Lee Falks Phantom
von Horst Illmer am 3. August 2022 Kommentare deaktiviert für Lee Falks Phantom
Christian Blees
LEE FALKS PHANTOM.
Der ultimative Wegweiser durch den Dschungel der deutschsprachigen Veröffentlichungen.
Texte zur Graphischen Literatur Band 5
Barmstedt, Verlag Volker Hamann / Edition Alfons, 2022, 240 Seiten
ISBN 978-3-946266-35-8 / 29,95 Euro
Als im Februar 1936 der erste Comicstrip mit der von Lee Falk (1911–1999) erfundenen PHANTOM-Figur erschien, wurde damit Comic-Geschichte geschrieben. Der weltweite Siegeszug als Zeitungs-Strip und (ab 1938) als Comic-Heft führte dazu, dass zwischenzeitlich mehr als 100 Millionen Leser täglich die Abenteuer von PHANTOM verschlangen. Da diese Faszination, wenngleich in abgeschwächter Form, bis heute anhält, war es wohl unumgänglich, dass die PHANTOM-Geschichte einmal von kundiger Hand niedergeschrieben wurde.
In der Edition Alfons liegt nun in der Reihe „Texte zur Graphischen Literatur“ der von Christian Blees verfasste 5. Band LEE FALKS PHANTOM vor. Auf 240 Seiten erzählt Blees die Historie dieses Superhelden-Vorläufers nach, vom ersten Strip am 17. Februar 1936 im New York Evening Journal bis hin zu den im deutschen Wick Verlag 2022 und 2023 geplanten „Phantom-Comics“.
Dabei geht er überwiegend chronologisch vor, beginnt mit den amerikanischen Originalveröffentlichungen und arbeitet sich im zweiten Teil dann an der (für „normale“ Leser*innen) unfassbar unübersichtlichen deutschsprachigen Publikationsgeschichte ab. Die letzten 40 Seiten füllen dann insgesamt zwanzig (!) Tabellen, anhand derer sich Sammler und Forscher einen Überblick über die zig-tausend PHANTOM-Seiten verschaffen können, die in den letzten 85 Jahren veröffentlicht wurden. Wenn Autor und Verlag (im Untertitel) also behaupten, LEE FALKS PHANTOM sei „der ultimative Wegweiser durch den Dschungel der deutschsprachigen Veröffentlichungen“, kann man ihnen nur Recht geben.
Ein Band, der für die Comic-Forschung (und die Erschließung der eigenen Sammlung) unverzichtbar ist.
Horst Illmer
Christian Blees
LEE FALKS PHANTOM.
Der ultimative Wegweiser durch den Dschungel der deutschsprachigen Veröffentlichungen.
Texte zur Graphischen Literatur Band 5
Barmstedt, Verlag Volker Hamann / Edition Alfons, 2022, 240 Seiten
ISBN 978-3-946266-35-8 / 29,95 Euro
Als im Februar 1936 der erste Comicstrip mit der von Lee Falk (1911–1999) erfundenen PHANTOM-Figur erschien, wurde damit Comic-Geschichte geschrieben. Der weltweite Siegeszug als Zeitungs-Strip und (ab 1938) als Comic-Heft führte dazu, dass zwischenzeitlich mehr als 100 Millionen Leser täglich die Abenteuer von PHANTOM verschlangen.
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Die Schattensammlerin
von Horst Illmer am 27. Juli 2022 Kommentare deaktiviert für Die Schattensammlerin
T. S. Orgel
DIE SCHATTENSAMMLERIN – DICHTER UND DÄMONEN.
München, Heyne, 2022, 480 S.
ISBN 978-3-453-32179-3
Klappenbroschur, 16,00 Euro
Wenn wir uns in einigen Jahren an diese „verrückte“ Zeit zurückerinnern, werden wir auch sehr häufig einen akustischen „Flashback“ haben – denn die Pandemie-Zeit war auch eine Podcast-, Hörbuch- und Hörspiel-Zeit. Wen wundert’s also, dass auch die Orgel-Brüder Tom und Stephan dieses Medium ausprobierten. Wer schon einmal auf einer Lesung von T. S. Orgel war, weiß um deren Vortragskünste – was lag also näher als ein Hörspiel einzusprechen.
Das Ergebnis war 2021 DIE SCHATTENSAMMLERIN, ein historischer Krimi aus dem alten Frankfurt/M. der späten Goethe-Jahre. Auch wenn der Geheimrat damals eigentlich in Weimar zuhause war, seine Geburtsstadt war ihm doch stets wichtig geblieben. Als dort während eines Fastnachts-Festes aus einem Museumskeller ein ganz bestimmter Schädel gestohlen wird, lässt Johann Wolfgang von Goethe alle seine Beziehungen spielen, diesen Kultgegenstand wieder zu erlangen. Unerwartete Hilfe erfährt er dabei (wenngleich eher zufällig) durch die junge Millicent Wohl, eine Museumsangestellte, die Zeugin des Raubüberfalls war …
Die Niederschrift des Hörspiels ist jetzt unter dem Titel DIE SCHATTENSAMMLERIN – DICHTER UND DÄMONEN bei Heyne als Roman erschienen. Klassische Urban Fantasy aus Deutschland – das ist nicht ganz neu, aber herrlich frech erzählt und mit einer ganzen Schar interessanter Charaktere besetzt.
Und da Millicent Wohl am Ende eine ebenso freundliche wie dringliche Einladung nach Weimar überbracht wird, dürfen wir uns vermutlich auf eine Fortsetzung freuen.
Horst Illmer
T. S. Orgel
DIE SCHATTENSAMMLERIN – DICHTER UND DÄMONEN.
München, Heyne, 2022, 480 S.
ISBN 978-3-453-32179-3
Klappenbroschur, 16,00 Euro
Wenn wir uns in einigen Jahren an diese „verrückte“ Zeit zurückerinnern, werden wir auch sehr häufig einen akustischen „Flashback“ haben – denn die Pandemie-Zeit war auch eine Podcast-, Hörbuch- und Hörspiel-Zeit. Wen wundert’s also, dass auch die Orgel-Brüder Tom und Stephan dieses Medium ausprobierten. Wer schon einmal auf einer Lesung von T. S. Orgel war,
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Nachruf auf H. W. Franke (1927 – 2022)
von Horst Illmer am 20. Juli 2022 Kommentare deaktiviert für Nachruf auf H. W. Franke (1927 – 2022)
Herbert W. Franke ist im Alter von 95 Jahren gestorben!
Wie jetzt? War das nicht erst gestern, dass ich ihm in der EXODUS zu seinem 90. Geburtstag gratuliert habe – und kurz vorher in der phantastisch! die Frage stellte: „Was macht eigentlich … Herbert W. Franke?“ So war es eigentlich immer mit diesem Wiener Tausendsassa – wenn man ihn irgendwo dingfest machen wollte, war er schon wieder weiter. Rastlos verfolgte er mehr als ein halbes Dutzend Karrieren, von denen jede Einzelne für einen „Normalmenschen“ ausgereicht hätte. Egal ob als Schriftsteller, Herausgeber, Dichter, Dramatiker, Höhlenforscher, Computer-Künstler, Philosoph, Philologe, Futurologe, immer gab er sein Bestes und immer stellte er sein Publikum zufrieden. Experimentierfreudig, innovativ, unabhängig – all dies traf auf Herbert W. Franke zu wie auf kaum einen anderen deutschsprachigen Künstler, der sich in die vermeintlichen Niederungen der Genreliteratur begeben hat. Unbedingt hinzufügen muss ich an dieser Stelle noch ein „großzügig“! In den Genuss dieser Großzügigkeit kamen 1980 eine Handvoll junger Science-Fiction-Fans aus Würzburg, die, ohne große Ahnung und eigentlich recht naiv und respektlos, den arrivierten Professor Doktor Franke anschrieben, ob er nicht „irgendwas“ hätte, das sie in ihrem, noch in Planung befindlichen, neuen „Magazin für Science-Fiction“ veröffentlichen könnten? Unfassbar freundlich und eben auch großzügig stellte Herbert W. Franke uns das Drehbuch für sein soeben fertiggestelltes Fernsehspiel „Die Stimmen der Sylphiden“ (Produziert vom ZDF) zur Verfügung, das dann auch das Herzstück des ersten COSMONAUT wurde. (Für meine Illustrationen wage ich mich bis heute nicht zu entschuldigen – ich war jung und wollte den Ruhm.) Als „Bezahlung“ (natürlich hatte Franke von uns keinerlei Entlohnung verlangt) sandten wir ihm damals zwei „Bocksbeutel“ – und unseren tief empfundenen Dank.
Prof. Dr. phil. Herbert W. Franke wurde am 14. Mai 1927 in Wien geboren. An der dortigen Universität studierte er Physik, Mathematik, Chemie, Psychologie und Philosophie. 1950 Dissertation zum Doktor der Philosophie. Von 1973 bis 1997 hatte er einem Lehrauftrag für »Kybernetische Ästhetik und Computerkunst« an der Universität München. Weitere Lehraufträge u. a. für Computergrafik an der Akademie der Bildenden Künste München und für eine »Einführung in die Science-Fiction-Literatur« an der Hochschule für Gestaltung in Bielefeld. 1979 war er Mitbegründer des ARS ELECTRONICA-Festivals in Linz, Österreich. 1980 wurde Herbert W. Franke zum Mitglied des deutschen PEN-Clubs gewählt; im selben Jahr wurde ihm der Berufstitel Professor verliehen. Seit 1957 veröffentlichte Franke Sachbücher und erzählende Texte, darunter etwa 20 SF-Romane, mehrere Story-Sammlungen und Dutzende Anthologien. Er war jahrelang für die SF-Programme der Verlage Goldmann und Heyne verantwortlich, gab bei Ullstein 1984 die Reihe „Ozeanische Bibliothek“ heraus, und erhielt für sein Schaffen mehrfach den Deutschen Science Fiction Preis und den Kurd Laßwitz Preis. Seit 2015 sind in der von p.machinery veranstalteten Herbert W. Franke-Werkausgabe bereits 18 Bände erschienen.
Am 16. Juli 2022 informierte seine Frau Susanne Päch die Öffentlichkeit über das Ableben ihres „geliebten Dinosauriers“ (Päch).
Horst Illmer
Herbert W. Franke ist im Alter von 95 Jahren gestorben!
Wie jetzt? War das nicht erst gestern, dass ich ihm in der EXODUS zu seinem 90. Geburtstag gratuliert habe – und kurz vorher in der phantastisch! die Frage stellte: „Was macht eigentlich … Herbert W. Franke?“ So war es eigentlich immer mit diesem Wiener Tausendsassa – wenn man ihn irgendwo dingfest machen wollte, war er schon wieder weiter. Rastlos verfolgte er mehr als ein halbes Dutzend Karrieren, von denen jede Einzelne für einen „Normalmenschen“ ausgereicht hätte.
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Ein seltsamer Tag
von Horst Illmer am 18. Juli 2022 Kommentare deaktiviert für Ein seltsamer Tag
Olaf Brill (Text) & Michael Vogt (Bilder)
EIN SELTSAMER TAG.
DIE TRANSUNIVERSALE EISENBAHN UND ANDERE ROBOTERMÄRCHEN.
Stuttgart, Panini, 2022, 104 S.
ISBN 978-3-7416-3093-4
Hardcover / 29,00 Euro
Bereits seit 2011 läuft die Comic-Serie EIN SELTSAMER TAG, gezeichnet von Michael Vogt, getextet von Olaf Brill, im Science-Fiction-Magazin phantastisch! (sowie in Einzelepisoden auch immer mal an anderer Stelle). Held der inzwischen mehr als fünfzig Episoden ist der Roboter „Elf-Zehn“, der irgendwo in einem recht menschenleeren Universum nicht nur die tollsten Abenteuer, sondern auch die „Gefahren“ des häuslichen Lebens zu bestehen hat. Selbst für Leser*innen der ersten Stunde ist es da schwer, den Überblick zu bewahren bzw. „das Ganze“ im Gedächtnis zu behalten.
2018 gab es bereits einen ersten Sammelband (Episode 1 bis 32) im Atlantis Verlag, jetzt hat der Panini Verlag das Potenzial dieser bebilderten Robotermärchen erkannt und im Sommer 2022 eine neue Gesamtausgabe (inklusive einiger Erstveröffentlichungen) vorgelegt, die den epischen Titel EIN SELTSAMER TAG: DIE TRANSUNIVERSALE EISENBAHN UND ANDERE ROBOTERMÄRCHEN trägt und im Album-Großformat immerhin 104 Seiten stark geworden ist.
Dieser Band ist für Fans der Serie ein „muss“, zugleich ein hübsches Geschenk für jedes Alter und Geschlecht, und für Neueinsteiger einfach eine unerschöpfliche Fundgrube herrlich-skurriler Stories, die vermutlich selbst Stanislaw Lem, dem Meistererzähler der ROBOTERMÄRCHEN, gefallen hätten.
Horst Illmer
Olaf Brill (Text) & Michael Vogt (Bilder)
EIN SELTSAMER TAG.
DIE TRANSUNIVERSALE EISENBAHN UND ANDERE ROBOTERMÄRCHEN.
Stuttgart, Panini, 2022, 104 S.
ISBN 978-3-7416-3093-4
Hardcover / 29,00 Euro
Bereits seit 2011 läuft die Comic-Serie EIN SELTSAMER TAG, gezeichnet von Michael Vogt, getextet von Olaf Brill, im Science-Fiction-Magazin phantastisch! (sowie in Einzelepisoden auch immer mal an anderer Stelle). Held der inzwischen mehr als fünfzig Episoden ist der Roboter „Elf-Zehn“, der irgendwo in einem recht menschenleeren Universum nicht nur die tollsten Abenteuer,
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Lyrics
von Horst Illmer am 4. Juli 2022 Kommentare deaktiviert für Lyrics
Paul McCartney
LYRICS. 1956 bis heute.
Herausgegeben und eingeleitet von Paul Muldoon
Übersetzt aus dem Englischen von Conny Lösch
Illustriert
(The Lyrics: 1956 to Present / 2021)
München, C. H. Beck, 2021, 900 S.
ISBN 978-3-406-77650-2 / 2 Bände im Schuber / 78,00 Euro
Was ist groß und grün und wiegt gefühlte zehn Kilogramm?
Kleiner Tipp: Es liegt in Buchhandlungen rum und enthält ein ganzes Musikerleben.
Na?
Okay, hier die Auflösung: LYRICS von Paul McCartney.
Der Titel ist pures, englisches Understatement. Dahinter verbergen sich zwei großformatige Hardcoverbände (die in einem giftgrünen Leinenschuber stecken) mit zusammen fast 900 Seiten, in denen neben 154 Songs, die McCartney in den letzten 64 Jahren geschrieben hat, vor allem die mehr als 600 Bilder und natürlich die autobiografischen Kommentare eines der größten Songwriter aller Zeiten für sich sprechen.
Die Songs sind alphabetisch geordnet, was beim Lesen zu spannenden „Zeitsprüngen“ verhilft. Die ersten dreißig Seiten enthalten ein Vorwort von McCartney und einen Essay von Herausgeber Paul Muldoon, dann geht es Schlag auf Schlag, bzw. Song für Song, durch eines der spannendsten Musikerleben der letzten 80 Jahre. Die Songtexte stehen im englischen Original, alles andere wurde von Conny Lösch hervorragend übersetzt.
Manchmal steckt ein ganzes Leben in einem Lied – bei Paul waren es mehr als 150!
Horst Illmer
Paul McCartney
LYRICS. 1956 bis heute.
Herausgegeben und eingeleitet von Paul Muldoon
Übersetzt aus dem Englischen von Conny Lösch
Illustriert
(The Lyrics: 1956 to Present / 2021)
München, C. H. Beck, 2021, 900 S.
ISBN 978-3-406-77650-2 / 2 Bände im Schuber / 78,00 Euro
Was ist groß und grün und wiegt gefühlte zehn Kilogramm?
Kleiner Tipp: Es liegt in Buchhandlungen rum und enthält ein ganzes Musikerleben.
Na?
Okay,
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Kunst ist wichtig
von Horst Illmer am 27. Juni 2022 3 Kommentare
Neil Gaiman
KUNST IST WICHTIG – WEIL DEINE VORSTELLUNGSKRAFT DIE WELT VERÄNDERN KANN.
Übersetzt von Rainer Schumacher, Dominique Pleimling & Ruggero Leò
Illustriert von Chris Riddell
(ART MATTERS / 2018)
Köln, Eichborn, 2022, 111 Seiten
ISBN 978-3-8479-0114-3 / 12,00 Euro
Viele Bücher von Neil Gaiman sind illustriert (und ich spreche nicht von seinen Comics), und wenn Chris Riddell mit am Start ist, lohnt es sich durchgängig, das Ergebnis in die Sammlung aufzunehmen. Die aktuellste Zusammenarbeit der Beiden ist der schmale Essay-Band KUNST IST WICHTIG.
Auf knapp 100 Seiten sind hier vier Texte Gaimans gesammelt, die ganz grob in die Richtung „Lebenshilfe“ tendieren. Darunter natürlich seine berühmte Vorlesung MAKE GOOD ART / MACHT GUTE KUNST, aber auch eine CREDO genannte Verteidigung der Meinungsfreiheit und eine Lobpreisung von Büchern, Bibliotheken und Bibliothekar*innen. Das alles wird durch die Bleistiftskizzen Riddells aufs Schönste ergänzt und oftmals ironisch gebrochen. In diesem Zusammenspiel macht selbst der Bericht darüber, was passieren kann, wenn ein Autor EINEN STUHL BAUEN will, höllisch viel Vergnügen.
Ein Buch (nicht nur) für junge Künstler jeden Alters!
Horst Illmer
Neil Gaiman
KUNST IST WICHTIG – WEIL DEINE VORSTELLUNGSKRAFT DIE WELT VERÄNDERN KANN.
Übersetzt von Rainer Schumacher, Dominique Pleimling & Ruggero Leò
Illustriert von Chris Riddell
(ART MATTERS / 2018)
Köln, Eichborn, 2022, 111 Seiten
ISBN 978-3-8479-0114-3 / 12,00 Euro
Viele Bücher von Neil Gaiman sind illustriert (und ich spreche nicht von seinen Comics), und wenn Chris Riddell mit am Start ist, lohnt es sich durchgängig, das Ergebnis in die Sammlung aufzunehmen.
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Lex Talionis
von Horst Illmer am 20. Juni 2022 Kommentare deaktiviert für Lex Talionis
Michael Marrak
LEX TALIONIS. Roman.
Berlin, Memoranda, 2022, 320 S.
ISBN 978-3-948616-64-9 / 19,90 Euro
Es ist alles vorhanden: Ein „beratender“ Fallanalyst mit übernatürlichen Fähigkeiten im Dienst der Ermittlungsbehörden. Eine On-Off-Beziehungskiste zwischen dem „postkognitiven Rekonstruktor“ Alexander Crohn und der Kommissarin Miriam Fechner. Dazu noch die „üblichen Verdächtigen“: Gute Bullen, böse Bullen, treue Freunde, unsichere Kandidaten und ein Serienmörder, der den Helden an die Grenzen seiner Fähigkeiten bringt – und es handelt sich hier nicht um einen schwachen Abklatsch von Jim Butchers „Harry Dresden“-Bücher, sondern um den neuesten Roman von Michael Marrak mit dem Titel LEX TALIONIS, der soeben bei Memoranda erschienen ist.
Die Handlung setzt unmittelbar damit ein, dass Crohn von Fechner zum Tatort eines grausigen Verbrechens gerufen wird. Trotz einer „Pause“ in ihrer persönlichen Beziehung vertraut sie seinen Fähigkeiten uneingeschränkt. Diese allerdings erweisen sich im Verlauf des Geschehens als überaus trügerisch und bringen nicht nur die Ermittlungen, sondern auch die Beteiligten selbst in größte Gefahr. Wie sich herausstellt, gibt es wohl ein Wesen aus einem Zwischenreich, das unsere Welt dafür nutzt, seinen Hass auf alles Lebendige „auszuleben“. Das titelgebende „Lex Talionis“ (eine uralte Rechtsformel, die auf einen Ausgleich zwischen Täter und Opfer hinwirken soll) wirft in seiner archaischen Bedeutung die Frage danach auf, wer nun „Opfer“ und wer „Täter“ ist …
Nach gut 300 ebenso gruseligen wie kurzweiligen, immer aber spannend erzählten Seiten ist der Boden bereitet, das Personal vorgestellt und nichts wirklich geklärt – gut dass da „Ende des ersten Bandes“ steht!
Horst Illmer
Michael Marrak
LEX TALIONIS. Roman.
Berlin, Memoranda, 2022, 320 S.
ISBN 978-3-948616-64-9 / 19,90 Euro
Es ist alles vorhanden: Ein „beratender“ Fallanalyst mit übernatürlichen Fähigkeiten im Dienst der Ermittlungsbehörden. Eine On-Off-Beziehungskiste zwischen dem „postkognitiven Rekonstruktor“ Alexander Crohn und der Kommissarin Miriam Fechner. Dazu noch die „üblichen Verdächtigen“: Gute Bullen, böse Bullen, treue Freunde, unsichere Kandidaten und ein Serienmörder, der den Helden an die Grenzen seiner Fähigkeiten bringt – und es handelt sich hier nicht um einen schwachen Abklatsch von Jim Butchers „Harry Dresden“-Bücher,
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Pantopia
von Horst Illmer am 13. Juni 2022 Kommentare deaktiviert für Pantopia
Theresa Hannig
PANTOPIA. Roman.
Frankfurt, Fischer TOR, 2022, 460 Seiten
ISBN 978-3-596-70640-2 / 16,99 Euro
Klappenbroschur
Die 1984 geborene Theresa Hannig entwickelt sich nach ihrem überraschend erfolgreichen Erstlings-Duo DIE OPTIMIERER / DIE UNVOLLKOMMENEN (Bastei Lübbe) zu einer der interessantesten Autorinnen im Bereich der deutschen Science Fiction.
Wenn PANTOPIA ein Kriminalroman wäre, würde er auf Seite 10 enden. Denn dort „verrät“ die Autorin bereits, wie die Geschichte ausgeht. Glücklicherweise handelt es sich hier jedoch um einen Science-Fiction-Roman und in diesem Fall gilt immer noch: Das Wichtigste ist „die Idee“ und „Der Weg ist das Ziel“.
Wenn ich einen gewöhnlichen Roman besprechen würde, wäre meine Rezension hier zu Ende, denn eigentlich habe ich schon zu viel „verraten“. Glücklicherweise handelt es sich hier jedoch um eine Utopie von Theresa Hannig – und wenn es irgendwo „unzuverlässige“ Erzähler*innen gibt, dann in utopischen Geschichten.
Es könnte also alles auch ganz anders gewesen sein.
Bei Fischer TOR ist soeben Hannigs neuer Roman PANTOPIA erschienen, in dem sie es tatsächlich wagt, eine Utopie nicht nur anzudenken, sondern als erfolgversprechende Möglichkeit durchzudeklinieren. Im Gegensatz zu den meisten mir bekannten Büchern ihrer Kollegen, sieht Hannig in der Weiterentwicklung der Künstlichen Intelligenz eine Chance (wenngleich auch nur eine kleine) für das Überleben der menschlichen Zivilisation.
Allein dafür gebührt ihr schon jede Menge Respekt; unabhängig von solchen Vorschusslorbeeren zeigt sich dann zudem noch, dass Hannig eine glänzende Erzählerin ist, sodass schon in diesem Frühjahr einer der wichtigsten Romane des Jahres 2022 vorliegt.
Unbedingt lesenswert.
Horst Illmer
Theresa Hannig
PANTOPIA. Roman.
Frankfurt, Fischer TOR, 2022, 460 Seiten
ISBN 978-3-596-70640-2 / 16,99 Euro
Klappenbroschur
Die 1984 geborene Theresa Hannig entwickelt sich nach ihrem überraschend erfolgreichen Erstlings-Duo DIE OPTIMIERER / DIE UNVOLLKOMMENEN (Bastei Lübbe) zu einer der interessantesten Autorinnen im Bereich der deutschen Science Fiction.
Wenn PANTOPIA ein Kriminalroman wäre, würde er auf Seite 10 enden. Denn dort „verrät“ die Autorin bereits, wie die Geschichte ausgeht. Glücklicherweise handelt es sich hier jedoch um einen Science-Fiction-Roman und in diesem Fall gilt immer noch: Das Wichtigste ist „die Idee“ und „Der Weg ist das Ziel“.
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Schlachthof 5 oder der Kinderkreuzzug: Ein Pflichttanz mit dem Tode
von Horst Illmer am 8. Juni 2022 Kommentare deaktiviert für Schlachthof 5 oder der Kinderkreuzzug: Ein Pflichttanz mit dem Tode
Kurt Vonnegut mit Ryan North (Text) & Albert Monteys (Bilder)
SCHLACHTHOF 5 ODER DER KINDERKREUZZUG: EIN PFLICHTTANZ MIT DEM TODE.
Ü: Matthias Wieland
(SLAUGHTERHOUSE-FIVE / 2020)
Ludwigsburg, Cross Cult, 2022, 192 S.
ISBN 978-3-96658-504-0 / 35,00 Euro
Hardcover-Album
Ich kenne und liebe Vonneguts Roman SLAUGHTERHOUSE-FIVE/SCHLACHTHOF 5 seit vielen Jahrzehnten, habe ihn immer mal wieder zur Hand genommen (auch mehrfach rezensiert) und betrachtete den Hinweis auf eine Visualisierung via Bildergeschichte mit etwas zwiespältigen Gefühlen.
Nun, nach der Lektüre der Graphic Novel SCHLACHTHOF 5 ODER DER KINDERKREUZZUG, für deren Skript der Kanadier Ryan North verantwortlich zeichnet und deren Bilder vom Spanier Albert Monteys stammen, überwiegt die Erleichterung: Dieses Buch war ein Monument seit es 1969 erschienen ist – und es ist ein monumentaler Comic daraus geworden!
Autor und Zeichner nehmen sich viel Raum (fast 200 Seiten) und „übersetzen“ Vonneguts Text gekonnt und respektvoll ins Medium Comic. Beachtlich ist dabei, dass sie nicht nur die, auch bei Vonnegut schon vorhandenen, plakativen Szenen von Sex, Gewalt und Alien-Exotik in den Vordergrund stellen und so billige Effekthascherei betreiben, sondern ihren Protagonisten Billy Pilgrim ebenso geduldig wie liebevoll auch dann begleiten, wenn er sinnend im Bett liegt, Patienten in seiner Praxis untersucht, mit Geschäftsfreunden langweilige Partys feiert oder geduldig die besorgten Vorwürfe seiner Tochter über sich ergehen lässt.
SCHLACHTHOF 5 ODER DER KINDERKREUZZUG war schon immer mehr als „nur“ ein Anti-Kriegsbuch oder ein Science-Fiction-Roman oder eine satirische Zustandsbeschreibung der menschlichen Rasse: Vonneguts Text ist ein erzählerisches Meisterwerk, ein Jahrhundertbuch – und die Graphic Novel von North und Monteys wird dem absolut gerecht.
Die Transformation in ein anderes Medium ist geglückt und so wird SCHLACHTHOF 5 ODER DER KINDERKREUZZUG nicht nur Menschen erfreuen, die das Original noch nicht kennen, sondern auch allen anderen Vergnügen beim „Wieder-Lesen“ bereiten.
Horst Illmer
Kurt Vonnegut mit Ryan North (Text) & Albert Monteys (Bilder)
SCHLACHTHOF 5 ODER DER KINDERKREUZZUG: EIN PFLICHTTANZ MIT DEM TODE.
Ü: Matthias Wieland
(SLAUGHTERHOUSE-FIVE / 2020)
Ludwigsburg, Cross Cult, 2022, 192 S.
ISBN 978-3-96658-504-0 / 35,00 Euro
Hardcover-Album
Ich kenne und liebe Vonneguts Roman SLAUGHTERHOUSE-FIVE/SCHLACHTHOF 5 seit vielen Jahrzehnten, habe ihn immer mal wieder zur Hand genommen (auch mehrfach rezensiert) und betrachtete den Hinweis auf eine Visualisierung via Bildergeschichte mit etwas zwiespältigen Gefühlen.
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Die geheime Geschichte von Wonder Woman
von Horst Illmer am 1. Juni 2022 1 Kommentar
Jill Lepore
DIE GEHEIME GESCHICHTE VON WONDER WOMAN.
Ü: Werner Roller
(THE SECRET HISTORY OF WONDER WOMAN / 2014)
München, C. H. Beck, 2022, 552 S.
ISBN 978-3-406-78455-2
Hardcover / 29,90 Euro
Sie war die erste Superheldin der Comic-Geschichte und ihre Erfolgsgeschichte gleicht der ihrer Kollegen Batman und Superman: Die Rede ist von Wonder Woman, die Ende 1941 ihren ersten Auftritt im achten Heft von DCs All-Star Comics hatte.
So konnte also auch Diana Prince (WWs Tarnidentität) inzwischen ihren „Achtzigsten“ feiern; und alles Wissenswerte über die kampferprobte Amazone ist nachzulesen in dem soeben bei C. H. Beck erschienenen Band DIE GEHEIME GESCHICHTE VON WONDER WOMAN. Geschrieben hat diese „Secret History“ die amerikanische Geschichtsphilosophin Jill Lepore, die weltweit mit DIESE WAHRHEITEN, einem historischen Wälzer über die Vereinigten Staaten, Erfolg hatte und 2021 mit dem Hannah-Arendt-Preis ausgezeichnet wurde.
Lepores Comic-Biografie, die im Original bereits 2014 erschien, berichtet nicht nur über die Meilensteine in Wonder Womans Publikationsgeschichte, sondern bringt auch jede Menge bisher unbekannter Fakten über deren Erfinder, den Experimental-Psychologen William M. Marston zutage. Zugleich zieht Lepore durchaus schlüssige Querverbindungen zum (amerikanischen) Feminismus, der sich mit Wonder Woman auch erst einmal anfreunden musste. Das großformatige Hardcover enthält jede Menge Bildmaterial, den üblichen akademischen Anhang (inklusive Register), und ist in der Übersetzung von Werner Roller eine durchaus kurzweilige Lektüre.
Horst Illmer
Jill Lepore
DIE GEHEIME GESCHICHTE VON WONDER WOMAN.
Ü: Werner Roller
(THE SECRET HISTORY OF WONDER WOMAN / 2014)
München, C. H. Beck, 2022, 552 S.
ISBN 978-3-406-78455-2
Hardcover / 29,90 Euro
Sie war die erste Superheldin der Comic-Geschichte und ihre Erfolgsgeschichte gleicht der ihrer Kollegen Batman und Superman: Die Rede ist von Wonder Woman, die Ende 1941 ihren ersten Auftritt im achten Heft von DCs All-Star Comics hatte.
So konnte also auch Diana Prince (WWs Tarnidentität) inzwischen ihren „Achtzigsten“ feiern;
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- 1 Kommentar
Die Wächterinnen von New York
von Horst Illmer am 18. Mai 2022 Kommentare deaktiviert für Die Wächterinnen von New York
N. K. Jemisin
DIE WÄCHTERINNEN VON NEW YORK. Roman.
Ü: Benjamin Mildner
(THE CITY WE BECAME / 2020)
Stuttgart, Tropen (Klett-Cotta), 2022, 538 S.
ISBN 978-3-608-50018-9
Hardcover mit Schutzumschlag
Ab einer bestimmten Größe werden Städte lebendig und suchen sich Avatare unter ihren Bewohnern aus, die als Stellvertreter für sie denken und handeln. Ausgestattet mit mystisch-magischen Fähigkeiten (ähnlich den Superhelden-Kräften von Comic-Figuren) müssen diese gegen mächtige und uralte außerweltliche Feinde kämpfen, welche die Gelegenheit eines Generationenwechsels dazu nutzen wollen, aus ihrer Dimension in unsere zu wechseln und hier Fuß zu fassen, einen Brückenkopf für eine Invasion zu errichten.
Als nun in New York gleich mehrere neue „Wächterinnen“ ihre Ämter in den fünf Stadtbezirken übernehmen, mehren sich die Zeichen, dass der Feind diese Situation ausnutzen will. Und noch während die fünf Avatare versuchen, sich in ihren neuen Rollen zurechtzufinden, beginnen die ersten Angriffe …
N. K. Jemisin ist eine der auffälligsten neuen Stimmen der US-amerikanischen Phantastik und hat in den letzten Jahren Genre-Preise abgeräumt wie keine Zweite. In Deutschland erschien zuletzt die Trilogie DIE GROSSE STILLE bei Knaur. Ihren neuesten, wieder allseits hochgelobten Roman DIE WÄCHTERINNEN VON NEW YORK hat sich nun der Tropen Verlag gesichert, wo der Titel in der Übersetzung von Benjamin Mildner als Hardcover erschienen ist.
Auch wenn der von einigen Kritikern gezogene Vergleich zum wohl berühmtesten New York-Buch MANHATTAN TRANSFER von John Dos Passos vielleicht etwas überzogen ist, so finden sich neben mehr oder weniger deutlichen Querverbindungen zu Alan Moores WATCHMEN-Comic und den Erzählungen eines H. P. Lovecraft bei aller Modernität auch Anspielungen auf Walt Whitmans Lyrik und Mark Twains Humor. Der Urban-Fantasy-Roman DIE WÄCHTERINNEN VON NEW YORK steht auch im erzählerischen Werk von Jemisin noch etwas verlassen im Raum, als erster Teil einer neuen Trilogie stellt er jedoch vollumfänglich zufrieden.
Horst Illmer
N. K. Jemisin
DIE WÄCHTERINNEN VON NEW YORK. Roman.
Ü: Benjamin Mildner
(THE CITY WE BECAME / 2020)
Stuttgart, Tropen (Klett-Cotta), 2022, 538 S.
ISBN 978-3-608-50018-9
Hardcover mit Schutzumschlag
Ab einer bestimmten Größe werden Städte lebendig und suchen sich Avatare unter ihren Bewohnern aus, die als Stellvertreter für sie denken und handeln. Ausgestattet mit mystisch-magischen Fähigkeiten (ähnlich den Superhelden-Kräften von Comic-Figuren) müssen diese gegen mächtige und uralte außerweltliche Feinde kämpfen,
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Erzähler des Klimawandels
von Horst Illmer am 11. Mai 2022 Kommentare deaktiviert für Erzähler des Klimawandels
Fritz Heidorn & Kim Stanley Robinson
KIM STANLEY ROBINSON – ERZÄHLER DES KLIMAWANDELS
Ü: Anne-Marie Wachs & Jakob Schmidt
Originalausgabe
Berlin, Hirnkost, 2022, 320 S.
ISBN 978-3-949452-31-4 / 28,- Euro
Hardcover
„Kim Stanley Robinson ist als philosophisch gebildeter und politisch interessierter Schriftsteller daran interessier, Erzählungen über die Entwicklung der Menschheit in den nächsten denkbaren Zukunftsvariationen zu schreiben. Science-Fiction in der Definition von Robinson ist naturwissenschaftlich basiert, technologisch interessiert […], ethisch, moralisch, politisch und philosophisch begründet – und – nicht zuletzt, auf gute Entwicklungen hin ausgerichtet.“ (S. 32)
Seit dem Erscheinen seines Romans DAS MINISTERIUM FÜR DIE ZUKUNFT (Heyne) ist Kim Stanley Robinson dem „Ghetto“ der Science Fiction endgültig entwachsen und „in der Mitte“ der literarischen Diskussion über die Zukunft der Menschheit angekommen.
Zu behaupten, dass Robinson seine Karriere als Schüler der großen Ursula K. Le Guin startete, wäre wohl nur wenig übertrieben. Jedenfalls besuchte er in den 1970er Jahren Schreib-Workshops bei denen er Le Guin traf, was zu einer lebenslangen Freundschaft führte. Seine ersten Geschichten erschienen 1976 in der ORBIT-Reihe von Damon Knight, seine ersten Romane 1984. Beide Bücher, DAS WILDE UFER und DIE EISIGEN SÄULEN DES PLUTO, erschienen dann 1986/87 bei Bastei Lübbe und machten ihn hierzulande bekannt. Trotz eines Wechsels zu Heyne, wo dann Ende der 1990er Jahre die berühmte MARS-Trilogie veröffentlicht wurde, gab es eine unerklärliche Publikations-Pause (von 2002 bis 2013), in der in den USA eine ganze Reihe wichtiger Romane erschienen, die bisher noch keinen Weg ins Deutsche gefunden haben. Erst in den letzten zehn Jahren ist Robinson auf dem deutschen Markt wieder präsent. Seither erschienen so herausragende utopische Zukunftsentwürfe wie AURORA, NEW YORK 2140 und ROTER MOND.
Da Kim Stanley Robinson bei uns vor allem als Romanautor in Erscheinung getreten ist, bot es sich an, auch sein Schaffen als Verfasser kurzer Texte in einem Sammelband zu präsentieren und ihn dabei auch als Mensch, Umweltschützer, Wissenschaftler und politischen Aktivisten vorzustellen.
Der 1952 geborene Robinson und der gleichaltrige Didaktiker und Umweltaktivist Fritz Heidorn sind seit vielen Jahren befreundet. Das bisher schönste Ergebnis dieser Beziehung ist das in Zusammenarbeit mit dem Klimahaus Bremerhaven entstandene Buch KIM STANLEY ROBINSON – ERZÄHLER DES KLIMAWANDELS, das, neben zehn Kurzgeschichten Robinsons (alle entweder deutsche Erstausgaben oder neu übersetzt), einen umfangreichen biografischen Essay Heidorns, Interviews, eine Bibliografie und zusätzlich Informationen über das erstaunliche „Klimahaus“-Projekt in Bremerhaven enthält.
Lob und Preis gebührt dem Hirnkost Verlag außerdem für die herausragende liebevolle Buchgestaltung. Nicht nur der zweifarbige Druck, das ausgeklügelte Design und das beziehungsreiche Titelbild erfreuen Hand und Auge, auch die feste Bindung und das Lesebändchen sorgen dafür, dass man KIM STANLEY ROBINSON – ERZÄHLER DES KLIMAWANDELS immer wieder gerne zur Hand nimmt.
Das Schlusswort zu diesem überaus gelungenen Buch stammt von Kim Stanley Robinson selbst, dessen Credo lautet: „Wir leben in einem großen Science-Fiction-Roman, den wir alle gemeinsam schreiben.“
Horst Illmer
Fritz Heidorn & Kim Stanley Robinson
KIM STANLEY ROBINSON – ERZÄHLER DES KLIMAWANDELS
Ü: Anne-Marie Wachs & Jakob Schmidt
Originalausgabe
Berlin, Hirnkost, 2022, 320 S.
ISBN 978-3-949452-31-4 / 28,- Euro
Hardcover
„Kim Stanley Robinson ist als philosophisch gebildeter und politisch interessierter Schriftsteller daran interessier, Erzählungen über die Entwicklung der Menschheit in den nächsten denkbaren Zukunftsvariationen zu schreiben. Science-Fiction in der Definition von Robinson ist naturwissenschaftlich basiert, technologisch interessiert […], ethisch, moralisch,
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Die Albatross Connection
von Horst Illmer am 25. April 2022 Kommentare deaktiviert für Die Albatross Connection
Michele K. Troy
DIE ALBATROSS CONNECTION.
Drei Glücksritter und das »Dritte Reich«.
Übersetzung: Herwig Engelmann
(Strange Bird – The Albatross Press and The Third Reich / 2017)
München, Europa Verlag, 2021, 544 Seiten
ISBN 978-3-95890-380-7 / 42,00 Euro
Ein außergewöhnliches historisches Werk ist Anfang des Jahres 2022 im Europa Verlag erschienen: Die „Biografie“ eines Verlags und seiner drei Gründer; ein Sachbuch, das sich wie ein Krimi liest und Einblicke in ein bisher übersehenes (oder verdrängtes) Kapitel des deutschen Literaturbetriebs in den 1930er Jahren vermittelt.
Die amerikanische Professorin für Englische Literatur Michele K. Troy legt mit DIE ALBATROSS CONNECTION – DREI GLÜCKSRITTER UND DAS »DRITTE REICH« das umfangreiche Ergebnis ihrer jahrelangen Studien vor, die sich dem Verlag Albatross Press widmeten. Gegründet wurde Albatross von John Holroyd-Reece, Max Christian Wegner und Kurt Enoch im Jahr 1932. Die drei hatten die unglaubliche Idee, im Schatten, den das heraufziehende „Dritte Reich“ warf, von Hamburg aus das Deutsche Reich und das ganze Kontinentaleuropa mit den herausragenden Werken der zeitgenössischen anglo-amerikanischen Literatur zu versorgen – und für immerhin sieben Jahre gelang es ihnen, entgegen aller Wahrscheinlichkeit, Bücher von James Joyce und Aldous Huxley, Virginia Woolf und Katherine Mansfield, Dashiel Hammett und Thornton Wilder, und viele andere Hauptwerke der literarischen Moderne, zu drucken und zu verkaufen!
Troy erzählt in ihrem Buch welche Energie, Intelligenz, Durchsetzungskraft, aber auch wie viel Glück und Zufälle nötig waren, dieses Projekt ins Leben zu rufen und für eine so lange Zeit „unter dem Radar“ der diversen nationalsozialistisch kontrollierten Organisationen zu fliegen. Hier erfährt man zudem auch, dass der Albatross Verlag, praktisch „nebenbei“, das moderne Taschenbuch erfunden und so auf der ganzen Welt ein Medium für preiswerte Literaturvermittlung durchgesetzt hat.
Das alles erzählt Troy in einem flüssigen, eleganten Stil, der so gar nichts Akademisches hat, und nur der umfangreiche Anhang mit den Fußnoten und Anmerkungen, dem Register und der Bibliografie erinnern einen am Ende wieder daran, dass hier Tatsachen vermittelt wurden und die Glücksritter-Geschichte tatsächlich passiert ist. Und so ist DIE ALBATROSS CONNECTION nicht nur eine Lektüre für Menschen, die gerne einmal „hinter die Kulissen“ schauen wollen, sondern auch noch gute Unterhaltung.
Horst Illmer
Michele K. Troy
DIE ALBATROSS CONNECTION.
Drei Glücksritter und das »Dritte Reich«.
Übersetzung: Herwig Engelmann
(Strange Bird – The Albatross Press and The Third Reich / 2017)
München, Europa Verlag, 2021, 544 Seiten
ISBN 978-3-95890-380-7 / 42,00 Euro
Ein außergewöhnliches historisches Werk ist Anfang des Jahres 2022 im Europa Verlag erschienen: Die „Biografie“ eines Verlags und seiner drei Gründer; ein Sachbuch, das sich wie ein Krimi liest und Einblicke in ein bisher übersehenes (oder verdrängtes) Kapitel des deutschen Literaturbetriebs in den 1930er Jahren vermittelt.
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KI 2041 – Zehn Zukunftsvisionen
von Horst Illmer am 13. April 2022 Kommentare deaktiviert für KI 2041 – Zehn Zukunftsvisionen
Kai-Fu Lee & Quifan Chen
KI 2041 – ZEHN ZUKUNFTSVISIONEN.
Aus dem Englischen von Thorsten Schmidt
(AI 2041 – TEN VISIONS FOR OUR FUTURE / 2021)
Frankfurt/New York, Campus, 2022, 534 Seiten
ISBN 978-3-593-51549-6 / 26,00 Euro
Am 14. Februar 2022 las ich im Wirtschaftsteil (!!!) der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Auszüge aus einer Sammlung von kommentierten Science-Fiction-Geschichten, die sich mit der Entwicklung von künstlicher Intelligenz, also von superklugen Computern und dem befürchteten negativen Einfluss auf unser Leben beschäftigten.
Den Anlass für diesen Artikel gaben die beiden chinesischen Wissenschaftler und Autoren Kai-Fu Lee und Quifan Chen, die gemeinsam einen Band mit „zehn Zukunftsvisionen“ verfasst haben, der unter dem Titel KI 2041 im Campus Verlag erschienen ist. Darin teilen sich der Computerexperte Lee und der Science-Fiction-Starautor Chen die Arbeit: Chen hat zehn Kurzgeschichten geschrieben, in denen die Interaktion zwischen KI und Mensch im Mittelpunkt steht, und Lee analysiert danach jeweils, welchen Realitätsgehalt die Geschichten bergen, welche Möglichkeiten mit welchen Wahrscheinlichkeiten eintreten (oder eben auch nicht eintreten). Der gewählte Zeitraum von zwanzig Jahren (das Original erschien 2021, die Geschichten spielen alle im Jahr 2041) erscheint aus Sicht der Science Fiction erst mal nicht besonders spektakulär, allerdings würden die meisten KI-Forscher sich wohl im Moment schon bei Vorhersagen unwohl fühlen, die auch nur zwanzig Monate in die Zukunft reichen.
Das Buch präsentiert sich als Zwitter aus Science Fiction und Sachbuch – die Geschichten bekommen alle einen „Fakten-Check“-Rahmen, am Ende steht ein Register – und so geht man mit gemischten Gefühlen an die Lektüre, die sich dann jedoch als kurzweilig, informativ und überraschend positiv erweist. Der „andere“ Blickwinkel dieser Autoren verlangt danach, eigene Vorurteile zurückzustellen und vieles neu zu überdenken. Ob wie die Zukunft danach ebenfalls „anders“ bewerten, bleibt uns jedoch immer (noch) selbst überlassen.
Wenn die Zukunftsliteratur jetzt schon im Wirtschaftsteil der Zeitung stattfindet und nicht mehr im Feuilleton, dann ist es wohl auch nicht mehr weit bis zum Eintritt der von Vernor Vinge bzw. Ray Kurzweil prognostizierten „Singularität“. In KI 2041 finden wir einige tröstliche und optimistische Ansichten darüber, was das für uns bedeutet.
Horst Illmer
Kai-Fu Lee & Quifan Chen
KI 2041 – ZEHN ZUKUNFTSVISIONEN.
Aus dem Englischen von Thorsten Schmidt
(AI 2041 – TEN VISIONS FOR OUR FUTURE / 2021)
Frankfurt/New York, Campus, 2022, 534 Seiten
ISBN 978-3-593-51549-6 / 26,00 Euro
Am 14. Februar 2022 las ich im Wirtschaftsteil (!!!) der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Auszüge aus einer Sammlung von kommentierten Science-Fiction-Geschichten, die sich mit der Entwicklung von künstlicher Intelligenz, also von superklugen Computern und dem befürchteten negativen Einfluss auf unser Leben beschäftigten.
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Die Erzählungen des Folio Club
von Horst Illmer am 6. April 2022 3 Kommentare
Edgar Allan Poe
DIE ERZÄHLUNGEN DES FOLIO CLUB
Übersetzt, herausgegeben und mit einem Nachwort von Rainer Bunz
(TALES OF THE FOLIO CLUB / 1833)
München, Manesse, 2021, 310 Seiten
ISBN 978-3-7175-2480-9 / 25,00 Euro
Ein ganzes Buch voller Kurzgeschichten von Edgar Allan Poe (1809–1849) in Deutscher Erstveröffentlichung? Das ist bei einem solchen Autor von Weltrang schon eine große Überraschung.
Wie es dazu kam, dass DIE ERZÄHLUNGEN DES FOLIO CLUB erst jetzt erschienen sind, erklärt sich aus der spannenden und komplizierten Editionsgeschichte des Originals, die vom Übersetzer und Herausgeber Rainer Bunz im umfangreichen Anhang und Nachwort detailversessen dargelegt wird.
Die Rahmenhandlung und die elf Stories gehören zu den frühesten Texten Poes und wurden in dieser Form erst viele Jahre nach seinem Tod aus dem Nachlass zusammengestellt. Die meisten Geschichten überarbeitete Poe später und in diesen veränderten Fassungen sind sie dann auch weltbekannt geworden. Allerdings war bereits der frühe Poe ein vorzüglicher Erzähler und Spötter, was diesen überwiegend satirischen Hommagen an die zeitgenössische Literatur und ihre Verfasser sehr gut bekommt. Poe zu lesen ist immer ein Vergnügen, das sich hier zudem mit dem Genuss vermischt, einige sehr bekannte Geschichten, wie etwa „Metzengerstein“ oder „Das Manuskript in der Flasche“, quasi in einer „Rohdiamant-Fassung“ kennen zu lernen.
Der handliche, sehr schön produzierte Band (orangefarbener Schutzumschlag mit passendem Lesebändchen und gleichfarbigem Garn für die Fadenheftung!) war eine echte Entdeckung für mich, die wohlige Erinnerungen an ganz frühe Lektüreerlebnisse wachgerufen hat.
Horst Illmer
Edgar Allan Poe
DIE ERZÄHLUNGEN DES FOLIO CLUB
Übersetzt, herausgegeben und mit einem Nachwort von Rainer Bunz
(TALES OF THE FOLIO CLUB / 1833)
München, Manesse, 2021, 310 Seiten
ISBN 978-3-7175-2480-9 / 25,00 Euro
Ein ganzes Buch voller Kurzgeschichten von Edgar Allan Poe (1809–1849) in Deutscher Erstveröffentlichung? Das ist bei einem solchen Autor von Weltrang schon eine große Überraschung.
Wie es dazu kam, dass DIE ERZÄHLUNGEN DES FOLIO CLUB erst jetzt erschienen sind,
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Schwarze Spiegel
von Horst Illmer am 28. März 2022 Kommentare deaktiviert für Schwarze Spiegel
Arno Schmidt & Nicolas Mahler
SCHWARZE SPIEGEL.
Illustriert von Niclas Mahler
Berlin, Suhrkamp, 2021, 190 Seiten
Bibliothek Suhrkamp, Band 1528
ISBN 978-3-518-22528-8
Und dann gab’s 2021 noch SCHWARZE SPIEGEL, ein ARNO SCHMIDT-Comic, gezeichnet von Nicolas Mahler, dem 1969 in Wien geborenen und vielfach preisgekrönten Karikaturisten und Meister der „Verknappung“.
Seine Nacherzählung einer Science-Fiction-Story von Schmidt (aus dem Jahr 1955) erschien in der klassischen „Hochliteratur“-Reihe „Bibliothek Suhrkamp“, die dafür ihr „heiliges“ Klein-Oktav-Format aufgeben musste, da Mahlers Bilder dann doch etwas mehr Platz brauchten.
Dafür erzählt er mit dem Tuschepinsel in Schwarz und Lila vom Leben eines Misanthropen, nachdem ein Atomkrieg im Jahr 1960 zumindest dessen Lebensraum – also Deutschland – menschenleer hinterlassen hat. Der Ich-Erzähler fährt mit dem Rad übers Land, besorgt sich aus den Ruinen was er braucht, stöbert durch Kaufläden und Museen – und redet sich ein: ALLES IST GUT.
Bis dann – hoppla – eine Frau auftaucht! Und sofort kommen die alten Eitelkeiten wieder zum Vorschein, beginnt der Balz-Tanz aufs Neue, „entdecken“ sich Mann und Frau wie zu allen Zeiten.
Allerdings scheint SIE die Klügere zu sein. Nach einiger Zeit drängt es sie zum Aufbruch: Die Welt will erforscht werden – und Sie ist offensichtlich nicht so selbstgenügsam – auch nicht so mit sich selbst allein zufrieden – wie ER. Mit einem Trick gelingt es IHR, eine peinliche Abschiedsszene zu vermeiden und einfach zu verschwinden. Wieder ist ER allein – aber es steht jetzt die Frage im Raum, ob immer noch ALLES GUT ist?
Horst Illmer
Arno Schmidt & Nicolas Mahler
SCHWARZE SPIEGEL.
Illustriert von Niclas Mahler
Berlin, Suhrkamp, 2021, 190 Seiten
Bibliothek Suhrkamp, Band 1528
ISBN 978-3-518-22528-8
Und dann gab’s 2021 noch SCHWARZE SPIEGEL, ein ARNO SCHMIDT-Comic, gezeichnet von Nicolas Mahler, dem 1969 in Wien geborenen und vielfach preisgekrönten Karikaturisten und Meister der „Verknappung“.
Seine Nacherzählung einer Science-Fiction-Story von Schmidt (aus dem Jahr 1955) erschien in der klassischen „Hochliteratur“-Reihe „Bibliothek Suhrkamp“, die dafür ihr „heiliges“ Klein-Oktav-Format aufgeben musste,
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Sternenschöpfer
von Horst Illmer am 16. März 2022 Kommentare deaktiviert für Sternenschöpfer
Stapledon, Olaf
STERNENSCHÖPFER – STAR MAKER.
Ü: Thomas Schlück
(STAR MAKER / 1937)
Lüneburg, Dieter von Reeken, 2022, 243 Seiten
ISBN 978-3-945807-76-5 / 17,50 Euro
Ein namenloser Mensch nimmt als Vertreter der Erde an einer kosmischen Weltschau teil, die von den Ursprüngen, noch vor dem Urknall, bis weit nach dem Erlöschen der letzten Atombewegung reicht.
Er durchreist das Universum, findet bewohnte Welten und beobachtet die Entwicklung der dortigen „Menschen“. Es läuft die immer gleiche Geschichte ab, in der nach dem Erfolg einer Idee sofort die Gegenbewegung einsetzt und die Fortschritte zunichtemacht. Auf vielen Welten gewinnt der Erzähler Gefährten, die sich ihm anschließen, und gemeinsam ziehen sie weiter. Langsam erweitert sich ihr geistiger Horizont, sodass sie auch erfolgreiche utopische Gesellschaften besuchen können. Die geistige Entwicklung der kosmischen Beobachtertruppe reicht am Ende des Buches aus, zusammen mit dem „kosmischen Geist“ den „größten Moment“, das Erblicken des „Sternenschöpfers“, zu erleben.
Das Höchste Wesen erscheint als Schöpfer-Künstler und unser Kosmos ist sein erstes Meisterwerk. Es folgt eine lange Reihe weiterer Schöpfungen, bis endlich der „letzte Kosmos und der ewige Geist“ Vollendung finden.
Stapledon unternimmt hier den Versuch, eigentlich nicht Vermittelbares in menschlicher Sprache darzustellen. Er weiß von Beginn an über sein Scheitern Bescheid, lässt sich davon aber nicht abhalten, die Geschichte zu erzählen. Es ist ein Thematisieren völlig abstrakter Ideen mit den Mitteln der Science Fiction und der Queste.
Intuitiv hat er dabei eine Reihe kosmologischer Phänomene beschrieben, die ihn als seiner Zeit weit voraus zeigen. Sein „Held“ beobachtet ein entropisches Universum, dessen Bewohner zwei wichtige Gemeinsamkeiten haben: Die Angst vor dem Ende und das Streben nach Gott.
Stilistisch bewegt sich das Buch zwischen detaillierten Beschreibungen utopischer Welten und philosophisch-religiösen Überblicken. Es verschweigt nicht, dass Leid, Verzweiflung und Irrsinn die vorherrschenden Strömungen für das Leben in allen seinen Formen darstellt, schafft es aber auch, während der Erzählung die Ästhetik des Fremden, Unbegreiflichen immer weiter zu steigern.
Olaf Stapledon erweist sich in diesem Buch als großer Utopist und Mythenmacher – vielleicht als der Größte überhaupt.
Horst Illmer
Stapledon, Olaf
STERNENSCHÖPFER – STAR MAKER.
Ü: Thomas Schlück
(STAR MAKER / 1937)
Lüneburg, Dieter von Reeken, 2022, 243 Seiten
ISBN 978-3-945807-76-5 / 17,50 Euro
Ein namenloser Mensch nimmt als Vertreter der Erde an einer kosmischen Weltschau teil, die von den Ursprüngen, noch vor dem Urknall, bis weit nach dem Erlöschen der letzten Atombewegung reicht.
Er durchreist das Universum, findet bewohnte Welten und beobachtet die Entwicklung der dortigen „Menschen“. Es läuft die immer gleiche Geschichte ab,
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1984 – Dreierlei Antworten von Horst
von Horst Illmer am 9. März 2022 Kommentare deaktiviert für 1984 – Dreierlei Antworten von Horst
Angeregt durch das Gespräch, das Gerd, Bernie und Ralph Ende Februar für den WÜRZBLOG führten, und bei dem ihnen gerade mal keine wirklich gelungenen Umsetzungen von Literatur ins Medium Comic einfielen, wollte ich mich kurz „einbringen“ und die folgenden drei Graphic Novels zu einem literarischen Vorbild vorstellen:
1984
Jean-Christophe Derrien (Text)
Rémi Torregrossa (Bilder)
Übersetzung: Anja Kootz
München, Knesebeck, 2021, 124 S.
ISBN 978-3-95728-468-6 / 22,- Euro
1984 – BIG BROTHER IS WATCHING YOU
Sybille Titeux de la Croix (Text)
Amazing Ameziane (Bilder)
Übersetzung: Harald Sachse
Bielefeld, Splitter, 2021, 232 S.
ISBN 978-3-96219-102-3 / 29,80 Euro
1984
Fido Nesti (Text & Bilder)
Übersetzung: Michael Walter
Berlin, Ullstein, 2021, 224 S.
ISBN 978-3-550-20087-8 / 25,00 Euro
Größtmögliche Freiheit im künstlerischen Ausdruck oder größtmögliche Werktreue? Nirgendwo stellt sich diese Frage deutlicher als bei der bildhaften Umsetzung eines literarischen Werkes – sei es als Film, Fernsehserie oder Comic. An dieser Stelle wollen wir uns auf das Nacherzählen von George Orwells Roman 1984 in gezeichneter Form konzentrieren, also etwas, das gemeinhin als Comic bzw. Graphic Novel tituliert wird.
Nachdem die Rechteinhaber siebzig Jahre lang verhindert haben, dass Orwells Werk in Comicform „trivialisiert“ werden konnte, sind nach Ablauf des Copyrights ab 2021 keine Hindernisse mehr vorhanden. Gestartet hat den Reigen der 1984-Adaptionen hierzulande der Knesebeck Verlag aus München, in dem Anfang des Jahres 2021 die gleichnamige Graphic Novel als Übersetzung aus dem Französischen erschien. Das Szenario stammt von dem 1971 geborenen Drehbuchautor und Comic-Fan Jean-Christophe Derrien, die Bilder (und die Kolorierung) schuf der französische Zeichner Rémi Torregrossa, die Übersetzung wurde von Anja Kootz besorgt. Das 124 Seiten umfassende Hardcover enthält eine in düsteren Grautönen gehaltene „originalgetreue Adaption des Kultromans“ (Klappentext), die zur Mitte hin einige in zarten Pastelltönen gehaltene farbige Szenen bekommt (als sich Julia und Winston auf dem Land treffen und erstmals Sex miteinander haben), jedoch schnell wieder „ergraut“. Nur noch ganz selten werden einzelne Panels von Torregrossa eingefärbt um die Aufmerksamkeit der Betrachter*innen auf bestimmte Details zu lenken. Erwartungsgemäß wurde hier der „Anhang“ (der ja eine Erläuterung der Grammatikregeln ist) weggelassen – aber die von Orwell in ihm versteckte Hoffnung wird von Torregrossa in einer grün aufbrechenden Kastanienblüte gezeigt, die als kleines Bildquadrat eine ansonsten leere schwarze Schlussseite beherrscht.
Während Derrien und Torregrossa mit feinem, fast distanziert wirkendem „europäischem“ Strich und einer aufs Wesentliche reduzierten Story den Roman auf etwas mehr als einhundert Seiten unterbringen, kommt die bei Splitter veröffentlichte Ausgabe von 1984 – BIG BROTHER IS WATCHING YOU in der Adaption von Sybille Titeux de la Croix und Amazing Ameziane nahezu marktschreierisch und großspurig daher. Das 232 Seiten starke Hardcover ist deutlich größer und schwerer als die Knesebeck-Ausgabe und wirkt – vor allem zu Beginn – sehr bunt. Allerdings beweisen die beiden französischen Künstler, die mit MUHAMMAD ALI – DIE COMIC-BIOGRAFIE bereits 2015 einen internationalen Bestseller hatten, dass sie aufs Beste eingespielt sind. Während Titeux de la Croix’ Szenario (das von Harald Sachse eingedeutscht wurde) den Romantext, mit nur ganz behutsamen Kürzungen, größtenteils verwendet, wird Amazing Ameziane in seiner Bildsprache (die zwischendurch immer wieder einmal sehr stark an den Frank Miller der SIN CITY-Bücher erinnert) immer zurückhaltender und farbloser, bis, nach den reinen Grautönen der Folterszenen im dritten Teil, erst in der Schlussszene im Kaffe Kastanienbaum wieder etwas Farbe ins Spiel kommt. An dieser Stelle endet die Graphic Novel – für den „Appedix“ findet sich keine Entsprechung.
Mit Fido Nesti betritt ein 1971 im brasilianischen Sao Paulo geborener Südamerikaner die Bühne, dessen Blick auf die europäische Nachkriegswelt naturgemäß nochmals völlig anders ist als bei seinen französischen Kolleginnen und Kollegen. Der Autodidakt Nesti arbeitet seit über dreißig Jahren als Illustrator für Magazine und als Comiczeichner – und ist dem Orwell’schen Roman schon seit seiner Schulzeit „verfallen“. Seine bei Ullstein veröffentlichte Adaption ist eine Mischung aus franko-belgischer „ligne claire“ und dem kunstvoll-verknappten Zeichenstil eines Seth. An den erinnert auch die in düsteren grau-orange-rot Farben gehaltene Kolorierung. Die Seitenaufteilung folgt überwiegend dem klassischen 9-Pannels-pro Seite-Muster, wird jedoch immer wieder aufgebrochen, bis hin zu ganzseitigen, hoch-dynamischen und -drastischen Bildern. Das durchgängige Hand-Lettering wird an zwei Stellen aufgegeben: Zum einen sind die Passagen, die Winston seiner Julia aus Goldsteins Buch vorliest im Maschinensatz und mit einer anderen Hintergrundfarbe gestaltet; und der „Appendix“ mit den „Grundlagen des Neusprech“ ist als Anhang nach der letzten Bildseite angefügt. Die Buchgestaltung wirkt durch den glatten Beschnitt und den dicken Karton der Buchdeckel sehr rustikal, fast so, als ob die Graphic Novel von einer Zeitmaschine aus einer Ära der Knappheit und des Mangels zu uns gebracht worden wäre.
Nun, liebe Leserin, lieber Leser, liegt es an Dir! Welche dieser Ausgaben Du nun liest, bleibt allein Deinem Kunstverständnis und Deinen Vorlieben vorbehalten. Die Auswahl zu haben ist ein Privileg, das wir vor allem unserer vielfältigen Verlagslandschaft verdanken – dieses wundervolle Privileg zu nutzen ist nicht nur wertvoll sondern auch eine Verpflichtung.
George Orwells Buch gehört zum unzerstörbaren kollektiven Wissen um die Hinfälligkeit des Lebens und die Gefahren der Macht. 1984 ist immer – auch jetzt!
Horst Illmer
Angeregt durch das Gespräch, das Gerd, Bernie und Ralph Ende Februar für den WÜRZBLOG führten, und bei dem ihnen gerade mal keine wirklich gelungenen Umsetzungen von Literatur ins Medium Comic einfielen, wollte ich mich kurz „einbringen“ und die folgenden drei Graphic Novels zu einem literarischen Vorbild vorstellen:
1984
Jean-Christophe Derrien (Text)
Rémi Torregrossa (Bilder)
Übersetzung: Anja Kootz
München, Knesebeck, 2021, 124 S.
ISBN 978-3-95728-468-6 / 22,- Euro
1984 – BIG BROTHER IS WATCHING YOU
Sybille Titeux de la Croix (Text)
Amazing Ameziane (Bilder)
Übersetzung: Harald Sachse
Bielefeld,
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Rosewater – Der Aufstand
von Horst Illmer am 2. März 2022 2 Kommentare
Tade Thompson
ROSEWATER – DER AUFSTAND. Roman.
Band 2 der WORMWOOD-Trilogie.
Aus dem Englischen von Jakob Schmidt
(THE ROSEWATER INSURRECTION / 2019)
München, Golkonda, 2022, 423 Seiten
Kartoniert, mit Lesebändchen
ISBN 978-3-96509-026-2 / 22,00 €
Da ist es wieder, unser „altes“ Problem: Den Mittelband einer Trilogie kritisch zu würdigen gehört zu den undankbaren Aufgaben im Leben eines Rezensenten. Andererseits gibt es ja die Leser*innen des ersten Bandes, die, soweit er ihnen gefallen hat, nur darauf warten, endlich weiterlesen zu können/dürfen.
Also, Ärmel hoch und los: Nachdem vor zwei Jahren ROSEWATER, der ausgewöhnlich gut gelungene Erstling von Tade Thompson erschienen ist, liegt jetzt im Frühjahr 2022 dessen Fortsetzung ROSEWATER – DER AUFSTAND in den Buchhandlungen. Format und Ausstattung wurden beibehalten, Jakob Schmidt hat als Übersetzer wieder gute Arbeit geleistet und Tade Thompson entwickelt sich inzwischen nicht nur im englischsprachigen Raum zu einem vielgelesenen und geschätzten Autor, der außer Science Fiction auch herausragende Thriller (WILD CARD bei Suhrkamp) schreiben kann.
In ROSEWATER – DER AUFSTAND erweitert Thompson den Kreis seiner Protagonisten und beschreibt in ständig wechselnden Erzählperspektiven wie es in der um die Alien-Kuppel herum entstandene Stadt Rosewater weitergeht. Zum einen versucht die Stadtverwaltung ihren Status dadurch zu „verbessern“, dass sie sich zum unabhängigen Staat erklärt, was die nigerianische Regierung natürlich zu Gegenreaktionen veranlasst. Andererseits haben auch die Aliens mehr Probleme als ihre irdischen Gegenspieler ahnen …
Es bleibt spannend – in Rosewater genauso wie in ROSEWATER – DER AUFSTAND, und nach gut 400 Seiten unterhaltsamer und anregender Lektüre bleibt uns nur die Hoffnung, dass Golkonda eventuell keine weiteren zwei Jahre für den Abschlussband braucht.
Horst Illmer
Tade Thompson
ROSEWATER – DER AUFSTAND. Roman.
Band 2 der WORMWOOD-Trilogie.
Aus dem Englischen von Jakob Schmidt
(THE ROSEWATER INSURRECTION / 2019)
München, Golkonda, 2022, 423 Seiten
Kartoniert, mit Lesebändchen
ISBN 978-3-96509-026-2 / 22,00 €
Da ist es wieder, unser „altes“ Problem: Den Mittelband einer Trilogie kritisch zu würdigen gehört zu den undankbaren Aufgaben im Leben eines Rezensenten. Andererseits gibt es ja die Leser*innen des ersten Bandes, die, soweit er ihnen gefallen hat,
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Grenzwelten
von Horst Illmer am 16. Februar 2022 1 Kommentar
Ursula K. Le Guin
GRENZWELTEN. Zwei Romane.
Ü: Karen Nölle
(Originalzusammenstellung)
Frankfurt/M., Fischer Tor, Februar 2022, 400 S.
ISBN 978-3-596-70578-8 / 16,99 Euro
In der von Ursula K. Le Guin erdachten »Geschichte der menschlichen Zukunft« (in Science-Fiction-Kreisen auch gerne »Future History« genannt) stammen alle bekannten menschenähnlichen Völker der Galaxis von den Hain ab, weshalb ihre Erzählungen zusammengenommen den »Hainish«-Zyklus bilden und im Einflussbereich der »Ökumene« spielen. In der von TOR jetzt vorgelegten Originalzusammenstellung »Grenzwelten« sind zwei Romane Le Guins in der Neuübersetzung von Karen Nölle enthalten, die sie recht früh (DAS WORT FÜR WELT IST WALD, 1972) bzw. ziemlich spät (DIE ÜBERLIEFERUNG, 2000) in ihrer Schriftstellerinnen-Karriere geschrieben hat. Beide Bücher waren seit längerem vergriffen, sodass schon allein deswegen eine neue Ausgabe wünschenswert erschien.
DAS WORT FÜR WELT IST WALD (THE WORD FOR WORLD IS FOREST)
Dieser Roman bricht wie ein Naturereignis über den/die Leser*in herein; die Erzählung beginnt mitten im »Herz der Finsternis«.
Wir erleben die Protagonisten – Soldaten, Holzfäller und einige Wissenschaftler – bei ihrem Tagwerk auf dem Planeten Athsche, der bei ihnen den Namen New Tahiti trägt. Ihr Leben besteht aus Holzfällen, Roden und der gelegentlichen Jagd auf heimisches Rotwild und ist dabei von jener für menschliche Kolonisatoren typischen Arroganz und Überheblichkeit gegenüber den »Krietschi« genannten Einheimischen geprägt.
Da die Erde mittlerweile eine Betonwüste ist und dringend Holz braucht, stellt Athsche eine Goldgrube dar. Der Planet besteht auf seiner Landfläche ausschließlich aus Wald. Also wird er ausgebeutet. Die heimische Lebensform wird zu halbintelligenten Sklaven herabgewürdigt, dies vor allem, da sie eine konfliktvermeidende, friedliche Zivilisation aufgebaut haben. Erst als sie sich nach jahrelanger Qual wehren, müssen die Menschen einsehen, dass sie im Unrecht sind. Nur der friedliebenden Intelligenz der Athscheaner ist es zu danken, dass nicht alle Menschen getötet werden.
Das Werk steht deutlich unter dem Einfluss des Vietnam-Krieges. Die Entlaubungsaktionen und die menschenverachtende Politik der USA haben als Spiegel gedient für die Aktionen auf Athsche. Doch darüber hinaus ist es Le Guin gelungen, in ihren Personen die Archetypen solcher Konflikte zu zeichnen und darzustellen, dass es allemal schwieriger ist, Frieden zu schließen, als sinnlose Zerstörung zu verbreiten. In diesem Sinne also ein hoch moralisches Werk, das seine Intention jedoch hinter einer spannenden Geschichte zurücknimmt und keinen Zeigefinger wedeln lässt.
DIE ÜBERLIEFERUNG (THE TELLING)
»Die Überlieferung« war Le Guin letzte große Erzählung aus der Welt der Hainish.
Auf dem Planeten Aka hat sich seit dem ersten Kontakt mit der Ökumene eine rasante Entwicklung »hin zu den Sternen« ergeben, die aber als Kehrseite einen repressiven Staat zur Folge hat, der alles »Alte« als kriminell und fortschrittsfeindlich verfolgt. Die terranische Beobachterin Sati darf als erste Außenweltlerin nach vielen Jahren der Isolation ins Landesinnere reisen. Sie erlebt dort, nach einer Phase des vorsichtigen Abtastens, die ursprüngliche, die »wahre« Kultur der Einheimischen und versucht, diese zu verstehen und aufzuzeichnen. Diese Kultur ist auf Grund geographischer Besonderheiten des Planeten Aka sehr homogen, sehr friedlich und weiß wenig von Göttern und Glaubensproblemen. Sie hat starke konservative Züge, pflegt die eigene Geschichte in Büchern und vor allem im Erzählen.
Dieses »Überlieferung« genannte Ritual, von befähigten Menschen von Generation zu Generation weitergegeben, ist eine Mischung aus homerischem Erzählen und peinlich genauer Geschichtsschreibung. Bei allem Verständnis, das sich bei Sati entwickelt, bleibt jedoch ein Rest von Geheimnis – ja sogar oftmals von Missverstehen, resultierend daraus, dass eine gelebte, eigenständige Kultur sich nicht deckungsgleich übersetzen lässt.
Wie immer verbindet Le Guin philosophische Ideen mit einer interessanten Geschichte, menschlicher Anteilnahme und wundervollen Naturbeobachtungen. Sie greift eigene und von anderen Autoren (wie Orwell oder Bradbury) entwickelte Themenkreise auf, was sich jedoch kaum vermeiden lässt, da restriktive Systeme einander in der Wahl ihrer Unterdrückungsmethoden wohl allzu sehr gleichen.
Da Ursula Le Guin eine begnadete Erzählerin ist, fühlt man sich in diesem Buch schon nach dem ersten Absatz wohl und behütet; man lauscht und träumt und möchte, dass die Überlieferung niemals endet. Etwas Schöneres ist einem Buch kaum nachzusagen.
Horst Illmer
Ursula K. Le Guin
GRENZWELTEN. Zwei Romane.
Ü: Karen Nölle
(Originalzusammenstellung)
Frankfurt/M., Fischer Tor, Februar 2022, 400 S.
ISBN 978-3-596-70578-8 / 16,99 Euro
In der von Ursula K. Le Guin erdachten »Geschichte der menschlichen Zukunft« (in Science-Fiction-Kreisen auch gerne »Future History« genannt) stammen alle bekannten menschenähnlichen Völker der Galaxis von den Hain ab, weshalb ihre Erzählungen zusammengenommen den »Hainish«-Zyklus bilden und im Einflussbereich der »Ökumene« spielen. In der von TOR jetzt vorgelegten Originalzusammenstellung »Grenzwelten« sind zwei Romane Le Guins in der Neuübersetzung von Karen Nölle enthalten,
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Die Flüchtigen
von Horst Illmer am 7. Februar 2022 Kommentare deaktiviert für Die Flüchtigen
Alain Damasio
DIE FLÜCHTIGEN. Roman.
Aus dem Französischen von Milena Adam
(LES FURTIFS / 2019)
Berlin, Matthes & Seitz, 2021, 844 Seiten
ISBN 978-3-7518-0039-6
Eigentlich liebe ich solche Bücher – und das ist das Problem, denn „eigentlich“ beinhaltet ja diverse Vorbehalte, und DIE FLÜCHTIGEN von Alain Damasio, Frankreichs neuestem Stern am Literaturhimmel, erfüllt auf den ersten Blick alle „Vorbehaltskriterien“:
Ein nicht eindeutig festzumachender Plot, ein Autor, der in seiner Heimat vielfach bejubelt wird, hierzulande aber noch völlig unbekannt ist, ein mit 844 Seiten äußerst umfangreicher Roman, der – und hier wird’s echt kritisch – beim Aufschlagen an beliebiger Stelle eine Typografie zeigt, die Arno Schmidt zu Begeisterungsrufen veranlasst hätte, „normale“ Leser*innen aber erst einmal verunsichert.
Äh, hallo, gibt es auch Gründe, die für das Buch sprechen?
Klar!
Alles oben Aufgeführte bringt „fortgeschrittene“ Literaturenthusiast*innen erst so richtig in Schwung. Da gibt es einen neuen Autor zu entdecken, noch dazu einen, der in Frankreich als Erneuerer der Science Fiction gilt und für jeden neuen Roman Lob und Preis einheimst. Da hat sich eine vorzügliche Übersetzerin, Milena Adam, die Mühe gemacht, ein in avantgardistischer Manier geschriebenes Werk ins Deutsche zu übersetzen. Und wenn Damasio der Meinung ist, dass im dritten Jahrtausend und im Zeitalter des Computersatzes hin und wieder einmal neue typografische Zeichen eingesetzt werden sollten, um zu zeigen, dass sich nicht nur die Technik, sondern auch die Sprache weiterentwickelt, so ist das nur zu begrüßen (und der Setzer, Hermann Zanier, unbedingt zu würdigen).
Braucht’s da noch einen Plot?
Klar!
Dieser Science-Fiction-Roman trägt gleichermaßen dystopische wie utopische Züge in sich, wenn er die Geschichte zweier liebender Eltern erzählt, die ihre „verloren“ gegangene Tochter suchen – und dabei auf Dinge stoßen, die genauso zweideutig sind wie das „richtige Leben“.
DIE FLÜCHTIGEN ist eine bewusstseinserweiternde Droge für Literaturjunkies ohne Scheuklappen, ein Trip, von dem sich erst beim Lesen entscheidet, ob sowas Spaß macht – „schön, schlank und sexy“ (wie Denis Scheck sagen würde) macht’s auf jeden Fall.
Horst Illmer
Alain Damasio
DIE FLÜCHTIGEN. Roman.
Aus dem Französischen von Milena Adam
(LES FURTIFS / 2019)
Berlin, Matthes & Seitz, 2021, 844 Seiten
ISBN 978-3-7518-0039-6
Eigentlich liebe ich solche Bücher – und das ist das Problem, denn „eigentlich“ beinhaltet ja diverse Vorbehalte, und DIE FLÜCHTIGEN von Alain Damasio, Frankreichs neuestem Stern am Literaturhimmel, erfüllt auf den ersten Blick alle „Vorbehaltskriterien“:
Ein nicht eindeutig festzumachender Plot, ein Autor, der in seiner Heimat vielfach bejubelt wird,
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Das Ende der Bücher
von Horst Illmer am 26. Januar 2022 Kommentare deaktiviert für Das Ende der Bücher
Octave Uzanne
DAS ENDE DER BÜCHER.
Ü: Anonym, Ill.: Steph von Reiswitz
Nachwort: Jochen Hörisch
(??? / 1894)
Berlin, Favoriten Presse, 2021, 60 S.
ISBN 978-3-968490-01-4
Hörbuch:
Argon Verlag, 1 CD, ungekürzte Lesung
ISBN 978-3-8398-1891-6
Noch ist es nicht soweit, aber der französische Bibliophile und Verleger Octave Uzanne hat es bereits 1894 vorhergesehen: »Das Ende der Bücher« steht bevor. In der kurzen Erzählung, die erstmals in einer Anthologie für Bücherliebhaber erschien, nahm sich Uzanne die Freiheit und spekulierte darüber, wie die Erfindungen von Thomas Alva Edison, die er sich kurz vorher in den USA angesehen hatte, den Umgang der Menschen mit den von Autoren erzählten Geschichten verändern würden. Damals waren die ersten Tonwalzen in Umlauf gekommen, auf denen kurze Text- oder Musikstücke aufgezeichnet wurden, die dann immer wieder abgespielt werden konnten.
Daraus entwickelt sich bei Uzanne eine völlig neue Industrie, die das gedruckte Buch verdrängt und alle neuen Werke in Form preiswerter Tonträger für die ehemaligen Leser (die nun zu Hörern werden) zur Verfügung stellt. Selbst den Walkman gibt es in Uzannes Vorstellung schon, ebenso eine Frühform des öffentlichen Rundfunks!
Glücklicherweise, so erklärt es Prof. Dr. Jochen Hörisch in seinem Nachwort, hat es sich gezeigt, dass neue Erfindungen das Altbewährte nur teilweise ersetzen, und so können wir Heutigen diese hübsche (und wundervoll mit Tuschezeichnungen von Steph von Reiswitz illustrierte) Proto-Science-Fiction-Geschichte immer noch in gedruckter Form genießen. Selbstverständlich gibt es »Das Ende der Bücher« auch als Hörbuch.
Horst Illmer
Octave Uzanne
DAS ENDE DER BÜCHER.
Ü: Anonym, Ill.: Steph von Reiswitz
Nachwort: Jochen Hörisch
(??? / 1894)
Berlin, Favoriten Presse, 2021, 60 S.
ISBN 978-3-968490-01-4
Hörbuch:
Argon Verlag, 1 CD, ungekürzte Lesung
ISBN 978-3-8398-1891-6
Noch ist es nicht soweit, aber der französische Bibliophile und Verleger Octave Uzanne hat es bereits 1894 vorhergesehen: »Das Ende der Bücher« steht bevor. In der kurzen Erzählung, die erstmals in einer Anthologie für Bücherliebhaber erschien,
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Zum Paradies
von Horst Illmer am 17. Januar 2022 Kommentare deaktiviert für Zum Paradies
Hanya Yanagihara
ZUM PARADIES. Roman.
Aus dem Englischen von Stephan Kleiner
(TO PARADISE / 2022)
Berlin, Claasen, 2022, 895 S.
ISBN 978-3-546-10051-9 / 30,00 Euro
Hardcover
Die 1974 in Los Angeles geborene US-amerikanische Schriftstellerin Hanya Yanagihara veröffentlichte 2013 ihren ersten Roman THE PEOPLE IN THE TREES (dt. 2019 als DAS VOLK DER BÄUME), dem 2015 dann der Weltbestseller A LITTLE LIFE (dt. 2017 als EIN WENIG LEBEN) folgte. Ihr drittes Buch TO PARADISE erschien jetzt Anfang 2022 weltweit zeitgleich wie es einem Star der Literaturbetriebs wohl zusteht. In Deutschland hat sich der zu den Ullstein Buchverlagen gehörende Claasen Verlag die Rechte gesichert und die von Stephan Kleiner besorgte Übersetzung unter dem Titel ZUM PARADIES herausgebracht.
Wie schon in ihren bisherigen Romanen behandelt Yanagihara hier das mehr als nur schwierige Zusammenleben von Menschen, die sich außerhalb der »Norm« verorten. Die überaus emotional beschriebenen Lebenswege führen ihre Protagonisten diesmal alle an einen ganz bestimmten Ort – ein Haus am New Yorker Washington Square –, aber zu jeweils sehr unterschiedlichen Zeitpunkten.
Der dreigeteilte Roman beginnt in einem Alternativwelt-Amerika des Jahres 1893, setzt sich im altbekannten New York des Jahres 1993 fort und nimmt schließlich in der Zukunftswelt von 2093 neuen Schwung und eine gänzlich neue Richtung.
Die Autorin lässt sich auf ihrem eigenen Weg ZUM PARADIES viel Zeit, allerdings muss das Worldbuilding ja auch stimmig sein, sonst führt die Suche nach einer Utopie nur zu einem letztlich verschlossenen (Himmels-)Tor.
Horst Illmer
Hanya Yanagihara
ZUM PARADIES. Roman.
Aus dem Englischen von Stephan Kleiner
(TO PARADISE / 2022)
Berlin, Claasen, 2022, 895 S.
ISBN 978-3-546-10051-9 / 30,00 Euro
Hardcover
Die 1974 in Los Angeles geborene US-amerikanische Schriftstellerin Hanya Yanagihara veröffentlichte 2013 ihren ersten Roman THE PEOPLE IN THE TREES (dt. 2019 als DAS VOLK DER BÄUME), dem 2015 dann der Weltbestseller A LITTLE LIFE (dt. 2017 als EIN WENIG LEBEN) folgte. Ihr drittes Buch TO PARADISE erschien jetzt Anfang 2022 weltweit zeitgleich wie es einem Star der Literaturbetriebs wohl zusteht.
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Die Berechnung der Sterne
von Horst Illmer am 5. Januar 2022 Kommentare deaktiviert für Die Berechnung der Sterne
Mary Robinette Kowal
DIE BERECHNUNG DER STERNE. Roman.
Ü: Judith C. Vogt
(The Calculating Stars / 2018)
München, Piper, 2022, 506 S.
ISBN 978-3-492-70597-4 / Klappenbroschur / 18,00 Euro
Früher einmal – in den „guten alten Zeiten“ – konnte man zielsicher ans Regal mit den Heyne-Taschenbüchern treten, wenn man nach den HUGO- oder NEBULA-Preisträgern und deren Texten suchte. Inzwischen sichern sich die Herausgeber vieler anderer Verlage in Deutschland diese Titel.
Aktuellstes Beispiel ist der Roman DIE BERECHNUNG DER STERNE von Mary Robinette Kowal, dessen deutsche Ausgabe bei Piper erschienen ist. Den Einband jedenfalls ziert der Hinweis auf sowohl HUGO-, wie NEBULA- und LOCUS-Award (und dabei wird der SIDEWISE-Award sogar noch unterschlagen).
In THE CALCULATING STARS (so der OT von 2018) erzählt Kowal eine unglaubliche und faszinierende Alternativweltgeschichte der Raumfahrt, die dieses Mal von weiblichen Heldinnen bestimmt wird. Angeregt sicherlich auch durch die realen „Hidden Figures“, die für die NASA als Computer-Ersatz arbeiteten, dreht Kowal den Spieß einfach um und zeigt den Herren der Schöpfung, dass eine kleine Änderung im Verlauf der Geschichte wirklich ALLES verändern kann …
Das von Judith C. Vogt übersetzte Buch hinterlässt jedenfalls den Eindruck, dass da durchaus noch einige (deutsche) Science-Fiction-Preise hinzukommen könnten.
Horst Illmer
Mary Robinette Kowal
DIE BERECHNUNG DER STERNE. Roman.
Ü: Judith C. Vogt
(The Calculating Stars / 2018)
München, Piper, 2022, 506 S.
ISBN 978-3-492-70597-4 / Klappenbroschur / 18,00 Euro
Früher einmal – in den „guten alten Zeiten“ – konnte man zielsicher ans Regal mit den Heyne-Taschenbüchern treten, wenn man nach den HUGO- oder NEBULA-Preisträgern und deren Texten suchte. Inzwischen sichern sich die Herausgeber vieler anderer Verlage in Deutschland diese Titel.
Aktuellstes Beispiel ist der Roman DIE BERECHNUNG DER STERNE von Mary Robinette Kowal,
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Die Weltenschöpfer
von Horst Illmer am 27. Dezember 2021 6 Kommentare
Charles Platt
DIE WELTENSCHÖPFER.
Kommentierte Gespräche mit Science-Fiction-Autorinnen und -Autoren. Band 1.
Übersetzt von Frank Böhmert, Andreas Fliedner, Horst Illmer, Bernhard Kempen, Matita Leng, Jasper Nicolaisen, Michael Plogmann, Erik Simon & Simon Weinert
(DREAM MAKERS Vol. 1 / 1980)
Berlin, Memoranda, 2021, 360 Seiten
ISBN 978-3-948616-60-1
Klappenbroschur
„Ich wollte etwas über Science-Fiction-Autoren wissen.“ (S.9)
So wie Charles Platt ergeht es vielen Leserinnen und Lesern, doch die wenigsten von ihnen haben je Gelegenheit, diese Neugier in einer persönlichen Begegnung oder einem langen Gespräch zu befriedigen. Platt dagegen gelang es um das Jahr 1980 herum mit gleich sechzig seiner Kolleginnen und Kollegen sehr ausführliche Interviews zu führen (Und auch wenn früher nicht alles besser war – die damalige Interview-Kultur bleibt unerreicht.) und diese in zwei voluminösen Bänden zu veröffentlichen.
Allerdings hatte der damals 35-jährige Engländer den Ehrgeiz, nicht nur das Gespräch, sondern auch die Umstände zu dokumentieren, die vor, während und nach den Interviews herrschten. Und so sind es gerade die sehr persönlichen Eindrücke und Kommentare von Platt, die das Besondere an den WELTENSCHÖPFERN ausmachen.
Wie er in der eigens für die deutsche Ausgabe geschriebenen Einführung darlegt, waren es spannende Zeiten damals und die Science-Fiction-Autoren (plus einiger weniger Autorinnen), die er besuchte, waren die Altmeister des sogenannten „Goldenen Zeitalters“ (wie etwa Isaac Asimov, A. E. van Vogt oder Frederik Pohl) und einige ihrer aufstrebenden, oftmals unbotmäßigen und respektlosen „Erben“ (zum Beispiel Harlan Ellison, Norman Spinrad und Philip K. Dick).
Von ihnen will er wissen, wie sie schreiben, welche Umstände sie zur Science Fiction brachten, ob sie davon leben können, welche Vorstellungen sie von ihrer Schriftsteller-Karriere hatten und jetzt haben; aber er fragt auch nach ihren Beziehungen zur Welt außerhalb des Genre-Ghettos, nach gescheiterten Ehen, nach Haustieren, musikalischen Vorlieben und ihrem Drogenkonsum. Und obwohl es auch für ihn selbst manchmal so wirkt, als würde er gleich rausgeworfen, bekommt er dann doch Antworten auf all diese Fragen.
Der Großteil dieses ersten WELTENSCHÖPFER-Bandes ist, in der (teilweise recht freien) Übersetzung von Ronald M. Hahn, 1982 unter dem Titel GESTALTER DER ZUKUNFT auf Deutsch erschienen – trotzdem liegt hier ein völlig neues Buch vor. Es ist nicht nur so, dass die Beiträge von einer ganzen Reihe hervorragender Übersetzer neu übertragen wurden, sondern Charles Platt hat sie auch im letzten Jahr nochmals überarbeitet und zu den meisten von ihnen ein neues Nachwort (hier „Historischer Kontext“ genannt) geschrieben, in dem er sich zurückerinnert und die verstrichenen vierzig Jahre Revue passieren lässt.
Sie wollen etwas über Science-Fiction-Autoren wissen? Greifen Sie zu!
Horst Illmer
Charles Platt
DIE WELTENSCHÖPFER.
Kommentierte Gespräche mit Science-Fiction-Autorinnen und -Autoren. Band 1.
Übersetzt von Frank Böhmert, Andreas Fliedner, Horst Illmer, Bernhard Kempen, Matita Leng, Jasper Nicolaisen, Michael Plogmann, Erik Simon & Simon Weinert
(DREAM MAKERS Vol. 1 / 1980)
Berlin, Memoranda, 2021, 360 Seiten
ISBN 978-3-948616-60-1
Klappenbroschur
„Ich wollte etwas über Science-Fiction-Autoren wissen.“ (S.9)
So wie Charles Platt ergeht es vielen Leserinnen und Lesern, doch die wenigsten von ihnen haben je Gelegenheit,
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Adventskalender 2021 T-15 "Die Hüterin der Drachen"
von Horst Illmer am 9. Dezember 2021 Kommentare deaktiviert für Adventskalender 2021 T-15 "Die Hüterin der Drachen"
Curatoria Draconis (Text) & Tomislav Tomić
DIE HÜTERIN DER DRACHEN.
Auf der Suche nach dem letzten Himmelsdrachen.
Übersetzt von Ute Löwenberg
(DRAGON ARK / 2020)
München London New York, Prestel, 2021, 75 Seiten
ISBN 978-3-7913-7483-3 / 26,00 Euro
Überformatiges Hardcover
So müssen Bücher über Drachen aussehen: Riesenformat und jede Menge Gold!
Der Prestel Verlag hat mit DIE HÜTERIN DER DRACHEN kurz vor Weihnachten ein absolut begeisterndes Buch für Alle vorgelegt. Der Text stammt von Emma Roberts, die unter dem Pseudonym Curatoria Draconis auch gleichzeitig die „Hüterin der Drachen“ und Chefin der „Drachen-Arche“ ist, die Bilder schuf Tomislav Tomic, das englische Original erschien 2020 unter dem Titel DRAGON ARK.
Es geht in diesem illustrierten „Sachbuch“, das den Untertitel „Auf der Suche nach dem letzten Himmelsdrachen“ trägt, darum, dass der Lebensraum für Drachen auf unserer Welt immer weiter schrumpft. Die Mission der Drachen-Arche ist also die Rettung der letzten Drachen. Dazu bereisen die Crew-Mitglieder der Arche mit ihrem Schiff die Weltmeere und suchen auf allen Kontinenten nach den letzten Exemplaren der diversen Drachen-Unterarten. Was ihnen noch fehlt ist der Himmelsdrache Tian Long, der seit Jahrhunderten nicht mehr gesichtet wurde, aber Curatoria Draconis hofft, in den unzugänglichen Urwäldern des Jangtse-Flusses doch noch fündig zu werden. Das Ergebnis zeigt die letzte Doppelseite im Format 37 mal 55 Zentimeter.
DIE HÜTERIN DER DRACHEN ist ein Bilderbuch für Drachenliebhaber, das im Stil eines populärwissenschaftlichen Biologie-Lehrbuchs eine Reihe mythischer Wesen aus den Nebeln des Vergessens in Bewusstsein zurückholt.
Es wird hiermit offiziell eine erstgemeinte „Weihnachtsgeschenk-Empfehlung“!
Horst Illmer
Curatoria Draconis (Text) & Tomislav Tomić
DIE HÜTERIN DER DRACHEN.
Auf der Suche nach dem letzten Himmelsdrachen.
Übersetzt von Ute Löwenberg
(DRAGON ARK / 2020)
München London New York, Prestel, 2021, 75 Seiten
ISBN 978-3-7913-7483-3 / 26,00 Euro
Überformatiges Hardcover
So müssen Bücher über Drachen aussehen: Riesenformat und jede Menge Gold!
Der Prestel Verlag hat mit DIE HÜTERIN DER DRACHEN kurz vor Weihnachten ein absolut begeisterndes Buch für Alle vorgelegt.
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Adventskalender 2021 T-20 "Das Weihnachts-Dingsbums"
von Horst Illmer am 4. Dezember 2021 1 Kommentar
F. Paul Wilson
DAS WEIHNACHTS-DINGSBUMS.
Illustrationen von Alan M. Clark
Übersetzt von Joachim Körber
(The Christmas Thingy / 2000)
o. O. (Altefähr), Wandler Verlag, 2020, 31 Seiten
ISBN 978-3-948825-01-0 / 16,00 Euro
Reihe Murmelnest 01
Großformatiger Pappband mit Fadenheftung
Einen tollen Start legte der im letzten Jahr neugegründete Wandler Verlag hin:
Als erstes Buch ist dort DAS WEIHNACHTS-DINGSBUMS von F. Paul Wilson erschienen, ein großformatiges Kinderbuch, das natürlich auch sehr von den stimmungsvollen Illustrationen Alan M. Clarks geprägt ist. Leider gab es dann ein kleines logistisches Problem. Deshalb gibt es die Rezi erst in diesem Jahr, da ihr das Buch jetzt auch im Laden erwerben könnt…
Geschildert werden darin die Erlebnisse von Jessica Atkins, deren Eltern aus beruflichen Gründen von Amerika nach England gezogen sind. Jessica, die wegen einer Behinderung nach der Schule überwiegend alleine zuhause ist, wünscht sich ein „freundliches“ Monster als Spielgefährten. Dass die Erfüllung eines solchen Wunsches durchaus zweischneidig ausfallen kann, wie die brave Haushälterin Mrs. Murgatroyd warnt, zeigt sich in den folgenden Wochen, nachdem es sich „das Dingsbums“ unter Jessicas Bett heimisch macht.
Die Abenteuer finden ihren Höhepunkt dann am Weihnachtsabend – denn da entscheidet es sich, ob das „Dingsbums“ wirklich zu einem echten Freund geworden ist, oder ob es seiner ursprünglichen Monster-Bestimmung folgen muss …
Eine großartige Weihnachtsgeschichte für jung und alt, die sich auch hervorragend zum Vorlesen eignet!
Horst Illmer
F. Paul Wilson
DAS WEIHNACHTS-DINGSBUMS.
Illustrationen von Alan M. Clark
Übersetzt von Joachim Körber
(The Christmas Thingy / 2000)
o. O. (Altefähr), Wandler Verlag, 2020, 31 Seiten
ISBN 978-3-948825-01-0 / 16,00 Euro
Reihe Murmelnest 01
Großformatiger Pappband mit Fadenheftung
Einen tollen Start legte der im letzten Jahr neugegründete Wandler Verlag hin:
Als erstes Buch ist dort DAS WEIHNACHTS-DINGSBUMS von F. Paul Wilson erschienen, ein großformatiges Kinderbuch, das natürlich auch sehr von den stimmungsvollen Illustrationen Alan M.
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Adventskalender 2021 T-23 "Das Ministerium für Zukunft"
von Horst Illmer am 1. Dezember 2021 1 Kommentar
Kim Stanley Robinson
DAS MINISTERIUM FÜR DIE ZUKUNFT. Roman.
Aus dem Amerikanischen von Paul Bär
(THE MINISTRY FOR THE FUTURE / 2020)
München, Heyne, 2021, 717 S.
ISBN 978-3-453-32170-0 / 17,00 Euro
Auf dieses Buch hat die Welt gewartet. Und wenn nicht die Welt, so jedenfalls meine Wenigkeit, denn ich bin es leid, immer und immer wieder zu lesen (und zu hören), was alles nicht geht. Aber auf den guten alten Kim Stanley Robinson kann man sich halt verlassen! Immer wenn man glaubt, es gäbe keine Utopien mehr, kommt dieser altgediente Kämpe daher und zeigt uns, was alles möglich ist!!
Sein neuester Roman trägt den unschlagbaren Titel DAS MINISTERIUM FÜR DIE ZUKUNFT und er beginnt mit einer Katastrophensequenz, die so wie beschrieben tatsächlich Morgen oder nächste Woche passieren könnte. Was sie von andren Katastrophen unterscheidet (jedenfalls bei Robinson) ist, dass jemand daraus Konsequenzen zieht. „Jemand“ sind hier viele, teilweise sehr unterschiedliche, Individuen und Gruppen und auch die „Konsequenzen“ reichen von verstärkter politischer Arbeit bis hin zu brutalstem Ökoterrorismus und staatlichen Kurzschlussreaktionen.
Allerdings entwickelt sich in DAS MINISTERIUM FÜR DIE ZUKUNFT daraus keine Apokalypse, sondern all diese Reaktionen führen zur Akkumulation von etwas Positivem, zu einem Umdenken bei so vielen Menschen, dass erstmals seit vielen Jahrzehnten ein Lichtstreif am Horizont auftaucht und eine klimaneutralere, gerechtere Welt vorstellbar wird. Robinson bietet keine fertigen Lösungen an, aber er zeigt Wege und Möglichkeiten, und genau wie seine Protagonisten Mary und Frank müssen wir uns schon selbst entscheiden, welchen Weg wir gehen, welche Möglichkeit wir ergreifen wollen.
Barack Obama hat jedenfalls Recht mit seinem auf dem Cover zitierten Ausspruch: „EINES DER WICHTIGSTEN BÜCHER DES JAHRES!“
Horst Illmer
Kim Stanley Robinson
DAS MINISTERIUM FÜR DIE ZUKUNFT. Roman.
Aus dem Amerikanischen von Paul Bär
(THE MINISTRY FOR THE FUTURE / 2020)
München, Heyne, 2021, 717 S.
ISBN 978-3-453-32170-0 / 17,00 Euro
Auf dieses Buch hat die Welt gewartet. Und wenn nicht die Welt, so jedenfalls meine Wenigkeit, denn ich bin es leid, immer und immer wieder zu lesen (und zu hören), was alles nicht geht. Aber auf den guten alten Kim Stanley Robinson kann man sich halt verlassen!
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Diagnose F: Science-Fiction trifft Psyche
von Horst Illmer am 17. November 2021 1 Kommentar
Michael Tinnefeld & Uli Bendick (Hrsg.)
DIAGNOSE F. SCIENCE-FICTION TRIFFT PSYCHE.
Winnert, p.machinery, 2021, 350 Seiten
ISBN 978-3-95765-230-0 / 27,90 Euro (kartonierte Ausgabe)
ISBN 978-3-95765-231-7 / 44,90 Euro (Hardcover)
Alle paar Jahre nur hält man so ein Buch in der Hand, das es eigentlich gar nicht geben dürfte, und doch kann man darin blättern, lesen und (in dem vorliegenden Fall ganz besonders wichtig) schauen. In diesem Fall also die Anthologie DIAGNOSE F – SCIENCE-FICTION TRIFFT PSYCHE, herausgegeben von Michael Tinnefeld und Uli Bendick.
Und „das Besondere“ gibt es hier gar nicht, so viele „Besonderheiten“ sind vorzustellen:
Zuerst fällt das äußere Erscheinungsbild auf. „Quadratisch, praktisch, gut“ (sorry, der K(a)lauer musste sein) kommt einem in den Sinn, wenn man die 350 Seiten im Format 22 mal 22 Zentimeter das erste Mal „hochliftet“. Dann entdeckt man, beim ersten durch-die-Finger-laufen-lassen, die Bilderfülle, ja fast schon -flut! Gemeinsam mit Mario Franke hat Uli Bendick zu jeder Geschichte eine Illustration produziert – und weil’s so viel Spaß gemacht hat, gleich noch ein umlaufendes Cover und einige Bonus-Bilder als Anhang mitgeliefert.
Natürlich „flasht“ auch das Thema, das der Untertitel „Science-Fiction trifft Psyche“ nur andeutet. Tatsächlich behandeln alle 35 in DIAGNOSE F enthaltenen Science-Fiction-Geschichten psychische Störungen – und der Psychologe und Psychotherapeut Tinnefeld erklärt im jeweiligen „Diagnostischen Kommentar“ um welche Störung es dabei geht und welche „F-Diagnose“ nach ICD gestellt werden kann.
Es gehörte also durchaus Mumm dazu, der Ausschreibung für eine solche Themen-Anthologie zu folgen und einen Text einzureichen! Umso schöner, dass die Herausgeber sogar auswählen konnten (bzw. mussten). Die durchweg lesenswerten Beiträge stammen von 32 mehr oder weniger bekannten Autorinnen und Autoren wie Markus K. Korb, Rainer Schorm, Friedhelm Schneidewind, Aiki Mira und Hans Jürgen Kugler, sowie von der mit gleich drei Stories vertretenen Monika Niehaus.
Dass auch der Verlag hinter diesem Projekt steht zeigt sich u. a. daran, dass es von diesem Buch gleichzeitig zwei Ausgaben gibt: Eine fadengeheftete Hardcover-Edition mit Lesebändchen und eine minimal kleinere Softcover-Variante zum deutlich günstigeren Preis.
Auch wenn ich jetzt nicht genau weiß, welche F-Diagnosen-Nummer für das Sammeln außergewöhnlicher Bücher zuständig ist: Anthologien wie DIAGNOSE F dürfte es ruhig öfter geben.
Horst Illmer
Michael Tinnefeld & Uli Bendick (Hrsg.)
DIAGNOSE F. SCIENCE-FICTION TRIFFT PSYCHE.
Winnert, p.machinery, 2021, 350 Seiten
ISBN 978-3-95765-230-0 / 27,90 Euro (kartonierte Ausgabe)
ISBN 978-3-95765-231-7 / 44,90 Euro (Hardcover)
Alle paar Jahre nur hält man so ein Buch in der Hand, das es eigentlich gar nicht geben dürfte, und doch kann man darin blättern, lesen und (in dem vorliegenden Fall ganz besonders wichtig) schauen. In diesem Fall also die Anthologie DIAGNOSE F – SCIENCE-FICTION TRIFFT PSYCHE,
- Kategorie: Bücher , Horsts Bibliothek , Rezis , Science Fiction
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Die Geschichte der Science Fiction
von Horst Illmer am 8. November 2021 7 Kommentare
Xavier Dollo (Text) & Djibril Morissette-Phan (Zeichnungen & Farbe)
DIE GESCHICHTE DER SCIENCE FICTION.
Übersetzt von Harald Sachse
(HISTOIRE DE LA SCIENCE-FICTION / 2020)
Bielefeld, Splitter, 2021, 216 Seiten
ISBN 978-3-96219-103-0 / 29,80 Euro
Hardcover
Nicht „eine“, sondern DIE GESCHICHTE DER SCIENCE FICTION will uns der französische Buchliebhaber und Autor Xavier Dollo erzählen – illustriert durch die Zeichnungen des Franko-Kanadiers Djibril Morissette-Phan. Denn DIE GESCHICHTE DER SCIENCE FICTION, die im Herbst 2021 von Harald Sachse übersetzt bei Splitter auf Deutsch erschien, ist ein Sach-Comic!
Wie der französische Bestsellerautor Pierre Bordage in seinem Vorwort schreibt, erfordert es „eine gehörige Portion Mut oder Leichtsinn“, solch eine Literaturgeschichte anzugehen. Beides scheinen Dollo und Morissette-Phan im Überfluss zu besitzen.
Sobald man die ersten Seiten hinter sich gelassen hat, verschwindet jeder Zweifel daran, ob ein 200-Seiten-Comic dieser Aufgabe gewachsen sein könne. Natürlich lassen sich Autorinnen, Werke, Filme oder Comics finden, die hier fehlen (Wo wäre das nicht der Fall?), aber weder was die historische Entwicklung unseres Lieblings-Genres, noch die wichtigsten Kunstwerke und ihre Erschaffer angeht, sind allzu auffällig Lücken erkennbar.
Dafür aber gibt es hier (wie nicht anders zu erwarten, wenn die Franzosen das Heft in die Hand nehmen) viele Ansicht, Eindrücke und Hinweise zu entdecken, die in den meisten angloamerikanischen Sekundärwerken zur Science Fiction marginalisiert werden oder ganz fehlen. Sicherlich ist es für uns erst einmal erstaunlich, wieviele französische Werke angeführt werden – andererseits wünsche ich mir oftmals, dass es hierzulande ein stärkeres Bewusstsein dafür gäbe, welch herausragende Geschichten deutschsprachige Erzähler und Erzählerinnen im Bereich der phantastischen Literatur über die Jahrhunderte verfasst haben.
Was die Produktion und das Erscheinungsbild angeht, muss man auch dem Splitter Verlag ein Lob aussprechen, der trotz der ungewöhnlich großen Textmenge das Handlettering beibehalten hat. Und die stabile Fadenheftung sorgt dafür, dass der Band auch bei intensiver Nutzung (Hallo Didaktiker, Aufgemerkt! Dies ist ein Sachbuch, das man im Unterricht durchaus mal verwenden könnte!!) in Form bleibt.
Insoweit: Ein gelungener Versuch!
Horst Illmer
Xavier Dollo (Text) & Djibril Morissette-Phan (Zeichnungen & Farbe)
DIE GESCHICHTE DER SCIENCE FICTION.
Übersetzt von Harald Sachse
(HISTOIRE DE LA SCIENCE-FICTION / 2020)
Bielefeld, Splitter, 2021, 216 Seiten
ISBN 978-3-96219-103-0 / 29,80 Euro
Hardcover
Nicht „eine“, sondern DIE GESCHICHTE DER SCIENCE FICTION will uns der französische Buchliebhaber und Autor Xavier Dollo erzählen – illustriert durch die Zeichnungen des Franko-Kanadiers Djibril Morissette-Phan. Denn DIE GESCHICHTE DER SCIENCE FICTION, die im Herbst 2021 von Harald Sachse übersetzt bei Splitter auf Deutsch erschien,
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Das Science Fiction Jahr 2021
von Horst Illmer am 25. Oktober 2021 Kommentare deaktiviert für Das Science Fiction Jahr 2021
Melanie Wylutzki & Hardy Kettlitz (Hrsg.)
DAS SCIENCE FICTION JAHR 2021.
Berlin, Hirnkost, 2021, 608 S.
ISBN 978-3-949452-12-3 / 28,00 Euro
Klappenbroschur
Es ist fast schon ein liebgewonnenes Ritual geworden – aber immer noch ist DAS SCIENCE FICTION JAHR das einzige Sekundärwerk, auf dessen Erscheinen ich mich regelmäßig schon lange im Voraus freue. Und auch die inzwischen 36. Ausgabe, DAS SCIENCE FICTION JAHR 2021, herausgegeben von Melanie Wylutzki und Hardy Kettlitz, hat mich nicht enttäuscht.
Um jetzt nicht einfach nur das Inhaltsverzeichnis abzuschreiben, hier eine launige Kurz-Interpretation der Beiträge: Die Welt geht unter, aber wir Science-Fiction-Leser wussten das wenigstens schon vorher, wie hier gleich zu Beginn ein Dutzend Artikel im „Climate-Fiction-Feature“ beweisen. Stanislaw Lem wäre im Jahr 2021 Einhundert Jahre alt geworden, auch dieses Ereignis wird intensiv, spielerisch und philosophisch gewürdigt. Die 200 Seiten Buchbesprechungen (von unterschiedlicher Länge und Qualität) versprechen unglaublich viel Information (und entfachen jede Menge „Nachkauf-Bedarf“). Etwas kürzer dann die Abteilungen mit Comics, Filmen, TV-Serien und Games – etwas umfänglicher dafür wieder die Statistik-Sektion (Preise, Nachrufe, Bibliografie).
Meine Highlights: Christian Endres interviewt gleich elf Orwell-Neu-ÜbersetzerInnen, Bernd Flessner und Karlheinz Steinmüller schreiben über ihre Lem-Eindrücke und Simon Spiegel liest ausführlich in Dietmar Daths NIEGESCHICHTE.
Nach über 600 Seiten purem Science-Fiction-Input lautet das Fazit: Ich freue mich jetzt schon auf DAS SCIENCE FICTION JAHR 2022!
Horst Illmer
Melanie Wylutzki & Hardy Kettlitz (Hrsg.)
DAS SCIENCE FICTION JAHR 2021.
Berlin, Hirnkost, 2021, 608 S.
ISBN 978-3-949452-12-3 / 28,00 Euro
Klappenbroschur
Es ist fast schon ein liebgewonnenes Ritual geworden – aber immer noch ist DAS SCIENCE FICTION JAHR das einzige Sekundärwerk, auf dessen Erscheinen ich mich regelmäßig schon lange im Voraus freue. Und auch die inzwischen 36. Ausgabe, DAS SCIENCE FICTION JAHR 2021, herausgegeben von Melanie Wylutzki und Hardy Kettlitz, hat mich nicht enttäuscht.
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Das Land des Lachens
von Horst Illmer am 18. Oktober 2021 Kommentare deaktiviert für Das Land des Lachens
Jonathan Carroll
DAS LAND DES LACHENS. Roman.
Aus dem Amerikanischen von Rudolf Hermstein
(Originaltitel: THE LAND OF LAUGHS / 1980)
München, Heyne, 2021, 366 Seiten
ISBN 978-3-453-32104-5, 12,99 Euro
Klappenbroschur
Der 1949 in New York zur Welt gekommene Autor Jonathan Carroll lebt seit vielen Jahren in Wien, wo er nicht nur als Literaturdozent jungen Menschen das Schreiben beibrachte, sondern wo auch aufgrund günstiger Zufälle (Stanislaw Lems Sohn stellte die Verbindung zum Herausgeber und Literaturagenten Franz Rottensteiner her) seine literarische Weltkarriere durchstartete. Inzwischen gehört Carroll zu den anerkanntermaßen wichtigsten Vertretern der englischsprachigen literarischen Phantastik.
Dass er bereits mit seinem Erstlingswerk THE LAND OF LAUGHS (1980) ein vollkommenes Meisterwerk vorlegte, konnten deutschsprachige Leser lange Zeit nicht mehr nachvollziehen, da der 1986 unter dem Titel DAS LAND DES LACHENS in der Übersetzung von Rudolf Hermstein erschienene Roman vergriffen war. Umso erfreulicher ist es, dass der Heyne Verlag das Buch im Herbst 2021 in einer ansprechend aufgemachten und mit einem Nachwort von Denis Scheck versehenen Neuausgabe wieder zugänglich macht.
DAS LAND DES LACHENS erweist sich als immer noch überzeugend erzählte Literatur über die Literatur, das Schreiben, das Lesen und die Bedeutung, die Lesen, Schreiben und Literatur auf unser eigenes Leben haben können – und über die Liebe in all ihren Formen und Ausprägungen.
Am Ende kann man verstehen, warum Denis Scheck so erstaunt darüber ist, dass Carrolls DAS LAND DES LACHENS nicht den gleichen Erfolg hat wie z. B. die Bücher von J. R. R. Tolkien, Ursula K. Le Guin oder (die des Carroll-Bewunderers) Stephen King.
Immerhin ist das Buch jetzt wieder greifbar, und es liegt nur noch an uns, diesen Erfolg herbeizuführen …
Horst Illmer
Jonathan Carroll
DAS LAND DES LACHENS. Roman.
Aus dem Amerikanischen von Rudolf Hermstein
(Originaltitel: THE LAND OF LAUGHS / 1980)
München, Heyne, 2021, 366 Seiten
ISBN 978-3-453-32104-5, 12,99 Euro
Klappenbroschur
Der 1949 in New York zur Welt gekommene Autor Jonathan Carroll lebt seit vielen Jahren in Wien, wo er nicht nur als Literaturdozent jungen Menschen das Schreiben beibrachte, sondern wo auch aufgrund günstiger Zufälle (Stanislaw Lems Sohn stellte die Verbindung zum Herausgeber und Literaturagenten Franz Rottensteiner her) seine literarische Weltkarriere durchstartete.
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Sherlock Holmes und die Tigerin von Eschnapur
von Horst Illmer am 20. September 2021 2 Kommentare
Christian Endres
SHERLOCK HOLMES UND DIE TIGERIN VON ESCHNAPUR.
Illustrationen: Timo Kümmel
Stolberg, Atlantis, 2021, 240 S.
ISBN 978-3-86402-777-2 / 17,90 Euro
Hardcover
Nachdem Christian Endres in bisher zwei Büchern, die den Doyle-Helden Sherlock Holmes zum Protagonisten erkoren hatten, ausgiebig gezeigt hat, dass er dieser Figur sowohl in der kurzen Prosaform (2009 in der Story-Sammlung SHERLOCK HOLMES UND DAS UHRWERK DES TODES) als auch auf Romanlänge (SHERLOCK HOLMES UND DIE TANZENDEN DRACHEN, 2015) gerecht werden kann, darf die geneigte Leserschaft sich weitere sechs Jahre später erneut unter die Fittiche dieses äußerst talentierten Geschichtenerzählers begeben.
Seit der einzigartige Edgar Allan Poe vor fast zweihundert Jahren erstmals seinen C. Auguste Dupin als Ermittler auftreten ließ, wissen wir, dass es gerade die Kurzgeschichte ist, die sich für die Darstellung spannender Kriminalfälle und deren Lösung hervorragend eignet. Diese etwas in Vergessenheit geratene Tatsache wieder ins Bewusstsein der Leserinnen und Leser gerufen zu haben, ist nicht das kleinste Verdienst von Endres.
In seiner soeben erschienenen Kurzgeschichtensammlung SHERLOCK HOLMES UND DIE TIGERIN VON ESCHNAPUR zieht er erneut alle Register und bittet den englischen Meisterdetektiv Holmes und seinen treuen Freund und Chronisten Dr. Watson zum Tanz.
Die Herausforderungen, denen sich das dynamische Duo stellen muss, reichen von weltbewegenden (da das Empire für die Briten ja „die Welt“ darstellt) Bedrohungen durch uraltes Geheimwissen hin zu Problemen mit exotischen Tieren, geheimnisvollen Todesfällen ohne erkennbare Ursachen und den Schwierigkeiten, die durch Langeweile oder Überarbeitung entstehen. Außerdem darf Holmes hin und wieder über seinen eigenen Schatten springen und sich mit „Klienten“ abgeben, denen er normalerweise die Tür gewiesen hätte, bzw. die ihn gar nicht zur Hilfe gerufen haben. Und dann muss er in „Unten am Fluss“, der anrührendsten Geschichte des Bandes, auch noch schweren Herzens Abschied nehmen von einem alten Weggefährten.
Das Buch enthält 15 Erzählungen, 24 Short-Short-Stories, ein Vorwort sowie einen Anhang mit kurzen Notizen des Autors zur Entstehungsgeschichte (plus einen „Hidden Track“). Für die sehr stimmige Umschlaggestaltung, die Innenausstattung und die diversen Illustrationen zeichnet Timo Kümmel verantwortlich.
Wer Holmes und Watson und Endres (oder auch nur einen davon) mag, sollte sich getrost über SHERLOCK HOLMES UND DIE TIGERIN VON ESCHNAPUR hermachen – es bietet nicht nur Reisen in exotische Länder, fantastische Unterhaltung und schwarzhumorige Kabinettstückchen, sondern auch genügend Düsternis und Nebel um selbst Holmes-Puristen zufrieden zu stellen.
Horst Illmer
Christian Endres
SHERLOCK HOLMES UND DIE TIGERIN VON ESCHNAPUR.
Illustrationen: Timo Kümmel
Stolberg, Atlantis, 2021, 240 S.
ISBN 978-3-86402-777-2 / 17,90 Euro
Hardcover
Nachdem Christian Endres in bisher zwei Büchern, die den Doyle-Helden Sherlock Holmes zum Protagonisten erkoren hatten, ausgiebig gezeigt hat, dass er dieser Figur sowohl in der kurzen Prosaform (2009 in der Story-Sammlung SHERLOCK HOLMES UND DAS UHRWERK DES TODES) als auch auf Romanlänge (SHERLOCK HOLMES UND DIE TANZENDEN DRACHEN, 2015) gerecht werden kann,
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Science-Fiction 100 Seiten
von Horst Illmer am 13. September 2021 2 Kommentare
Sascha Mamczak
SCIENCE-FICTION. 100 SEITEN.
Illustriert.
Ditzingen, Reclam, 2021, 102 S.
ISBN 978-3-15-020574-7 / 10,00 Euro
Kartoniert
Vor diesem Buch hatte ich ein wenig Bammel.
Einerseits schätze ich den Autor Sascha Mamczak als Verfasser einiger wohldurchdachter und philosophisch gut begründeter Essays, die er in regelmäßigen Abständen auf »diezukunft.de« veröffentlicht. Andererseits schrieb er 2014 mit dem Heyne-Jubiläumsband DIE ZUKUNFT. EINE EINFÜHRUNG ein Sachbuch, das mich, ob seines Pessimismus, zutiefst verstörte. Dann wiederum ist Mamczak als Nachfolger des legendären Wolfgang Jeschke seit vielen Jahren für das SF-Programm des Heyne Verlags zuständig (und das ist, trotz einiger Schwächen, immer noch das in seiner Breite und Vielfalt beste hierzulande). Zuletzt hat er sogar mit EINE NEUE WELT ein lesenswertes Jugendsachbuch geschrieben. Und jetzt also erklärt uns Sascha Mamczak „die“ Science Fiction auf den einhundert kleinformatigen Seiten eines Reclam-Bändchens?!
Etwas wofür der Kenner und Könner Dietmar Dath in seiner NIEGESCHICHTE weit mehr als den zehnfachen Platz benötigte. (Andererseits hat Dath die SUPERHELDEN in die „100 Seiten“-Reihe von Reclam gepackt – auch ’ne Überlegung wert.)
Einhundertundzwei Seiten später (die zwei Seiten mit „Lese- und Filmtipps“ wurden aus der Zählung rausgenommen) weiß ich gar nicht mehr, wovor ich eigentlich „Bammel“ hatte. Mamczaks Text ist außergewöhnlich gut durchkonzipiert. Er enthält alles, was ein Kenner der Materie als unverzichtbar ansehen würde. Er ist sehr gut lesbar und anschaulich geschrieben (inklusiver einiger weniger Abbildungen und Schautafeln, die zur Auflockerung eingestreut sind). Er betrachtet die Science-Fiction als Medienverbund und legt das Hauptaugenmerk auf die enge Verbindung von Text und Film, die beide Kunstformen seit ihren Anfängen prägt.
In vier Schritten (Grundlagen, Entwicklung, Etablierung, Ausblick) zeigt Mamczak seinen Lesern, was es braucht, um die Science-Fiction als genuin künstlerische Darstellung unserer Gegenwart (und Zukunft) zu erkennen. Und er zeigt auch, dass für „die“ Science Fiction weder 100 noch 1000 Seiten, noch ein ganzes Leben ausreichen.
So macht Zukunft wieder Spaß!
Horst Illmer
Sascha Mamczak
SCIENCE-FICTION. 100 SEITEN.
Illustriert.
Ditzingen, Reclam, 2021, 102 S.
ISBN 978-3-15-020574-7 / 10,00 Euro
Kartoniert
Vor diesem Buch hatte ich ein wenig Bammel.
Einerseits schätze ich den Autor Sascha Mamczak als Verfasser einiger wohldurchdachter und philosophisch gut begründeter Essays, die er in regelmäßigen Abständen auf »diezukunft.de« veröffentlicht. Andererseits schrieb er 2014 mit dem Heyne-Jubiläumsband DIE ZUKUNFT. EINE EINFÜHRUNG ein Sachbuch, das mich, ob seines Pessimismus, zutiefst verstörte. Dann wiederum ist Mamczak als Nachfolger des legendären Wolfgang Jeschke seit vielen Jahren für das SF-Programm des Heyne Verlags zuständig (und das ist,
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Bookboy
von Horst Illmer am 8. September 2021 Kommentare deaktiviert für Bookboy
Ann-Kathrin Karschnick & Stefanie Mühlsteph (Hrsg.)
BOOKBOY.
24 Stunden im Leben eines Buchauslieferers.
Illustrationen von Angelika Barth
Meitingen, Verlag Torsten Low, 2021, 360 Seiten
ISBN 978-3-96629-013-5 14,90 Euro
Kartoniert
Völlig anders als gewohnt (und ohne die Pandemie, bzw. den Lockdown kaum vorstellbar) präsentiert sich die von Ann-Kathrin Karschnick und Stefanie Mühlsteph zusammengestellte Themenanthologie BOOKBOY – 24 STUNDEN IM LEBEN EINES BUCHAUSLIEFERERS.
Die in den letzten zwei Jahren für viele kleine Buchhandlungen überlebensnotwendig gewordene Serviceleistung der taggleichen „Direktbelieferung“ führte wohl vielerorts dazu, dass sich alltäglich unzählige Fahrradkuriere (je nach Fitnessgrad sogar die Buchhändler selbst) aufmachten und die begehrte Ware direkt zum Kunden brachten. (Und wer sein Leben nicht als Postbote fristet, weiß gar nicht, wie glücklich die Menschen dreinschauen, wenn’s „zweimal klingelt“.)
Der „Held“ dieser ungewöhnlichen Story-Sammlung jedenfalls trägt den Namen Fabius, ist „Bookboy“ der Buchhandlung Leseratte, und erlebt in den 25 Geschichten, in denen wir ihn während eines beispielhaften Tags begleiten, genauso viele Abenteuer wie er Bücher an die Frau bzw. den Mann (und was ihm sonst noch die Tür öffnet) bringt.
Neben einem Vorwort der Herausgeberinnen setzt der Verleger selbst mit gleich drei Texten den Rahmen, während die anderen Autorinnen und Autoren (mit dabei u. a. T. S. Orgel, Torsten Scheib und Katja Richter) im Stundentakt einzelne Episoden präsentieren, sodass BOOKBOY fast zu einem Episodenroman wird. Hübsches Detail am Rande: Der Umschlag und die aufwändige Buchgestaltung, inklusive zweier Porträts des Buchhändlers und von Fabius, stammen von Angelika Barth.
Ein rundum gelungenes Experiment.
Horst Illmer
Ann-Kathrin Karschnick & Stefanie Mühlsteph (Hrsg.)
BOOKBOY.
24 Stunden im Leben eines Buchauslieferers.
Illustrationen von Angelika Barth
Meitingen, Verlag Torsten Low, 2021, 360 Seiten
ISBN 978-3-96629-013-5 14,90 Euro
Kartoniert
Völlig anders als gewohnt (und ohne die Pandemie, bzw. den Lockdown kaum vorstellbar) präsentiert sich die von Ann-Kathrin Karschnick und Stefanie Mühlsteph zusammengestellte Themenanthologie BOOKBOY – 24 STUNDEN IM LEBEN EINES BUCHAUSLIEFERERS.
Die in den letzten zwei Jahren für viele kleine Buchhandlungen überlebensnotwendig gewordene Serviceleistung der taggleichen „Direktbelieferung“ führte wohl vielerorts dazu,
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Billy Summers
von Horst Illmer am 1. September 2021 1 Kommentar
Stephen King
BILLY SUMMERS. Roman.
Ü: Bernhard Kleinschmidt
(Billy Summers / 2021)
München Heyne, 2021, 720 S.
ISBN 978-453-27359-7 / 26,00 Euro
Stephen King hat inzwischen weit über fünfzig Bücher geschrieben, gute und weniger gute, spannende und sehr spannende, gruselige und phantastische – niemals jedoch langweilige.
So nimmt es auch nicht Wunder, dass BILLY SUMMERS, sein Roman über einen Auftragsmörder, trotz der eigentlich nicht zur Identifizierung geeigneten Hauptfigur, von der ersten Seite an den gewohnten Sog auf die Leser ausübt.
Billy Summers ist zwar ein Attentäter, der gegen Bezahlung Menschen tötet, zugleich aber ist er ein intelligenter, überaus belesener Kriegsveteran. Billy hat Regeln: Er tötet nur „schlechte Menschen“, die es verdient haben zu sterben. Billy versteht es, sich zu verstellen: Auf seine Umwelt wirkt er wie ein etwas unterbelichteter Leser von Unterhaltungscomics. Billy ist ausgelaugt: Er will nur noch diesen einen, letzten Auftrag erledigen. Und, wie sich herausstellt, ist Billy auch noch ein verhinderter Schriftsteller.
Denn ausgerechnet einen solchen soll er zur Tarnung spielen, während er in Red Bluff (der Südstaatenversion von Derry, Kings Lieblingskleinstadt in Maine) monatelang festsitzt und auf die Ankunft seiner „Zielperson“ wartet. Seine Auftraggeber, die Billy für etwas zurückgeblieben halten und sich wie toll über ihren Scherz freuen, haben ihm nicht nur eine passende Legende als „Dave Lockridge, angehender Bestsellerautor“ zurecht gestrickt, sondern auch ein Haus und ein Büro angemietet. Billy fragt sich zwar, wozu dieser Aufwand gut sein soll, fügt sich dann aber und beginnt, mehr aus Langeweile als aus echter Lust am Schreiben, damit, seine Geschichte aufzuschreiben.
Und dann passiert mit Billy genau das, was vermutlich auch Stephen King immer wieder passiert, wenn er das Schreibprogramm öffnet: Er ist gefangen in (s)einer Parallelwelt, die er ganz alleine gestalten kann!
King lässt Billy also einen Roman im Roman schreiben, in dem dieser versucht, Klarheit über sein bisheriges Leben und die Gründe für seine Anwesenheit in Red Bluff zu gewinnen. Wie nicht anders zu erwarten, besitzt auch dieser Meta-Text die nötige Qualität, um nicht als Fremdkörper zu wirken und die Leser bei der Stange zu halten.
Doch Stephen King ist ein alter Fuchs und hat natürlich noch ganz andere Mittel, um Billys Weg aufzuzeigen, ebenso wie sich noch vor der Hälfte des Buches zeigt, dass dieser „letzte“ Auftrag sich zu etwas ganz anderem ausweitet als gedacht …
Nach wie vor bin ich der Ansicht, dass King im Geheimen seit längerem an einer wirklichen (im Sinne von echt/unverfälscht) „Geschichte der USA im 20. & 21. Jahrhundert“ schreibt, dass also neben den jeweiligen, das Publikum zum Mitfiebern bringenden, Erzählungen der Hauptfiguren das eigentlich Wichtige die Nebenfiguren und Hintergrundbilder sind. Hier erweist sich King als der echte Großmeister, als Autor, der wie Charles Dickens oder Émile Zola (die beide, wie zufällig, auf der ersten Seite auftauchen) zukünftigen Historikern ein viel adäquateres Bild seiner Zeit vermittelt, als dies die offiziellen Geschichtsbücher tun werden.
Aber darauf kann man als Leser wirklich erst beim zweiten Durchgang achten – dafür ist BILLY SUMMERS beim ersten Mal viel zu spannend.
Horst Illmer
Stephen King
BILLY SUMMERS. Roman.
Ü: Bernhard Kleinschmidt
(Billy Summers / 2021)
München Heyne, 2021, 720 S.
ISBN 978-453-27359-7 / 26,00 Euro
Stephen King hat inzwischen weit über fünfzig Bücher geschrieben, gute und weniger gute, spannende und sehr spannende, gruselige und phantastische – niemals jedoch langweilige.
So nimmt es auch nicht Wunder, dass BILLY SUMMERS, sein Roman über einen Auftragsmörder, trotz der eigentlich nicht zur Identifizierung geeigneten Hauptfigur, von der ersten Seite an den gewohnten Sog auf die Leser ausübt.
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Optimismus und Overkill
von Horst Illmer am 30. August 2021 Kommentare deaktiviert für Optimismus und Overkill
Hans Frey
OPTIMISMUS UND OVERKILL – DEUTSCHE SCIENCE FICTION IN DER JUNGEN BUNDESREPUBLIK.
Von den Anfängen der BRD bis zu den Studentenprotesten 1945–1968.
Berlin, Memoranda, 2021, 542 S.
ISBN 978-3-948616-56-4 / 26,90 Euro
Klappenbroschur
Mit OPTIMISMUS UND OVERKILL liegt nun bereits der dritte Teil von Hans Freys „Literaturgeschichte der deutschen Science Fiction“ (S. 12) vor. Wie erwartet, setzt sich der Trend zu immer kürzeren Zeiträumen und zu mehr Umfang fort. Nach FORTSCHRITT UND FIASKO (das auf 300 Seiten die Jahre 1810 bis 1918 beleuchtet) und AUFBRUCH IN DEN ABGRUND (gute 500 Seiten für die Zeit von 1918 bis 1945) untersucht Frey in OPTIMISMUS UND OVERKILL die Nachkriegszeit in der BRD von 1945 bis 1968 und braucht dafür deutlich über 500 Seiten Platz.
Dass das Ende des Zweiten Weltkriegs eine epochale Zäsur für Deutschland und seine Literatur darstellt, ist eine Binsenweisheit. Frey legt überzeugend dar, weshalb für ihn das Jahr 1968 eine ebensolche (wenngleich naturgemäß weniger desaströse) Bruchlinie ist. Nach Wiederaufbau und Wirtschaftwunder wird die neugeschaffene Bundesrepublik Deutschland (BRD) im Verlauf der Studentenunruhen und Jugendproteste der Sechzigerjahre endlich „erwachsen“.
Parallel dazu führt Frey aus, dass dies für die in der BRD erschienene Science-Fiction-Literatur gleichermaßen gilt. Maßgeblich unterstützt von den drei Westmächten entsteht ein neuer, freier Literaturbetrieb – in dem allerdings immer wieder auch noch die „alten“ Protagonisten (Autoren, Verleger, Lektoren, Kritiker und Literaturwissenschaftler) auftauchen und, manchmal nur leicht in der Wolle gefärbt, erneut mitspielen wollen.
Trotzdem weht ein frischer Wind in der phantastischen Literaturszene – und er weht vor allem aus Westen: die amerikanische Science Fiction hatte zwanzig Jahre Zeit (ihr „goldenes Zeitalter“) und drängt mit aller Macht in diesen neuen Markt. Und hierzulande wird das schmerzlich Vermisste, aus anderen Sprachen Übersetzte, wie von einem trockenen Schwamm aufgesogen. Viele Traditionslinien werden jetzt erst einmal gekappt, einige davon später wieder aufgenommen, manche sind bis heute nur noch antiquarisch erforschbar.
Aber es gibt auch viele Versuche, Eigenständiges zu produzieren.
OPTIMISMUS UND OVERKILL erzählt all dies spannend, kenntnisreich und stilsicher – ein Sachbuch wie es eigentlich nur englischsprachige Autoren schreiben können. Aber auch hier haben wir in Deutschland inzwischen dazugelernt!
Horst Illmer
Hans Frey
OPTIMISMUS UND OVERKILL – DEUTSCHE SCIENCE FICTION IN DER JUNGEN BUNDESREPUBLIK.
Von den Anfängen der BRD bis zu den Studentenprotesten 1945–1968.
Berlin, Memoranda, 2021, 542 S.
ISBN 978-3-948616-56-4 / 26,90 Euro
Klappenbroschur
Mit OPTIMISMUS UND OVERKILL liegt nun bereits der dritte Teil von Hans Freys „Literaturgeschichte der deutschen Science Fiction“ (S. 12) vor. Wie erwartet, setzt sich der Trend zu immer kürzeren Zeiträumen und zu mehr Umfang fort. Nach FORTSCHRITT UND FIASKO (das auf 300 Seiten die Jahre 1810 bis 1918 beleuchtet) und AUFBRUCH IN DEN ABGRUND (gute 500 Seiten für die Zeit von 1918 bis 1945) untersucht Frey in OPTIMISMUS UND OVERKILL die Nachkriegszeit in der BRD von 1945 bis 1968 und braucht dafür deutlich über 500 Seiten Platz.
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DAVE
von Horst Illmer am 25. August 2021 1 Kommentar
Raphaela Edelbauer
DAVE. Roman.
Stuttgart, Klett-Cotta, 2021, 431 Seiten
ISBN 978-3-608-96473-8 / 25,00 Euro
Eine Künstliche Intelligenz programmieren.
Genesis! Schöpfung!
Wer ist/sind der/die Schöpfer und wie funktioniert das mit dem Erschaffen?
Was wird das für ein Geschöpf sein?
Wer solche grundstürzenden Fragen stellt, muss sich seine Antworten womöglich selbst irgendwo im Universum zusammensuchen. Die 1990 in Wien geborene Schriftstellerin Raphaela Edelbauer zeigt in ihrem neuen Roman, dass sie sich das zutraut. Ihrer KI hat sie den Namen DAVE verliehen (auch wenn sie nach drei Komplettüberarbeitungen nicht mehr weiß, wofür die Abkürzung steht) und ihr Roman beginnt mit dem Urknall, dem Entstehen von Sonnen, Planeten, Molekülen, Bakterien – und der ersten erkenntnisfähigen Lebensform Archea Methanopyri, von der aus es nur noch »ein Wimpernschlag« war, so »eine, zwei Milliarden Jahre« bis zur finalen Apotheose: DAVE.
Der Ort an dem »DAVE« spielt bleibt im Unbestimmten, ist aber ein eigener Arbeitsplatz-Lebenserhaltungs-Versorgungs-Kosmos. Die MitarbeiterInnen (Programmierer, Servicekräfte, Sicherheitsdienst, Techniker) und Vorgesetzten haben zwar Namen, ihr Erscheinungsbild bleibt aber seltsam fluide. Die Welt in der sich Syz, der »Held der Geschichte«, in die Ärztin Khatun verliebt ist zuallererst eine Serverfarm. Das Geschehen nimmt einen schicksalhaften, unaufhaltsamen Verlauf, dessen Abfolge sich liest wie eine postmodern-kafkaeske Um- und Neuschreibung des »Frankenstein«-Mythos.
Edelbauer, die zwar schon seit zehn Jahren schriftstellerisch tätig ist, jedoch erst seit ihrer 2017 veröffentlichten Poetik ENTDECKER und dem 2019 folgenden Debüt-Roman DAS FLÜSSIGE LAND so richtig ins Rampenlicht getreten ist, wurde in den letzten drei Jahren mit Preisen geradezu überhäuft. Ihr Stil ist bildgewaltig und Reich an Metaphern, ist unterlegt mit einer gehörigen Portion schwarzen Humors, eignet sich hervorragend zum Vorlesen und besitzt eine erfrischend eigene Klangfarbe.
Man spürt auf jeder Seite, in jedem Satz, die brennende Intelligenz dieser Autorin, die nicht nur Angewandte Kunst und Philosophie studiert hat, die nicht nur innerhalb kürzester Zeit jede Menge Preise abgeräumt hat und in Interviews immer auf das Primat der Naturwissenschaften hinweist. »DAVE« ist so viel mehr als nur ein spannender Wissenschafts-Thriller, auch mehr als ein Diskussionsbeitrag zu einem der spannendsten Zukunftsprojekte – wer sich mit »DAVE« ernsthaft auseinandersetzt, kommt nicht darum herum, sich selbst zu befragen: Wie hältst Du es denn, mit Dem/Deinem Schöpfer?
Horst Illmer
Raphaela Edelbauer
DAVE. Roman.
Stuttgart, Klett-Cotta, 2021, 431 Seiten
ISBN 978-3-608-96473-8 / 25,00 Euro
Eine Künstliche Intelligenz programmieren.
Genesis! Schöpfung!
Wer ist/sind der/die Schöpfer und wie funktioniert das mit dem Erschaffen?
Was wird das für ein Geschöpf sein?
Wer solche grundstürzenden Fragen stellt, muss sich seine Antworten womöglich selbst irgendwo im Universum zusammensuchen. Die 1990 in Wien geborene Schriftstellerin Raphaela Edelbauer zeigt in ihrem neuen Roman, dass sie sich das zutraut.
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Der Wüstenplanet
von Horst Illmer am 23. August 2021 3 Kommentare
Frank Herbert
DER WÜSTENPLANET. Roman.
Ü : Jakob Schmidt, Ill.: John Schoenherr
(DUNE / 1965)
München, Heyne, 2016, 800 S.
ISBN 978-3-453-31717-8
Seit der ersten (stark gekürzten) deutschen Übersetzung von Frank Herberts Roman DER WÜSTENPLANET durch Wulf H. Bergner im Jahr 1967 lebten die Leser hierzulande mit der Frage, was denn an diesem Werk so besonderes sei. Auch die 1978 erfolgte (und danach noch mehrmals überarbeitete) Fassung von Ronald M. Hahn wurde der Sprachgewalt Herberts nicht wirklich gerecht. Erst die seit 2016 vorliegende Übertragung durch Jakob Schmidt kann als wirklich gelungen gelten und wird mit hoher Wahrscheinlichkeit für viele Jahre ihre Gültigkeit bewahren.
Bei wenigen Büchern aus dem Bereich der Science Fiction gibt es derart unterschiedliche Urteile wie bei diesem, mittlerweile über fünfzig Jahre alten Roman. Immer wieder gewinnt das Buch Umfragen nach dem besten Science-Fiction-Roman aller Zeiten und ebenso vehement bestreiten seine Kritiker jede inhaltliche wie stilistische Qualität.
Frank Herbert hat einen Abenteuer-Roman geschrieben, der auf einem Planeten namens Arrakis spielt und die Entwicklung eines jungen Mannes zum Anführer und Rebellen beschreibt. Auf dieser obersten Textschicht entwickelt sich eine Geschichte, die ebenso farbig wie spannend ist und einen faszinierend detaillierten Weltentwurf vorstellt.
Der Wüstenplanet selbst wird zum machtvoll Mitwirkenden und entfaltet sich vor dem Leser als ein ökologisches System, dessen Darstellung weit über alles hinausgeht, was die Science Fiction bis dahin kannte. Herbert gelingt es, das Zusammenspiel von Sand, Wind, Würmern, Wasser, Luft- und Bodenschichten, ja selbst der Mikroorganismen als spannenden Bestandteil der Erzählung mitzugeben. Es wird klar, dass grobe Eingriffe, wie zum Beispiel das Terraforming, nur zur Vernichtung dieses Kreislaufs führen können. Wenn man Arrakis verändern will, wenn man für die einheimischen Fremen eine leichter erträgliche Welt formen will, muss man mit ihnen und den naturgegebenen Möglichkeiten ein langsames und vorsichtiges Programm entwickeln und ausführen.
Von allen unterschwelligen Motiven, die Frank Herbert in dieses Buch gelegt hat, ist das wohl am leichtesten zu übersehende das der utopischen Gesellschaft der Fremen. Mit der Beschreibung der Lebensweise dieses Wüstenvolkes, seiner Riten und Gebräuche, seiner Stammesstruktur und Religion, seiner Kunst, die Möglichkeiten dieser unwirtlichen Welt zu nutzen und jede Verschwendung zu vermeiden, bringt der Autor viele Ideen auf den Punkt, die sich erst Jahre später in den Programmen von Umweltgruppen und Parteien artikulierten.
Das alles macht aus dem WÜSTENPLANETEN ein meisterhaftes Buch, einen Jahrhundert-Roman, den zu lesen man sich keinesfalls entgehen lassen sollte!
Horst Illmer
Frank Herbert
DER WÜSTENPLANET. Roman.
Ü : Jakob Schmidt, Ill.: John Schoenherr
(DUNE / 1965)
München, Heyne, 2016, 800 S.
ISBN 978-3-453-31717-8
Seit der ersten (stark gekürzten) deutschen Übersetzung von Frank Herberts Roman DER WÜSTENPLANET durch Wulf H. Bergner im Jahr 1967 lebten die Leser hierzulande mit der Frage, was denn an diesem Werk so besonderes sei. Auch die 1978 erfolgte (und danach noch mehrmals überarbeitete) Fassung von Ronald M. Hahn wurde der Sprachgewalt Herberts nicht wirklich gerecht.
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Zarter Schmelz
von Horst Illmer am 18. August 2021 1 Kommentar
Ralf König (Text, Zeichnungen & Farbe)
LUCKY LUKE HOMMAGE 5 – ZARTER SCHMELZ.
Berlin, Egmont, 2021, 64 S.
ISBN 978-3-7704-0500-8 / 16,00 Euro
Hardcover
Warum soll es eigentlich immer nur für US-amerikanische Superhelden neue Origin-Storys geben?
Der inzwischen auch schon 75-jährige Lucky Luke jedenfalls bekommt im fünften „Hommage“-Band ZARTER SCHMELZ vom deutschen Kult-Comic-Zeichner Ralf König ein seinem Alter angemessenes Best-Ager-Abenteuer auf die Unterwäsche (das typische Superhelden-Kostüm) geschrieben – inklusive Rückblick auf die Zeit, als er mit seinem Colt noch etwas unbedachter um sich schoss als heutzutage.
Der „poor lonesome Cowboy“ tritt in dieser Geschichte erst einmal einen Schritt zurück und überlässt die Bühne einem ebenso ungleichen wie illustren Duo, dessen Schicksal aus der Rückblende erzählt wird: Terrence McQueen und Bud Willis haben während eines gemeinsamen Schafe-Hüten-Auftrags nämliche ihre Zuneigung zueinander entdeckt – und weil im Wilden Westen so etwas noch auf sehr großes Unverständnis stößt, muss Lucky Luke ganz tief in die Trickkiste greifen, um ihnen eine gemeinsame Zukunft zu ermöglichen. Unterstützt und behindert wird er dabei von lieben alten Bekannten wie den Daltons und Calamity Jane, einem Schweizer Viehzüchter mit lila Kühen und den Einwohnern von Straight Gulch, einer typischen Westernstadt, wo Neuankömmlinge auf dem Ortsschild den „freundlichen“ Hinweis lesen können: „Fremder, mach dich vom Acker, sonst liegst du bald drunter!“
König gelingt das Kunststück, seinen Lucky Luke in jedem Moment „original“ erscheinen zu lassen und trotzdem einen humorvoll geschriebenen und gezeichneten „typischen“ Ralf-König-Comic zu produzieren. Hut ab!
Horst Illmer
Ralf König (Text, Zeichnungen & Farbe)
LUCKY LUKE HOMMAGE 5 – ZARTER SCHMELZ.
Berlin, Egmont, 2021, 64 S.
ISBN 978-3-7704-0500-8 / 16,00 Euro
Hardcover
Warum soll es eigentlich immer nur für US-amerikanische Superhelden neue Origin-Storys geben?
Der inzwischen auch schon 75-jährige Lucky Luke jedenfalls bekommt im fünften „Hommage“-Band ZARTER SCHMELZ vom deutschen Kult-Comic-Zeichner Ralf König ein seinem Alter angemessenes Best-Ager-Abenteuer auf die Unterwäsche (das typische Superhelden-Kostüm) geschrieben – inklusive Rückblick auf die Zeit,
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Klara und die Sonne
von Horst Illmer am 11. August 2021 3 Kommentare
Kazuo Ishiguro
KLARA UND DIE SONNE. Roman.
Übersetzt von Barbara Schaden
(Klara and the Sun / 2021)
München, Blessing, 2021, 350 S.
ISBN 978-3-89667-693-1 / 24,00 Euro
Hardcover
Ein paar Jahre hat er sich Zeit gelassen, der Literatur-Nobelpreisträger von 2017, aber dann hat es Kazuo Ishiguro wieder gepackt und er musste seinen nächsten Science-Fiction-Roman schreiben. Herausgekommen ist dabei KLARA UND DIE SONNE, ein Roman in dem eine Androidin als „beste Freundin“ für eine Jugendliche herhalten muss und in dem sich wieder einmal die alte Frage stellt: sind Maschinen die besseren Menschen?
Ishiguro behandelt dieses Problem natürlich auf die ihm eigene Weise, die so gar nichts zu tun hat mit dem, was ein Genre-Autor daraus machen würde (bzw. schon hundertfach gemacht hat). Wer ALLES, WAS WIR GEBEN MUSSTEN (2005) gelesen hat, weiß, dass Ishiguros Kennzeichen vor allem die zurückgenommene Erzählerstimme ist, die langsam, leise und unbeirrbar mitprotokolliert.
Die Geschichte von Klara und ihrer menschlichen „Freundin“ Josie folgt dem klassischen Muster des (kybernetischen) Entwicklungsromans, von den ersten Eindrücken Klaras im Schaufenster des Geschäfts, in dem sie zum Verkauf steht, bis hin zur Erkenntnis, dass Menschen nicht immer meinen was sie sagen und letztendlich der Erkenntnis der eigenen Sterblichkeit.
Etwas viel philosophischer Überbau – aber es ist ja auch das Buch eines Nobelpreisträgers.
Horst Illmer
Kazuo Ishiguro
KLARA UND DIE SONNE. Roman.
Übersetzt von Barbara Schaden
(Klara and the Sun / 2021)
München, Blessing, 2021, 350 S.
ISBN 978-3-89667-693-1 / 24,00 Euro
Hardcover
Ein paar Jahre hat er sich Zeit gelassen, der Literatur-Nobelpreisträger von 2017, aber dann hat es Kazuo Ishiguro wieder gepackt und er musste seinen nächsten Science-Fiction-Roman schreiben. Herausgekommen ist dabei KLARA UND DIE SONNE, ein Roman in dem eine Androidin als „beste Freundin“ für eine Jugendliche herhalten muss und in dem sich wieder einmal die alte Frage stellt: sind Maschinen die besseren Menschen?
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Feuerseelen
von Horst Illmer am 4. August 2021 Kommentare deaktiviert für Feuerseelen
Annie Francé-Harrar
FEUERSEELEN.
Herausgegeben von Sandra Thoms
Hamburg, Plan 9, 2021, 180 Seiten,
ISBN 978-3-948700-29-4, 20 Euro
Hardcover
Ökologie als Thema in der Science Fiction? Zeitgeistgemäß in den 1980er erstmals aufgetaucht und derzeit groß in Mode – Falsch!
Bereits 1920 erschien der phantastische Roman FEUERSEELEN erstmals, in dem die 1886 geborene Münchenerin Annie Harrar (nach ihrer Heirat Annie Francé-Harrar) nicht nur eine technisch hochentwickelte Zivilisation der Zukunft beschreibt, sondern auch deren Untergang, hervorgerufen durch die ungezügelte Verschwendung von Ressourcen und die Zerstörung von Natur und Umwelt. Während bedeutend Einzelne dieses Problem erkennen und versuchen, ihre Zeitgenossen zu warnen, wollen die meisten von ihnen jedoch nicht von Luxus und Laster lassen. Sehenden Auges laufen sie in ihr Verderben …
Herausgegeben und überarbeitet von Sandra Thoms liegt FEUERSEELEN jetzt in der Reihe „Vergessene Sterne“ im Verlag Plan 9 in einer vorbildlich aufgemachten Ausgabe vor. Wie Thoms in ihrem Nachwort erläutert, wurde das Buch für heutige Leser sprachlich etwas modernisiert und dadurch seine Bedeutung und Originalität besser erkennbar.
Francé-Harrar war als Biologin ihrer Zeit weit voraus und entwickelte gemeinsam mit ihrem Ehemann Raoul Francé wegweisende Konzepte zur Kompostierung von Großstadtmüll. Als sie 1971 starb, hatte sie zudem fast fünfzig Bücher geschrieben, hunderte von Vorträgen gehalten und tausende von Artikeln veröffentlicht.
Und die deutsche Science Fiction um einen einzigartig visionären Roman bereichert.
Horst Illmer
Annie Francé-Harrar
FEUERSEELEN.
Herausgegeben von Sandra Thoms
Hamburg, Plan 9, 2021, 180 Seiten,
ISBN 978-3-948700-29-4, 20 Euro
Hardcover
Ökologie als Thema in der Science Fiction? Zeitgeistgemäß in den 1980er erstmals aufgetaucht und derzeit groß in Mode – Falsch!
Bereits 1920 erschien der phantastische Roman FEUERSEELEN erstmals, in dem die 1886 geborene Münchenerin Annie Harrar (nach ihrer Heirat Annie Francé-Harrar) nicht nur eine technisch hochentwickelte Zivilisation der Zukunft beschreibt, sondern auch deren Untergang,
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phantastisch! 83
von Horst Illmer am 26. Juli 2021 Kommentare deaktiviert für phantastisch! 83
Klaus Bollhöfener (Hrsg.)
phantastisch!
Heft 83, Ausgabe 3/2021
Seit zwanzig Jahren das Magazin für Science Fiction, Fantasy & Horror
Stolberg, Atlantis, 2020, 88 Seiten / 6,50 €
Nicht fehlen darf an dieser Stelle natürlich der Hinweis auf die soeben erschienene Ausgabe 83 der ebenso unverzichtbaren wie hervorragenden Zeitschrift phantastisch! (Atlantis). Wieder einmal hat das „Magazin für Science Fiction, Fantasy & Horror“ seinen Maximalumfang (88 Seiten) ausgereizt und quillt trotzdem aus allen Nähten.
Drei Interviews (mit Kathleen Weise, Hardy Kettlitz und Karlheinz Steinmüller), zwei hervorragende Kurzgeschichten (von Aiki Mira und Rüdiger Schäfer), die Mitschrift eines Gesprächs zwischen David Falk und Timo Kümmel, mehrere Werkstattberichte, viele Buchbesprechungen, noch mehr Nachrichten und zehn Artikel streiten um die Aufmerksamkeit der Leserinnen und Leser und es fällt schwer, einzelnes hervorzuheben.
Der Memoranda Verlag beispielsweise wird diesmal intensiv gewürdigt, ein übersehenes Kleinod aus P. K. Dicks Romanwerk wird kritisch begutachtet und die vielen Neuausgaben von George Orwells Hauptwerk 1984 liegen auf dem „Seziertisch“.
Das sollte erst mal reichen, um auch dem oder der letzten Zögernden den Mund wässrig zu machen.
Horst Illmer
Klaus Bollhöfener (Hrsg.)
phantastisch!
Heft 83, Ausgabe 3/2021
Seit zwanzig Jahren das Magazin für Science Fiction, Fantasy & Horror
Stolberg, Atlantis, 2020, 88 Seiten / 6,50 €
Nicht fehlen darf an dieser Stelle natürlich der Hinweis auf die soeben erschienene Ausgabe 83 der ebenso unverzichtbaren wie hervorragenden Zeitschrift phantastisch! (Atlantis). Wieder einmal hat das „Magazin für Science Fiction, Fantasy & Horror“ seinen Maximalumfang (88 Seiten) ausgereizt und quillt trotzdem aus allen Nähten.
Drei Interviews (mit Kathleen Weise,
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Shangri-La
von Horst Illmer am 19. Juli 2021 Kommentare deaktiviert für Shangri-La
Mathieu Bablet (Text & Bilder)
SHANGRI-LA.
Übersetzt von Harald Sachse
(SHANGRI-LA / 2016)
Bielefeld, Splitter, 2021, 223 S.
ISBN 978-3-96792-065-9 / 39,80 Euro
Großformatiges Hardcover
Bei Splitter erschien soeben mit SHANGRI-LA von Mathieu Bablet (Wort & Bild) einer der eindrucksvollsten Comics der letzten Jahre.
Bablet, 1987 in Frankreich geboren und seit zehn Jahren im Geschäft, lässt sich in seinem bisherigen Opus Magnum alle Zeit der Welt und erzählt seine Geschichte einer zukünftigen Menschheit in liebevoller Detailversessenheit und großen Bildern. Seine Protagonisten leben in einer riesigen Raumstation, die ihre Kreise seit Jahrhunderten über einer unbewohnbar gewordenen Erde zieht, und führen dort, regiert von der Führungsetage von Tianzhu Enterprises, eines monopolistischen Konzerns, ein sorgloses Leben als Konsumenten vieler sinn- und nutzloser Luxusgüter – doch nicht alle sind damit zufrieden: Es formieren sich Widerstandsgruppen mit unterschiedlichen, und sich oftmals widersprechenden, Zielen.
Geschildert werden die Ereignisse aus der Sicht einer Handvoll Figuren, die sowohl für Tianzhu arbeiten (wie Scott und sein Bruder Virgil) als auch dagegen opponieren (wie der mysteriöse Rebellenführer „Mister Sunshine“). Sie alle haben gute Gründe für ihr Handeln, zweifeln manchmal an ihnen, wechseln die Seiten – und versuchen, mit ihrem Stück vom Kuchen so etwas wie ein „glückliches“ Leben zu führen.
Noch während Scott im Auftrag der Konzernleitung versucht, die Erzeugung einer Materie-Antimaterie-Singularität durch einen Haufen abtrünniger Physiker zu verhindern, eskaliert die Situation auf der Station …
Auf den ersten Blick sind es natürlich die wundervollen Bilder, mit denen Bablet seine Seiten füllt, die herausragende Kolorierung und das riesige Format, die Eindruck machen. Allerdings stehen sein worldbuilding und sein herausragendes storytelling seinen zeichnerischen Fähigkeiten keinesfalls nach. Eine so komplexe Geschichte auf über zweihundert Seiten zusammenzuhalten und am Ende alle Fäden zu einem stimmigen Ganzen zu verknüpfen, zeugen von echter Meisterschaft.
Bablets Geschichte ist stimmig durchkomponiert und nutzt alle Vorteile, die sich durch die Verbindung von Bild und Text anbieten.
Einfach Exzellent!
Horst Illmer
Mathieu Bablet (Text & Bilder)
SHANGRI-LA.
Übersetzt von Harald Sachse
(SHANGRI-LA / 2016)
Bielefeld, Splitter, 2021, 223 S.
ISBN 978-3-96792-065-9 / 39,80 Euro
Großformatiges Hardcover
Bei Splitter erschien soeben mit SHANGRI-LA von Mathieu Bablet (Wort & Bild) einer der eindrucksvollsten Comics der letzten Jahre.
Bablet, 1987 in Frankreich geboren und seit zehn Jahren im Geschäft, lässt sich in seinem bisherigen Opus Magnum alle Zeit der Welt und erzählt seine Geschichte einer zukünftigen Menschheit in liebevoller Detailversessenheit und großen Bildern.
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Sträters Gutenachtgeschichten
von Horst Illmer am 14. Juli 2021 1 Kommentar
Torsten Sträter
STRÄTERS GUTENACHTGESCHICHTEN – DIE GESAMMELTEN HORROR-STORYS.
Berlin, Ullstein, 2021, 505 Seiten
ISBN 978-3-548-06454-3, Paperback, 14,00 Euro
Bei manchen Bestsellern weiß man ja später dann nicht mehr, ob sie nur den Zeitumständen oder tatsächlich der Qualität des Geschriebenen zu verdanken sind.
Jedenfalls schaffte es der im April 2021 bei Ullstein erschienene Band STRÄTERS GUTENACHTGESCHICHTEN – DIE GESAMMELTEN HORROR-STORYS des vor allem als Comedian bekannt gewordenen Torsten Sträter kurzfristig auf die vorderen Plätze der SPIEGEL-Bestsellerliste.
Insgesamt 27 mal nimmt uns Sträter mit in die dunklen Ecken des Ruhrgebiets, in eine Zeit als es noch Telefonzellen und Kaugummiautomaten gab, als Nokia noch den Mobilfunkmarkt beherrschte und Vampire, Werwölfe und Gespenster bei weitem nicht so gruselig waren wie die Kinder der alleinerziehenden Nachbarin oder Dortmunder Kripobeamte, die sich für FBI-Agenten hielten …
Wie Sträter selbst in seinem Vorwort schreibt, entstanden die Geschichten Anfang des Jahrtausends mehr aus Langeweile als aus „Berufung“, waren seiner Vorliebe für Stephen King geschuldet und wurden in einem Kleinverlag als Taschenbücher verlegt. In leicht überarbeiteter Form liegen die Stories nun wieder vor – und tatsächlich merkt man ihnen ihr Alter kaum an. Ob das nun an den Zeitumständen, der Qualität des Geschriebenen, oder aber, wie ebenfalls von Sträter kolportiert, der konsequenten Befolgung der Empfehlungen die Mr. King in seinem Schreibratgeber DAS LEBEN UND DAS SCHREIBEN gibt liegt, sei dahingestellt. Jedenfalls kann Torsten Sträter nicht nur „lustig“, sondern auch „schaurig“!
Horst Illmer
Torsten Sträter
STRÄTERS GUTENACHTGESCHICHTEN – DIE GESAMMELTEN HORROR-STORYS.
Berlin, Ullstein, 2021, 505 Seiten
ISBN 978-3-548-06454-3, Paperback, 14,00 Euro
Bei manchen Bestsellern weiß man ja später dann nicht mehr, ob sie nur den Zeitumständen oder tatsächlich der Qualität des Geschriebenen zu verdanken sind.
Jedenfalls schaffte es der im April 2021 bei Ullstein erschienene Band STRÄTERS GUTENACHTGESCHICHTEN – DIE GESAMMELTEN HORROR-STORYS des vor allem als Comedian bekannt gewordenen Torsten Sträter kurzfristig auf die vorderen Plätze der SPIEGEL-Bestsellerliste.
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Das grosse Werk der Zeit
von Horst Illmer am 7. Juli 2021 Kommentare deaktiviert für Das grosse Werk der Zeit
John Crowley
DAS GROSSE WERK DER ZEIT.
Übersetzt von Joachim Körber
(Great Work of Time / 1989)
Altefähr, Wandler Verlag, 2021, 144 S.
ISBN 978-3-948825-02-7 / 13,90 Euro
Der amerikanische Schriftsteller John Crowley, der demnächst Achtzig wird, war, trotz einiger sehr erfolgreicher Romane, die vor nun auch schon wieder vierzig Jahren erschienen, in Deutschland immer ein Geheimtipp. Das liegt unter anderem daran, dass sein Gesamtwerk vergleichsweise schmal ist und neben seinen wenigen Romanen kaum Kurzgeschichten von ihm übersetzt wurden – das liegt aber auch daran, dass er auf stilistisch höchstem Niveau verzwickt-komplexe Plots erzählt.
Das mag nicht jede/r!
In den letzten Jahren sind dann zwei Bücher von ihm bei Golkonda erschienen, jetzt hat der noch junge Wandler Verlag das Wagnis unternommen und mit DAS GROSSE WERK DER ZEIT eine (mit dem World Fantasy Award ausgezeichnete) Novelle veröffentlicht.
Die Zeit, das Reisen in ihr und die paradoxen Welten, die dadurch entstehen (können), gehören seit ihren Anfängen zum Grundbestand der Science Fiction, und trotz einer nicht mehr zählbaren Menge an Büchern, die sich damit beschäftigen, ist das Thema noch lange nicht erschöpfend behandelt. Auch John Crowley gelingt es, spannend erzählt und mit den erwartbaren Dreh- und Wendungen, unsere Beziehung zur „vierten“ Dimension in neuem Licht erstrahlen zu lassen.
Auf wie verwickelte Weise Zeit, Geschichte und Geschichten ineinander fließen und verschmelzen, mäandernd sich umkreisen und dann wieder konkrete Konturen erkennen lassen, zeigt sich in DAS GROSSE WERK DER ZEIT an einem (für mich) überraschenden Detail: Eine der (realen) Hauptfiguren der Erzählung ist der englische Politiker und Geschäftsmann Cecil Rhodes, dessen Leben in Afrika mehrere (fiktive) Wendungen erfährt, deren Auswirkungen Crowley durchspielt – und gleichzeitig lese ich 2021 in den Nachrichten darüber, dass Rhodes prominenter Gegenstand diverser Protestaktionen ist, die sich gegen seine anhaltende Wertschätzung im British Empire richten, obwohl er zu den wichtigsten Vertretern des Kolonialismus gehört.
Wie das alles zusammengehört, kann ich im Rahmen dieser Besprechung nicht weiter ausführen, aber mit diesem Beispiel habe ich hoffentlich dem einen oder der anderen LeserIn den Mund ein wenig wässrig gemacht. Wer klug konzipierte und politisch anspruchsvolle Science Fiction mag, wird von Crowleys Meisterwerk sicherlich genauso begeistert sein wie der Unterzeichnende
Horst Illmer
John Crowley
DAS GROSSE WERK DER ZEIT.
Übersetzt von Joachim Körber
(Great Work of Time / 1989)
Altefähr, Wandler Verlag, 2021, 144 S.
ISBN 978-3-948825-02-7 / 13,90 Euro
Der amerikanische Schriftsteller John Crowley, der demnächst Achtzig wird, war, trotz einiger sehr erfolgreicher Romane, die vor nun auch schon wieder vierzig Jahren erschienen, in Deutschland immer ein Geheimtipp. Das liegt unter anderem daran, dass sein Gesamtwerk vergleichsweise schmal ist und neben seinen wenigen Romanen kaum Kurzgeschichten von ihm übersetzt wurden – das liegt aber auch daran,
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Die Gefährlichkeit der Dinge
von Horst Illmer am 5. Juli 2021 Kommentare deaktiviert für Die Gefährlichkeit der Dinge
Arno Strobel
DIE GEFÄHRLICHKEIT DER DINGE.
Kurze Geschichten.
Frankfurt, Fischer, 2018, 196 S.
Fischer TaschenBibliothek
ISBN 978-3-596-52222-4 / 12,00 Euro
„Da, damit Du mal auf andere Gedanken kommst.“
Ein guter Freund hatte mich auf eine Geschichtensammlung aufmerksam gemacht, die, obwohl schon vor einiger Zeit erschienen, von mir bisher unbeachtet geblieben war.
Das Büchlein (anders kann man diesen kleinen Handschmeichler kaum nennen) ist etwa halb so groß wie ein normales Taschenbuch, hat einen festen Einband mit drei bunten, auf Nadeln gespießten Schmetterlingen darauf, und trägt den etwas hintersinnigen Titel DIE GEFÄHRLICHKEIT DER DINGE.
Der Autor, Arno Strobel, ist bekannt für eine Reihe gutlaufender Psycho-Thriller; hier hat er auf nicht einmal 200 dieser winzigen Seiten gleich 35 „kurze Geschichten“ zusammengetragen.
Was ich erwartet habe, kann ich jetzt gar nicht mehr sagen, was ich bekommen habe, hat mich jedoch tatsächlich überrascht und begeistert.
Strobel ist auf jeden Fall ein Meister in dieser kurzen Form. Seine „Geschichten“ sind oftmals nicht einmal „richtige“ Kurzgeschichten, sondern eher „Schnappschüsse“ (wie wir das in den analogen Zeiten der Fotografie nannten; aber bitte nicht mit den heutigen „Selfies“ verwechseln). In ihnen erzählt Strobel, mal aus der Ich-Perspektive, mal von außen betrachtet, ganz kleine Ereignisse, wie sie uns allen praktisch jeden Tag passieren können – und doch gibt es immer einen Schwenk, eine Wendung, ein Ereignis, der/die/das überrascht, entsetzt, traurig macht oder zum Nachdenken einlädt.
Die Protagonisten tragen Namen wie Dieter, Edda, Max, Karin oder Benjamin, sie haben Berufe, sind Eltern oder Kinder von Kindern oder Eltern, tun sich mal schwer, mal leicht mit ihrem bisherigen Schicksal, doch alle sind am Ende der jeweiligen „kurzen Geschichte“ andere Menschen als zu Beginn.
Ich will jetzt nicht behaupten, dass es mir als Leser genauso erging, aber zumindest das Versprechen meines Freundes wurde erfüllt:
Ich bin 35 Mal auf andere Gedanken gekommen.
Horst Illmer
Arno Strobel
DIE GEFÄHRLICHKEIT DER DINGE.
Kurze Geschichten.
Frankfurt, Fischer, 2018, 196 S.
Fischer TaschenBibliothek
ISBN 978-3-596-52222-4 / 12,00 Euro
„Da, damit Du mal auf andere Gedanken kommst.“
Ein guter Freund hatte mich auf eine Geschichtensammlung aufmerksam gemacht, die, obwohl schon vor einiger Zeit erschienen, von mir bisher unbeachtet geblieben war.
Das Büchlein (anders kann man diesen kleinen Handschmeichler kaum nennen) ist etwa halb so groß wie ein normales Taschenbuch, hat einen festen Einband mit drei bunten,
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The Postman from Space: The Biker Bandits
von Horst Illmer am 23. Juni 2021 Kommentare deaktiviert für The Postman from Space: The Biker Bandits
Guillaume Perreault (Text & Bilder)
THE POSTMAN FROM SPACE – THE BIKER BANDITS.
Translated by Francois Bui
(Le facteur de l’espace 2: Les Pilleurs à moteurs / 2019)
New York, Holliday House, 2021, 154 S.
ISBN 978-0-8234-4520-2
Unser Freund Bob, der Weltraumpostbote, hat Gefallen gefunden an den aufregenden Seiten seines Berufs – da empfindet er es fast schon als Affront, als er eines schönen Morgens nur einen einzigen Brief erhält, den er einem „Mr. King“ auf dem Nachbarplaneten zustellen soll.
Und, fast hätte es der Boss vergessen, außerdem muss er noch einen Neuling mitnehmen und einlernen. Ohne Widerrede! Denn der Boss weiß genau, dass Bob lieber alleine unterwegs ist. So ist das Verhältnis zwischen Bob und Marcelle (yep, auch noch ein weiblicher Trainee!) zuerst ein wenig angespannt. Dann aber sagt sich der erfahrene Bob: „Nur ein Brief, nur ein Tag, was soll da schon schiefgehen …?“
Natürlich alles!!!
Auch in seinem zweiten Abenteuer mit dem POSTMAN FROM SPACE versteht es der Kanadier Guillaume Perreault auf Schönste, gleichzeitig alle Erwartungen zu erfüllen, die sich nach der Lektüre des ersten Bandes eingestellt haben, und dann doch auch wieder ein Ideenfeuerwerk abzubrennen, das die Leserschaft freudig überrascht. Bis dieser vermaledeite Brief endlich bei „Mr. King“ angekommen ist, braucht es mehr als nur einen Blick ins „Handbuch des perfekten Zustellers“ und diverse Sprünge über den eigenen Schatten …
Große Unterhaltung, garantiert.
Horst Illmer
Guillaume Perreault (Text & Bilder)
THE POSTMAN FROM SPACE – THE BIKER BANDITS.
Translated by Francois Bui
(Le facteur de l’espace 2: Les Pilleurs à moteurs / 2019)
New York, Holliday House, 2021, 154 S.
ISBN 978-0-8234-4520-2
Unser Freund Bob, der Weltraumpostbote, hat Gefallen gefunden an den aufregenden Seiten seines Berufs – da empfindet er es fast schon als Affront, als er eines schönen Morgens nur einen einzigen Brief erhält, den er einem „Mr.
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Ray Bradbury – Poet des Raketenzeitalters
von Horst Illmer am 14. Juni 2021 2 Kommentare
Hardy Kettlitz
RAY BRADBURY – POET DES RAKETENZEITALTERS.
Mit Beiträgen von Ekkehard Redlin, Erik Simon, Jewgeni Lukin sowie einer Bibliografie von Joachim Körber
Berlin, Memoranda, 2021, 423 Seiten
ISBN 978-3-948616-54-0 / Klappenbroschur / 22,90 Euro
SF-Personality Band 24
Der Amerikaner Ray Bradbury (1920–2012) gehört zu den wenigen Schriftstellern seiner Generation, die nicht nur bei den Fans der Science Fiction, der Fantasy und des gepflegten Horrors bleibenden Eindruck hinterlassen haben, sondern auch die Krimileser und das Mainstream-Publikum ansprachen. Werke wie DIE MARSCHRONIKEN oder FAHRENHEIT 451 führen längst ein Eigenleben und sind aus der Weltliteratur nicht mehr wegzudenken.
Zu seinen Lebzeiten schrieb Bradbury nicht nur an die fünfhundert Kurzgeschichten und zehn Romane, sondern auch jede Menge Film-Drehbücher, Theaterstücke, Gedichte, Essays, Comics und Hörspiele. Im 24. Band der Reihe „SF Personality“ bringt Hardy Kettlitz diesen Wust nun in (chronologische) Ordnung.
Neben einer ausführlichen biografischen Übersicht gibt es Erläuterungen zu allen Romanen und zu über vierhundertfünfzig Stories, durchgehend mit den Entstehungsdaten und (soweit vorhanden) den Angaben zur deutschen Übersetzung. Vielen Einträgen beigestellt sind Cover-Abbildungen der Magazine und Bücher, in denen die jeweiligen Texte erstmals erschienen, darunter sogar einige ganz frühe Fanzines aus den 1930er Jahren.
Natürlich gibt es eine Bibliografie der in deutscher Sprache erschienenen Bücher Bradburys, dazu noch drei Essays, die sich mit der Bradbury-Rezeption im ehemaligen Ostblock auseinandersetzen sowie ein Register. Auf über 400 Seiten wird so in RAY BRADBURY – POET DES RAKETENZEITALTERS ein langes und produktives Schriftstellerleben konzentriert erschlossen.
Nicht nur für Bradbury-Fans ein echter Gewinn.
Horst Illmer
Hardy Kettlitz
RAY BRADBURY – POET DES RAKETENZEITALTERS.
Mit Beiträgen von Ekkehard Redlin, Erik Simon, Jewgeni Lukin sowie einer Bibliografie von Joachim Körber
Berlin, Memoranda, 2021, 423 Seiten
ISBN 978-3-948616-54-0 / Klappenbroschur / 22,90 Euro
SF-Personality Band 24
Der Amerikaner Ray Bradbury (1920–2012) gehört zu den wenigen Schriftstellern seiner Generation, die nicht nur bei den Fans der Science Fiction, der Fantasy und des gepflegten Horrors bleibenden Eindruck hinterlassen haben, sondern auch die Krimileser und das Mainstream-Publikum ansprachen.
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Ein Modernes Utopia
von Horst Illmer am 24. Mai 2021 Kommentare deaktiviert für Ein Modernes Utopia
H. G. Wells
EIN MODERNES UTOPIA.
Ü: Joachim Körber, Illustrationen: E. J. Sullivan
(A Modern Utopia / 1905)
Kehrig, Joachim Körber Verlag (Edition Phantasia), 2021, 294 S.
ISBN 978-3-937897-59-2 / 18,90 Euro
Phantasia Paperback Science Fiction 1015
Kennen Sie die UTOPIA von Thomas Morus? Oder Platons STAAT? Den RÜCKBLICK von Edward Bellamy? Die SONNENSTADT von Tommaso Campanella?
Macht nichts. Brauchen Sie auch nicht mehr nachzuholen, denn nachdem Sie EIN MODERNES UTOPIA von H. G. Wells gelesen haben, sind Ihnen die Unzulänglichkeiten seiner Vorläufer bekannt – und vor allem: Sie wissen dann, dass und wie es besser geht!
Angeregt von der Lektüre einer Vielzahl älterer Staatsromane, aufgebracht durch die Fehler zeitgenössischer Politik und im festen Glauben, eine in sich stimmige und überzeugende utopische Alternative generieren zu können, setzte sich Wells zu Beginn des 20. Jahrhunderts hin und schrieb eine „moderne“ Utopie.
Erstmals kritisiert hier ein Autor nicht nur die „Fehler“, die nach seiner Meinung den Vorläufern zu Eigen sind, sondern setzt seine Erkenntnisse auch um und schreibt tatsächlich etwas ganz Neues. Dem Statischen, das den „alten“ Utopien anhaftet, setzt Wells die Dynamik und Veränderlichkeit entgegen, welche ein funktionierendes reales Staatswesen ausmachen.
Betrachtet man z. B. das platonische Ideal oder die originale INSEL UTOPIA, so wollte dort wohl niemand wirklich leben. Das MODERNE UTOPIA der Wells’schen Vorstellung dagegen wirkt auch über einhundert Jahre nach seiner Erfindung noch einladend: Hier herrschen echte Gleichberechtigung der Geschlechter wie der Völker und Religionen. Es gibt praktisch nur noch „grüne“ Energie, ökologische Umweltgestaltung und ein bedingungsloses Grundeinkommen. Niemand isst mehr Fleisch und jeder arbeitet nur so viel wie es seinen Neigungen und Fähigkeiten entspricht. Angeführt wird dieser Staat von einem „Orden“ von idealistischen, „Samurai“ genannten, Staatsbeamten.
Einige „utopische“ Konventionen hat Wells beibehalten: Es gibt den Besucher (bzw. hier zwei Besucher) von außerhalb, die neue Gesellschaft wird Schritt für Schritt entdeckt, ein oder mehrere „Führer“ begleiten diese Entdeckungen mit hilfreichen Erklärungen – und die Rahmenhandlung bleibt eine solche: ein Rahmen für die Vorstellungen des Autors.
Bei der Leserin, beim Leser sollte also eine gesunde Neugier vorhanden sein auf den Weltentwurf eines der klügsten und wichtigsten Autoren des letzten Jahrhunderts, der mit seinen Werken nicht nur der Science Fiction aus der Wiege half, sondern auch die Sozialwissenschaften und die Futurologie mitbegründet hat.
Horst Illmer
H. G. Wells
EIN MODERNES UTOPIA.
Ü: Joachim Körber, Illustrationen: E. J. Sullivan
(A Modern Utopia / 1905)
Kehrig, Joachim Körber Verlag (Edition Phantasia), 2021, 294 S.
ISBN 978-3-937897-59-2 / 18,90 Euro
Phantasia Paperback Science Fiction 1015
Kennen Sie die UTOPIA von Thomas Morus? Oder Platons STAAT? Den RÜCKBLICK von Edward Bellamy? Die SONNENSTADT von Tommaso Campanella?
Macht nichts. Brauchen Sie auch nicht mehr nachzuholen, denn nachdem Sie EIN MODERNES UTOPIA von H.
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