein namenloser Mensch nimmt als Vertreter der Erde an einer kosmischen Weltschau teil, die von den Ursprüngen, noch vor dem Urknall, bis weit nach dem Erlöschen der letzten Atombewegung reicht.
Er durchreist das Universum, findet bewohnte Welten und beobachtet die Entwicklung der
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1984 – Dreierlei Antworten von Horst
von Horst Illmer am 9. März 2022 Kommentare deaktiviert für 1984 – Dreierlei Antworten von Horst
Angeregt durch das Gespräch, das Gerd, Bernie und Ralph Ende Februar für den WÜRZBLOG führten, und bei dem ihnen gerade mal keine wirklich gelungenen Umsetzungen von Literatur ins Medium Comic einfielen, wollte ich mich kurz „einbringen“ und die folgenden drei Graphic Novels zu einem literarischen Vorbild vorstellen:
1984
Jean-Christophe Derrien (Text)
Rémi Torregrossa (Bilder)
Übersetzung: Anja Kootz
München, Knesebeck, 2021, 124 S.
ISBN 978-3-95728-468-6 / 22,- Euro
1984 – BIG BROTHER IS WATCHING YOU
Sybille Titeux de la Croix (Text)
Amazing Ameziane (Bilder)
Übersetzung: Harald Sachse
Bielefeld, Splitter, 2021, 232 S.
ISBN 978-3-96219-102-3 / 29,80 Euro
1984
Fido Nesti (Text & Bilder)
Übersetzung: Michael Walter
Berlin, Ullstein, 2021, 224 S.
ISBN 978-3-550-20087-8 / 25,00 Euro
Größtmögliche Freiheit im künstlerischen Ausdruck oder größtmögliche Werktreue? Nirgendwo stellt sich diese Frage deutlicher als bei der bildhaften Umsetzung eines literarischen Werkes – sei es als Film, Fernsehserie oder Comic. An dieser Stelle wollen wir uns auf das Nacherzählen von George Orwells Roman 1984 in gezeichneter Form konzentrieren, also etwas, das gemeinhin als Comic bzw. Graphic Novel tituliert wird.
Nachdem die Rechteinhaber siebzig Jahre lang verhindert haben, dass Orwells Werk in Comicform „trivialisiert“ werden konnte, sind nach Ablauf des Copyrights ab 2021 keine Hindernisse mehr vorhanden. Gestartet hat den Reigen der 1984-Adaptionen hierzulande der Knesebeck Verlag aus München, in dem Anfang des Jahres 2021 die gleichnamige Graphic Novel als Übersetzung aus dem Französischen erschien. Das Szenario stammt von dem 1971 geborenen Drehbuchautor und Comic-Fan Jean-Christophe Derrien, die Bilder (und die Kolorierung) schuf der französische Zeichner Rémi Torregrossa, die Übersetzung wurde von Anja Kootz besorgt. Das 124 Seiten umfassende Hardcover enthält eine in düsteren Grautönen gehaltene „originalgetreue Adaption des Kultromans“ (Klappentext), die zur Mitte hin einige in zarten Pastelltönen gehaltene farbige Szenen bekommt (als sich Julia und Winston auf dem Land treffen und erstmals Sex miteinander haben), jedoch schnell wieder „ergraut“. Nur noch ganz selten werden einzelne Panels von Torregrossa eingefärbt um die Aufmerksamkeit der Betrachter*innen auf bestimmte Details zu lenken. Erwartungsgemäß wurde hier der „Anhang“ (der ja eine Erläuterung der Grammatikregeln ist) weggelassen – aber die von Orwell in ihm versteckte Hoffnung wird von Torregrossa in einer grün aufbrechenden Kastanienblüte gezeigt, die als kleines Bildquadrat eine ansonsten leere schwarze Schlussseite beherrscht.
Während Derrien und Torregrossa mit feinem, fast distanziert wirkendem „europäischem“ Strich und einer aufs Wesentliche reduzierten Story den Roman auf etwas mehr als einhundert Seiten unterbringen, kommt die bei Splitter veröffentlichte Ausgabe von 1984 – BIG BROTHER IS WATCHING YOU in der Adaption von Sybille Titeux de la Croix und Amazing Ameziane nahezu marktschreierisch und großspurig daher. Das 232 Seiten starke Hardcover ist deutlich größer und schwerer als die Knesebeck-Ausgabe und wirkt – vor allem zu Beginn – sehr bunt. Allerdings beweisen die beiden französischen Künstler, die mit MUHAMMAD ALI – DIE COMIC-BIOGRAFIE bereits 2015 einen internationalen Bestseller hatten, dass sie aufs Beste eingespielt sind. Während Titeux de la Croix’ Szenario (das von Harald Sachse eingedeutscht wurde) den Romantext, mit nur ganz behutsamen Kürzungen, größtenteils verwendet, wird Amazing Ameziane in seiner Bildsprache (die zwischendurch immer wieder einmal sehr stark an den Frank Miller der SIN CITY-Bücher erinnert) immer zurückhaltender und farbloser, bis, nach den reinen Grautönen der Folterszenen im dritten Teil, erst in der Schlussszene im Kaffe Kastanienbaum wieder etwas Farbe ins Spiel kommt. An dieser Stelle endet die Graphic Novel – für den „Appedix“ findet sich keine Entsprechung.
Mit Fido Nesti betritt ein 1971 im brasilianischen Sao Paulo geborener Südamerikaner die Bühne, dessen Blick auf die europäische Nachkriegswelt naturgemäß nochmals völlig anders ist als bei seinen französischen Kolleginnen und Kollegen. Der Autodidakt Nesti arbeitet seit über dreißig Jahren als Illustrator für Magazine und als Comiczeichner – und ist dem Orwell’schen Roman schon seit seiner Schulzeit „verfallen“. Seine bei Ullstein veröffentlichte Adaption ist eine Mischung aus franko-belgischer „ligne claire“ und dem kunstvoll-verknappten Zeichenstil eines Seth. An den erinnert auch die in düsteren grau-orange-rot Farben gehaltene Kolorierung. Die Seitenaufteilung folgt überwiegend dem klassischen 9-Pannels-pro Seite-Muster, wird jedoch immer wieder aufgebrochen, bis hin zu ganzseitigen, hoch-dynamischen und -drastischen Bildern. Das durchgängige Hand-Lettering wird an zwei Stellen aufgegeben: Zum einen sind die Passagen, die Winston seiner Julia aus Goldsteins Buch vorliest im Maschinensatz und mit einer anderen Hintergrundfarbe gestaltet; und der „Appendix“ mit den „Grundlagen des Neusprech“ ist als Anhang nach der letzten Bildseite angefügt. Die Buchgestaltung wirkt durch den glatten Beschnitt und den dicken Karton der Buchdeckel sehr rustikal, fast so, als ob die Graphic Novel von einer Zeitmaschine aus einer Ära der Knappheit und des Mangels zu uns gebracht worden wäre.
Nun, liebe Leserin, lieber Leser, liegt es an Dir! Welche dieser Ausgaben Du nun liest, bleibt allein Deinem Kunstverständnis und Deinen Vorlieben vorbehalten. Die Auswahl zu haben ist ein Privileg, das wir vor allem unserer vielfältigen Verlagslandschaft verdanken – dieses wundervolle Privileg zu nutzen ist nicht nur wertvoll sondern auch eine Verpflichtung.
George Orwells Buch gehört zum unzerstörbaren kollektiven Wissen um die Hinfälligkeit des Lebens und die Gefahren der Macht. 1984 ist immer – auch jetzt!
Horst Illmer
Angeregt durch das Gespräch, das Gerd, Bernie und Ralph Ende Februar für den WÜRZBLOG führten, und bei dem ihnen gerade mal keine wirklich gelungenen Umsetzungen von Literatur ins Medium Comic einfielen, wollte ich mich kurz „einbringen“ und die folgenden drei Graphic Novels zu einem literarischen Vorbild vorstellen:
1984
Jean-Christophe Derrien (Text)
Rémi Torregrossa (Bilder)
Übersetzung: Anja Kootz
München, Knesebeck, 2021, 124 S.
ISBN 978-3-95728-468-6
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Rosewater – Der Aufstand
von Horst Illmer am 2. März 2022 2 Kommentare
Tade Thompson
ROSEWATER – DER AUFSTAND. Roman.
Band 2 der WORMWOOD-Trilogie.
Aus dem Englischen von Jakob Schmidt
(THE ROSEWATER INSURRECTION / 2019)
München, Golkonda, 2022, 423 Seiten
Kartoniert, mit Lesebändchen
ISBN 978-3-96509-026-2 / 22,00 €
Da ist es wieder, unser „altes“ Problem: Den Mittelband einer Trilogie kritisch zu würdigen gehört zu den undankbaren Aufgaben im Leben eines Rezensenten. Andererseits gibt es ja die Leser*innen des ersten Bandes, die, soweit er ihnen gefallen hat, nur darauf warten, endlich weiterlesen zu können/dürfen.
Also, Ärmel hoch und los: Nachdem vor zwei Jahren ROSEWATER, der ausgewöhnlich gut gelungene Erstling von Tade Thompson erschienen ist, liegt jetzt im Frühjahr 2022 dessen Fortsetzung ROSEWATER – DER AUFSTAND in den Buchhandlungen. Format und Ausstattung wurden beibehalten, Jakob Schmidt hat als Übersetzer wieder gute Arbeit geleistet und Tade Thompson entwickelt sich inzwischen nicht nur im englischsprachigen Raum zu einem vielgelesenen und geschätzten Autor, der außer Science Fiction auch herausragende Thriller (WILD CARD bei Suhrkamp) schreiben kann.
In ROSEWATER – DER AUFSTAND erweitert Thompson den Kreis seiner Protagonisten und beschreibt in ständig wechselnden Erzählperspektiven wie es in der um die Alien-Kuppel herum entstandene Stadt Rosewater weitergeht. Zum einen versucht die Stadtverwaltung ihren Status dadurch zu „verbessern“, dass sie sich zum unabhängigen Staat erklärt, was die nigerianische Regierung natürlich zu Gegenreaktionen veranlasst. Andererseits haben auch die Aliens mehr Probleme als ihre irdischen Gegenspieler ahnen …
Es bleibt spannend – in Rosewater genauso wie in ROSEWATER – DER AUFSTAND, und nach gut 400 Seiten unterhaltsamer und anregender Lektüre bleibt uns nur die Hoffnung, dass Golkonda eventuell keine weiteren zwei Jahre für den Abschlussband braucht.
Horst Illmer
Tade Thompson
ROSEWATER – DER AUFSTAND. Roman.
Band 2 der WORMWOOD-Trilogie.
Aus dem Englischen von Jakob Schmidt
(THE ROSEWATER INSURRECTION / 2019)
München, Golkonda, 2022, 423 Seiten
Kartoniert, mit Lesebändchen
ISBN 978-3-96509-026-2 / 22,00 €
Da ist es wieder, unser „altes“ Problem: Den Mittelband einer Trilogie kritisch zu würdigen gehört zu den undankbaren Aufgaben im Leben eines Rezensenten. Andererseits gibt es ja die Leser*innen des ersten Bandes, die,
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Grenzwelten
von Horst Illmer am 16. Februar 2022 1 Kommentar
Ursula K. Le Guin
GRENZWELTEN. Zwei Romane.
Ü: Karen Nölle
(Originalzusammenstellung)
Frankfurt/M., Fischer Tor, Februar 2022, 400 S.
ISBN 978-3-596-70578-8 / 16,99 Euro
In der von Ursula K. Le Guin erdachten »Geschichte der menschlichen Zukunft« (in Science-Fiction-Kreisen auch gerne »Future History« genannt) stammen alle bekannten menschenähnlichen Völker der Galaxis von den Hain ab, weshalb ihre Erzählungen zusammengenommen den »Hainish«-Zyklus bilden und im Einflussbereich der »Ökumene« spielen. In der von TOR jetzt vorgelegten Originalzusammenstellung »Grenzwelten« sind zwei Romane Le Guins in der Neuübersetzung von Karen Nölle enthalten, die sie recht früh (DAS WORT FÜR WELT IST WALD, 1972) bzw. ziemlich spät (DIE ÜBERLIEFERUNG, 2000) in ihrer Schriftstellerinnen-Karriere geschrieben hat. Beide Bücher waren seit längerem vergriffen, sodass schon allein deswegen eine neue Ausgabe wünschenswert erschien.
DAS WORT FÜR WELT IST WALD (THE WORD FOR WORLD IS FOREST)
Dieser Roman bricht wie ein Naturereignis über den/die Leser*in herein; die Erzählung beginnt mitten im »Herz der Finsternis«.
Wir erleben die Protagonisten – Soldaten, Holzfäller und einige Wissenschaftler – bei ihrem Tagwerk auf dem Planeten Athsche, der bei ihnen den Namen New Tahiti trägt. Ihr Leben besteht aus Holzfällen, Roden und der gelegentlichen Jagd auf heimisches Rotwild und ist dabei von jener für menschliche Kolonisatoren typischen Arroganz und Überheblichkeit gegenüber den »Krietschi« genannten Einheimischen geprägt.
Da die Erde mittlerweile eine Betonwüste ist und dringend Holz braucht, stellt Athsche eine Goldgrube dar. Der Planet besteht auf seiner Landfläche ausschließlich aus Wald. Also wird er ausgebeutet. Die heimische Lebensform wird zu halbintelligenten Sklaven herabgewürdigt, dies vor allem, da sie eine konfliktvermeidende, friedliche Zivilisation aufgebaut haben. Erst als sie sich nach jahrelanger Qual wehren, müssen die Menschen einsehen, dass sie im Unrecht sind. Nur der friedliebenden Intelligenz der Athscheaner ist es zu danken, dass nicht alle Menschen getötet werden.
Das Werk steht deutlich unter dem Einfluss des Vietnam-Krieges. Die Entlaubungsaktionen und die menschenverachtende Politik der USA haben als Spiegel gedient für die Aktionen auf Athsche. Doch darüber hinaus ist es Le Guin gelungen, in ihren Personen die Archetypen solcher Konflikte zu zeichnen und darzustellen, dass es allemal schwieriger ist, Frieden zu schließen, als sinnlose Zerstörung zu verbreiten. In diesem Sinne also ein hoch moralisches Werk, das seine Intention jedoch hinter einer spannenden Geschichte zurücknimmt und keinen Zeigefinger wedeln lässt.
DIE ÜBERLIEFERUNG (THE TELLING)
»Die Überlieferung« war Le Guin letzte große Erzählung aus der Welt der Hainish.
Auf dem Planeten Aka hat sich seit dem ersten Kontakt mit der Ökumene eine rasante Entwicklung »hin zu den Sternen« ergeben, die aber als Kehrseite einen repressiven Staat zur Folge hat, der alles »Alte« als kriminell und fortschrittsfeindlich verfolgt. Die terranische Beobachterin Sati darf als erste Außenweltlerin nach vielen Jahren der Isolation ins Landesinnere reisen. Sie erlebt dort, nach einer Phase des vorsichtigen Abtastens, die ursprüngliche, die »wahre« Kultur der Einheimischen und versucht, diese zu verstehen und aufzuzeichnen. Diese Kultur ist auf Grund geographischer Besonderheiten des Planeten Aka sehr homogen, sehr friedlich und weiß wenig von Göttern und Glaubensproblemen. Sie hat starke konservative Züge, pflegt die eigene Geschichte in Büchern und vor allem im Erzählen.
Dieses »Überlieferung« genannte Ritual, von befähigten Menschen von Generation zu Generation weitergegeben, ist eine Mischung aus homerischem Erzählen und peinlich genauer Geschichtsschreibung. Bei allem Verständnis, das sich bei Sati entwickelt, bleibt jedoch ein Rest von Geheimnis – ja sogar oftmals von Missverstehen, resultierend daraus, dass eine gelebte, eigenständige Kultur sich nicht deckungsgleich übersetzen lässt.
Wie immer verbindet Le Guin philosophische Ideen mit einer interessanten Geschichte, menschlicher Anteilnahme und wundervollen Naturbeobachtungen. Sie greift eigene und von anderen Autoren (wie Orwell oder Bradbury) entwickelte Themenkreise auf, was sich jedoch kaum vermeiden lässt, da restriktive Systeme einander in der Wahl ihrer Unterdrückungsmethoden wohl allzu sehr gleichen.
Da Ursula Le Guin eine begnadete Erzählerin ist, fühlt man sich in diesem Buch schon nach dem ersten Absatz wohl und behütet; man lauscht und träumt und möchte, dass die Überlieferung niemals endet. Etwas Schöneres ist einem Buch kaum nachzusagen.
Horst Illmer
Ursula K. Le Guin
GRENZWELTEN. Zwei Romane.
Ü: Karen Nölle
(Originalzusammenstellung)
Frankfurt/M., Fischer Tor, Februar 2022, 400 S.
ISBN 978-3-596-70578-8 / 16,99 Euro
In der von Ursula K. Le Guin erdachten »Geschichte der menschlichen Zukunft« (in Science-Fiction-Kreisen auch gerne »Future History« genannt) stammen alle bekannten menschenähnlichen Völker der Galaxis von den Hain ab, weshalb ihre Erzählungen zusammengenommen den »Hainish«-Zyklus bilden und im Einflussbereich der »Ökumene« spielen.
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Die Flüchtigen
von Horst Illmer am 7. Februar 2022 Kommentare deaktiviert für Die Flüchtigen
Alain Damasio
DIE FLÜCHTIGEN. Roman.
Aus dem Französischen von Milena Adam
(LES FURTIFS / 2019)
Berlin, Matthes & Seitz, 2021, 844 Seiten
ISBN 978-3-7518-0039-6
Eigentlich liebe ich solche Bücher – und das ist das Problem, denn „eigentlich“ beinhaltet ja diverse Vorbehalte, und DIE FLÜCHTIGEN von Alain Damasio, Frankreichs neuestem Stern am Literaturhimmel, erfüllt auf den ersten Blick alle „Vorbehaltskriterien“:
Ein nicht eindeutig festzumachender Plot, ein Autor, der in seiner Heimat vielfach bejubelt wird, hierzulande aber noch völlig unbekannt ist, ein mit 844 Seiten äußerst umfangreicher Roman, der – und hier wird’s echt kritisch – beim Aufschlagen an beliebiger Stelle eine Typografie zeigt, die Arno Schmidt zu Begeisterungsrufen veranlasst hätte, „normale“ Leser*innen aber erst einmal verunsichert.
Äh, hallo, gibt es auch Gründe, die für das Buch sprechen?
Klar!
Alles oben Aufgeführte bringt „fortgeschrittene“ Literaturenthusiast*innen erst so richtig in Schwung. Da gibt es einen neuen Autor zu entdecken, noch dazu einen, der in Frankreich als Erneuerer der Science Fiction gilt und für jeden neuen Roman Lob und Preis einheimst. Da hat sich eine vorzügliche Übersetzerin, Milena Adam, die Mühe gemacht, ein in avantgardistischer Manier geschriebenes Werk ins Deutsche zu übersetzen. Und wenn Damasio der Meinung ist, dass im dritten Jahrtausend und im Zeitalter des Computersatzes hin und wieder einmal neue typografische Zeichen eingesetzt werden sollten, um zu zeigen, dass sich nicht nur die Technik, sondern auch die Sprache weiterentwickelt, so ist das nur zu begrüßen (und der Setzer, Hermann Zanier, unbedingt zu würdigen).
Braucht’s da noch einen Plot?
Klar!
Dieser Science-Fiction-Roman trägt gleichermaßen dystopische wie utopische Züge in sich, wenn er die Geschichte zweier liebender Eltern erzählt, die ihre „verloren“ gegangene Tochter suchen – und dabei auf Dinge stoßen, die genauso zweideutig sind wie das „richtige Leben“.
DIE FLÜCHTIGEN ist eine bewusstseinserweiternde Droge für Literaturjunkies ohne Scheuklappen, ein Trip, von dem sich erst beim Lesen entscheidet, ob sowas Spaß macht – „schön, schlank und sexy“ (wie Denis Scheck sagen würde) macht’s auf jeden Fall.
Horst Illmer
Alain Damasio
DIE FLÜCHTIGEN. Roman.
Aus dem Französischen von Milena Adam
(LES FURTIFS / 2019)
Berlin, Matthes & Seitz, 2021, 844 Seiten
ISBN 978-3-7518-0039-6
Eigentlich liebe ich solche Bücher – und das ist das Problem, denn „eigentlich“ beinhaltet ja diverse Vorbehalte, und DIE FLÜCHTIGEN von Alain Damasio, Frankreichs neuestem Stern am Literaturhimmel, erfüllt auf den ersten Blick alle „Vorbehaltskriterien“:
Ein nicht eindeutig festzumachender Plot, ein Autor, der
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Das Ende der Bücher
von Horst Illmer am 26. Januar 2022 Kommentare deaktiviert für Das Ende der Bücher
Octave Uzanne
DAS ENDE DER BÜCHER.
Ü: Anonym, Ill.: Steph von Reiswitz
Nachwort: Jochen Hörisch
(??? / 1894)
Berlin, Favoriten Presse, 2021, 60 S.
ISBN 978-3-968490-01-4
Hörbuch:
Argon Verlag, 1 CD, ungekürzte Lesung
ISBN 978-3-8398-1891-6
Noch ist es nicht soweit, aber der französische Bibliophile und Verleger Octave Uzanne hat es bereits 1894 vorhergesehen: »Das Ende der Bücher« steht bevor. In der kurzen Erzählung, die erstmals in einer Anthologie für Bücherliebhaber erschien, nahm sich Uzanne die Freiheit und spekulierte darüber, wie die Erfindungen von Thomas Alva Edison, die er sich kurz vorher in den USA angesehen hatte, den Umgang der Menschen mit den von Autoren erzählten Geschichten verändern würden. Damals waren die ersten Tonwalzen in Umlauf gekommen, auf denen kurze Text- oder Musikstücke aufgezeichnet wurden, die dann immer wieder abgespielt werden konnten.
Daraus entwickelt sich bei Uzanne eine völlig neue Industrie, die das gedruckte Buch verdrängt und alle neuen Werke in Form preiswerter Tonträger für die ehemaligen Leser (die nun zu Hörern werden) zur Verfügung stellt. Selbst den Walkman gibt es in Uzannes Vorstellung schon, ebenso eine Frühform des öffentlichen Rundfunks!
Glücklicherweise, so erklärt es Prof. Dr. Jochen Hörisch in seinem Nachwort, hat es sich gezeigt, dass neue Erfindungen das Altbewährte nur teilweise ersetzen, und so können wir Heutigen diese hübsche (und wundervoll mit Tuschezeichnungen von Steph von Reiswitz illustrierte) Proto-Science-Fiction-Geschichte immer noch in gedruckter Form genießen. Selbstverständlich gibt es »Das Ende der Bücher« auch als Hörbuch.
Horst Illmer
Octave Uzanne
DAS ENDE DER BÜCHER.
Ü: Anonym, Ill.: Steph von Reiswitz
Nachwort: Jochen Hörisch
(??? / 1894)
Berlin, Favoriten Presse, 2021, 60 S.
ISBN 978-3-968490-01-4
Hörbuch:
Argon Verlag, 1 CD, ungekürzte Lesung
ISBN 978-3-8398-1891-6
Noch ist es nicht soweit, aber der französische Bibliophile und Verleger Octave Uzanne hat es bereits 1894 vorhergesehen: »Das Ende der Bücher« steht bevor. In der kurzen Erzählung, die erstmals in einer Anthologie für Bücherliebhaber
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Zum Paradies
von Horst Illmer am 17. Januar 2022 Kommentare deaktiviert für Zum Paradies
Hanya Yanagihara
ZUM PARADIES. Roman.
Aus dem Englischen von Stephan Kleiner
(TO PARADISE / 2022)
Berlin, Claasen, 2022, 895 S.
ISBN 978-3-546-10051-9 / 30,00 Euro
Hardcover
Die 1974 in Los Angeles geborene US-amerikanische Schriftstellerin Hanya Yanagihara veröffentlichte 2013 ihren ersten Roman THE PEOPLE IN THE TREES (dt. 2019 als DAS VOLK DER BÄUME), dem 2015 dann der Weltbestseller A LITTLE LIFE (dt. 2017 als EIN WENIG LEBEN) folgte. Ihr drittes Buch TO PARADISE erschien jetzt Anfang 2022 weltweit zeitgleich wie es einem Star der Literaturbetriebs wohl zusteht. In Deutschland hat sich der zu den Ullstein Buchverlagen gehörende Claasen Verlag die Rechte gesichert und die von Stephan Kleiner besorgte Übersetzung unter dem Titel ZUM PARADIES herausgebracht.
Wie schon in ihren bisherigen Romanen behandelt Yanagihara hier das mehr als nur schwierige Zusammenleben von Menschen, die sich außerhalb der »Norm« verorten. Die überaus emotional beschriebenen Lebenswege führen ihre Protagonisten diesmal alle an einen ganz bestimmten Ort – ein Haus am New Yorker Washington Square –, aber zu jeweils sehr unterschiedlichen Zeitpunkten.
Der dreigeteilte Roman beginnt in einem Alternativwelt-Amerika des Jahres 1893, setzt sich im altbekannten New York des Jahres 1993 fort und nimmt schließlich in der Zukunftswelt von 2093 neuen Schwung und eine gänzlich neue Richtung.
Die Autorin lässt sich auf ihrem eigenen Weg ZUM PARADIES viel Zeit, allerdings muss das Worldbuilding ja auch stimmig sein, sonst führt die Suche nach einer Utopie nur zu einem letztlich verschlossenen (Himmels-)Tor.
Horst Illmer
Hanya Yanagihara
ZUM PARADIES. Roman.
Aus dem Englischen von Stephan Kleiner
(TO PARADISE / 2022)
Berlin, Claasen, 2022, 895 S.
ISBN 978-3-546-10051-9 / 30,00 Euro
Hardcover
Die 1974 in Los Angeles geborene US-amerikanische Schriftstellerin Hanya Yanagihara veröffentlichte 2013 ihren ersten Roman THE PEOPLE IN THE TREES (dt. 2019 als DAS VOLK DER BÄUME), dem 2015 dann der Weltbestseller A LITTLE LIFE (dt. 2017 als EIN WENIG LEBEN)
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Die Berechnung der Sterne
von Horst Illmer am 5. Januar 2022 Kommentare deaktiviert für Die Berechnung der Sterne
Mary Robinette Kowal
DIE BERECHNUNG DER STERNE. Roman.
Ü: Judith C. Vogt
(The Calculating Stars / 2018)
München, Piper, 2022, 506 S.
ISBN 978-3-492-70597-4 / Klappenbroschur / 18,00 Euro
Früher einmal – in den „guten alten Zeiten“ – konnte man zielsicher ans Regal mit den Heyne-Taschenbüchern treten, wenn man nach den HUGO- oder NEBULA-Preisträgern und deren Texten suchte. Inzwischen sichern sich die Herausgeber vieler anderer Verlage in Deutschland diese Titel.
Aktuellstes Beispiel ist der Roman DIE BERECHNUNG DER STERNE von Mary Robinette Kowal, dessen deutsche Ausgabe bei Piper erschienen ist. Den Einband jedenfalls ziert der Hinweis auf sowohl HUGO-, wie NEBULA- und LOCUS-Award (und dabei wird der SIDEWISE-Award sogar noch unterschlagen).
In THE CALCULATING STARS (so der OT von 2018) erzählt Kowal eine unglaubliche und faszinierende Alternativweltgeschichte der Raumfahrt, die dieses Mal von weiblichen Heldinnen bestimmt wird. Angeregt sicherlich auch durch die realen „Hidden Figures“, die für die NASA als Computer-Ersatz arbeiteten, dreht Kowal den Spieß einfach um und zeigt den Herren der Schöpfung, dass eine kleine Änderung im Verlauf der Geschichte wirklich ALLES verändern kann …
Das von Judith C. Vogt übersetzte Buch hinterlässt jedenfalls den Eindruck, dass da durchaus noch einige (deutsche) Science-Fiction-Preise hinzukommen könnten.
Horst Illmer
Mary Robinette Kowal
DIE BERECHNUNG DER STERNE. Roman.
Ü: Judith C. Vogt
(The Calculating Stars / 2018)
München, Piper, 2022, 506 S.
ISBN 978-3-492-70597-4 / Klappenbroschur / 18,00 Euro
Früher einmal – in den „guten alten Zeiten“ – konnte man zielsicher ans Regal mit den Heyne-Taschenbüchern treten, wenn man nach den HUGO- oder NEBULA-Preisträgern und deren Texten suchte. Inzwischen sichern sich die Herausgeber vieler anderer Verlage
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Die Weltenschöpfer
von Horst Illmer am 27. Dezember 2021 6 Kommentare
Charles Platt
DIE WELTENSCHÖPFER.
Kommentierte Gespräche mit Science-Fiction-Autorinnen und -Autoren. Band 1.
Übersetzt von Frank Böhmert, Andreas Fliedner, Horst Illmer, Bernhard Kempen, Matita Leng, Jasper Nicolaisen, Michael Plogmann, Erik Simon & Simon Weinert
(DREAM MAKERS Vol. 1 / 1980)
Berlin, Memoranda, 2021, 360 Seiten
ISBN 978-3-948616-60-1
Klappenbroschur
„Ich wollte etwas über Science-Fiction-Autoren wissen.“ (S.9)
So wie Charles Platt ergeht es vielen Leserinnen und Lesern, doch die wenigsten von ihnen haben je Gelegenheit, diese Neugier in einer persönlichen Begegnung oder einem langen Gespräch zu befriedigen. Platt dagegen gelang es um das Jahr 1980 herum mit gleich sechzig seiner Kolleginnen und Kollegen sehr ausführliche Interviews zu führen (Und auch wenn früher nicht alles besser war – die damalige Interview-Kultur bleibt unerreicht.) und diese in zwei voluminösen Bänden zu veröffentlichen.
Allerdings hatte der damals 35-jährige Engländer den Ehrgeiz, nicht nur das Gespräch, sondern auch die Umstände zu dokumentieren, die vor, während und nach den Interviews herrschten. Und so sind es gerade die sehr persönlichen Eindrücke und Kommentare von Platt, die das Besondere an den WELTENSCHÖPFERN ausmachen.
Wie er in der eigens für die deutsche Ausgabe geschriebenen Einführung darlegt, waren es spannende Zeiten damals und die Science-Fiction-Autoren (plus einiger weniger Autorinnen), die er besuchte, waren die Altmeister des sogenannten „Goldenen Zeitalters“ (wie etwa Isaac Asimov, A. E. van Vogt oder Frederik Pohl) und einige ihrer aufstrebenden, oftmals unbotmäßigen und respektlosen „Erben“ (zum Beispiel Harlan Ellison, Norman Spinrad und Philip K. Dick).
Von ihnen will er wissen, wie sie schreiben, welche Umstände sie zur Science Fiction brachten, ob sie davon leben können, welche Vorstellungen sie von ihrer Schriftsteller-Karriere hatten und jetzt haben; aber er fragt auch nach ihren Beziehungen zur Welt außerhalb des Genre-Ghettos, nach gescheiterten Ehen, nach Haustieren, musikalischen Vorlieben und ihrem Drogenkonsum. Und obwohl es auch für ihn selbst manchmal so wirkt, als würde er gleich rausgeworfen, bekommt er dann doch Antworten auf all diese Fragen.
Der Großteil dieses ersten WELTENSCHÖPFER-Bandes ist, in der (teilweise recht freien) Übersetzung von Ronald M. Hahn, 1982 unter dem Titel GESTALTER DER ZUKUNFT auf Deutsch erschienen – trotzdem liegt hier ein völlig neues Buch vor. Es ist nicht nur so, dass die Beiträge von einer ganzen Reihe hervorragender Übersetzer neu übertragen wurden, sondern Charles Platt hat sie auch im letzten Jahr nochmals überarbeitet und zu den meisten von ihnen ein neues Nachwort (hier „Historischer Kontext“ genannt) geschrieben, in dem er sich zurückerinnert und die verstrichenen vierzig Jahre Revue passieren lässt.
Sie wollen etwas über Science-Fiction-Autoren wissen? Greifen Sie zu!
Horst Illmer
Charles Platt
DIE WELTENSCHÖPFER.
Kommentierte Gespräche mit Science-Fiction-Autorinnen und -Autoren. Band 1.
Übersetzt von Frank Böhmert, Andreas Fliedner, Horst Illmer, Bernhard Kempen, Matita Leng, Jasper Nicolaisen, Michael Plogmann, Erik Simon & Simon Weinert
(DREAM MAKERS Vol. 1 / 1980)
Berlin, Memoranda, 2021, 360 Seiten
ISBN 978-3-948616-60-1
Klappenbroschur
„Ich wollte etwas über Science-Fiction-Autoren wissen.“ (S.9)
So wie Charles Platt ergeht es vielen Leserinnen und Lesern, doch die wenigsten von
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Adventskalender 2021 T-15 "Die Hüterin der Drachen"
von Horst Illmer am 9. Dezember 2021 Kommentare deaktiviert für Adventskalender 2021 T-15 "Die Hüterin der Drachen"
Curatoria Draconis (Text) & Tomislav Tomić
DIE HÜTERIN DER DRACHEN.
Auf der Suche nach dem letzten Himmelsdrachen.
Übersetzt von Ute Löwenberg
(DRAGON ARK / 2020)
München London New York, Prestel, 2021, 75 Seiten
ISBN 978-3-7913-7483-3 / 26,00 Euro
Überformatiges Hardcover
So müssen Bücher über Drachen aussehen: Riesenformat und jede Menge Gold!
Der Prestel Verlag hat mit DIE HÜTERIN DER DRACHEN kurz vor Weihnachten ein absolut begeisterndes Buch für Alle vorgelegt. Der Text stammt von Emma Roberts, die unter dem Pseudonym Curatoria Draconis auch gleichzeitig die „Hüterin der Drachen“ und Chefin der „Drachen-Arche“ ist, die Bilder schuf Tomislav Tomic, das englische Original erschien 2020 unter dem Titel DRAGON ARK.
Es geht in diesem illustrierten „Sachbuch“, das den Untertitel „Auf der Suche nach dem letzten Himmelsdrachen“ trägt, darum, dass der Lebensraum für Drachen auf unserer Welt immer weiter schrumpft. Die Mission der Drachen-Arche ist also die Rettung der letzten Drachen. Dazu bereisen die Crew-Mitglieder der Arche mit ihrem Schiff die Weltmeere und suchen auf allen Kontinenten nach den letzten Exemplaren der diversen Drachen-Unterarten. Was ihnen noch fehlt ist der Himmelsdrache Tian Long, der seit Jahrhunderten nicht mehr gesichtet wurde, aber Curatoria Draconis hofft, in den unzugänglichen Urwäldern des Jangtse-Flusses doch noch fündig zu werden. Das Ergebnis zeigt die letzte Doppelseite im Format 37 mal 55 Zentimeter.
DIE HÜTERIN DER DRACHEN ist ein Bilderbuch für Drachenliebhaber, das im Stil eines populärwissenschaftlichen Biologie-Lehrbuchs eine Reihe mythischer Wesen aus den Nebeln des Vergessens in Bewusstsein zurückholt.
Es wird hiermit offiziell eine erstgemeinte „Weihnachtsgeschenk-Empfehlung“!
Horst Illmer
Curatoria Draconis (Text) & Tomislav Tomić
DIE HÜTERIN DER DRACHEN.
Auf der Suche nach dem letzten Himmelsdrachen.
Übersetzt von Ute Löwenberg
(DRAGON ARK / 2020)
München London New York, Prestel, 2021, 75 Seiten
ISBN 978-3-7913-7483-3 / 26,00 Euro
Überformatiges Hardcover
So müssen Bücher über Drachen aussehen: Riesenformat und jede Menge Gold!
Der Prestel Verlag hat mit DIE HÜTERIN DER DRACHEN kurz vor Weihnachten ein absolut begeisterndes Buch für Alle
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