Bücher

Bücher – muss man eigentlich nicht erklären. In unserem Fall als Überbegriff für alle Arten phantastischer Literatur – traditionell vor allem Fantasy und Science-Fiction. Kommt einfach nach Würzburg und besucht uns in Hermkes Romanboutique.

Stormlight Archive – Sturmlicht Chroniken

von am 1. Oktober 2025 noch kein Kommentar

    • Brandon Sanderson
      Die Sturmlicht Chroniken 10
      Der Kampf der Meister
      München, Heyne, 2025, 926 Seiten
      ISBN 9783453273252 / 26,00 Euro
      Hardcover

Gut vierzehn Jahre ist es her, dass wir das Erscheinen von Band eins in unserem Neuheiten Feed gepostet haben. Und schon drei Monate später, bei erscheinen von Band zwei, am 3. August 2011 habe ich mich relativ ausführlich über die Problematiken klassischer Fantasy ausgelassen. Über das Gejammer der Verlage, dass sich das alles nicht verkauft. Damals noch im Vergleich mit Nackenbeißern vampirischer Art, heute mit Spicy-Enemies-to-Lovers-Limited-bedruckter-Buchschnitt-Editions. Insofern ist es tatsächlich ein Grund zum Feiern, dass jetzt mit diesem Titel der (vorerst) letzte Titel dieser Monumentalsaga vorliegt. Denn das sollte es sein – die Verlagsvorgabe war es, ein Werk vom Format des "Rad der Zeit", welches Herr Sanderson ja höchstselbst zu einem guten Ende gebracht hat – und das ist es schlussendlich auch geworden.

Tja mit Band zehn der deutschen Ausgabe (jeweils fast 1000 Seiten), welche im Vergleich zur englischsprachigen Ausgabe zweigeteilt ist, also mit Band fünf Punkt zwei, ist der Zyklus(!) beendet. Aber werden sollen es zwei dieser monumentalen Zyklen. Also insgesamt zehn – beziehungsweise zwanzig dieser dicken Schinken. Der zweite Zyklus soll laut Sanderson zeitlich nach dem ersten Zyklus angesiedelt sein. Hat er ja zum Beispiel bei seinen Nebelgeborenen auch schon so gehandhabt. Da war der zweite Zyklus eher in einer Westernepoche, etwa 200 Jahre nach dem ersten Zyklus, der noch eher wie klassische mittelalter Fantasy anmutet. Was es diesmal sein wird, lasse ich gerne auf mich zukommen – denn aus diesem Abschlussband – und das ist er tatsächlich, sehr rund und zufriedenstellend – ist der Rahmen des zweiten Zyklus noch nicht abzuleiten. Denn, wie auch in den Nebelgeborenen, geht es in diesem Abschlussband um das Ende der Welt.

Sanderson hat es in diesem ersten Zyklus über all die Seiten immer wieder verstanden, uns zu überraschen, uns zu unterhalten und dafür zu sorgen, dass es wunderbar leicht fällt, über diese irre Seitenzahl stets "dran zu bleiben". Abwechslungsreiche Facetten und liebgewordene Charaktere ziehen sich konstant und konsistent durch das Mammutwerk. Und diese erschreckende Weltuntergangsstimmung in diesem letzten Band hat fürchterlich an meinen Nerven gezehrt. Ich habe mit den Helden gelitten und bin am Ende in ein tiefes Loch gefallen. Ein echter, gewaltiger, passender aber auch bitterer Abschluss, bei dem die Hoffnung auf den kommenden, zweiten Zyklus wirklich mehr als nur ein Lichtblick ist.

Ich bin sicher, Brandon Sanderson wird in gewohnter Art zügig weiterschreiben. An dieser Serie, an anderen Serien, an einzelnen Büchern und an Geheimprojekten… Die deutlich wackeligere Frage ist, ob der Heyne Verlag weitere zehn Tausendseiter einer klassischen Fantasygeschichte veröffentlichen wird. In adäquater Ausgabe. Wenn ich mir die aktuellen Vorschauen der gesamten Penguin Random House Verlagsgruppe so ansehen, wird diese Frage zum nervenzerfetzenden Krimi.

Jetzt gleich würde ich eh nicht weiterlesen wollen. Zu heftig wirkt dieses Ende noch nach. Und ich bin sicher auch Brandon Sanderson wird noch das ein oder andere Buch dazwischenschieben. Die Gelegenheit nutzen, in andere Welten zu springen, denn das Kosmeer ist riesig.

Und ich bin sicher, egal wohin es die nächsten Helden verschlägt, ich werde es gerne lesen…

    • Brandon Sanderson
      Die Sturmlicht Chroniken 10
      Der Kampf der Meister
      München, Heyne, 2025, 926 Seiten
      ISBN 9783453273252 / 26,00 Euro
      Hardcover

Gut vierzehn Jahre ist es her, dass wir das Erscheinen von Band eins in unserem Neuheiten Feed gepostet haben. Und schon drei Monate später, bei erscheinen von Band zwei, am 3. August 2011 habe ich mich relativ ausführlich über die Problematiken klassischer Fantasy ausgelassen.

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Marstrilogie

von am 29. September 2025 noch kein Kommentar

  • Kim Stanley Robinson
    Roter Mars
    Marstrilogie 1
    München, Heyne, 2025, 816 Seiten
    ISBN 9783453323681 / 16,00 Euro
    Paperback

Der erste Roman der Marstrilogie jetzt neu bei Heyne. Hmm komisch, war doch eigentlich eh lieferbar. Bei Heyne. Mit anderem Cover und zwei Euro mehr auf dem Deckel. Und die aus dem Jahre 1993 stammende englischsprachige Vorlage ist zum ersten mal bereits 1997 – auch bei Heyne – erschienen. Ist vielleicht eine Serienverfilmung im Busch? Auch nicht. Warum dann?

Über die mit etlichen Preisen ausgezeichnete Trilogie an sich gibt es nichts zu meckern. Im Gegenteil, es ist eher ein dunkler Fleck, dass es auf unserer Seite keine Rezi gibt. Also nehme ich das jetzt einfach mal als Gelegenheit.

Die Trilogie muss als Gesamtwerk betrachtet werden, obwohl sich die drei Teile inhaltlich deutlich unterscheiden und jeweils verschiedene Aspekte des "Großen Ganzen" belichten. Die Titel "Roter Mars", Grüner Mars" und "Blauer Mars" eröffnen schon, um was es geht. Der Rote Mars ist der Mars, den wir kennen. Im Laufe der Trilogie wird dessen feindselige Umgebung durch Terraforming zuerst durch die Etablierung einer Pflanzenwelt zum Grünen Mars und schließlich zum Blauen Mars, auf dem das Wasser in flüssiger Form Seen, Flüsse und Meere gebildet hat.

Viel Zeit bleibt uns nicht, denn das Datum der ersten Marsmission, die Kolonisten auf die neue Welt bringt, die ersten Hundert, ist in dem Roman bereits für nächstes Jahr, also 2026 terminiert. Vielleicht ist das der Grund, warum der Roman gerade ein weiteres Mal veröffentlicht wurde. Dieser erste Teil ist sicher auch der technischste. Ich würde das Buch eindeutig als Hard Science bezeichnen, aber trotzdem in jedem Fall auch Leserinnen und Lesern ans Herz legen, denen dieser Aspekt wenig interessant erscheint. Denn das was Kim Stanley Robinson in seiner Trilogie geschaffen hat, ist viel mehr. Subjektive Perspektiven und persönliche Blickwinkel einzelner Protagonisten und Gruppen bilden die Basis für spätere politische und soziale Implikationen, die die Folgen dieser ersten Kolonie weit über den technischen Aspekt hinaus iniziieren. Die Geschichte dieser Neuen Welt ist viel mehr ein soziales Gedankenexperiment als Extrapolation irdischer Zusammenhänge. Und auch wenn unsere Welt heute nicht mehr die gleiche ist, wie Anfang der 90er Jahre, ist diese Trilogie in nahezu allen Belangen aktueller, als man es sich damals hätte vorstellen können.

Dieses Werk ist vielfach beschrieben und mit Nebula, Hugo und Locus ausgezeichnet worden. Es sollte eigentlich nicht nötig sein, erneut darüber zu schreiben oder zu sprechen. Aber offensichtlich ist diese Trilogie das, was uns als Buchhändlern besonders am Herzen liegt, nämlich ein zeitloser Steadyseller. Und das obwohl es seitens der großen Verlage ja immer heißt, dass sich Science Fiction nicht (mehr) verkauft. Solltet ihr die drei Bücher tatsächlich noch nicht kennen, denke ich, ist das eine Lücke, die zu füllen gilt. Eine der ganz großen Visionen unserer Zeit, die Technik, Ökologie, Politik mit Mensch und Menschheit verbindet.

ps funfact: schaut euch mal (zum Beispiel in der Wikipedia) die Marsflagge an…

  • Kim Stanley Robinson
    Roter Mars
    Marstrilogie 1
    München, Heyne, 2025, 816 Seiten
    ISBN 9783453323681 / 16,00 Euro
    Paperback

Der erste Roman der Marstrilogie jetzt neu bei Heyne. Hmm komisch, war doch eigentlich eh lieferbar. Bei Heyne. Mit anderem Cover und zwei Euro mehr auf dem Deckel. Und die aus dem Jahre 1993 stammende englischsprachige Vorlage ist zum ersten mal bereits 1997 – auch bei Heyne – erschienen. Ist vielleicht eine Serienverfilmung im Busch?

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Die Auferstehung

von am 22. September 2025 noch kein Kommentar

  • Andreas Eschbach
    Die Auferstehung (Die drei ???)
    Kosmos, Stuttgart 2025, 448 Seiten
    ISBN 978-3-440-17974-1

Seit 1979 begeistern Die drei ??? mit ihren Fällen als Nachwuchsdetektive eine Vielzahl hörender und lesender Fans – inzwischen allemal generationenübergreifend, also Generation Kassettenrekorder genauso wie Generation bunter Buchschnitt. Kaum jemand, der nicht mal irgendwann im Schrottplatz-Clubhaus des ermittelnden Trios Platz genommen hat, egal wie oft, egal wie lange. Auch der 1959 geborene Andreas Eschbach hat als Jugendlicher die Abenteuer der jungen Detektive gelesen, sich nach dem Konfirmationsunterricht immer einen ???-Band aus der Pfarrbibliothek geliehen. Viele Jahre später legt der gestandene Bestsellerautor nun einen ersten eigenen Krimi über das Trio aus Rocky Beach vor.

Anders als bei seinem „Perry Rhodan“-Roman vor einigen Jahren, gibt es diesmal aber kein Prequel zur Serie, um nicht zu sagen, dem multimedialen Mythos. Viel mehr sind Justus Jonas, Peter Shaw und Bob Andrews in „Die Auferstehung“ erwachsen, ja, regelrecht alt geworden. Jenseits der 50, haben die drei nicht mehr viel miteinander zu tun, sind sie teils zerstritten und haben sie ihre Leben irgendwann ohne neue Fälle weitergelebt. Erst die Rückkehr einer seit Jahren totgeglaubten Frau aus dem Amazonas – und aus der Vergangenheit sowie dem erweiterten Umfeld der alten Gang – führt sie auf Umwegen wieder zusammen.

Diesen Aufhänger nutzt Andreas Eschbach, um geschickt mit dem Franchise und dessen Ikonen zu spielen, über alt werdende Helden und Freundschaften zu schreiben, ???-Lore mit aktuellen Elementen unserer Welt von Google und Klimawandel zu kombinieren. Das funktioniert für Fans wie Nichtfans. Wer eine Serien-Referenz erkennt, freut sich, alle anderen spüren an der Stelle dennoch die Verbindung zum Kanon und dessen Tiefe. Platz 1 der Bestsellerliste hat einen zweiten Band übrigens sehr wahrscheinlich gemacht.

Christian Endres

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  • Andreas Eschbach
    Die Auferstehung (Die drei ???)
    Kosmos, Stuttgart 2025, 448 Seiten
    ISBN 978-3-440-17974-1

Seit 1979 begeistern Die drei ??? mit ihren Fällen als Nachwuchsdetektive eine Vielzahl hörender und lesender Fans – inzwischen allemal generationenübergreifend, also Generation Kassettenrekorder genauso wie Generation bunter Buchschnitt. Kaum jemand, der nicht mal irgendwann im Schrottplatz-Clubhaus des ermittelnden Trios Platz genommen hat, egal wie oft, egal wie lange. Auch der 1959 geborene Andreas Eschbach hat als Jugendlicher die Abenteuer der jungen Detektive gelesen,

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Ravage & Son

von am 17. September 2025 noch kein Kommentar

  • Jerome Charyn
    Ravage & Son
    Suhrkamp, Berlin 2025, 334 Seiten
    ISBN 978-3-515-47495-2

Jerome Charyn schrieb Comics wie „Teufelsmaul“, „Little Tulip“, „New York Cannibals“ und „Die Frau des Magiers“. Doch der 1937 geborene New Yorker hat auch Dutzende Bücher verfasst, darunter eine Biografie von Quentin Tarantino, Sachliteratur über das alte New York City und ein Dutzend Krimis um Isaac Sidel von der Lower East Side, dessen Reise als Ermittler beginnt und als Bürgermeister endet.

Charyns Standalone-Roman „Ravage & Son“ ist im Original 2023 erschienen – und ein ziemliches Biest, obwohl nur etwas mehr als 300 Seiten lang: Ein „Panorama an Menschenfleisch“ und eine „Ausstellung der Hoffnungslosen“, um mal das Buch zu zitieren. In Charyns New York der Einwanderer des späten 19., frühen 20. Jahrhunderts wimmelt es vor Charakteren, Namen, Zusammenhängen, Abschweifungen, Schicksalen, Geschichten, Sinneseindrücken. Als Pole dienen dabei die jüdischen Gemeinschaften in Downton und Uptown Manhattan, also Geld und Ghetto.

Hauptfiguren sind wiederum der Zeitungsherausgeber Abraham Cahan, der die jüdische Community zu beschützen versucht, und sein Ziehsohn, der Downtown Detective genannte Anwalt, Ermittler und Ghetto-Sheriff Ben Ravage. Das Wunderkind des Wahnsinns wird von einem golemhaften Ganoven mit Kanarienvögeln in den Manteltaschen begleitet, sein Vater ist der kriminelle Eisenwaren- und Klempnerkönig des Viertels, seine Geliebte eine große Hamlet-Darstellerin. Als historisch verbriefte Nebenfiguren treten derweil Weltliterat Henry James und Kaufhausketten-Begründer Frank Woolworth auf.

Jerome Charyns jiddischer Krimi über das verschworene, korrupte, liederliche, wuselnde New York des vorherigen Jahrhunderts kocht Seite für Seite schier über. Am Anfang muss man sogar ein bisschen im Gewimmel kämpfen, und sicher schadet es nicht, durch Michael Chabon, James McBride, Carlos Ruiz Zafón oder Charles Dickens gestählt zu sein. Dann aber wird „Ravage & Son“ zu einer äußerst lebendigen Lektüre, die einen voll in das damalige Manhattan eintauchen lässt.

Christian Endres

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  • Jerome Charyn
    Ravage & Son
    Suhrkamp, Berlin 2025, 334 Seiten
    ISBN 978-3-515-47495-2

Jerome Charyn schrieb Comics wie „Teufelsmaul“, „Little Tulip“, „New York Cannibals“ und „Die Frau des Magiers“. Doch der 1937 geborene New Yorker hat auch Dutzende Bücher verfasst, darunter eine Biografie von Quentin Tarantino, Sachliteratur über das alte New York City und ein Dutzend Krimis um Isaac Sidel von der Lower East Side, dessen Reise als Ermittler beginnt und als Bürgermeister endet.

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Die Schwarze Königin 2

von am 10. September 2025 noch kein Kommentar

  • Markus Heitz
    Die Schwarze Königin II
    München, Knaur, 2025, 520 Seiten
    ISBN 9783426228197 / 18,00 Euro
    Paperback

So ganz sicher war ich nicht, ob ich den zweiten Teil der Geschichte um die Drăculea, den Orden der Drachen und den Kampf gegen die Umpire, Strigoi und Nobilis noch lesen – muss. Ich fand den ersten, relativ gut in sich abgeschlossenen Teil, ja schon mächtig unterhaltsam und wirklich empfehlenswert, ohne zu wissen, dass es eine Fortsetzung geben würde. Aber meine Zeitfenster zum Lesen sind oft so knapp und der Druck des Lesestapels so groß, dass ich mir aus pragmatischen Gründen Fortsetzungen erspare, wenn ich Bücher oder Reihen eh schon empfehlen kann. DAS ist dann sozusagen Luxus, den ich mir gönne. Aber es wäre wirklich schade gewesen, wenn ich nicht weitergelesen hätte.

Denn der zweite Teil ist noch um einiges dichter, als der erste, die bekannten Charaktere sind gewachsen und haben sich in Relation zu Teil eins wohltuend entwickelt und neue, spritzig interessante Protagonisten betreten die Bühne. Tja und Markus Heitz hat sich auch noch einmal so richtig eingeschossen.

Die Timeline um Vlad Dracul, seine Erben, Barbara von Cilli und ihren Kampf gegen die Strigoi in der Walachei wird weitergeführt. Sozusagen in eine nächste Generation. Die von Radu und seinem Bruder Draculea, der sich als Vlad III Tepes den grausigen Beinamen "Der Pfähler" verdient . Diese Schilderungen der Geschehnisse des 15. Jahrhunderts sind noch dichter geworden. Die Untermauerung mit historischen Szenen und Fakten noch plausibler und das ganze Worldbuilding wirkt fundiert, abgerundet und sehr unterhaltsam.

Die zweite Timeline, in der heutigen Zeit, um Len und Klara wirkt ebenfalls deutlich schlüssiger und lebendiger. Dabei ist gerade hier die Einführung zusätzlicher Charaktere unglaublich erfrischend. Mit der richtigen Dosis an Humor und Romanze trifft Markus Heitz den für das Vampir-Genre absolut passenden Ton.

Es wäre wirklich schade gewesen, dieses Spektakel zu verpassen. Unbedingt weiterlesen…

  • Markus Heitz
    Die Schwarze Königin II
    München, Knaur, 2025, 520 Seiten
    ISBN 9783426228197 / 18,00 Euro
    Paperback

So ganz sicher war ich nicht, ob ich den zweiten Teil der Geschichte um die Drăculea, den Orden der Drachen und den Kampf gegen die Umpire, Strigoi und Nobilis noch lesen – muss. Ich fand den ersten, relativ gut in sich abgeschlossenen Teil, ja schon mächtig unterhaltsam und wirklich empfehlenswert,

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Schneewittchens dunkler Kuss

von am 8. September 2025 noch kein Kommentar

  • Lasthaus, Stefanie
    Schneewittchens dunkler Kuss
    Heyne Verlag, 2023, 464 Seiten

Als jemand, der Märchen und vor allem düstere Märchenadaptionen liebt, hat Stefanie Lasthaus mir mit "Schneewittchens dunkler Kuss" eine echte Freude gemacht. Wie bei ähnlichen Adaptionen bekommt das originale Märchen einen komplett neuen Hintergrund und einen neuen Betrachtungswinkel, der natürlich mit neuen Details ausgeschmückt wird. Die Autorin schafft es in diesem Roman der Rolle der Stiefmutter tatsächlich Sympathie einzuhauchen, allein dafür rentiert sich das Lesen schon.

Die junge Cyntha, die durch verschiedene Umstände und um das Wohl Ihres Vaters zu sichern zur Duchess von Falstone wird, muss sich nicht nur mit ihrem Leben als diese, sondern auch mit Ihrer neuen Schwiegertochter, Snow, anfreunden. Wäre das nicht schon genug, ereignen sich rund um den Besitz des Earls immer wieder grausige Vorfälle. Überraschend aufkommende dichte Nebel, verschwundene Personen und herausgerissene Herzen, befeuern den Verdacht, dass Dunkelwesen dafür verantwortlich sind. Und dass all dies erst beginnt, nachdem Cyntha sich dort eingefunden hat kommt den Dorfbewohnern reichlich komisch vor.

Und dabei wissen sie noch nicht einmal von Cynthas magischen Kräften, welche diese von Ihrer Mutter geerbt hat…

Das Buch regt immer wieder aufs neue dazu an, seine bisherigen Einschätzungen zu überdenken. Nach jedem Kapitel beginnt das Rätseln von neuem, solange bis man endlich alle Ungereimtheiten aufgedeckt hat. Währenddessen erkennt man ständig neue Parallelen zum originalen Märchen und freut sich auf die nächste Anspielung und Neuinterpretation einzelner Charaktere und Handlungsstränge. Wie im realen Leben kann jedoch nicht alles in "Gut und Böse" eingeteilt werden, so haben die Charaktere hier viele Schichten und es lohnt sich diese zu entdecken.

"Magie war real, doch Wunder waren Märchen, die man Kindern erzählte, um ihnen die Angst vor einer Zukunft zu nehmen, in der Tod und Hunger lauerten."

  • Lasthaus, Stefanie
    Schneewittchens dunkler Kuss
    Heyne Verlag, 2023, 464 Seiten

Als jemand, der Märchen und vor allem düstere Märchenadaptionen liebt, hat Stefanie Lasthaus mir mit "Schneewittchens dunkler Kuss" eine echte Freude gemacht. Wie bei ähnlichen Adaptionen bekommt das originale Märchen einen komplett neuen Hintergrund und einen neuen Betrachtungswinkel, der natürlich mit neuen Details ausgeschmückt wird. Die Autorin schafft es in diesem Roman der Rolle der Stiefmutter tatsächlich Sympathie einzuhauchen, allein dafür rentiert sich das Lesen schon.

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The Witcher: Kreuzweg der Raben

von am 3. September 2025 noch kein Kommentar

GerdIch freue mich sehr. Neben seinen Krimi- und Comic-Rezensionen nun auch mal wieder eine Fantasy-Rezi von Christian – zu einem seiner Lieblingshelden. Dass das genau bei diesem Roman wieder einmal geschieht, hat natürlich einen (Hinter)Grund. In unseren Comicdealer-Mini-Podcasts hat unser schreibender Local Hero ja schon mehr als einmal gesagt, dass seine eigenen Romane um „Die Prinzessinnen: Fünf gegen die Finsternis“ nicht zuletzt vom Witcher inspiriert worden sind. Wenn ihr also den neuen Witcher von Andrzej Sapkowski kauft, überzeugt euch einfach selbst. Wir haben die Bücher von Christian Endres natürlich immer vorrätig und in Hermkes Romanboutique stehen, und natürlich vom Autor signiert…

  • Andrzej Sapkowski
    The Witcher: Kreuzweg der Raben
    dtv, München 2025, 352 Seiten
    ISBN 978-3-423-28511-7

Der Witcher ist ein multimediales Phänomen, zu dem auch mehrere Videogame-Hits, eine Netflix-Serie, Animes, Comics und allerhand Merchandise gehören – zuletzt ist sogar ein Kochbuch erschienen. Angefangen hat natürlich alles 1986 mit der ersten Prosa-Kurzgeschichte über den weißhaarigen, schwertschwingenden Hexer Geralt von Riva, erdacht und geschrieben vom polnischen Autor Andrzej Sapkowski. Nach zwei Storysammlungen, fünf Romanen und einem Episodenroman kehrt der 1948 geborene Sapkowski nun tatsächlich mit einem Prequel-Roman zu seinem Mutanten und Monsterjäger zurück, der längst in einem Atemzug mit Elric und Conan genannt werden muss.

Die Vorgeschichte der „Hexer“-Saga ist wieder einmal angenehm episodisch geraten und zeigt den jungen Geralt frisch nach der Ausbildung als Geselle auf seiner ersten Rundreise – und Gesellenjahre sind eben auch noch keine Herrenjahre, egal ob man zwei Schwerter, ein magisches Wolfsamulett und einen Kasten voller praktischer Elixiere dabei hat. Sapkowski präsentiert uns einen durchaus vertrauten, aber noch etwas unerfahrenen und ungestümeren Geralt. Außerdem trifft der junge Bestienschreck, dem sich im Roman gleich mehrere vom Schicksal, der Vorsehung und den titelgebenden Raben gesäumte Kreuzwege darbieten, auf einen verstoßenen älteren Hexer und wird in allerhand fiese Intrigen verwickelt. Was wiederum alles mit einer finsteren Stunde der Witcher-Mythologie zusammenhängt …

Für Fans der Saga ist „Kreuzweg der Raben“ ein wirklich wunderbares Prequel, das ein paar schöne Nuggets in puncto Legendenbildung und Worldbuilding enthält. Wenn, dann fehlen höchstens ein paar Märchen-Referenzen, die gerade Sapkowskis frühe Geralt-Erzählungen ausgezeichnet haben – in der Hinsicht muss man mit „Romeo und Julia“ Vorlieb nehmen. Aber selbst wenn die düsteren Märchen-Elemente ein bisschen zu kurz kommen mögen, ist es einfach herrlich, wieder richtig gute, kernige Hexer-Fantasy im vollmundigen Sound von Autor Andrzej Sapkowski und Übersetzer Erik Simon zu lesen.

Christian Endres

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Ich freue mich sehr. Neben seinen Krimi- und Comic-Rezensionen nun auch mal wieder eine Fantasy-Rezi von Christian – zu einem seiner Lieblingshelden. Dass das genau bei diesem Roman wieder einmal geschieht, hat natürlich einen (Hinter)Grund. In unseren Comicdealer-Mini-Podcasts hat unser schreibender Local Hero ja schon mehr als einmal gesagt, dass seine eigenen Romane um „Die Prinzessinnen: Fünf gegen die Finsternis“ nicht zuletzt vom Witcher inspiriert worden sind. Wenn ihr also den neuen Witcher von Andrzej Sapkowski kauft,

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Das Lied des Dionysos

von am 1. September 2025 noch kein Kommentar

  • Natasha Pulley
    Das Lied des Dionysos
    Klett Cotta 2025, 544 Seiten
    ISBN 9783608966848

Ich habe bereits die Geschichten um den Uhrmacher aus der Filigree Street und den Leuchtturm an der Schwelle der zeit geliebt. Das Besondere an Pulleys Geschichten sind die meandernden Handlungen und die fragilen zwischenmenschlichen Beziehungen. Die demaskierenden Einblicke in menschliche Gedankengänge und die wunderbar angenehme Sprache, in der all das dargeboten wird.

Wie bereits der Titel sagt, geht es diesmal in die Sagen- und Mythenwelt der griechischen Antike. Aber auch bei diesem Roman ist es wieder die ganz besondere Erzählweise Pulleys, die die Neuinterpretation bekannter Motive so besonders macht.

Und tatsächlich ist es wieder auch eine Geschichte über Liebe und Schmerz. Pulley schafft charismatische Helden mit Herz und (trockenem) Humor, deren zwischenmenschliche Wirrungen und Irrungen derart plastisch und dadurch nachvollziehbar und dennoch erschreckend unergründlich und fremd wirken. Es ist vollkommen egal, ob diese Geschichte ein queeres Drama oder eine irre Liebesgeschichte ist. Jede Detail lässt sich fühlen und die Zerrissenheit zwischen Pflicht, Ehre und Menschlichkeit in einer chaotischen Welt ist einmal mehr unglaublich gut in Szene gesetzt.

Ich glaube nicht, dass ich die eigentliche Zielgruppe von Pulleys Romanen bin, aber ich liebe sie.

  • Natasha Pulley
    Das Lied des Dionysos
    Klett Cotta 2025, 544 Seiten
    ISBN 9783608966848

Ich habe bereits die Geschichten um den Uhrmacher aus der Filigree Street und den Leuchtturm an der Schwelle der zeit geliebt. Das Besondere an Pulleys Geschichten sind die meandernden Handlungen und die fragilen zwischenmenschlichen Beziehungen. Die demaskierenden Einblicke in menschliche Gedankengänge und die wunderbar angenehme Sprache, in der all das dargeboten wird.

Wie bereits der Titel sagt,

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Gabrielle Filteau-Chiba

von am 27. August 2025 noch kein Kommentar

  • Gabrielle Filteau-Chiba
    Die Ungezähmten
    dtv, München 2025, 336 Seiten
    ISBN: 978-3-423-44772-0

„Bis der Fluss taut“ ​von der franko-kanadischen Autorin Gabrielle Filteau-Chiba ist ein schmales, aber intensives Büchlein, mehr Novelle als Roman: Das fiktive Tagebuch von Anouk, die den seelenlosen, sinnlosen Kommerz der Großstadt Montreal hinter sich gelassen hat, um fortan als Einsiedlerin in den bitterkalten Wäldern Kamouraskas an einem zugefrorenen Fluss zu leben, umgeben von nichts als wilder und rauer, unendlich schöner, ewig unbarmherziger Natur. Die Beschreibungen ihres harten Lebens dort bestehen aus dichten, stilsicheren Sätzen und Gedanken, bieten gerade zu Beginn sehr schönes Nature Writing.

Anouk, freiwillig in die Isolation gegangen, versteht sich als Aussteigerin und Feministin, ihre Sehnsüchte und Bedürfnisse erweisen sich indes als ambivalenter, und darüber denkt man trotz der wenigen, teils illustrierten Seiten ebenso nach wie über Zeitgeist, Kapitalismus, Umweltschutz, Natur, Wildnis und Opferbereitschaft. Oh, und Finster wie im Bärenarsch steht definitiv auf der Liste der besten Kapitelnamen aller Zeiten – und nein, hier bedient sich Filteau-Chiba keineswegs beim kanadischen Skandalbuch „Bär“ von Marian Engel. Dafür fühlt man sich beim Lesen immer mal an Margaret Atwood erinnert, und von wegen Old Babes in the Wood.

„Bis der Fluss taut“ kam bereits 2022 auf Deutsch heraus. Wieso also jetzt dieser Text? Weil es seit August 2025 ein neues Buch von Gabrielle Filteau-Chiba in Übersetzung gibt: „Die Ungezähmten“. Darin lebt die lesbische, taffe Raphaëlle, eindeutig eine geistige Verwandte von Anouk, als Wildhüterin allein in den niederkanadischen Wäldern – bis Raph einen weiblichen Husky-Kojoten-Mischling adoptiert und Coyote tauft. Unterdessen bedrohen nicht nur Bären Raphaëlles Leben, oder der menschliche Raubbau an der Natur ihre Seele. Mit einem brutalen Wilderer, der noch ganz andere Übeltaten auf dem Kerbholz hat, liefert sich die Rangerin außerdem ein regelrechtes Vendetta inmitten der rauen Natur …

Der neue Roman von Filteau-Chiba brilliert letztlich als außergewöhnlicher Country Noir mit einer der authentischsten und besten Erzählstimmen dieser literarischen Jagdsaison. Zudem verknüpft die Kanadierin ihren grandiosen queer-feministischen Öko-Krimi sogar mit ihrem ersten poetischen Buch über eine andere selbstbestimmte Frau in der kanadischen Wildnis, da sie Anouk und ihr Tagebuch zu einem Element der Handlung macht, was allerdings auch ohne Lektüre des Vorgängerwerks funktioniert. Bleibt zu hoffen, dass „Die Ungezähmten“ möglichst viele Leser findet – nicht zuletzt alle Fans von „Joe Pickett“ und „Untamed“.

Gabrielle Filteau-Chiba
Bis der Fluss taut
dtv, München 2022, 112 Seiten
ISBN: 978-3-423-29027-2

Christian Endres

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  • Gabrielle Filteau-Chiba
    Die Ungezähmten
    dtv, München 2025, 336 Seiten
    ISBN: 978-3-423-44772-0

„Bis der Fluss taut“ ​von der franko-kanadischen Autorin Gabrielle Filteau-Chiba ist ein schmales, aber intensives Büchlein, mehr Novelle als Roman: Das fiktive Tagebuch von Anouk, die den seelenlosen, sinnlosen Kommerz der Großstadt Montreal hinter sich gelassen hat, um fortan als Einsiedlerin in den bitterkalten Wäldern Kamouraskas an einem zugefrorenen Fluss zu leben, umgeben von nichts als wilder und rauer, unendlich schöner,

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Artifact Space

von am 25. August 2025 noch kein Kommentar

  • Miles Cameron
    Artifact Space
    Heyne 2024, 667 Seiten
    ISBN 9783453323063

Ich mecker seit langem, dass es viel zu wenig klassische SF bei den großen Verlagen gibt. Jetzt gerade ist der zweite Teil der Artifact Space Reihe von Miles Cameron erschienen: Deep Black. Tja und da habe ich mal nachgesehen, ob es eine Rezi bei uns gibt und, oh Wunder NEIN. Sträflich, denn Artifact Space hat mir sehr viel Spaß bereitet UND passt gleichzeitig in das Genre klassischer Space Opera.

Dabei meine ich mit klassisch kein bisschen, dass es angestaubt wirkt. Im Gegenteil, mir ist das Weltenkonstrukt und die sozialen Strukturen ziemlich frisch vorgekommen. Ja, es hat Aspekte von Military Science Fiction. Manchmal habe ich sogar Captain Adama gespürt, was mich keinesfalls gestört hat. Gleichzeitig hat es aber völlig unaufgeregt auch aktuelle Bezüge und Themen, die ich sehr angenehm eingeflochten empfinde.

Es gibt sehr viele Gesichtspunkte, die das Buch zu einer rundum gelungenen Space Opera machen. Eine in sich logische, verständliche physikalische Herangehensweise. Der klassische Military SF Aspekt, antiquierte politische Strukturen wie die "Royal Navi" im Weltraum, aber locker und flockig kombiniert mit moderner Diversität. Wer also Weber oder Hamilton mag, kann sich sicher auch für Miles Cameron begeistern.

Der langsame und ruhige Aufbau der Charaktere um die Protagonistin Nbara an Bord der "Athen", lässt immer wieder Battlestar Feeling aufkommen. Seriencharakter. Das ist tatsächlich angenehm und erzeugt eine heimelige Athmosphäre. Natürlich ist ein bisschen Honor Harrington zu spüren und auch Marca Nbara wird innerhalb relativ unglaubwürdig kurzer Zeit zur Top-Pilotin, -Agentin und -Kämpferin. Aber irgendwie nimmt man das halt in Kauf.

Tja und dann hat dieser erste Band kein echtes Ende. Was auch der Grund ist, warum ich letztes Jahr keine Rezi geschrieben habe. Jetzt aber , geht es mit Deep Black weiter und ich bin schon in der Mitte des Buches angelangt. Mit Band zwei macht es wesentlich mehr Sinn. Die Grundfesten sind bereits errichtet und wir können in die Geschichte einsteigen. Voll.

Artifact Space ist genau das, was dieses Genre sein soll. Spannende Unterhaltung.

  • Miles Cameron
    Artifact Space
    Heyne 2024, 667 Seiten
    ISBN 9783453323063

Ich mecker seit langem, dass es viel zu wenig klassische SF bei den großen Verlagen gibt. Jetzt gerade ist der zweite Teil der Artifact Space Reihe von Miles Cameron erschienen: Deep Black. Tja und da habe ich mal nachgesehen, ob es eine Rezi bei uns gibt und, oh Wunder NEIN. Sträflich, denn Artifact Space hat mir sehr viel Spaß bereitet UND passt gleichzeitig in das Genre klassischer Space Opera.

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Ich, Hannibal

von am 13. August 2025 noch kein Kommentar

  • Judith & Christian Vogt
    ICH, HANNIBAL – Rom wird vor ihr erzittern.
    München, Piper, 2024, 432 Seiten
    ISBN 978-3-492-70658-2 / 17,00 Euro

Diese Neuerzählung der Hannibal-Geschichte ist ein Parallelwelt-Roman. Die Ausgangsfrage, die Judith und Christian Vogt hier stellen, ist: Was wäre, wenn sich die Perspektive der Erzählung von männlich/römisch/weiß zu weiblich/nicht-männlich/punisch-karthagisch/nicht-weiß verschiebt und in dieser Welt die mythischen Gestalten unserer Welt lebendige, handelnde Wesen wären.
Was wäre, wenn eine sehr junge Witwe mit drei Kindern, eine in die Jahre gekommene Monsterjägerin, eine Feldherrin und ein griechischer Sklave den Kern eines Romans bildeten?

Judith und Christian Vogt haben sich in vielen Eckpunkten und Details an die Forschungsergebnisse der modernen Geschichtsschreibung gehalten, dazu fügten sie halbgöttliche und mythische Protagonist*innen, wie die Medusa oder die römische Wölfin ein. Hannibal, Hasdrubal und Mago sind vielleicht noch aus dem Geschichtsunterricht bekannt. Himilke, auch Himilce oder Imilce, je nachdem ob es sich um eine iberische, lateinische oder griechische Quelle handelt, ist in verschiedenen historischen Dokumenten als Hannibals Ehefrau zu finden. Die Figur des Historikers Sosylos ist verbürgt, aber von seinen Aufzeichnungen über den „zweiten Punischen Krieg“, wie das Römische Imperium ihn nannte, sind nur einige Passagen erhalten geblieben.

In der Parallelwelt führt Himilke, Hannibals Mörderin und Witwe, das karthagische Heer unter seinem Namen und mit Wissen ihrer Offiziere, Unterführer und Ratgeber auf dem Feldzug gegen das Römische Imperium an, das sich immer weiter ausdehnen möchte.
Sie hatte in all den Jahren ihrer Ehe an der Ausbildung durch Sosylos und den strategischen Überlegungen und Planungen ihres Mannes teilgenommen.
Durch sie und ihr Geschick gelingt die Überquerung der Alpen und ihr Heer erreicht Rom.

Auch in dieser von und für Männern geformten Parallelwelt müssen sich Frauen alles erarbeitet oder erkämpfen. Wie die numidische Bestienjägerin Tamenzut, die Monster unterwirft und versklavt, und so die militärischen Erfolge der Karthagischen Truppen ermöglicht.
Oder Fulvia, die 17-jährige Witwe eines Patriziers, die halsstarrig an ihrem Beschluss, für ihre Stiefkinder zu sorgen, festhält, obwohl oder weil diese von dem reichen und machthungrigen Publius Cornelius Scipio dem Jüngeren um ihr Erbe betrogen wurden. Sie ergreift jeden Strohhalm und arbeitet unter großen persönlichen Gefahren, um ein besseres Leben zu erreichen.

Das zentrale Thema dieses Romans ist Krieg und damit, wie immer, einhergehend Unterdrückung, Gewalt, Vergewaltigung und Mord und was das mit den Beteiligten anrichtet, nicht nur mit den Opfern, sondern auch mit den Täter*innen. Ich bin etwas überrascht, dass der Piper Verlag auf Trigger-Warnungen oder Content Notes verzichtet.
Die Zahl der Getöteten, Verstümmelten und Verletzten ist hoch, sehr hoch, aber die Darstellung von Gewalt und Grausamkeit geschieht nicht um ihrer selbst Willen, sie dient immer der Erzählung, reißt Fassaden von Protagonist*innen ein, zeigt Abgründe und Motivationen. Es geht um Machtsysteme und um Methoden, wie Menschen Macht erhalten oder erreichen.
Hier wird nicht platt davon gefaselt, dass Frauen, Sklaven, nicht-weiße und queere Personen die besseren Menschen sind. Monster und Menschen werden nicht nur durch das geprägt und verändert, was sie erleiden, sondern auch von dem, was sie tun und anderen antun.

ICH, HANNIBAL ist ein kluges und vielschichtiges Buch. Besonders schätze ich, dass es ein „nach dem Krieg“ gibt. Eine der Kernaussagen des Buches lautet: „Macht aufzubrechen ist, als würde man etwas, das wüst gefallen ist, wieder zu einem Garten pflegen.“ (Seite 407).

So viel Blut, Eiter, Tot, Vergewaltigung, Leid habe ich schon länger nicht mehr in einem Roman gefunden. Aber auch nicht so viel Liebe, Verehrung, Mut und Freundlichkeit.
Durch die abgestuften Charakterisierungen von glaubwürdigen Handelnden ist dieser Roman eine lohnenswerte Lektüre. Zudem ist es ein Roman mit einem Hoffnungsschimmer: dass herrschaftsloses Leben denkbar und daher vielleicht auch realisierbar ist. Hopepunk!

Für mich ist ICH, HANNIBAL einer der besten, erhellendsten und spannendsten Science-Fiction-Romane des Jahres 2024.

Matita Illmer

  • Judith & Christian Vogt
    ICH, HANNIBAL – Rom wird vor ihr erzittern.
    München, Piper, 2024, 432 Seiten
    ISBN 978-3-492-70658-2 / 17,00 Euro

Diese Neuerzählung der Hannibal-Geschichte ist ein Parallelwelt-Roman. Die Ausgangsfrage, die Judith und Christian Vogt hier stellen, ist: Was wäre, wenn sich die Perspektive der Erzählung von männlich/römisch/weiß zu weiblich/nicht-männlich/punisch-karthagisch/nicht-weiß verschiebt und in dieser Welt die mythischen Gestalten unserer Welt lebendige, handelnde Wesen wären.
Was wäre, wenn eine sehr junge Witwe mit drei Kindern,

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Jenseits der See

von am 6. August 2025 noch kein Kommentar

  • Paul Lynch
    Jenseits der See
    Klett-Cotta, Stuttgart 2025, 192 Seiten
    ISBN 978-3-608-96688-6

Mit „Das Lied des Propheten“ hat der irische Autor Paul Lynch eine der denkwürdigsten, gegenwärtigsten Dystopien der letzten Jahre vorgelegt – und dafür zurecht den Booker Prize 2023 erhalten. „Das Lied des Propheten“ zwischen Margaret Atwood und Cormac McCarthy muss man als SF-Fan gelesen haben, den besonderen Stil des Iren hat man nach fünf Seiten intus, danach gibt es nur noch Staunen. Jetzt liegt mit „Jenseits der See“ ein neues Buch von Paul Lynch auf Deutsch vor, im Original ist der schmale Roman „Beyond Sea“ bereits 2021 erschienen.

Das Buch handelt von zwei mexikanischen Fischern, der eine älter und verzweifelt, der andere jung und gierig. Trotz Sturmwarnung wagen sie sich in ihrem kleinen Boot auf den Ozean, fischen mit Leinen nach Haien und Tuna – und erhalten die Quittung für ihre Blindheit und Taubheit gegenüber der Natur. Tagelang darben die beiden Männer mit wachsender Verzweiflung, schwindendem Trinkwasser, steigendem Wahnsinn und abflauender Hoffnung auf dem weiten Meer und in der Sonne …

„Jenseits der See“ ist eine dieser kraftvollen, eindringlichen Geschichten über Mensch und Natur. Dabei könnte man den abenteuerlichen Fischerboot-Katastrophenroman sogar als Parabel auf unsere anhaltende Ignoranz hinsichtlich Umweltverschmutzung und Klimawandel deuten. Die Beschreibung der Elemente und ihrer menschlichen Gegenüber lässt einen indes an den großen Ernest Hemingway denken, die poetische, ihrerseits elementare Sprache an den bereits erwähnten Cormac McCarthy oder auch an Lynchs Landsmann Kevin Barry. „Das Lied des Propheten“ ist das Must-Read in seinem Schaffen, doch „Jenseits der See“ unterstreicht auf seine Weise: Paul Lynch schreibt besondere, intensive Bücher.

Christian Endres

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  • Paul Lynch
    Jenseits der See
    Klett-Cotta, Stuttgart 2025, 192 Seiten
    ISBN 978-3-608-96688-6

Mit „Das Lied des Propheten“ hat der irische Autor Paul Lynch eine der denkwürdigsten, gegenwärtigsten Dystopien der letzten Jahre vorgelegt – und dafür zurecht den Booker Prize 2023 erhalten. „Das Lied des Propheten“ zwischen Margaret Atwood und Cormac McCarthy muss man als SF-Fan gelesen haben, den besonderen Stil des Iren hat man nach fünf Seiten intus, danach gibt es nur noch Staunen.

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Der Schlüssel der Magie – Die Diebin

von am 4. August 2025 noch kein Kommentar

  • Bennet, Robert Jackson
    Der Schlüssel der Magie – Die Diebin
    Blanvalet, 2020, 604 Seiten

Robert Jackson Bennet holte mich mit "Die Stadt der tausend Treppen" aus einer Leseflaute und begeisterte mich mit "Der Schlüssel der Magie" zum zweiten Mal mit seinem Schreibstil und seiner Angewohnheit jeden Band einer seiner Reihen auf eine völlig neue Ebene zu heben. "Der Schlüssel der Magie" ist eine kleine Dauerempfehlung von mir, für alle die sich in neue, einzigartige Magiesysteme hineindenken möchten. Für alle die Intrigen, ein bisschen Politik und die lustige Stimme aus dem Off zu schätzen wissen. Für alle die, die Götter der Vergangenheit ebenso wenig ruhen lassen wollen wie ich.

Tevanne ist eine Stadt die von Handelshäusern bestimmt wird. Handelshäuser, die die einzigen sind, die sich Magie und deren Weiterentwicklung leisten können. Denn Magie wird in Tevanne durch Skriben gewirkt. Worte und Sygillen, die der Realität einreden anders zu sein, die physikalische Gesetze außer Kraft setzen können sobald sie in entsprechende Gegenstände geritzt werden.
In diesem Buch geht es also nicht nur um einen langweiligen Schlüssel, sondern um einen Schlüssel, der mithilfe seiner Skriben alle Schlösser dazu "überreden" kann sich zu öffnen. Ein meisterhaftes Werkzeug für eine Diebin wie Sancia, die den Schlüssel, ohne zu wissen was er ist oder kann, stiehlt und sich damit in unsagbare Schwierigkeiten bringt. Nicht nur Ihre Auftraggeber, die Ihren Schatz natürlich nicht teilen wollen, sondern auch uralte Mächte bringen sie nun in die Bredouille. So bleibt ihr kaum eine andere Möglichkeit als den Worten den Schlüssels, der nebenbei bemerkt natürlich mit ihr sprechen kann, zu vertrauen und sich mit ihm zusammen an das Lösen einiger Rätsel zu machen.

Mit jedem Band dieser Trilogie wurde mir als Leser mehr bewusst, wie ausgeklügelt und Komplex das Magiesystem eigentlich ist, wie viel Mühe und Gehirnschmalz der Autor hier wieder hineingesteckt hat. Mit jedem Band habe ich mich mehr auf die Welt eingelassen die er kreiert hat, aber auch auf die Veränderungen die zwischen den Bänden stattfanden. Ich bin sehr gespannt, ob seine neuen Werke auch ins Deutsche übersetzt werden, von diesem Autor brauchen wir mehr zu lesen.

"Die Realität spielt keine Rolle. Solange man jemandes Meinung umfassend genug ändert, glaubt er an jedwede Realität, die man ihm einredet."

  • Bennet, Robert Jackson
    Der Schlüssel der Magie – Die Diebin
    Blanvalet, 2020, 604 Seiten

Robert Jackson Bennet holte mich mit "Die Stadt der tausend Treppen" aus einer Leseflaute und begeisterte mich mit "Der Schlüssel der Magie" zum zweiten Mal mit seinem Schreibstil und seiner Angewohnheit jeden Band einer seiner Reihen auf eine völlig neue Ebene zu heben. "Der Schlüssel der Magie" ist eine kleine Dauerempfehlung von mir, für alle die sich in neue,

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Finn Dever: Letzter Blick

von am 30. Juli 2025 noch kein Kommentar

  • Bastian Martschink
    FINN DEVER – LETZTER BLICK. Kriminalroman.
    München, Golkonda, 2025, 380 Seiten
    ISBN 978-3-96509-074-3 / 18,00 Euro
    Klappenbroschur

Ein Ermittler mit besonderen Fähigkeiten, der einer Beamtin der Mordkommission gegen deren Willen unter die Arme greift – das haben wir schon mal gelesen und/oder im Fernsehen gesehen, das ist aber immer dann eine gute Idee, wenn die Mischung aus Action, Charakter und Sound zusammenpasst und zu unterhalten weiß.

Der Düsseldorfer Wirtschaftsprofessor Bastian Martschink versucht sich in diesem Genre mit seinem KI-Thriller FINN DEVER – LETZTER BLICK, dem Auftaktband einer Serie mit einem Ermittler, der seinen KI-Assistenten nicht im Smartphone, sondern im Kopf mit sich herumträgt. Allerdings ohne es zu wissen, was ihn bei seinem ersten gemeinsamen Fall mit Detective Kate Okon vom Blackvale Police Department in gleich mehrere missliche Lagen bringt. Zwar haben sie am Ende den Mord an der Finanzchefin eines Megakonzerns „geklärt“, aber Finn hat da so seine Zweifel …

Martschinks Stil ist flüssig und gut lesbar, seine Figuren unterhalten auf hohem Niveau – FINN DEVER – LETZTER BLICK kommt als eine Mischung aus DRESDEN FILES und CASTLE daher, bei der wir gespannt sind, wie es im zweiten Teil weitergeht.

Horst Illmer

  • Bastian Martschink
    FINN DEVER – LETZTER BLICK. Kriminalroman.
    München, Golkonda, 2025, 380 Seiten
    ISBN 978-3-96509-074-3 / 18,00 Euro
    Klappenbroschur

Ein Ermittler mit besonderen Fähigkeiten, der einer Beamtin der Mordkommission gegen deren Willen unter die Arme greift – das haben wir schon mal gelesen und/oder im Fernsehen gesehen, das ist aber immer dann eine gute Idee, wenn die Mischung aus Action, Charakter und Sound zusammenpasst und zu unterhalten weiß.

Der Düsseldorfer Wirtschaftsprofessor Bastian Martschink versucht sich in diesem Genre mit seinem KI-Thriller FINN DEVER – LETZTER BLICK,

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Moonfleet

von am 28. Juli 2025 2 Kommentare

  • John Meade Falkner
    MOONFLEET
    Übersetzt von Michael Kleeberg
    Liebeskind Verlagsbhandlung
    Februar 2016, 350 Seiten
    EAN: 9783954380596

„Moonfleet“ ist keine Phantastik, „nur“ ein Abenteuerroman des britischen Autors John Meade Falkner aus dem Jahr 1898. Das Wörtchen NUR muss hier für mich in Anführungszeichen stehen.

Zum einen bin ich großer Fan des klassischen Abenteuerromans, der freilich deutlichen Einfluss auf unsere Pulpgeschichten Anfang des 20. Jahrhunderts und damit auch auf unsere heutige phantastische Literatur gehabt haben dürfte.

Zum anderen hat „Moonfleet“ meine persönliche Rankingleiter bis zur obersten Sprosse erklommen: Die großen Zwei, „Robinson Crusoe“ und „Die Schatzinsel“, werden heute noch vielen in bester Erinnerung sein, aber auch „Die drei Musketiere“ oder „Moby Dick“ sind starke Vertreter dieser Gattung.

„Der gute Abenteuerroman“ unterhält uns, sagt uns etwas, reißt uns mit; dabei ist er eigensinnig und atmosphärisch. Und hier stößt man dann leider irgendwann auf die Grenzen der Auswahl im Genre, weil es gibt ein paar grandiose Abenteuerromane neben denen so viele andere deutlich zurückbleiben.

Doch manchmal hat man Glück, man selbst findet einen Schatz, vielleicht an einem Ort, wo man gar nicht damit gerechnet hat. Genau auf die Art bin ich auf „Moonfleet“ gestoßen.

Was soll ich sagen? Was für ein Abenteuerroman!

Die Geschichte spielt in einem armen Fischerdorf in Südengland in der Mitte des 18. Jahrhunderts, das nebenher von Schmuggel und Wrack-Plünderungen lebt. John, unser zu Beginn 15-jähriger Protagonist, erzählt uns aus seinem Leben, ein mitreißendes Abenteuer, welches zehn Jahre währte. Dabei wird es freilich auch um eine Schatzsuche gehen, aber eben nicht nur: Eine besondere Männerfreundschaft, dichte Naturbeschreibungen und eine prägnante Sprache lassen dieses Buch Teil meiner Top 3 des Abenteuerromanes werden. „Moonfleet“ steht dabei neben „Die Schatzinsel“ und „Robinson Crusoe“, Braue an Braue. Wer Abenteuergeschichten liebt, der wird “Moonfleet“ verschlingen.

  • John Meade Falkner
    MOONFLEET
    Übersetzt von Michael Kleeberg
    Liebeskind Verlagsbhandlung
    Februar 2016, 350 Seiten
    EAN: 9783954380596

„Moonfleet“ ist keine Phantastik, „nur“ ein Abenteuerroman des britischen Autors John Meade Falkner aus dem Jahr 1898. Das Wörtchen NUR muss hier für mich in Anführungszeichen stehen.

Zum einen bin ich großer Fan des klassischen Abenteuerromans, der freilich deutlichen Einfluss auf unsere Pulpgeschichten Anfang des 20. Jahrhunderts und damit auch auf unsere heutige phantastische Literatur gehabt haben dürfte.

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One Dark Window – Die Schatten zwischen uns

von am 21. Juli 2025 noch kein Kommentar

  • Gillig, Rachel
    One Dark Window – Die Schatten zwischen uns
    LYX, 2024, 490 Seiten

"Ich bin der Wind in den Bäumen, bin Schatten und Schrecken. Das Echo in den Blättern – der Nachtmahr, dich zu wecken."

11 Jahre nachdem Elspeth Spindle mit Magie infiziert wurde, weiß Sie immernoch nicht was das bedeutet und wer das ist, dieser Nachtmahr, der ihren Geist bewohnt und ihr, wenn sie ihn darum bittet, unfassbare Stärke und Schnelligkeit verleiht.
Was Elspeth weiß ist, dass Magie nie frei ist. Alles hat seinen Preis, alles muss im Gleichgewicht sein. Magie wie Ihre, die Ihren Ursprung im Nebel des Waldes hat, wird nicht akzeptiert. Magie wird nur dann akzeptiert, wenn sie rein ist, wenn Sie durch "Vorsehungskarten" gewirkt wird. "Vorsehungskarten" die der Hirtenkönig einst im Handel mit der Herrin des Waldes, mit seinem eigenen Leben erschuf. "Vorsehungskarten" die das Land Blunder, sollte das Deck von 12 Karten vereint werden, von dem Nebel heilen könnte, der die magischen Infektionen bringt.

Was mich dazu bringt diese Reihe weiterzuempfehlen, ist das originelle und für mich neue Magiesystem, dass sich durch die Nutzung der "Vorsehungskarten" zeigt. Karten mit verschiedenen Fähigkeiten und verschiedenen Wertigkeiten. Es ist der Nachtmahr, der mich mit der mysteriösen, reimartigen Sprache, seiner zynischen, lustigen Art dazu gebracht hat, alle Geheimnisse der Vergangenheit lüften zu wollen. Es ist das Gleichgewicht, der sympathischen und unsympathischen Charaktere, der Mischung aus unerwarteten Wendungen und dener, bei denen ich nur wissend nicken konnte. Es sind die ausgeklügelten Parallelen, die Hinweise die gut gewählt und verborgen in mystischer Sprache liegen, die Liebe zum Detail. Es ist der Schreibstil, der all dem einen Rahmen gibt in den man immer wieder gerne eintaucht.

Die Shepherdking-Dilogie mit seinem 1. Band "One Dark Window", kann ich also jedem ans Herz legen der Fantasy mit spannendem Magie-System liebt. Der Magie in Wäldern liebt. Der liebt, wenn am Ende alles Sinn ergibt. Der es liebt Rätsel zu lüften. Der auch nichts gegen eine dezente Liebesgeschichte hat.

"Sei vorsichtig, sei klug, sei anständig."

  • Gillig, Rachel
    One Dark Window – Die Schatten zwischen uns
    LYX, 2024, 490 Seiten

"Ich bin der Wind in den Bäumen, bin Schatten und Schrecken. Das Echo in den Blättern – der Nachtmahr, dich zu wecken."

11 Jahre nachdem Elspeth Spindle mit Magie infiziert wurde, weiß Sie immernoch nicht was das bedeutet und wer das ist, dieser Nachtmahr, der ihren Geist bewohnt und ihr, wenn sie ihn darum bittet, unfassbare Stärke und Schnelligkeit verleiht.

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Mutter London

von am 7. Juli 2025 noch kein Kommentar

  • Michael Moorcock
    MUTTER LONDON. Roman.
    Ü: Hannes Riffel
    (MOTHER LONDON / 1988)
    Wittenberge, Carcosa, 2025, 726 S.
    ISBN 978-3-910914-34-6, 28,00 Euro
    Klappenbroschur

Im Carcosa Verlag ist Ende Juni mit einer kleinen Verzögerung von 37 Jahren endlich das monumentale Meisterwerk MUTTER LONDON von Michael Moorcock erschienen.

Der 1939 geborene Moorcock veröffentlicht bereits seit 1957 und als er 1988 seine Liebeserklärung an die Stadt London, ihre Bewohner und ihre Mythen herausbrachte, befand er sich ganz offensichtlich auf dem Höhepunkt seiner Schaffenskraft. Und obwohl damals eine ungeheure Zahl an Moorcock-Büchern auf Deutsch erschien, wagte sich keiner seiner deutschen Hausverlage an diesen Roman, der von vielen Kritikern als sein bestes Werk bezeichnet wird.

Erst jetzt also ist es möglich, den vielfach verschlungenen Wegen der drei Hauptfiguren Mary, Josef und David über die Jahre zwischen 1940 und 1985 durch ein London zu folgen, das große Ähnlichkeit mit jener für uns realen Stadt hat, aber an bestimmten Punkten ganz unauffällig in einer alternativen Welt angesiedelt ist.

Moorcock hat seine Protagonisten mit der Fähigkeit ausgestattet, die Gedanken ihrer Mitmenschen lesen zu können (um den allmächtigen Weltenschöpfer als Erzähler zu umgehen), und so erleben die drei nicht nur Eigenes (was, nicht nur aufgrund ihrer wunderbaren Dreier-Beziehung und ihrer außergewöhnlichen Erfahrungen, allein schon für einen umfangreichen Roman ausreichen würde), sondern lauschen auch einem fast ununterbrochenen »Bewusstseinsstrom«, der das mythologische Hintergrundrauschen der großen Stadt abbildet.

Diese vor allem emotional herausfordernde Großstadtgeschichte braucht den Vergleich mit dem ULYSSES von James Joyce nicht zu scheuen, fügt aber auf gekonnte und anregende Weise die literarischen und gesellschaftlichen Entwicklungen der seither vergangenen Jahrzehnte in die Erzählung ein.

Wer wissen will, woher Alan Moore die größte Anregung für sein JERUSALEM-Buch hat, wird nach der Lektüre von MUTTER LONDON keinerlei Zweifel mehr haben.

Horst Illmer

  • Michael Moorcock
    MUTTER LONDON. Roman.
    Ü: Hannes Riffel
    (MOTHER LONDON / 1988)
    Wittenberge, Carcosa, 2025, 726 S.
    ISBN 978-3-910914-34-6, 28,00 Euro
    Klappenbroschur

Im Carcosa Verlag ist Ende Juni mit einer kleinen Verzögerung von 37 Jahren endlich das monumentale Meisterwerk MUTTER LONDON von Michael Moorcock erschienen.

Der 1939 geborene Moorcock veröffentlicht bereits seit 1957 und als er 1988 seine Liebeserklärung an die Stadt London, ihre Bewohner und ihre Mythen herausbrachte,

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Tiefer Winter

von am 2. Juli 2025 noch kein Kommentar

  • Samuel W. Gailey
    Tiefer Winter
    Polar Verlag, Stuttgart 2025, 291 Seiten
    ISBN 978-3-910918-22-1

Kann ein Buch auch eine Klimaanlage sein? Durchaus. Wenn im Sommer ein Roman wie „Tiefer Winter“ von US-Autor Samuel W. Gailey („Die Schuld“) erscheint, in dem es am laufenden Band schneit, weht, eist und klirrt, dann vermag einen die Lektüre schon etwas runterzukühlen – oder man vergisst die Hitze wenigstens ein bisschen, weil man voll und ganz mit dem Lesen beschäftigt ist. Obwohl einem trotz des winterlichen Settings im abgelegenen Pennsylvania natürlich auch schnell warm werden kann, und sei es nur, da man die Seiten des Spannungsromans wie im Fieberwahn umblättert …

Der selbst in Pennsylvania geborene Samuel W. Gailey erzählt eine Krimigeschichte über die verschneite Kleinstadt Wyalusing. Seine nach vertrauten Formen modellierten Hauptfiguren: Danny, der geistig eingeschränkte, jedoch sanftmütige Riese, der von den meisten Leuten im Kaff gemieden oder verspottet wird. Die hübsche, gutherzige, im Ort hängen gebliebene Kellnerin Mindy mit dem furchtbaren Männergeschmack. Lester, der müde alte Sheriff kurz vor dem Ruhestand. Der gemeine, brutale Deputy-Mistkerl Sokowski, der massig Dreck am Stecken hat. Sein Mitläufer-Kumpel Carl, den das Gewissen plagt. Und Taggart, ein in die Jahre kommender State Trooper, dessen Leben vom Alkohol längst ruiniert worden ist. Als Mindy ermordet wird und man es Danny anhängt, beginnt die Jagd durch den verschneiten Wald …

Mit jedem Kapitel wird „Tiefer Winter“ intensiver, und schon lange vor dem erstklassig konstruierten Showdown ist man komplett am Haken der Story. Samuel W. Gailey nutzt die kraftvollen Archetypen des Country-Noir-Genres ausgesprochen effizient, da stören die Klischees kein bisschen, die gehören viel mehr dazu. Sein finsterer Kleinstadt-Krimi, der so gar keine amerikanische Hinterland-Idylle portraitieren oder vortäuschen will, beschert Fans von William Gay, Larry Brown, Cormac McCarthy, Erin Flanagan, Joe R. Lansdale, Stephen King oder z. B. auch „Fargo“ daher ein paar richtig coole Lesestunden.

Christian Endres

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  • Samuel W. Gailey
    Tiefer Winter
    Polar Verlag, Stuttgart 2025, 291 Seiten
    ISBN 978-3-910918-22-1

Kann ein Buch auch eine Klimaanlage sein? Durchaus. Wenn im Sommer ein Roman wie „Tiefer Winter“ von US-Autor Samuel W. Gailey („Die Schuld“) erscheint, in dem es am laufenden Band schneit, weht, eist und klirrt, dann vermag einen die Lektüre schon etwas runterzukühlen – oder man vergisst die Hitze wenigstens ein bisschen, weil man voll und ganz mit dem Lesen beschäftigt ist.

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Swedish Machines

von am 30. Juni 2025 noch kein Kommentar

  • Simon Stålenhag
    SWEDISH MACHINES. Ein illustrierter Roman.
    Ü: Stefan Pluschkat
    (Svenska Maskiner. Ensligt Belägna / 2025)
    Frankfurt, S.Fischer/TOR, 2025, 184 S.
    ISBN 978-3-596-71139-0 / 38,00 Euro
    Großformatiges Hardcover

Mit SWEDISH MACHINES legt der 1984 geborene Autor und Künstler Simon Stålenhag bereits seinen fünften „illustrierten Roman“ innerhalb von zehn Jahren (sein Erstling TALES FROM THE LOOP erschien 2014) vor. Es ist ein weiteres seiner literarischen „Wunderwerke“, in denen sich Wort und Bild auf eine einzigartige Weise verbinden und ergänzen.

Stålenhag gehört zu den wenigen echten Doppelbegabungen innerhalb des Genres, die sowohl erzählen wie illustrieren können, und was er mit diesen Fähigkeiten anstellt, beschert ihm eine verdiente „Alleinstellung“ innerhalb der zeitgenössischen Phantastik.

Natürlich ist es zuerst das Riesenformat das beim Betrachten auffällt, dann das Gewicht, dann die überformatigen fotorealistischen Bilder einer nordischen Welt, die ganz knapp neben der Realität zu existieren scheint – und dann die „Dinge“, die in dieser Welt vorhanden sind und die definitiv nicht aus „unserer“ Realität stammen. Und wenn dann die Geschichte dazu sich ganz ruhig und langsam und in ihrer ganzen Tiefe und Größe entwickelt, zeigt sich erst die wirkliche Meisterschaft Stålenhags.

Diesmal geht es also um ein Alternativwelt-Schweden, in dem 1980 der Test einer Kriegswaffe so dramatisch fehlgeschlagen ist, dass nur noch eine riesige Sperrzone eingerichtet werden konnte und man von Seiten der Industrie, des Militärs und der Politik alles versucht, die Sache totzuschweigen. Kurz vor der Jahrtausendwende machen sich die einheimischen Klassenkameraden Linus und Valter an die Erforschung der verbotenen Zone. Während der musikalische Linus danach wegzieht und in Stockholm ein neues Leben beginnt, bleibt das Computergenie Valter in der Nähe und erforscht die Zone heimlich weiter. Über viele Jahre besucht ihn Linus immer wieder, aber nach einem dramatischen Nervenzusammenbruch Valters trennen sich ihre Wege – bis Linus im Dezember 2025 ein von Valter vorhergesagtes Ereignis in der Zone beobachten will …

SWEDISH MACHINES ist ein vielschichtiges Meisterwerk: Es gibt die zerstörte Sicherheitszone, in der sich die Natur ihr Recht zurückerobert, es gibt die Menschen darum herum, die sich arrangiert haben und vor allem vergessen wollen, es gibt zwei Freunde, die sich hervorragend ergänzen und trotzdem verschiedene Wege beschreiten – und es gibt die gigantischen Überreste des missglückten Tests, die durchaus ein Eigenleben entwickelt haben. Erzähltechnisch handelt es sich um einen Entwicklungsroman (oder neudeutsch „coming of age“) mit einer Rahmenhandlung, und trotz dieser klassischen Herangehensweise überraschte mich vor allem die Zärtlichkeit, die Stålenhag hier zeigt.

Ein großes Buch voller großer Gefühle.

Horst Illmer

  • Simon Stålenhag
    SWEDISH MACHINES. Ein illustrierter Roman.
    Ü: Stefan Pluschkat
    (Svenska Maskiner. Ensligt Belägna / 2025)
    Frankfurt, S.Fischer/TOR, 2025, 184 S.
    ISBN 978-3-596-71139-0 / 38,00 Euro
    Großformatiges Hardcover

Mit SWEDISH MACHINES legt der 1984 geborene Autor und Künstler Simon Stålenhag bereits seinen fünften „illustrierten Roman“ innerhalb von zehn Jahren (sein Erstling TALES FROM THE LOOP erschien 2014) vor. Es ist ein weiteres seiner literarischen „Wunderwerke“, in denen sich Wort und Bild auf eine einzigartige Weise verbinden und ergänzen.

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Hase Hollywood und das Geheimnis des Drachenlandes

von am 23. Juni 2025 2 Kommentare

GerdHorst ist einfach unglaublich. Auch dieses Buch, aus der Kategorie (eigentlich) nicht besorgbare Titel. Oder zumindest nicht rentabel... ist wieder derart putzig, interessant UND spannend rezensiert, dass ich nicht umhin kann, die Rezi online zu stellen.

Auch wenn der "Händler" im Buchhändler in mir natürlich relativ traurig ist. Aber wir sagen es ja immer, wir tun, was wir tun, weil wir es gerne tun. Oder auch: Wir lieben den ganzen Scheiß. Und wenn Horst es eben wieder schafft, uns ein unprofitables Produkt schmackhaft zu machen, dann ist das eben so. Eben Teil des Ganzen, das uns und unseren Laden ausmacht. Also auch hier, danke lieber Horst.

  • Stefan & Simon Rasch (Text) & Anja Abicht (Bilder)
    HASE HOLLYWOOD UND DAS GEHEIMNIS DES DRACHENLANDES.
    Wien, Hasenfrosch Verlag, 2024, 208 Seiten
    ISBN 978-3-9505678-0-9 / 28,70 Euro
    Großformatiges Hardcover

    & als Hörspiel:
    HASE HOLLYWOOD UND DAS GEHEIMNIS DES DRACHENLANDES.
    Wien, Hasenfrosch Verlag
    ISBN 978-3-9505678-1-6 / 3 CDs / 18,00 Euro

Das außergewöhnlichste Buch seit langem lieferte mir eine österreichische Familie, deren Gemeinschaftsprojekt HASE HOLLYWOOD UND DAS GEHEIMNIS DES DRACHENLANDES 2024 im Wiener Hasenfrosch Verlag erschienen ist. Die ursprüngliche Idee zu der ungewöhnlichen Tier-Fantasy-Geschichte um den Hasen Hollywood, die Rockkatze Kate und ihre Freunde, den Orang-Utan Affe, die Maus Giovanni und Nilpferddame Mama Lu hatte der 2015 geborene Simon Rasch. Gemeinsam mit seinem Vater Stefan Rasch tüftelte er fast vier Jahre, bis nicht nur das Grundgerüst, das Personal und die Handlung vorhanden waren, sondern auch eine überaus spannende und lustige Erzählung vorlag. In dieser Zeit machte sich Simons Mama Anja Abicht mit Pinsel und Farben daran und malte 250 Bilder zur Illustration des Abenteuers. Herausgekommen ist ein großformatiger, farbenprächtiger Hardcoverband mit mehr als 200 Seiten, der vom Einband bis zur letzten Seite so begeisternd liebevoll aufgemacht ist, dass man das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen mag.

Es beginnt alles im kleinen Gasthaus „Zum fröhlichen Pups“ (und bereits die Geschichte, wie es zu diesem Namen kam, ist zum Schreien komisch!), das in einer Bucht am Ende der Welt liegt und das Hollywood von seinem Großvater, dem alten Seehasen Kapitän Möhrchen geerbt hat.

Als dort eines schönen Morgens der berüchtigte Pirat Captain Grühnzahn auftaucht, gerät das Leben von Hollywood, Kate, Mama Lu, Affe und Giovanni völlig durcheinander. Denn bei seiner überstürzten Flucht vor der anrückenden Küstenwache lässt Grühnzahn ein Drachenei unter dem Tisch zurück. Und nicht allzu lange darauf schlüpft daraus ein äußerst quirliges kleines Drachenbaby …

Das alles passiert noch auf den ersten Seiten, danach geht es an die nicht ganz ungefährliche Sache mit der »Kindererziehung«, die dazu führt, dass die nicht ganz ungefährliche Sache mit der Suche nach dem Drachenland in Angriff genommen wird, woraufhin auch noch die Sache mit dem Piratenschatz passiert. Im Verlauf all dieser prickelnden Abenteuer vergisst Hollywood völlig, dass er eigentlich ein „Angsthase“ ist.

Die Geschichte von HASE HOLLYWOOD UND DAS GEHEIMNIS DES DRACHENLANDES eignet sich hervorragend dazu, gemeinsam mit Kindern (vor-)gelesen und angeschaut zu werden, macht aber auch jung gebliebenen Erwachsenen jede Menge Spaß.

Und für Unterwegs gibt es das Ganze auch als aufwändig produziertes Hörspiel ebenfalls bei Hasenfrosch.

Horst Illmer

Horst ist einfach unglaublich. Auch dieses Buch, aus der Kategorie (eigentlich) nicht besorgbare Titel. Oder zumindest nicht rentabel... ist wieder derart putzig, interessant UND spannend rezensiert, dass ich nicht umhin kann, die Rezi online zu stellen.

Auch wenn der "Händler" im Buchhändler in mir natürlich relativ traurig ist. Aber wir sagen es ja immer, wir tun, was wir tun, weil wir es gerne tun. Oder auch: Wir lieben den ganzen Scheiß. Und wenn Horst es eben wieder schafft,

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Der Blick von den Sternen

von am 18. Juni 2025 noch kein Kommentar

  • Cixin Liu
    DER BLICK VON DEN STERNEN. Erzählungen und Essays.
    Ü: Karin Betz, Johannes Fiederling & Marc Hermann
    (A VIEW FROM THE STARS / 2024)
    München, Heyne, 2025, 336 Seiten
    ISBN 978-3-453-27508-9 / 20,00 Euro
    Hardcover

Nun müssen gute Science-Fiction-Autoren ja nicht unbedingt große Philosophen sein, aber schön ist es trotzdem, wenn ein verehrter Schreiberling in der Lage ist, nicht nur weiterhin tolle Geschichten zu Papier zu bringen, sondern auch seine Werke und das Genre, und ein bisschen vielleicht auch das Universum, so zu erklären, dass das geneigte Publikum einen Mehrwert hat.

Ein Autor, bei dem man dies getrost erwarten kann ist Cixin Liu, der inzwischen gar nicht mehr so überraschende Weltstar aus China.

Sein aktuelles Buch DER BLICK VON DEN STERNEN erschien bei Heyne gleich im Hardcover und versammelt auf 336 Seiten nicht nur neue Science-Fiction-Stories, sondern auch Essays und Interviews und andere Gelegenheitstexte. Lius Blick, sowohl auf das Universum als auf das eigene schriftstellerische Werk und das einiger seiner Kollegen, ist offen für Details und weit genug für das große Ganze. Er versucht objektiv und ehrlich seine Meinung darzulegen – auch wenn diese mit den westlichen Vorurteilen hin und wieder auf Kriegsfuß steht. Aber ein „Blick von den Sternen“ sollte ja auch etwas anderes sehen als das, was gewöhnliche Menschen sehen, wenn sie zum Horizont schauen. Insgesamt 19 Texte bieten 19 Möglichkeiten diesen „Blick“ zu teilen und so ist dieses Buch auch kein „weder noch“, sondern ein „sowohl als auch“-Angebot an Leser*innen, die mehr über Cixin Liu erfahren wollen.

Horst Illmer

  • Cixin Liu
    DER BLICK VON DEN STERNEN. Erzählungen und Essays.
    Ü: Karin Betz, Johannes Fiederling & Marc Hermann
    (A VIEW FROM THE STARS / 2024)
    München, Heyne, 2025, 336 Seiten
    ISBN 978-3-453-27508-9 / 20,00 Euro
    Hardcover

Nun müssen gute Science-Fiction-Autoren ja nicht unbedingt große Philosophen sein, aber schön ist es trotzdem, wenn ein verehrter Schreiberling in der Lage ist, nicht nur weiterhin tolle Geschichten zu Papier zu bringen,

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Lyneham

von am 16. Juni 2025 noch kein Kommentar

  • Nils Westerboer
    LYNEHAM. Roman.
    Stuttgart, Klett-Cotta (Hobbit Presse), 2025, 500 Seiten
    ISBN 978-3-608-98723-2 / 18,00 Euro
    Klappenbroschur

Innerhalb ganz kurzer Zeit ist es Nils Westerboer gelungen, in den Kreis der besten deutschsprachigen Science-Fiction-Autoren aufzusteigen. Nach dem erfolgreichen Debüt in der Hobbit Presse mit ATHOS 2643 (2022) erschien zuletzt der Roman LYNEHAM, der sich unter anderem mit den Problemen des Terraforming, des Langzeittiefschlafs während einer Weltraumreise, dem Erstkontakt mit Aliens, dem Konflikt zwischen Wissenschaft und Kapital und den Schwierigkeiten der Kindererziehung beschäftigt. Da sind die vorhandenen 500 Seiten fast zu wenig, aber Westerboer gelingt es souverän, all dies unter einen Hut zu bringen, seinen Protagonisten gerecht zu werden und seine Leser*innen bestens zu unterhalten.

Die Klimakatastrophe auf der Erde bringt immer mehr Menschen dazu, diese zu verlassen und sich auf den Weg zur einzigen bisher existierenden Kolonie auf einem unwirtlichen Mond zu begeben. Die Vorabkommandos und hinterher reisenden Spezialisten nehmen dort auf Perm die größten Schwierigkeiten in Kauf, um ihren Familien so etwas wie eine Heimat zu geben – aber die Naturgesetze sind halt nicht nur für Menschen gemacht, sondern gelten auch, wenn sie konträr zu unseren Bedürfnissen stehen. Dr. Mildred Meadows, die gar nicht so heimliche Heldin des Buches, erkennt das zuerst und akzeptiert es in einer Radikalität, wie es nur eine ihre Familie liebende Ehefrau und Mutter kann. Denn die einzige Überlebenschance ist: Anpassung!

Horst Illmer

  • Nils Westerboer
    LYNEHAM. Roman.
    Stuttgart, Klett-Cotta (Hobbit Presse), 2025, 500 Seiten
    ISBN 978-3-608-98723-2 / 18,00 Euro
    Klappenbroschur

Innerhalb ganz kurzer Zeit ist es Nils Westerboer gelungen, in den Kreis der besten deutschsprachigen Science-Fiction-Autoren aufzusteigen. Nach dem erfolgreichen Debüt in der Hobbit Presse mit ATHOS 2643 (2022) erschien zuletzt der Roman LYNEHAM, der sich unter anderem mit den Problemen des Terraforming, des Langzeittiefschlafs während einer Weltraumreise, dem Erstkontakt mit Aliens, dem Konflikt zwischen Wissenschaft und Kapital und den Schwierigkeiten der Kindererziehung beschäftigt.

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Arborealität

von am 4. Juni 2025 noch kein Kommentar

  • Rebecca Campbell
    ARBOREALITÄT. Erzählungen.
    Ü: Barbara Slawig
    (ARBOREALITY / 2022)
    Wittenberge Carcosa, 2025, 197 S.
    ISBN 978-3-910914-30-8 / 18,00 Euro
    Kleinformatiges Hardcover

Ganz neu bei uns im deutschsprachigen Raum ist Rebecca Campbell, eine kanadische Autorin, die für ihren aus sechs Geschichten zusammengefügten Mosaik-Roman ARBOREALITÄT 2023 mit dem Ursula K. Le Guin Prize for Fiction ausgezeichnet wurde, nachdem sie für die zentrale Erzählung „Ein bedeutender Fehlschlag“ im Jahr 2021 bereits den Theodore Sturgeon Memorial Award einheimsen konnte.

Die Geschichten spielen in einem leicht in die Zukunft verschobenen Kanada, in dem die Dinge manchmal einen surrealen Charakter angenommen haben, was zu irritierenden Geschehnissen führt, deren Logik sich oftmals erst ganz am Ende erschließt. So zum Beispiel, wenn eine Mannschaft ausrückt, um geschützte Bäume zu fällen, mit der ausschließlichen Absicht, daraus Holz für eine Meistergeige zu gewinnen, oder wenn ein Professor seine Bestimmung darin findet, alten Büchern Schutz und Sicherheit zu bieten.

Trotz der angedeuteten Umweltprobleme und den sonstigen Problemen der Protagonisten, ist ARBOREALITÄT aber kein trauriges, sondern ein Mut machendes Buch. Campbell sieht in vielen Herangehensweisen der Menschen an das vor ihnen Liegende Zeichen der Hoffnung und setzt darauf, dass Beharrlichkeit zu positiven Lösungen führt. Es ist der Versuch einer Beschreibung, wie wir auch unter erschwerten Bedingungen in Zukunft selbstbestimmt und in Würde leben können.

Große Erwartungen also an ein kleines Buch – welche dieses aber spielend erfüllt, vor allem auch, da die Übersetzung durch die Autorin und (bei diesen Texten nicht ganz unwichtig!) Biologin Barbara Slawig den manchmal etwas sperrigen, immer aber exakt auf den Punkt kommenden Stil Campbells in ein klangvolles und stimmiges Deutsch bringt.

Mit jedem bisher erschienen Büchlein dieser kleinen Hardcover-Reihe im Carcosa Verlag wächst die Zahl der unverzichtbaren und „niemals-wieder-hergeben“-Buch-Kleinodien in meiner Bibliothek ein wenig. Aber dagegen, dass eine Sammlung verfeinert wird, kann ja niemand etwas einwenden.

Horst Illmer

  • Rebecca Campbell
    ARBOREALITÄT. Erzählungen.
    Ü: Barbara Slawig
    (ARBOREALITY / 2022)
    Wittenberge Carcosa, 2025, 197 S.
    ISBN 978-3-910914-30-8 / 18,00 Euro
    Kleinformatiges Hardcover

Ganz neu bei uns im deutschsprachigen Raum ist Rebecca Campbell, eine kanadische Autorin, die für ihren aus sechs Geschichten zusammengefügten Mosaik-Roman ARBOREALITÄT 2023 mit dem Ursula K. Le Guin Prize for Fiction ausgezeichnet wurde, nachdem sie für die zentrale Erzählung „Ein bedeutender Fehlschlag“ im Jahr 2021 bereits den Theodore Sturgeon Memorial Award einheimsen konnte.

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Ich lebe und ihr seid tot

von am 2. Juni 2025 noch kein Kommentar

  • Emmanuel Carrère
    ICH LEBE UND IHR SEID TOT.
    Die Parallelwelten des Philip K. Dick.
    Ü: Claudia Hamm
    (Je suis vivant et vous êtes morts / 1993)
    Berlin, Matthes & Seitz, 2025, 365 Seiten
    ISBN 978-3-95757-881-5 / 28,00 Euro
    Hardcover

Endlich gibt es mal wieder Neues über einen meiner „literarischen Hausgötter“ zu vermelden: Unter dem Titel ICH LEBE UND IHR SEID TOT erschien bei Matthes & Seitz Berlin ein biografischer Roman des großartigen französischen Autors Emmanuel Carrère, der sich darin den „Parallelwelten des Philip K. Dick“ widmet.

Darin beschreibt Carrère Dicks Leben als wäre er die ganze Zeit von 1928 bis 1982 dabei gewesen, zitiert recht frei aus veröffentlichten Werken, Briefen und Nachlasstexten, und gibt herrlich tiefsinnige Einblicke in die Vorstellungswelt des Amerikaners, der es als einer der ganz wenigen Genre-Autoren schaffte, auch die Aufmerksamkeit des Feuilletons und der Literaturkritik zu erregen.

Im französischen Original bereits 1993 erschienen, hat es das wunderbar flüssig zu lesende Werk in der Übersetzung von Claudia Hamm endlich doch noch zu uns geschafft – und siehe da, es scheint noch aktueller und wichtiger zu sein als vor 32 Jahren.

Horst Illmer

  • Emmanuel Carrère
    ICH LEBE UND IHR SEID TOT.
    Die Parallelwelten des Philip K. Dick.
    Ü: Claudia Hamm
    (Je suis vivant et vous êtes morts / 1993)
    Berlin, Matthes & Seitz, 2025, 365 Seiten
    ISBN 978-3-95757-881-5 / 28,00 Euro
    Hardcover

Endlich gibt es mal wieder Neues über einen meiner „literarischen Hausgötter“ zu vermelden: Unter dem Titel ICH LEBE UND IHR SEID TOT erschien bei Matthes & Seitz Berlin ein biografischer Roman des großartigen französischen Autors Emmanuel Carrère,

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Sing mir vom Tod

von am 28. Mai 2025 noch kein Kommentar

  • Ivy Pochoda
    Sing mir vom Tod
    Suhrkamp, Berlin, 328 Seiten
    ISBN 978-3-518-47462-4

Früher war die 1977 geborene Ivy Pochoda eine professionelle Squash-Spielerin, inzwischen agiert die Amerikanerin als eine der besten Krimi-Autorinnen ihrer Generation. Ihr Roman „Visitation Street“ ist ein ewiges Lieblingsbuch und eine dauerhafte Empfehlung. Bei Suhrkamp, wo Thomas Wörtche wiederum seit Jahren eines der besten Krimi-Programme kuratiert, liegt nun Pochodas jüngster Roman „Sing Her Down“ als „Sing mir vom Tod“ auf Deutsch vor. Darin erzählt sie schonungslos von Florence und Dios, deren Wege sich in einem Frauengefängnis in Arizona kreuzen – und deren Schicksale miteinander verknüpft bleiben, als sie wegen Corona vorzeitig entlassen werden und sich nach Kalifornien absetzen. Wo die Polizistin Lobos, trotz ihres Jobs selbst ein Opfer häuslicher Gewalt, der Spur aus Chaos und Blut folgt, die Dios und Florence hinterlassen …

Sobald Ivy Pochoda und ihre auf vielerlei Weise eingesperrten Charaktere erst einmal ihren Rhythmus und Plot gefunden haben, ist „Sing mir vom Tod“ ein weiterer starker Noir der US-Autorin, in dem es vor allem um Gewalt gegen Frauen, aber auch durch Frauen geht – und um Wut. Pochoda untersucht das Bild der Frau in der Gesellschaft sowie der Kriminalliteratur. Außerdem gelingt ihr nach „Wonder Valley“ der nächste große und andersartige, moderne L. A.-Roman. Angesiedelt inmitten der Obdachlosigkeits-Welle und der Corona-Pandemie, beschwört Pochoda präapokalyptische bis apokalyptische Bilder herauf. Mit einem Blick auf die verheerenden Brände, die Anfang 2025 in Los Angeles gewütet haben, zeigt das allerdings auch, dass die Literatur fast schon nicht mehr hinterherkommt damit, die Katastrophen unserer Zeit zu verarbeiten und abzubilden.

Christian Endres

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  • Ivy Pochoda
    Sing mir vom Tod
    Suhrkamp, Berlin, 328 Seiten
    ISBN 978-3-518-47462-4

Früher war die 1977 geborene Ivy Pochoda eine professionelle Squash-Spielerin, inzwischen agiert die Amerikanerin als eine der besten Krimi-Autorinnen ihrer Generation. Ihr Roman „Visitation Street“ ist ein ewiges Lieblingsbuch und eine dauerhafte Empfehlung. Bei Suhrkamp, wo Thomas Wörtche wiederum seit Jahren eines der besten Krimi-Programme kuratiert, liegt nun Pochodas jüngster Roman „Sing Her Down“ als „Sing mir vom Tod“ auf Deutsch vor.

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Die Traumsuche der Vellitt Boe

von am 26. Mai 2025 noch kein Kommentar

  • Kij Johnson
    DIE TRAUMSUCHE DER VELLITT BOE.
    Ü: Hannes Riffel
    Originalausgabe
    Wendorf, Wandler, 2025, 238 Seiten
    ISBN 978-3-948825-24-9 / 23,00 Euro
    Klappenbroschur

Obwohl sie seit fast vierzig Jahren Genreliteratur schreibt, ist die US-Amerikanerin Kij Johnson hierzulande relativ unbekannt geblieben. Das liegt wohl vor allem daran, dass sie überwiegend Stories und Novellen schreibt und ihre wenigen Romane in den Bereich der Tierfantasy gehören oder noch gar nicht übersetzt wurden. Nachdem 2014 bei Golkonda eine inzwischen leider vergriffene erste Sammlung ihrer meisterhaften und vielfach mit Preisen ausgezeichneten Kurzgeschichten erschienen war, wagt sich nun der Wandler Verlag daran, diese Ausnahmeautorin erneut mit einem Sammelband ins Rennen um die Leser*innenaufmerksamkeit zu schicken.

DIE TRAUMSUCHE DER VELLITT BOE ist eine Originalzusammenstellung von sechs Erzählungen, von denen die Titelstory mit 120 Seiten gut die Hälfte des wunderschön ausgestatteten Buches einnimmt. Übersetzt wurden die Geschichten von Hannes Riffel, wobei man dem Impressum entnehmen kann, dass für die an H. P. Lovecrafts TRAUMSUCHE NACH DEM UNBEKANNTEN KADATH angelehnte Geschichte „Die Traumsuche der Vellitt Boe“ der Lovecraft-Spezialist Alexander Pechmann als Berater hinzugezogen wurde – so viel Aufwand betreiben in Deutschland nur ganz wenige Verlage, das Ergebnis kann sich aber auch wirklich sehen lassen. Der Sog von Johnsons Prosa ist unmittelbar, die Anziehungskraft aller Geschichten reicht vom ersten bis zum letzten Satz und dass die meisten der Geschichten nicht nur für einen oder mehrere Preise nominiert waren, sondern diese auch zumeist gewonnen haben, erschließt sich nach Ende der Lektüre sofort. Ob Science Fiction, Horror, Phantastik, Fantasy: Johnson zeigt sich als Kennerin aller Genres und als meisterhafte Geschichten-Weberin.

Falls jemals ein Alien-Sultan das Überleben der Menschheit an das allnächtliche Erzählen von 1001 Geschichten knüpfen würde, sollten wir Kij Johnson dafür auswählen.

Horst Illmer

  • Kij Johnson
    DIE TRAUMSUCHE DER VELLITT BOE.
    Ü: Hannes Riffel
    Originalausgabe
    Wendorf, Wandler, 2025, 238 Seiten
    ISBN 978-3-948825-24-9 / 23,00 Euro
    Klappenbroschur

Obwohl sie seit fast vierzig Jahren Genreliteratur schreibt, ist die US-Amerikanerin Kij Johnson hierzulande relativ unbekannt geblieben. Das liegt wohl vor allem daran, dass sie überwiegend Stories und Novellen schreibt und ihre wenigen Romane in den Bereich der Tierfantasy gehören oder noch gar nicht übersetzt wurden.

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Astrosapiens

von am 12. Mai 2025 2 Kommentare

  • Michael Marrak
    ASTROSAPIENS.
    Die besten Erzählungen. Band 3.
    Berlin, Memoranda, 2025, 346 S.
    ISBN 978-3-911391-06-1 / 24,00 Euro
    Klappenbroschur

Wie schreibt Michael Marrak in seinen „Nachbemerkungen“ zu ASTROSAPIENS auf Seite 342 so schön:

„EXO-PROGRESSIONEN [ist] meine erste STELLARIS-Erzählung, und trotz ihrer Kürze eine Story mit längerer Geschichte. Ihre Geburtsstunde »feierte« sie im Jahr 1999 unter dem Titel »Pimperlinge« und war damals mein Beitrag für den Storywettbewerb des EuroCon 99 zum Thema »Money Makes the Space Go Round«, bei dem ich meines Wissens Platz 4 belegt habe. In der Jury saß damals u. a. auch Andreas Eschbach, der von meinem Machwerk alles andere als begeistert war (Marrak: Zero Points). Ihre zweite, erweiterte Inkarnation erfuhr die Geschichte knapp ein Jahr später unter demselben Titel in der Ausgabe 37 des SF-Magazins ALIEN CONTACT. Herausgeber Hardy Kettlitz war damals ob des Titels ein wenig irritiert, weil er »Pimperlinge« nicht als Synonym für Kleingeld bzw. Geldmünzen kannte, sondern das Wort von »pimpern« ableitete, einem umgangssprachlichen Begriff für »koitieren«.“

Wer sich solche Mühe allein mit den Fußnoten zu seinen Stories, Erzählungen, Geschichten, Novellen und Romanen macht, der liebt nicht nur sein Werk, sondern auch sein Publikum. Und dass Marrak nicht nur auf der Langstrecke des epischen Romans ein herausragender Autor ist, sondern auch in seinen kürzeren Werken, hat er seit seiner ersten Veröffentlichung in den 1990er Jahren oftmals bewiesen. Wie schwierig es für „Zuspätgekommene“ ist, an diese frühen Texte zu kommen, weiß, wer es schon einmal versucht hat; da ist es nur zu begrüßen, dass es einen Verlag gibt, der sich um die Herausgabe dieser verstreuten Erzählungen kümmert.

Memoranda bringt in diesem Frühjahr bereits die dritte „Best of“-Sammlung der Erzählungen von „Altmeister“ Michael Marrak unter dem Titel ASTROSAPIENS. Auf gut 350 Seiten sind hier acht Geschichten aus den letzten 25 Jahren vereint, zwei davon sogar Erstveröffentlichungen, die anderen, wie vom Perfektionisten Marrak gewohnt, in teilweise erheblichen Überarbeitungen, sodass sich Kauf und Lektüre in jedem Fall lohnen. Die Gestaltung des Buches übernahm der Künstler selbst, verwendete dabei jedoch Bilder von Michael Hutter. Lustiges Detail am Rande: Einer der Werbe-Sprüche auf dem Umschlag stammt von Andreas Eschbach (s. o.).

Horst Illmer

  • Michael Marrak
    ASTROSAPIENS.
    Die besten Erzählungen. Band 3.
    Berlin, Memoranda, 2025, 346 S.
    ISBN 978-3-911391-06-1 / 24,00 Euro
    Klappenbroschur

Wie schreibt Michael Marrak in seinen „Nachbemerkungen“ zu ASTROSAPIENS auf Seite 342 so schön:

„EXO-PROGRESSIONEN [ist] meine erste STELLARIS-Erzählung, und trotz ihrer Kürze eine Story mit längerer Geschichte. Ihre Geburtsstunde »feierte« sie im Jahr 1999 unter dem Titel »Pimperlinge« und war damals mein Beitrag für den Storywettbewerb des EuroCon 99 zum Thema »Money Makes the Space Go Round«,

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SELTSAMER JOHN – Eine Geschichte zwischen Spaß und Ernst

von am 5. Mai 2025 noch kein Kommentar

GerdAuch dieser Titel aus dem DvR Verlag fällt in die Kategorie: Ein interessante Exoten ohne kaufmännischen Wert für den Handel. Aber auch dieser Titel ist es wert, dass Horsts Rezi veröffentlicht wird. Immerhin gehört Olaf Stapledon zu den großen des Genres und hat 1930 mit dem epochalen Werk "Die ersten und die letzten Menschen" einen bleibenden Maßstab gesetzt. Deshalb auch hier, bei Interesse einfach direkt beim Verlag nachfragen. Bei uns bitte nur im Ausnahmefall und als Klassensatz bestellen.

 

  • Olaf Stapledon
    SELTSAMER JOHN. Eine Geschichte zwischen Spaß und Ernst.
    Ü: Dieter von Reeken
    (ODD JOHN / 1935)
    Lüneburg, DvR, 2025, 214 Seiten
    ISBN 978-3-911230-13-1 / 17,50 Euro
    Kartoniert

Die bis heute beliebte Vorstellung, dass sich die Menschheit, oder zumindest einzelne Individuen, „weiterentwickeln“ können und würden, stammt aus der Zeit vom Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts, als Themen wie „Evolution“ und „Mutation“ plötzlich in Mode kamen. Aus diesen populären Ideen entstanden dann unter anderem die Superhelden der Comichefte und der Pulp-Magazine, aber auch Werke von einigermaßen gehobenem literarischem Rang.

Auch der englische Philosoph und Schriftsteller Olaf Stapledon (1886–1950) nahm sich (und das gleich mehrfach) des Themas an. In Meisterwerken wie DIE LETZTEN UND DIE ERSTEN MENSCHEN (1930) und STERNENSCHÖPFER (1937) erkundete er die Herkunft und Weiterentwicklung der Menschheit bis in fast unvorstellbar ferne Zeiten.

Allerdings stammen von ihm auch zwei kleinere (und liebenswertere) Werke, die sich auf das Schicksal einzelner Geschöpfe konzentrieren und in Stapledons Gegenwart spielten: SIRIUS (1944) und ODD JOHN (1935), ein Roman, der bisher unter dem deutschen Titel DIE INSEL DER MUTANTEN bekannt war, im Verlag und in der erstmals ungekürzten Übersetzung von Dieter von Reeken nun aber weit sinngetreuer SELTSAMER JOHN heißt.

Die um ein volles Drittel erweiterte Neuausgabe von SELTSAMER JOHN, die auch den originalen Untertitel „Eine Geschichte zwischen Spaß und Ernst“ nicht verschweigt, erzählt vom Leben und Sterben eines ebenso eigen- wie einzigartigen jungen Mannes namens John Wainwright, der in den wenigen Jahren, die ihm gegönnt sind, versucht, seine außergewöhnlichen geistigen Fähigkeiten zu entwickeln und, gemeinsam mit den wenigen anderen „Supermenschen“, die er finden kann, eine utopische Gemeinschaft auf einer Südseeinsel aufzubauen.

Geschrieben ist das Buch in Form einer Biografie, die einer der wenigen „normalen“ Menschen, die John als Freund verbunden waren, nach dessen Ende verfasst. Obwohl Stapledon wie gewohnt sehr viel an den philosophischen Fragen lag, die seine Geschichte aufwarf, gelang es ihm in SELTSAMER JOHN jedoch auch, spannend und fesselnd zu erzählen und die Tragik dieses Scheiterns mit emotionaler Wucht an seine Leserschaft zu vermitteln.

Auch nach neunzig Jahren immer noch lesenswert.

Horst Illmer

Auch dieser Titel aus dem DvR Verlag fällt in die Kategorie: Ein interessante Exoten ohne kaufmännischen Wert für den Handel. Aber auch dieser Titel ist es wert, dass Horsts Rezi veröffentlicht wird. Immerhin gehört Olaf Stapledon zu den großen des Genres und hat 1930 mit dem epochalen Werk "Die ersten und die letzten Menschen" einen bleibenden Maßstab gesetzt. Deshalb auch hier, bei Interesse einfach direkt beim Verlag nachfragen. Bei uns bitte nur im Ausnahmefall und als Klassensatz bestellen.

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Die Rakete – Zeitschrift des Vereins für Raumschiffahrt

von am 21. April 2025 noch kein Kommentar

GerdHorst schreibt sehr viele Beiträge auf unserer Seite. Außerdem ist er Autor und Rezensent für das wichtigste deutsche Phantastik-Magazin "Phantastisch!". Tja und Horst neigt dazu, durch seine umfassenden Informationsquellen immer wieder auch Objekte aufzutun, die kaufmännisch komplett irrelevant für unseren Laden sind, aber thematisch trotzdem so spannend und interessant, dass wir sie euch nicht vorenthalten wollen.

So verhält sich das auch bei diesem Büchlein. Irrsinnig spannend, irgendwie auch witzig und putzig. Aber bitte fragt nicht, ob wir euch ein Exemplar dieser Publikation besorgen können. Auch mit ISBN ist diese Publikation leider komplett unrentabel für uns. Trotzdem hat der Titel sich in unser Herz geschlichen. Fragt bei Interesse einfach direkt beim Verlag nach.

  • Johannes Winkler (Hrsg.)
    DIE RAKETE. Zeitschrift des Vereins für Raumschiffahrt.
    Reprografischer Nachdruck der Jahrgänge 1–3 (1927–1929).
    Lüneburg, DvR, 2024, 600 S.
    ISBN 978-3-911230-11-7 / 42,50 Euro
    Hardcover

Das seit einiger Zeit neu entfachte Interesse am Flug in den Weltraum, an der Umkreisung und Landung von und auf Monden und Planeten und wie sich das auf Körper und Geist der beteiligten Menschen auswirkt, rückt auch die Ursprünge der Raumfahrttechnik wieder in den Blickpunkt. Eine der weltweit ersten Publikationen, die sich ernsthaft mit den Grundlagen des Raketenflugs beschäftigte, war Die Rakete – die „Zeitschrift des Vereins für Raumschiffahrt“ – die von 1927 bis 1929 erschien. In den 8 bis 16 Seiten umfassenden Heften publizierte der Herausgeber Johannes Winkler (1897–1947) Fachartikel, Essays, Geschichten, Buchbesprechungen, Porträts und Biografien von und über technikbegeisterte Männer (ja, Frauen kamen praktisch nicht vor zu Beginn der Raumfahrt), die über nichts lieber schrieben als über ihre Vorstellungen wie man in den Weltraum gelangen könnte.

Da finden sich seitenweise Berechnungen zum Treibstoffverbrauch von Flüssiggasraketen, Diagramme zum Geschwindigkeitsverlauf eines Raumschifffluges, Vermutungen über die Lebensmöglichkeiten auf anderen Welten, Erfolgsmeldungen über die praktischen Versuche mit Raketen-Autos, erreichte Höhen-Rekorde oder gelungene Zündungen von neu entwickelten Triebwerken. Zu den Verfassern gehörten, neben Winkler, auch viele heute noch bekannte Namen wie Otto Willi Gail, Hermann Oberth und Max Valier.

Von Valier stammt auch mit „Die Fahrt ins All“ die einzige längere Science-Fiction-Geschichte, die in sechs Fortsetzungen im 1. Jahrgang erschien. Nicht unerwähnt bleiben sollte, dass in der Rakete eine gewisse Thea von Harbou mitarbeitete, die sich zu ihrem Filmprojekt DIE FRAU IM MOND äußern durfte.

Diesen äußerst raren Schatz aus den „Goldenen 20ern“ gehoben und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht zu haben, darf sich der verdienstvolle Verlag von Dieter von Reeken rühmen. Dort erschien im Oktober 2024 der reprografische Nachdruck der Jahrgänge 1 bis 3 unter dem Titel DIE RAKETE – ZEITSCHRIFT DES VEREINS FÜR RAUMSCHIFFAHRT. Das massive Hardcover enthält auf 600 Seiten neben dem Zeitschriften-Nachdruck (inklusive aller Sonderhefte und Beilagen) auch ein Vorwort des Verlegers, ein biografisches Nachwort von Wolfgang Both, ein Foto-Porträt Johannes Winklers und ein Register der Beiträger und Beiträge.

Wer wissen will, auf welchen Fundamenten 1969 die SATURN V zu ihren Mondflügen startete oder heute die „Falcon“ von SpaceX zu ihren Nutzlastflügen abhebt, findet hier die Antwort. Die Vereinsmeier aus Deutschland waren mit im (Raum-)Boot!

Horst Illmer

Horst schreibt sehr viele Beiträge auf unserer Seite. Außerdem ist er Autor und Rezensent für das wichtigste deutsche Phantastik-Magazin "Phantastisch!". Tja und Horst neigt dazu, durch seine umfassenden Informationsquellen immer wieder auch Objekte aufzutun, die kaufmännisch komplett irrelevant für unseren Laden sind, aber thematisch trotzdem so spannend und interessant, dass wir sie euch nicht vorenthalten wollen.

So verhält sich das auch bei diesem Büchlein. Irrsinnig spannend, irgendwie auch witzig und putzig. Aber bitte fragt nicht,

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Keine Zeit verlieren

von am 7. April 2025 noch kein Kommentar

  • Ursula K. Le Guin
    KEINE ZEIT VERLIEREN. Über Alter, Kunst, Kultur und Katzen.
    Übersetzt von Anne-Marie Wachs, Vorwort von Karen Nölle, Einführung von Karen Joy Fowler, Vorbemerkung der Autorin.
    (No Time to Spare / 2017)
    München Berlin, Golkonda, 2025, 256 S.
    ISBN 978-3-96509-078-1 / 24,00 Euro
    Hardcover

Ein Buch von Ursula K. Le Guin zu lesen, ist ja immer eine gute Idee. Da passt es gut, dass der Golkonda Verlag beschlossen hat, die seit längerem vergriffene Ausgabe von KEINE ZEIT VERLIEREN wieder aufzulegen – und diesmal sogar als Hardcover!

Le Guins Betrachtungen über „Alter, Kunst Kultur und Katzen“ erschienen zuerst als Blogs auf ihrer Homepage und zeigten sie von einer fröhlich-unbeschwerten Seite. Während das Verfassen von Essays für sie immer eine beschwerliche Arbeit war, flossen ihr die kleinen Alltagsgeschichten, die sie hier erzählt, offensichtlich flott aus der Tastatur.

Wer es bisher verpasst hat, kann jetzt in KEINE ZEIT VERLIEREN den immer lebensweisen und oftmals philosophischen Gedanken der damals schon über achtzigjährigen Autorin folgen – oder sich einfach an den Abenteuern ihrer Katze Pard erfreuen.

Der von Anne-Marie Wachs übersetzte Band, der Le Guin sogar noch posthum ihren siebten HUGO beschert hat, enthält auf 250 Seiten eine breitgefächerte Auswahl ihrer wichtigsten, lustigsten, klügsten, anrührendsten Posts, eingeleitet von einem Vorwort von Karen Nölle und mit einer Einführung ihrer Freundin Karen Joy Fowler.

Ein Wohlfühlbuch, das dem Stressabbau äußerst förderlich ist!

Horst Illmer

  • Ursula K. Le Guin
    KEINE ZEIT VERLIEREN. Über Alter, Kunst, Kultur und Katzen.
    Übersetzt von Anne-Marie Wachs, Vorwort von Karen Nölle, Einführung von Karen Joy Fowler, Vorbemerkung der Autorin.
    (No Time to Spare / 2017)
    München Berlin, Golkonda, 2025, 256 S.
    ISBN 978-3-96509-078-1 / 24,00 Euro
    Hardcover

Ein Buch von Ursula K. Le Guin zu lesen, ist ja immer eine gute Idee. Da passt es gut, dass der Golkonda Verlag beschlossen hat,

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Mal goes to War

von am 31. März 2025 Kommentare deaktiviert für Mal goes to War

  • Edward Ashton
    MAL GOES TO WAR. Ein KI-Thriller.
    Ü: Felix Mayer
    (MAL GOES TO WAR / 2024)
    München, Heyne, 2025, 398 Seiten
    ISBN 978-3-453-32346-9 / 17,00 Euro
    Kartoniert

Von allen Autoren, die ich im letzten Jahr neu kennen lernen durfte, war Edward Ashton einer der eindrucksvollsten. Nicht nur, dass der Mann im „echten“ Leben in der Krebsforschung unterwegs ist, nein, er ist auch, trotz seines als Blockbuster verfilmten Romans MICKEY 7, ein überaus liebenswürdiger und bescheidener Mensch. Dass so einer dann auch noch einen tollen Science-Fiction-Roman nach dem anderen raushaut, ist natürlich die Kirsche auf der Sahnetorte.

Aktuell ist bei Heyne sein drittes Werk erschienen: MAL GOES TO WAR, das auf dem Cover als „Ein KI-Thriller“ untertitelt ist, tatsächlich aber ein klassisches Science-Fiction-Thema behandelt, nämlich die Zusammenarbeit von Mensch und Maschine. Da sich zwischenzeitlich beide Akteure einander immer mehr angleichen, könnte es eigentlich ganz friedlich zugehen in Ashtons Zukunftsszenario, leider jedoch herrscht Bürger­krieg in den USA (keine Ahnung, woher Ashton dazu die Idee

hernimmt), und so begleiten wir eine KI und einen Menschen bei ihrem Versuch, diesen sogenannten „Dummen Krieg“ nicht nur zu überleben, sondern soweit möglich zu beenden.

Die Übersetzung von Felix Mayer bringt die unterschiedlichen Kommunikationswegen geschuldeten Stilvarianten der Protagonisten sehr gut ins Deutsche – leider gönnte ihm der Verlag kein „Mal zieht in den Krieg“. Von dieser Kleinig­keit einmal abgesehen ist MAL GOES TO WAR ein spannender, unterhaltsamer und nachdenk­lich stimmender Roman, dessen Lektüre für mich ein früher Höhepunkt im Lese-Jahr 2025 war.

Horst Illmer

  • Edward Ashton
    MAL GOES TO WAR. Ein KI-Thriller.
    Ü: Felix Mayer
    (MAL GOES TO WAR / 2024)
    München, Heyne, 2025, 398 Seiten
    ISBN 978-3-453-32346-9 / 17,00 Euro
    Kartoniert

Von allen Autoren, die ich im letzten Jahr neu kennen lernen durfte, war Edward Ashton einer der eindrucksvollsten. Nicht nur, dass der Mann im „echten“ Leben in der Krebsforschung unterwegs ist, nein, er ist auch, trotz seines als Blockbuster verfilmten Romans MICKEY 7,

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Carmilla – Die Erste

von am 26. März 2025 1 Kommentar

  • Carmilla – der weibliche Vampir (Klett-Cotta)
    Autor: Sheridan Le Fanu
    144 Seiten, deutsch
    gebunden (20,00 €)

Zuerst veröffentlicht im Jahre 1872, ganze 25 Jahre vor Bram Stokers Dracula, ist Carmilla eine der ersten Vampirerzählungen überhaupt (älter dürften nur „Varney – the Vampire“ [1845] und Polidoris „The Vampyre“ [1816] sein) und hat daher maßgeblich die heutzutage, vertraute Erscheinung eines eleganten viktorianischen Vampirs geprägt.

Die Atmosphäre, die Le Fanu beim Schreiben erschafft lässt sich mit der Stimmung vergleichen, die Bram Stokers Dracula beim Lesen erzeugt… und das obwohl Carmilla einiges älter ist. Interessant, interessant… ich wäre fast bereit einen Besen zu fressen, dass Stoker das Buch gelesen hat, bevor er sich selbst ans Werk machte. Der Autor schafft es auf wenigen Seiten eine, wie Burn es nennen würde, unfassbar dicht geschriebene Geschichte zu erzählen, die voller Substanz und nahezu greifbar ist. Viele moderne Autoren können sich davon, meiner Meinung nach, eine Scheibe abschneiden. Carmilla liest sich auch in moderneren Zeiten überraschend gut und ich bin immer noch begeistert, dass der Schreibstil nicht überkommen und veraltet wirkt, sondern sich flüssiger lesen lässt als z.B. diverse mittelerdliche Puplikationen (nicht falsch verstehen! Ich liebe Tolkien!). Außerdem finde ich es durchaus beachtenswert, dass Sheridan Le Fanu auf gerade mal 144 Seiten ein ganzes Genre erschafft, welches seine Faszination nicht eingebüßt hat und immer noch in aller Munde ist. Zuletzt in Universals Neuverfilmung von "Nosferatu – Der Untote".

Interessant ist außerdem die Herangehensweise an den Vampirismus an sich, denn vor den beliebten transilvanischen Grafen (Plural…es sind einige xD) wurde man offenbar auf andere Weise zu einem blutsaugenden Untoten… Über die, in der Steiermark angesiedelte, Handlung will ich gar nicht zu viel verraten, da uns der spoiler-behaftete Titel ja bereits verrät, dass besagte Carmilla ein Vampir ist. Holt euch einfach das Buch und lasst euch (falls ihr es noch nicht kennt) überraschen!

Empfehlenswert für alle Fans von düsterer Romantik, ästhetischer Erotik, Vampirthematik und klassischer Literatur. Kommt gerne mal vorbei uns lasst uns drüber quatschen.

Tschau, Cowabunga, Euer Dom

  • Carmilla – der weibliche Vampir (Klett-Cotta)
    Autor: Sheridan Le Fanu
    144 Seiten, deutsch
    gebunden (20,00 €)

Zuerst veröffentlicht im Jahre 1872, ganze 25 Jahre vor Bram Stokers Dracula, ist Carmilla eine der ersten Vampirerzählungen überhaupt (älter dürften nur „Varney – the Vampire“ [1845] und Polidoris „The Vampyre“ [1816] sein) und hat daher maßgeblich die heutzutage, vertraute Erscheinung eines eleganten viktorianischen Vampirs geprägt.

Die Atmosphäre, die Le Fanu beim Schreiben erschafft lässt sich mit der Stimmung vergleichen,

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Nova

von am 24. März 2025 Kommentare deaktiviert für Nova

  • Samuel R. Delany
    NOVA. Roman.
    Ü: Jakob Schmidt
    (NOVA / 1968)
    Wittenberge, Carcosa, 2024, 307 S.
    ISBN 978-3-910914-28-5 / 24,00 Euro
    Klappenbroschur

Als der gerade einmal zwanzigjährige Samuel R. Delany 1962 mit THE JEWELS OF APTOR seinen ersten Roman vorlegte, konnte noch niemand ahnen, dass damit einer der besten, wichtigsten und umstrittensten Genre-Autoren der USA seinen Hut in den Ring warf. 1968, als mit NOVA bereits sein neunter Roman erschien, war das schon anders: Nach mehreren Nominierungen hatte er mit THE EINSTEIN INTERSECTION (dt. zuletzt als DAS EINSTEIN-VERMÄCHTNIS, ebenfalls bei Carcosa) den Nebula Award gewonnen und schriftstellerisch einen ersten Schaffenshöhepunkt erreicht.

Als der musizierende Nomade Maus an Bord der Roc anheuert, weiß er noch nicht, dass ihn das größte Abenteuer seines Lebens erwartet. Den Lorq Von Ray, der Kapitän, ist ein Pirat und ein Getriebener. Im Wettlauf mit dem roten Prinzen und dessen Schwester Ruby sucht er nach einer Supernova. Das Wissen um diese unerschöpflichen Energiequellen kann Imperien aufbauen oder stürzen und ihr Einsatz kann die Galaxis in ihren Grundfesten erschüttern. Gemeinsam mit einer ebenso wilden wie treuen Crew macht sich die Roc auf den Weg in eine der entlegensten Gegenden des Weltraums – und Kapitän Von Rey ist im Angesicht des Todes bereit noch einen Schritt weiter zu gehen …

NOVA ist zugleich eine Space Opera, ein klassisches Weltraumabenteuer, ein Zeitgemälde, ein frech-ironisches Meisterwerk, das ganz bewusst mit den altbewährten Versatzstücken der Science Fiction spielt und sie um frische, neue Zutaten wie Sex, Slang, Popmusik und Metatext erweitert. Dass es dabei auch um Weiße Wale, Gralssucher und Autoren geht, die ihren Roman mitten im Satz enden lassen, erhöht doch nur den …

Horst Illmer

  • Samuel R. Delany
    NOVA. Roman.
    Ü: Jakob Schmidt
    (NOVA / 1968)
    Wittenberge, Carcosa, 2024, 307 S.
    ISBN 978-3-910914-28-5 / 24,00 Euro
    Klappenbroschur

Als der gerade einmal zwanzigjährige Samuel R. Delany 1962 mit THE JEWELS OF APTOR seinen ersten Roman vorlegte, konnte noch niemand ahnen, dass damit einer der besten, wichtigsten und umstrittensten Genre-Autoren der USA seinen Hut in den Ring warf. 1968, als mit NOVA bereits sein neunter Roman erschien,

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Umlaufbahnen

von am 19. März 2025 Kommentare deaktiviert für Umlaufbahnen

  • Samantha Harvey
    UMLAUFBAHNEN. Roman.
    Ü: Julia Wolf
    (ORBITAL / 2023)
    München, dtv, 2024, 223 S.
    ISBN 978-3-423-28423-3 / 22,00 Euro
    Hardcover

Es passiert ja nicht so oft, dass Science-Fiction-Romane mit einem so renommierten Preis wie dem Booker Prize ausgezeichnet werden. 2024 erhielt ihn die 1975 geborene englische Autorin und studierte Philosophin Samantha Harvey für ihre „Weltraum-Pastorale“ ORBITAL.

Der Roman schildert einen Tag (oder besser gesagt 24 Stunden) im Leben von sechs Astronaut*innen (wozu auch zwei Kosmonauten gehören) an Bord der Internationalen Raumstation in einer nur ein wenig in die Zukunft verschobenen Zeit. Harvey geht dabei ganz dicht an die sechs Persönlichkeiten heran, lässt uns teilhaben an ihren Gedanken, Wünschen, Gefühlen, an den Abläufen und Routinen im All, an den wenigen Glücksmomenten, die zwischen all dem Gewohnten aufblitzen. 16 Mal in 24 Stunden umkreist die Station den Planeten Erde, das sind 16 Sonnenaufgänge, 16 Mal wird es dunkel – was aber nur sieht, wer durch eines der wenigen Sichtfenster hinausschaut. An Bord herrscht eine vorprogrammierte Geschäftigkeit, die durch die Kommandozentrale am Boden vorgegeben und überwacht wird – auch der Funkverkehr bildet einen wichtigen Teil der beschriebenen Kommunikation.

Harveys Buch wirkt vor allem durch die poetische Ruhe mit der sie den Erdumkreisungen (und ihren Protagonist*innen) folgt. Deshalb ist der Titel UMLAUFBAHNEN, den der Deutsche Taschenbuchverlag für die von Julia Wolf wunderschön übersetzte deutsche Ausgabe gewählt hat, auch absolut passend.

Obwohl (oder gerade weil) es in UMLAUFBAHNEN praktisch keinerlei Action gibt und wir nur stille Lauscher an der dünnen Bordwand sind, berührt uns dieses Buch ganz tief im Herzen und bleibt lange im Gedächtnis haften. Ein würdiger Gewinner.

Horst Illmer

  • Samantha Harvey
    UMLAUFBAHNEN. Roman.
    Ü: Julia Wolf
    (ORBITAL / 2023)
    München, dtv, 2024, 223 S.
    ISBN 978-3-423-28423-3 / 22,00 Euro
    Hardcover

Es passiert ja nicht so oft, dass Science-Fiction-Romane mit einem so renommierten Preis wie dem Booker Prize ausgezeichnet werden. 2024 erhielt ihn die 1975 geborene englische Autorin und studierte Philosophin Samantha Harvey für ihre „Weltraum-Pastorale“ ORBITAL.

Der Roman schildert einen Tag (oder besser gesagt 24 Stunden) im Leben von sechs Astronaut*innen (wozu auch zwei Kosmonauten gehören) an Bord der Internationalen Raumstation in einer nur ein wenig in die Zukunft verschobenen Zeit.

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Apeirophobia

von am 10. März 2025 Kommentare deaktiviert für Apeirophobia

  • Christian J. Meier
    APEIROPHOBIA. Roman.
    Berlin, Hirnkost, 2024, 260 S.
    ISBN 978-3-98857-111-3 /
    Hardcover

Bücher, die das Christentum, vor allem in seiner katholischen Ausprägung kritisieren, gibt es viele. Auch Science-Fiction-Romane, die das zukünftige Wirken des Papsttums thematisieren, wurden bereits einige geschrieben. Gleiches gilt für Bücher, die ausgefallene Titel tragen, deren „Entschlüsselung“ nur mit Spezialwissen möglich ist. Nun ist bei Hirnkost der neue Roman von Christian J. Meier erschienen, der beide Aspekte vereint: APEIROPHOBIA.

Der dem Altgriechischen entlehnte Titel APEIROPHOBIA bezieht sich auf eine noch recht wenig erforschte Angststörung: der Furcht vor der Unendlichkeit. Als einer der möglichen Auslöser einer solchen Phobie erweist sich in Meiers Roman die Weltherrschaft des „ewigen Papstes“ Bonifaz X., der offenbar auch in der Lage ist, die Körper Verstorbener wiederzuerwecken. Da ist es fast normal, dass ein solches Schreckensregiment Wiederstand hervorruft, hier in Form der „Neuen Illuminaten“. Zu dieser Untergrundbewegung sucht die ebenso hochintelligente wie vom herrschenden Zeitgeist unterdrückte Micha Kontakt, zum einen, um einer Zwangsverheiratung zu entgehen, zum anderen aber auch, um die Regentschaft der Kirche zu brechen …

Nach Karlheinz Deschner und Carl Amery endlich wieder ein gleichermaßen kritischer, literarisch anspruchsvoller und lesenswerter Text zum Thema.

Horst Illmer

  • Christian J. Meier
    APEIROPHOBIA. Roman.
    Berlin, Hirnkost, 2024, 260 S.
    ISBN 978-3-98857-111-3 /
    Hardcover

Bücher, die das Christentum, vor allem in seiner katholischen Ausprägung kritisieren, gibt es viele. Auch Science-Fiction-Romane, die das zukünftige Wirken des Papsttums thematisieren, wurden bereits einige geschrieben. Gleiches gilt für Bücher, die ausgefallene Titel tragen, deren „Entschlüsselung“ nur mit Spezialwissen möglich ist. Nun ist bei Hirnkost der neue Roman von Christian J. Meier erschienen, der beide Aspekte vereint: APEIROPHOBIA.

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Joanna Russ – Werke 2: Erwachende Welten

von am 3. März 2025 Kommentare deaktiviert für Joanna Russ – Werke 2: Erwachende Welten

  • Joanna Russ
    ERWACHENDE WELTEN. Werke 2.
    Ü: Werner Fuchs, Hiltrud Bontrop, Charlotte Krafft & Hannes Riffel
    Originalzusammenstellung
    Wittenberge, Carcosa, 2024, 392 S.
    ISBN 978-3-910914-24-7 / 26,00 Euro
    Klappenbroschur

Der zweite Sammelband der Joanna Russ-Werkausgabe trägt den unverfänglichen Titel »Erwachende Welten«. Dahinter versteckt sich vor allem das 1970 geschriebene Russ’sche Hauptwerk THE FEMALE MAN, ein feministisches Romanmanifest, das jetzt (nach zwei früheren Versionen) erstmals den korrekten deutschen Titel DER WEIBLICHE MANN trägt.

Der Stil ist experimentell und wirkt gleichzeitig hochemotional, expressiv und engagiert. Geschildert wird das Zusammentreffen von vier Frauen, deren Namen alle mit »J« beginnen (Joanna, Jael, Jeannine, Janet). Eine davon, Janet Evason, ist eine Frau vom Planeten Whileaway (der eine männerlose Zukunft der Erde darstellt), die per Zeit- oder Dimensionsportal in unsere Welt gelangt und dort gleichzeitig für ihren Planeten Forschungsarbeit leistet und Kontakt zu Einheimischen und der US-Regierung aufnimmt. Sie lebt bei Jeannine und deren Freundin Laura, mit der sie ein Liebesverhältnis eingeht.

Im weiteren Verlauf kommt aus einer anderen Parallel-Ebene Alice-Jael hinzu, die das Trio in ihre Welt mitnimmt, in der die Geschlechter sich in zwei Blöcke geteilt haben und einander bekriegen. Das Buch veranschaulicht, dass Frauen nicht nur von Männern unterdrückt werden, sondern oftmals dazu neigen, sich selbst gering zu schätzen (die Gründe dafür sind vielfältig). Nur in einer männerlosen Welt wie Whileaway, in der Frauen alle Tätigkeiten ausüben, ist ein Leben ohne Unterdrückung möglich.

Ergänzt wird dieser stark polarisierende Text von zwei Erzählungen, darunter „Als alles anders wurde“ (für die Russ einen Nebula Award bekam), einem Essay und einer Reihe Buchbesprechungen, in denen Russ ihre eigenwillige Poetik darlegt und erläutert. Herausgeberin Jeanne Cortiel fügt in ihrem Nachwort wissenswerte Details hinzu.

Horst Illmer

  • Joanna Russ
    ERWACHENDE WELTEN. Werke 2.
    Ü: Werner Fuchs, Hiltrud Bontrop, Charlotte Krafft & Hannes Riffel
    Originalzusammenstellung
    Wittenberge, Carcosa, 2024, 392 S.
    ISBN 978-3-910914-24-7 / 26,00 Euro
    Klappenbroschur

Der zweite Sammelband der Joanna Russ-Werkausgabe trägt den unverfänglichen Titel »Erwachende Welten«. Dahinter versteckt sich vor allem das 1970 geschriebene Russ’sche Hauptwerk THE FEMALE MAN, ein feministisches Romanmanifest, das jetzt (nach zwei früheren Versionen) erstmals den korrekten deutschen Titel DER WEIBLICHE MANN trägt.

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Twelve of Nights – Das gestohlene Herz

von am 24. Februar 2025 Kommentare deaktiviert für Twelve of Nights – Das gestohlene Herz

  • Nena Tramountani
    TWELVE OF NIGHTS – DAS GESTOHLENE HERZ. Roman.
    München, Piper, 2024, 431 S.
    ISBN 978-3-492-70811-1 / 20,00 Euro
    Hardcover

Die zwölf Raunächte zwischen Weihnachten und den Heiligen Drei Königen sind in ganz Europa Anlass zu mythischen und sagenhaften Geschichten und Bräuchen. Hierzulande sind vor allem die Erzählungen aus dem Alpenraum und aus Nordeuropa bekannt, es gibt jedoch auch in Griechenland und in Südosteuropa eine starke Tradition.

Die Stuttgarter Autorin Nena Tramountani ließ sich von griechischen Legenden über die dämonischen Kalikanzari dazu anregen, diesen Stoff literarisch auszuarbeiten. Entstanden ist ihre Reihe TWELVE OF NIGHTS, deren ersten Band DAS GESTOHLENE HERZ Ende 2024 bei Piper erschienen ist.

Als Daphne vor fünf Jahren, kurz nach der Weihnachtsmesse, die bildhübsche Ioanna kennen lernt, ist es Liebe auf den ersten Blick. Für zwölf Tage erleben die beiden ein kaum fassliches Glück. Doch Ioanna ist nicht nur eine liebende junge Frau, sie hat auch ein tragisches Geheimnis zu hüten. Als die zwölfte Raunacht endet, muss sie Daphne verlassen…

Tramountani erzählt die verwirrende Lovestory zwischen Daphne und Ioanna über einen Zeitraum von fünf Jahren aus Sicht der beiden Protagonistinnen in 54 Kapitel mit einander abwechselnden inneren Monologen und diversen Zeitsprüngen. Dadurch bleibt vieles im Ungewissen und vor allem das (vorläufige) Ende ist mit seinem überraschenden Cliffhanger ein echter Anreiz, sich auf Band Zwei zu freuen.

Und für Freund*innen schöner Bücher bietet das Hardcover mit beidseitig bedrucktem Schutzumschlag, blutrot geprägtem und illustrierten Einband, illustrierten Vorsätzen und farbig illustriertem Buchschnitt einen zusätzlichen Kaufanreiz.

Horst Illmer

  • Nena Tramountani
    TWELVE OF NIGHTS – DAS GESTOHLENE HERZ. Roman.
    München, Piper, 2024, 431 S.
    ISBN 978-3-492-70811-1 / 20,00 Euro
    Hardcover

Die zwölf Raunächte zwischen Weihnachten und den Heiligen Drei Königen sind in ganz Europa Anlass zu mythischen und sagenhaften Geschichten und Bräuchen. Hierzulande sind vor allem die Erzählungen aus dem Alpenraum und aus Nordeuropa bekannt, es gibt jedoch auch in Griechenland und in Südosteuropa eine starke Tradition.

Die Stuttgarter Autorin Nena Tramountani ließ sich von griechischen Legenden über die dämonischen Kalikanzari dazu anregen,

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Für immer dein Feind

von am 19. Februar 2025 Kommentare deaktiviert für Für immer dein Feind

  • Olivie Blake
    Für immer dein Feind. Roman.
    Ü: Heide Frank & Alexandra Jordan
    (ONE FOR MY ENEMY / 2023)
    Frankfurt, S.Fischer/TOR, 2024, 460 S.
    ISBN 978-3-596-72024-8 / 25,00 Euro
    Hardcover

Der Schritt von einer auf TikTok gefeierten Autorin zur Verfasserin einer weltweit übersetzten Bestseller-Reihe ist immer noch schwer, aber wer ihn wie Olivie Blake mit ihrer ATLAS-Trilogie geschafft hat, darf es auch mal langsam angehen lassen.

Ihr neuer, soeben bei TOR erschienener Roman FÜR IMMER DEIN FEIND ist eine fulminante Neufassung des klassischen „Romeo & Julia“-Dramas in Form einer modischen Romancy.

In einem magischen New York voller Hexen, Magier, Elben und Wiedergänger, von den gewöhnlichen Menschen ganz zu schweigen, streiten die Familienclans der Antonova-Schwestern und der Fedorov-Brüder um die Vorherrschaft über den Handel mit magischen Drogen. Der vor langer Zeit ausgehandelte Frieden ist inzwischen recht brüchig geworden. Da braucht es nur noch eine Kleinigkeit, wie die verbotene Liebe zwischen den beiden jüngsten Ablegern der Familien, um New York zum Schauplatz einer blutigen Fehde zu machen.

Blake beweist mit diesem süffig zu lesenden Einzelroman, dass ihr Erfolg nicht nur auf einem zufälligen Hype beruht, sondern auf ihrem Talent, glaubwürdige Charaktere und pointierte Dialoge zu schreiben. Und durch eine Prise augenzwinkernden Humors entstehen einige überraschende Plot-Twists, an denen auch ein Shakespeare seine Freude gehabt hätte.

Horst Illmer

  • Olivie Blake
    Für immer dein Feind. Roman.
    Ü: Heide Frank & Alexandra Jordan
    (ONE FOR MY ENEMY / 2023)
    Frankfurt, S.Fischer/TOR, 2024, 460 S.
    ISBN 978-3-596-72024-8 / 25,00 Euro
    Hardcover

Der Schritt von einer auf TikTok gefeierten Autorin zur Verfasserin einer weltweit übersetzten Bestseller-Reihe ist immer noch schwer, aber wer ihn wie Olivie Blake mit ihrer ATLAS-Trilogie geschafft hat, darf es auch mal langsam angehen lassen.

Ihr neuer,

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Xianxia oder Wuxia

von am 17. Februar 2025 Kommentare deaktiviert für Xianxia oder Wuxia

  • Amélie Wen Zhao
    Das verbotene Siegel
    Song of Silver 1
    Ars Edition, 2024, 528 Seiten
    ISBN 9783845856896 / 18,00 Euro

Auch im Neuen Jahr geht es wie gewohnt mit Rezis weiter. Diesmal um ein Buch, um dessen Bewertung ich mich eine Weile herumgedrückt habe. Es handelt sich dabei um ein Buch, das mir empfohlen wurde und… das mir tatsächlich auch gut gefallen hat. Obwohl ich wohl eindeutig NICHT zur Zielgruppe gehöre. Ich bin sicher, wenn ich mich zuerst mit dem Drumherum beschäftigt hätte, wäre das Buch niemals auf meinem Lesestapel gelandet. Und das wäre sehr schade. Um dem Buch jetzt nicht die Show zu stehlen, stelle ich die Hintergründe meines Eingangssatzes hinten an.

Das Buch liest sich, wie einer der Wuxia Filme, die seit "Tiger and Dragon" auch bei uns bekannt geworden sind. Wuxia würde ich als chinesische Fantasy bezeichnen. Eigentlich immer mit mythologischen und traditionellen Themen verknüpft: Die übernatürlichen Kräfte der Helden werden nicht durch Magie im Sinne westlicher Fantasy erklärt, sondern durch ein kulturell und mythologisch verwurzeltes System meditativer Studien und Lernprozesse. Kein Studium magischer Kräfte, sondern das Ausbilden und Erlernen von Kräften, die bereits vorhanden sind, aber von normalen Menschen nicht abgerufen werden können. Genau das macht auch die Besonderheit des Magiesystems in der Geschichte der Autorin Amélie Wen Zhao aus. Auch wenn Amélie Wen Zhaos Vita extrem Multikulti wirkt – in Paris geboren, in Peking aufgewachsen und in New York studiert – fließen die chinesischen Wurzeln wunderbar exotisch in diesen Roman ein. Und genau das macht das Buch auch so interessant zu lesen. Nicht alles ist vorhersehbar, manchmal sogar nicht hundert prozentig verständlich. Viele Aspekte bleiben für westliche Leser im rätselhaft mytologischen. Obwohl, oder gerade weil die Übersetzung von Alexandra Ernst wunderbar gelungen ist.

Wie wir es auch aus entsprechenden Filmen kennen, wandert die Handlung zwischen melancholisch athmosphärischen Szenen, humoresken Interaktionen und knüppelharten Kampfszenen. Die beiden Hauptcharaktere Lan und Zen bilden herrliche Kontraste, die immer wieder zum Lachen anregen, auch wenn man gerade noch ein Tränchen im Augenwinkel verdrückt hat. Eine herrliche Mischung aus Tempo, Action und Gefühlen. Und wirklich, die zarte Liebesgeschichte ist absolut stimmig in diesem Genre. Ich habe mich mit beiden Teilen sehr amüsiert, auch wenn mir Band eins fast noch mehr gegeben hat. Da war eben alle noch neu…

und ich wusste noch nicht, dass ich nicht die Zielgruppe bin.

Denn alle Blurbs zu diesem Buch (immerhin 24 Stück) kommen von Menschen mit Vornamen, die ich eindeutig dem weiblichen Geschlecht zuordne. Tja und das wo unser lieber Lokalmatador doch so schnöde der Vorteilnahme bezichtigt wurde, weil auf seinem neuen Roman die Blurbs dreier alter weißer Männer zu finden sind. Seis drum. Ich muss ehrlich sagen, dass mich diese geballte Zahl weiblicher Lobpreisungen wahrscheinlich abgeschreckt hätte, wenn ich das vorher gelesen hätte. Also eben die Ausschließlichkeit. Weil sich dann automatisch die Frage stellt: Kann das Buch überhaupt für mich sein? Tja, das hätte mich um ein echtes Lesevergnügen gebracht. Und dann war ich natürlich im Nachgang doch interessiert und hab mal nach Rezis geschaut. Und sieh einer an. Auch da geballte Frauenpower. Und mehrfach der Begriff Xianxia. Hm hab ich schon gehört, aber eigentlich keine Ahnung. Irgendwie im Zusammenhang mit chinesischer Fantasy. Aber irgendwie speziell. Anders als Wuxia, was mir eben vor allem aus diversen Kinofilmen als chinesische Fantasy bekannt ist. Also hab ich mich da auch mal eben informiert. Zum Glück gibt es auf Wikipedia zu beiden Begriffen recht erhellende Arttikel, die die Genres deutlich abgrenzen. Beide Begriffe beziehen sich auf traditionelle chinesische Hintergründe. Auf Qiging als meditativer Weg des Erlernens oder Kultivierens der eigenen Kräfte und Fähigkeiten. Bei Xianxia steht aber dieses Studium deutlich im Vordergrund. Mit dem Ziel unsterbliche Xian zu werden. Hm. So habe ich den ersten Teil eigentlich nicht gelesen. Aber man kann sich ja mal irren. Übrigens habe ich auch gelesen, dass die Begriffe von uns Europäern eh ständig falsch benutzt werden. Deswegen überlasse ich die Entscheidung einfach jedem selbst.

Lest das Buch. Ich bin sicher, es lohnt sich. Gute Unterhaltung mit exotischen Aspekten und herrlichen Interaktionen. Was es am Ende ist, könnt ihr dann immer noch entscheiden. Aber vielleicht braucht es ja gar keine Schublade. Vielleicht ist es genug, dass ihr euch gut unterhalten konntet.

  • Amélie Wen Zhao
    Das verbotene Siegel
    Song of Silver 1
    Ars Edition, 2024, 528 Seiten
    ISBN 9783845856896 / 18,00 Euro

Auch im Neuen Jahr geht es wie gewohnt mit Rezis weiter. Diesmal um ein Buch, um dessen Bewertung ich mich eine Weile herumgedrückt habe. Es handelt sich dabei um ein Buch, das mir empfohlen wurde und… das mir tatsächlich auch gut gefallen hat. Obwohl ich wohl eindeutig NICHT zur Zielgruppe gehöre.

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Ich fürchte, Ihr habt Drachen

von am 12. Februar 2025 Kommentare deaktiviert für Ich fürchte, Ihr habt Drachen

  • Peter S. Beagle
    ICH FÜRCHTE, IHR HABT DRACHEN. Roman.
    Ü: Oliver Plaschka
    (I’M AFRAID YOU’VE GOT DRAGONS / 2024)
    Stuttgart, Hobbit Presse bei Klett-Cotta, 2024, 304 S.
    ISBN 978-3-608-98828-4 / 24,00 Euro
    Hardcover

Auch in seinem 85. Lebensjahr schreibt der 1939 in New York geborene Peter S. Beagle (der Verfasser des unsterblichen LETZTEN EINHORNS) immer noch die schönste, ergreifendste und humorvollste Fantasy diesseits und jenseits der Grauen Anfurten, der Zauberwälder und der Zwergengebirge. Beweis dafür liefert das aktuell in der Hobbit Presse bei Klett-Cotta erschienene Märchen ICH FÜRCHTE, IHR HABT DRACHEN.

Gleichberechtigte Held*innen der Geschichte sind der leicht desorientierte Prinz Reginald, die zur Vermählung auserkorene Königstochter Cerise und der Drachenjäger Gaius Au­relius Constantine Heliogabalus Thrax, der jedoch Robert gerufen werden möchte. Gemeinsames Ziel der drei ist es, die Drachenplage im Königreich Bellemontagne zu beenden und nach der sich anschließenden Hochzeit lange und glücklich zu leben – was nach vielen, für Beagles Erzählweise typischen, Verwirrungen und Wendungen dann auch gelingt. Nur eben ganz anders als geplant.

Einfach zauberhaft.

Horst Illmer

  • Peter S. Beagle
    ICH FÜRCHTE, IHR HABT DRACHEN. Roman.
    Ü: Oliver Plaschka
    (I’M AFRAID YOU’VE GOT DRAGONS / 2024)
    Stuttgart, Hobbit Presse bei Klett-Cotta, 2024, 304 S.
    ISBN 978-3-608-98828-4 / 24,00 Euro
    Hardcover

Auch in seinem 85. Lebensjahr schreibt der 1939 in New York geborene Peter S. Beagle (der Verfasser des unsterblichen LETZTEN EINHORNS) immer noch die schönste, ergreifendste und humorvollste Fantasy diesseits und jenseits der Grauen Anfurten,

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Die 13 Tode der Lulabelle Rock

von am 3. Februar 2025 1 Kommentar

  • Maud Woolf
    DIE 13 TODE DER LULABELLE ROCK. Roman
    Ü: Ruggero Leo
    (THIRTEEN WAYS TO KILL LULABELLE ROCK / 2023)
    Frankfurt, S.Fischer/TOR, 2024, 334 S.
    ISBN 978-3-596-70931-1 / 20,00 Euro
    Hardcover

Die Filmschauspielerin Lulabelle Rock und ihr Agent haben sich eine tolle Strategie ausgedacht, um das Marketing für ihren neuesten Film anzukurbeln: Eine geklonte Kopie von Lulabelle (die hier als „Porträt“ bezeichnet wird) soll innerhalb einer Woche das Dutzend anderer Porträts töten, das es von Lulabelle bisher schon gibt. „Ein Serienkiller mit nur einem Opfer!“ – so in etwa soll die Schlagzeile lauten.

Das ist es jedenfalls, was die „echte“ Lulabelle Rock ihrem Porträt-Double erzählt, als sie sich das erste Mal sehen. Doch das ist bei weitem nicht die ganze Wahrheit …
Maud Woolf ist eine schottische Schriftstellerin und DIE 13 TODE DER LULABELLE ROCK ist ihr Erstlingsroman. Der liest sich allerdings so, als würde die Autorin ihr ganzes Leben schon nichts anderes machen als filmreife Dialoge und komplexe Charaktere in spannenden Geschichten irre Abenteuer erleben zu lassen.

Die Ich-Erzählerin des Buches wird von der Situation erst einmal überrumpelt. Jemand drückt ihr eine Pistole in die Hand und gibt ihr eine Liste mit den Todeskandidatinnen. Allerdings verhalten sich die anderen Porträts ganz individuell und keineswegs wie doofe Abziehbilder eines durchgeknallten Filmstars. Und mit jedem toten Porträt stirbt auch etwas in Lulabelle 13. Schließlich dämmert ihr, dass es am Ende nur eine Lulabelle geben kann.

DIE 13 TODE DER LULABELLE ROCK entwickelt von Beginn an ein kompliziertes Beziehungsgeflecht zwischen Killer und Opfer, zwischen Star, Agent und Filmstudio, sogar zwischen den Figuren und der Stadt (die hier Bubble City heißt, aber natürlich Hollywood ist).

Sollte Quentin Tarantino dieses Buch zufällig in die Hände bekommen, könnte er wohl kaum widerstehen.

Horst Illmer

  • Maud Woolf
    DIE 13 TODE DER LULABELLE ROCK. Roman
    Ü: Ruggero Leo
    (THIRTEEN WAYS TO KILL LULABELLE ROCK / 2023)
    Frankfurt, S.Fischer/TOR, 2024, 334 S.
    ISBN 978-3-596-70931-1 / 20,00 Euro
    Hardcover

Die Filmschauspielerin Lulabelle Rock und ihr Agent haben sich eine tolle Strategie ausgedacht, um das Marketing für ihren neuesten Film anzukurbeln: Eine geklonte Kopie von Lulabelle (die hier als „Porträt“ bezeichnet wird) soll innerhalb einer Woche das Dutzend anderer Porträts töten,

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Das Böse vor deiner Tür

von am 27. Januar 2025 Kommentare deaktiviert für Das Böse vor deiner Tür

  • Wulf Dorn & Iver Niklas Schwarz (Hrsg.)
    DAS BÖSE VOR DEINER TÜR. Unheimliche Geschichten.
    München, dtv, 2024, 512 S.
    ISBN 978-3-423-22072-9 / 13,00 Euro
    Kartoniert

Früher, so vor hundert bis zweihundert Jahren, mag das ja noch etwas anderes gewesen sein, wenn von „literarischem“ Horror die Rede war, da gab es durchaus ernstzunehmende europäische, ja sogar deutschsprachige Schriftsteller und Schriftstellerinnen, denen es regelmäßig gelang, ihren Lesern eine Gänsehaut zu verpassen. Erinnert sei hier nur an Gustav Meyrink, Hanns Heinz Ewers, Villiers de l’Isle-Adam oder E.T.A. Hoffmann. Aber inzwischen kommt die Horrorgeschichte doch durchweg als Übersetzung aus dem Anglo-amerikanischen daher. E. A. Poe, H. P. Lovecraft und Stephen King haben da ganze Arbeit geleistet.

Das zu ändern haben sich Wulf Dorn und Iver Niklas Schwarz vorgenommen, die als Herausgeber sechzehn „unheimliche Geschichten“ von ebenso vielen Autoren und Autorinnen versammelten, deren Heimat der deutschsprachige Raum im Herzen Europas ist. Erschienen ist der 500-Seiten-Band mit dem Titel DAS BÖSE VOR DEINER TÜR als Paperback bei dtv und die altbekannte Tatsache, dass „das Böse immer und überall lauert“ wird hier auf erfreulich erschreckende und verstörende Weise bestätigt.

Die Schauplätze reichen vom Wattenmeer bis zu den Alpen und von Köln bis nach Dresden, die arglistigen und bösen Hexen, Geister und Dämonen treiben ihr Unwesen im Wald, in der Großstadt, auf dem kargen Land, in Dörfern und in einsamen Herbergen – und immer wieder auch einfach bei uns zu Hause. Geschrieben haben die Stories u. a. Andreas Eschbach, Vincent Voss, Kai Meyer, Markus Heitz, Nina Blazon und Tom Finn und wer bereit ist, sich auf das geänderte Setting und die anders geartete Erzähltradition einzulassen, wird erfreut feststellen, dass es die gute alte mitteleuropäische Spukgeschichte immer noch gibt – inzwischen als moderne, spannende, unterhaltsame und packende Horror-Story.

Horst Illmer

  • Wulf Dorn & Iver Niklas Schwarz (Hrsg.)
    DAS BÖSE VOR DEINER TÜR. Unheimliche Geschichten.
    München, dtv, 2024, 512 S.
    ISBN 978-3-423-22072-9 / 13,00 Euro
    Kartoniert

Früher, so vor hundert bis zweihundert Jahren, mag das ja noch etwas anderes gewesen sein, wenn von „literarischem“ Horror die Rede war, da gab es durchaus ernstzunehmende europäische, ja sogar deutschsprachige Schriftsteller und Schriftstellerinnen, denen es regelmäßig gelang, ihren Lesern eine Gänsehaut zu verpassen. Erinnert sei hier nur an Gustav Meyrink,

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Die Prinzessinnen – Hoheitliches Gemetzel

von am 15. Januar 2025 Kommentare deaktiviert für Die Prinzessinnen – Hoheitliches Gemetzel

  • Christian Endres
    Die Prinzessinnen 3 – Hoheitliches Gemetzel
    Cross Cult 2024 Paperback 19.00 €
    ISBN 9783986666606

Über wenige Bücher habe ich öfter gesprochen und wenige Bücher habe ich häufiger empfohlen, als "Die Prinzessinnen" von Christian Endres. Im gerade vergangenen Weihnachtsgeschäft sind sie immer wieder, von unterschiedlichen Leuten, in den Podcasts erwähnt worden und es gibt auch zu diesem dritten Band eine Folge mit dem Autor. Geschrieben habe ich allerdings noch nichts dazu. Sträflich – aber es kann ja auch nicht schaden, jetzt, mit etwas Verspätung, noch einmal daran zu erinnern.

Mit diesem dritten Band schlägt der Autor erneut andere Töne an. Die Mädels werden diesmal deutlich persönlicher und differenzierter betrachtet. Christian Endres hat es erneut geschafft, mich zu überraschen. Positiv.

Der dritte Band, "Hoheitliches Gemetzel", beginnt als eine Art brutaler Krimi. Die Hatz auf einen Serienmörder wäre ansich schon ein Auftrag für die Söldnerinnentruppe. Dass die Opfer Abkömmlinge von Herrschern und Thronfolgerinnen sind, macht die Sache persönlich. Aber das Prinzessinnen-übliche Gemetzel von Monstern aus Bestiarien oder in Menschengestalt, ist noch lange nicht das Ende. Gerade die Wendung zu etwas ganz anderem hat mich den dritten Band ganz besdonders schätzen lassen.

Natürlich sind die Abenteuer der Truppe allesamt klassischen Vorbildern nachempfunden. Das grundsätzliche Setting ist und war von Anfang an gespickt mit Anspielungen und Reminiszenzen an die Welten und Helden großer Autoren. Aber eben mit ganz besonderen Twists und Überraschungen. Schwarzer Humor, erfrischend witzige Protagonistinnen und auch Protagonisten, düstere und abgründige Welten, all das vereint sich zu einer herllich unterhaltsamen Mixtur.

Und jetzt, nach diesem dritten Band, der gleichzeitig ein schöner Abschluss sein könnte und im Gegenzug noch einmal mehr Lust auf eine potentielle Fortsetzung der Serie macht, bin ich sicher, Christian Endres würde uns in jedem Fall wieder überraschen. Hoheitliches Kompliment.

  • Christian Endres
    Die Prinzessinnen 3 – Hoheitliches Gemetzel
    Cross Cult 2024 Paperback 19.00 €
    ISBN 9783986666606

Über wenige Bücher habe ich öfter gesprochen und wenige Bücher habe ich häufiger empfohlen, als "Die Prinzessinnen" von Christian Endres. Im gerade vergangenen Weihnachtsgeschäft sind sie immer wieder, von unterschiedlichen Leuten, in den Podcasts erwähnt worden und es gibt auch zu diesem dritten Band eine Folge mit dem Autor. Geschrieben habe ich allerdings noch nichts dazu.

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Edward Gorey – Großmeister des Kuriosen

von am 13. Januar 2025 Kommentare deaktiviert für Edward Gorey – Großmeister des Kuriosen

  • Walter Moers (Hrsg.)
    EDWARD GOREY – GROSSMEISTER DES KURIOSEN.
    Vorgestellt und mit Übersetzungen von Walter Moers
    Ü: Walter Moers u.a.; Ill: Edward Gorey u.a.
    Originalausgabe
    Berlin, Aufbau Verlag, 2024, 432 Seiten
    Die Andere Bibliothek – Sonderband 2
    ISBN 978-3-8477-0485-0

Auf den ersten Blick scheint es eine weitere gelungene Erfindung von Walter Moers zu sein, ein literarischer Taschenspielertrick wie die Erschaffung des Zamonien-Kontinents oder die Übersetzungsarbeit für Hildegunst von Mythenmetz, aber es gab Edward Gorey wirklich – und ein Großteil seiner Arbeiten sehen aus, als ob sie direkten Einfluss auf Moers eigenes Schaffen gehabt haben könnten.

Langer Rede kurzer Sinn: Der Band EDWARD GOREY – GROSS­MEISTER DES KURIOSEN, „vorgestellt und mit Übersetzungen von Walter Moers“, erschienen als zweiter Sonderband in der Reihe Die Andere Bibliothek im Aufbau Verlag, gehört nicht nur in jede Bibliothek, die sich dem guten illustrierten Künstler­buch widmet, sondern auch in die Regale alle Moers-Fans.

Geboren wurde Edward Gorey am 22. 2. 1925 in Chicago, gestorben ist er am 15. 4. 2000 in Cape Cod, und in den Jahren dazwischen schuf er etwa zehntausend Zeichnungen, schrieb über einhundert Bücher, arbeitete jahrzehntelang als Umschlaggestalter für Buchverlage und Zeitschriften, gestaltete Kostüme und Bühnenbilder fürs Theater und lebte ein Künstler-Leben wie es im Buche steht – und zwar in diesem.

Walter Moers stellt seine nicht eben geringen Fähigkeiten in diesem Band vollständig in den Dienst des großen Vorläufers: er übersetzte sieben von Goreys Büchern, kommentiert die Kapitel, die sich mit Goreys Cover-Bildern, seinen Stoff-Figuren-Handarbeiten, der Liebe zum Ballett und der anhaltenden Faszination für Mord und Totschlag beschäftigen. Neben Interviews erhellen ein von Moers verfasstes ABC-Darium und viele Fotos und Abbildungen von Goreys Zeichnungen Leben und Werk dieses ganz besonderen Menschen, der letztendlich im „Elephant House“ auf Cape Cod, Massachusetts, seine symbiotische Behausung fand und dort gemeinsam mit vielen Katzen, Büchern und Schmuck bis an sein Ende lebte.

Nachdem Gorey in den 1970er Jahren im Diogenes Verlag eine Heimat gefunden hatte, verblasste sein Ruhm hierzulande recht schnell wieder. In den letzten Jahrzehnten wurde er zum Geheimtipp unter Kennern außergewöhnlicher Illustra­tionskunst. Mit EDWARD GOREY – GROSSMEISTER DES KURIOSEN könnte Moers eine Gorey-Renaissance angestoßen haben. Das großformatige, hervorragend ausgestattete Werk bietet jedenfalls alles, was es dafür braucht – inklusive einer exklusiven Druckgrafik-Beilage („eine Original-Edward-Gorey-Fälschung von Walter Moers“) in der ersten Auflage!

Horst Illmer

  • Walter Moers (Hrsg.)
    EDWARD GOREY – GROSSMEISTER DES KURIOSEN.
    Vorgestellt und mit Übersetzungen von Walter Moers
    Ü: Walter Moers u.a.; Ill: Edward Gorey u.a.
    Originalausgabe
    Berlin, Aufbau Verlag, 2024, 432 Seiten
    Die Andere Bibliothek – Sonderband 2
    ISBN 978-3-8477-0485-0

Auf den ersten Blick scheint es eine weitere gelungene Erfindung von Walter Moers zu sein, ein literarischer Taschenspielertrick wie die Erschaffung des Zamonien-Kontinents oder die Übersetzungsarbeit für Hildegunst von Mythenmetz,

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Die Geißel des Himmels

von am 6. Januar 2025 Kommentare deaktiviert für Die Geißel des Himmels

  • Ursula K. Le Guin
    DIE GEISSEL DES HIMMELS. Roman.
    Ü: Joachim Körber
    (Originaltitel: The Lathe of Heaven / 1971)
    Wittenberge, Carcosa, 2024, 225 S.
    ISBN 978-3-910914-26-1 / 22,00 Euro
    Klappenbroschur

Nachdem Ursula K. Le Guins frühe Science-Fiction-Werke auf fernen Welten und weit in der Zukunft spielten, kehrte sie mit dem 1971 erschienenen Roman DIE GEISSEL DES HIMMELS auf die Erde zurück, genauer: nach Portland, Oregon, in ihre Heimatstadt. Handlungszeitraum ist die nahe Zukunft des frühen 21. Jahrhunderts – und die Erde ist in keinem besonders guten Zustand. Klima und politische Realität haben sich dramatisch verschlechtert. Terrorismus und Seuchen, Naturkatastrophen und Überbevölkerung beherrschen das Bild.
Inmitten dieses kaleidoskopischen Panoramas befindet sich George Orr, ein völlig »durchschnittlicher« Mann. Und zugleich der außergewöhnlichste Mensch des Planeten.
Denn wenn George Orr träumt, werden einige seiner Träume „wahr“, das heißt sie verändern die „Realität“. Da sich allerdings nur er selbst an die Welt vor diesen Änderungen erinnern kann, steht er seit Jahren am Rande des Wahnsinns. Nur seine seelische Integrität und Ausgewogenheit bewahren ihn vor dem Abgleiten in Wahnvorstellungen oder Allmachtsphantasien.
Dennoch benötigt er Hilfe, jemanden, mit dem er reden, dem er seine Geschichte ohne Vorbehalte erzählen kann. Der Zufall führt ihn zu Dr. William Haber, einem Psychologen mit dem Spezialgebiet Traumforschung. Nach anfänglichen Zweifeln erlebt Haber jedoch selbst, was Orrs Träume bewirken können. Und der gute Doktor fasst einen Plan: Er will mit Orrs Hilfe eine schöne, neue Welt erschaffen.
Trotz Orrs dringlichster Bitte, mit den Versuchen aufzuhören, und obwohl die Veränderungen meist nicht zum Besseren gelingen, macht Haber weiter – besessen von der Gier nach Macht. Verzweifelt versucht Orr, von Haber loszukommen, doch selbst mit Hilfe von Heather Lelache, einer farbigen Rechtsanwältin, gelingt ihm dies nicht. In der Nacht als Heather und er ein Liebespaar werden, gerät das Traumgeschehen außer Kontrolle und außerirdische Invasoren landen in Portland. Unterdessen erlangt Dr. Haber selbst die Fähigkeit, Träume real werden zu lassen – mit geradezu bestürzenden Ergebnissen …

Der Roman ist von einer tiefen Emotionalität durchdrungen, die beim Lesen intensiv berührt ohne bevormundend zu wirken. Die ethischen Fragen einer absoluten Macht – auch in den Händen des gutwilligsten Menschen – werden auf intelligente, mitreißende Weise durchgespielt. Dass letztlich die Lösung durch eine höhere Macht herbeigeführt werden muss, entwickelt sich aus der Argumentationskette als eine logische Folge, ohne jedoch die menschlichen Schwächen zu verdammen. Wir sind noch nicht so weit – und ob wir eines Tages über diesen, unseren schwarzen Schatten zu springen vermögen, steht dahin.
Le Guins Buch lässt jedoch Raum für Hoffnung.
Der bei Carcosa jetzt endlich wieder vorliegende Roman wurde anhand der Fassung letzter Hand nochmals durchgesehen und komplett überarbeitet, sodass dieser immer etwas im Schatten von Le Guins großen Zyklen stehende Klassiker nunmehr seine letztgültige Form gefunden hat. Ein unverzichtbares Meisterwerk der Science Fiction und ganz große Literatur!

Horst Illmer

  • Ursula K. Le Guin
    DIE GEISSEL DES HIMMELS. Roman.
    Ü: Joachim Körber
    (Originaltitel: The Lathe of Heaven / 1971)
    Wittenberge, Carcosa, 2024, 225 S.
    ISBN 978-3-910914-26-1 / 22,00 Euro
    Klappenbroschur

Nachdem Ursula K. Le Guins frühe Science-Fiction-Werke auf fernen Welten und weit in der Zukunft spielten, kehrte sie mit dem 1971 erschienenen Roman DIE GEISSEL DES HIMMELS auf die Erde zurück, genauer: nach Portland, Oregon, in ihre Heimatstadt.

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Adventskalender 2024 T-12: Tuzub 37

von am 12. Dezember 2024 Kommentare deaktiviert für Adventskalender 2024 T-12: Tuzub 37

  • Paul Gurk
    TUZUB 37.
    DER MYTHOS VON DER GRAUEN MENSCHHEIT ODER VON DER ZAHL 1.
    Vorwort: Horst Illmer, Nachwort: Emil Fadel
    Berlin, Hirnkost, 2024, 265 S.
    Wiederentdeckte Schätze der deutschsprachigen Science Fiction, Band VII
    ISBN 978-3-98857048-2 / 32,00 Euro
    Hardcover

Mit TUZUB 37 – DER MYTHOS VON DER GRAUEN MENSCHHEIT ODER VON DER ZAHL 1 schrieb Paul Gurk (26. April 1880, Frankfurt/Oder – 12. August 1953, Berlin) eine in die fernste Zukunft reichende Chronik über die weitere Entwicklung des Menschengeschlechts, wie es sie in der Science Fiction sonst nur noch bei Olaf Stapledon in dessen philosophischem Hauptwerk DIE LETZTEN UND DIE ERSTEN MENSCHEN gibt. Während sich bei Stapledon jedoch die Menschen über die Galaxis ausbreiten, bleibt Gurks Menschheit auf der Erde – schließlich gibt es auch hier genug zu tun. Denn das Bestreben der künftigen Menschen ist es, alles zu vereinheitlichen. Das Ideal ist die Zahl 1 und der Weg dorthin geht über die Zerstörung von allem was „Natur“ ist – seien es Tiere, Pflanzen, Berge oder Meere. Auch die Menschen selbst sollen sich ändern, sollen einander „gleich“ werden, im ultimativen Versuch, damit eine gleichförmige Unsterblichkeit zu erreichen.
Diese Gleichheit Aller erreicht die „Graue Menschheit“ (die sich selbst so nennt) durch gezielte Genmanipulation ebenso wie eine ständig verbesserte Transplantations- und Prothesentechnik. Als Ideal wird eine Art Roboter oder Cyborg angestrebt, der Nahrung bzw. Energie ebenso wenig braucht wie Schlaf oder Ruhepausen.
In die Beschreibung dieser mit unerbittlicher Logik durchgeführten Vernichtungsarbeit schiebt der Autor immer wieder Kapitel mit fast märchenhaft anmutenden Passagen, in denen die Natur agiert. Hier unterhalten sich Meer und Wind, eine Quelle übersetzt die Menschensprache für die letzten Tiere und Pflanzen, die Dämonen von Hagel, Schnee und Unwetter erscheinen personifiziert. Die Berge sind – fast naiv – als Riesen dargestellt, die erst aus ihrem Schlaf hochschrecken, als es zu spät ist.
Alle diese Naturereignisse, Sinnbilder einer gesunden Ökologie, füllt Gurk mit Leben und Charakter. Hier ist seine Sprache, sein Stil poetisch, melodisch, farbig, ja manchmal melodramatisch. Ganz im Gegensatz dazu steht sein Stil bei der Beschreibung der „Grauen“: kurze, harte Sätze, Wiederholungen, eine jeglichen Ausdruck vermissen lassende Sprache, funktionell und farblos, kennzeichnen diese Abschnitte. Hier tritt Gurks Erfahrung als Verfasser expressionistischer Theaterstücke und Gedichte klar hervor. Vor allem durch diesen Stil unterscheidet sich TUZUB 37 von praktisch allen anderen damaligen und heutigen Zukunftsentwürfen.

Womit wir beim vorliegenden, eindrucksvoll-massiven Hardcover wären. Hier zeigt sich, wie toll es ist, wenn kluge Köpfe und engagierte Menschen zusammenarbeiten und einen Text die ihm gemäße Ehre erweisen. Neben einem Vorwort finden geneigte Lesende natürlich den hervorragend lektorierten Romantext von TUZUB 37 sowie zwei phantastische Erzählungen Gurks aus dessen Geschichtensammlung DIE BUNTEN SCHLEIER und ein begeisterndes Nachwort des Germanisten und Filmwissenschaftlers Emil Fadel, in dem dieser auf eine Vielzahl von Anspielungen, Parallelen und Anknüpfungspunkten zwischen Gurks visionärem Erzählen und der Gegenwarts-Science-Fiction aufmerksam macht.

Fazit: TUZUB 37 – DER MYTHOS VON DER GRAUEN MENSCHHEIT ODER VON DER ZAHL 1 ist für mich der literarisch herausragende Zukunftsentwurf des 20. Jahrhunderts in deutscher Sprache. Diese vollmundige Behauptung muss aber niemand mehr „einfach so“ glauben. Die ab sofort erhältliche Neuedition lädt dazu ein, das selbst zu überprüfen – und einzutauchen in einen Mythos, der aktueller und lebendiger kaum sein könnte.

Horst Illmer

  • Paul Gurk
    TUZUB 37.
    DER MYTHOS VON DER GRAUEN MENSCHHEIT ODER VON DER ZAHL 1.
    Vorwort: Horst Illmer, Nachwort: Emil Fadel
    Berlin, Hirnkost, 2024, 265 S.
    Wiederentdeckte Schätze der deutschsprachigen Science Fiction, Band VII
    ISBN 978-3-98857048-2 / 32,00 Euro
    Hardcover

Mit TUZUB 37 – DER MYTHOS VON DER GRAUEN MENSCHHEIT ODER VON DER ZAHL 1 schrieb Paul Gurk (26. April 1880, Frankfurt/Oder – 12. August 1953, Berlin) eine in die fernste Zukunft reichende Chronik über die weitere Entwicklung des Menschengeschlechts,

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Adventskalender 2024 T-21: Proxi

von am 3. Dezember 2024 Kommentare deaktiviert für Adventskalender 2024 T-21: Proxi

  • Aiki Mira
    PROXI. Eine Endzeit-Utopie.
    Frankfurt, S.Fischer/TOR, 2024, 333 S.
    ISBN 978-3-596-70978-6, 18,00 Euro
    Klappenbroschur

Mit dem neuen Roman PROXI ist Aiki Mira jetzt endlich bei einem großen Publikums-Verlag angekommen, eine Entwicklung, die sich u. a. nach dem mehrfachen Gewinn des Kurd Laßwitz Preises abzeichnete.

Erneut widmet sich Mira den Problemen, die das Zusammenleben von Mensch und von Menschen geschaffener Technik in einer schon sehr nahen Zukunft mit sich bringen werden. Dass dabei die sogenannte „Künstliche Intelligenz“ eine Hauptrolle spielt, ist erwartbar. Allerdings deutet schon der Untertitel, dass es sich hier um eine „Endzeit-Utopie“ handelt, darauf hin, dass Mira gar nicht daran denkt, die derzeitig überwiegende Negativ-Haltung zu perpetuieren.

Ihre Protagonisten sind so divers und spannend wie es von richtigen Persönlichkeiten erwartet werden kann, die geschil­derte Handlung lässt überaus plastisch eine beschädigte Zukunftswelt entstehen, in der sich eine buntgemischte Truppe durchschlagen muss, die, mehr oder weniger freiwillig, auf der Suche nach der überdimensionalen „Sicherheitskopie“ einer virtuellen Welt ist. Ob wir am Ende dieser Reise ein utopisches oder ein abschreckendes Ergebnis vorfinden, liegt dann jedoch im Ermessen jedes Lesenden …

Miras Innovationsfreude, Stilsicherheit und erzählerische Kraft entwickeln sich von Text zu Text weiter, und so kann PROXI zugleich als bisheriger Schaffens-Höhepunkt und als Sprungbrett für weitere große Science-Fiction-Literatur angesehen werden.

Horst Illmer

  • Aiki Mira
    PROXI. Eine Endzeit-Utopie.
    Frankfurt, S.Fischer/TOR, 2024, 333 S.
    ISBN 978-3-596-70978-6, 18,00 Euro
    Klappenbroschur

Mit dem neuen Roman PROXI ist Aiki Mira jetzt endlich bei einem großen Publikums-Verlag angekommen, eine Entwicklung, die sich u. a. nach dem mehrfachen Gewinn des Kurd Laßwitz Preises abzeichnete.

Erneut widmet sich Mira den Problemen, die das Zusammenleben von Mensch und von Menschen geschaffener Technik in einer schon sehr nahen Zukunft mit sich bringen werden.

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Adventskalender 2024 T-23: Jagannath

von am 1. Dezember 2024 2 Kommentare

  • Karin Tidbeck
    JAGANNATH. Erzählungen.
    Ü: Hannes Riffel, Nachwort: Karin Tidbeck
    (JAGANNATH / 2012)
    Wittenberge, Carcosa, 2024, 219 S.
    ISBN 978-3-910914-22-3 / 18,00 Euro
    Hardcover

Das Herbstprogramm von Carcosa ist mit dem hübschen Hardcoverbändchen JAGANNATH, einer Kurzgeschichtensammlung von Karin Tidbeck, gestartet.

Tidbeck, 1977 in Stockholm geboren und heute in Malmö lebend, schreibt auf Schwedisch und Englisch, besuchte einen der berühmten Clarion Science-Fiction-Writers Workshops, erhielt 2013 den William L. Crawford Fantasy Award als beste Nachwuchskünstler*in und beeindruckte mit ihren Texten u. a. Ursula K. Le Guin, was sicherlich einer der Gründe war, warum JAGANNATH nun von Hannes Riffel übersetzt auf Deutsch erhältlich ist.

Ein weiterer – und sehr guter – Grund sind die Erzählungen selbst. Obwohl viele der Stories in den USA in Magazinen veröffentlicht wurden (z. B. in WEIRD TALES), lesen sie sich eher wie europäische Märchen oder phantastische Geschichten aus Schweden und weniger wie typisch angloamerikanische Science Fiction oder Fantasy. Tidbeck schreibt eindeutig in der Tradition Hans Christian Andersens, Franz Kafkas oder Hanns Heinz Ewers’. Vor allem dessen Grotesken aus dem frühen 20. Jahrhundert kamen mir in den Sinn, als ich von sich selbst verzehrenden Tanten und Nichten las, von Menschen, die sich in Maschinen verlieben, oder von Beamten, die sich für ihre Behörden buchstäblich „aufarbeiten“.

Keine einzige dieser Geschichten erfüllt irgendwelche vorgefassten Erwartungen, jede ist einzigartig und sensationell innovativ. 13 Stories auf 217 Seiten – es gibt viel zu entdecken auf dem Planeten Tidbeck.

Horst Illmer

  • Karin Tidbeck
    JAGANNATH. Erzählungen.
    Ü: Hannes Riffel, Nachwort: Karin Tidbeck
    (JAGANNATH / 2012)
    Wittenberge, Carcosa, 2024, 219 S.
    ISBN 978-3-910914-22-3 / 18,00 Euro
    Hardcover

Das Herbstprogramm von Carcosa ist mit dem hübschen Hardcoverbändchen JAGANNATH, einer Kurzgeschichtensammlung von Karin Tidbeck, gestartet.

Tidbeck, 1977 in Stockholm geboren und heute in Malmö lebend, schreibt auf Schwedisch und Englisch, besuchte einen der berühmten Clarion Science-Fiction-Writers Workshops, erhielt 2013 den William L.

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Parts Per Million – Gewalt ist eine Option

von am 20. November 2024 Kommentare deaktiviert für Parts Per Million – Gewalt ist eine Option

  • Theresa Hannig
    PARTS PER MILLION – GEWALT IST EINE OPTION. Roman.
    Frankfurt, S. Fischer/TOR, 2024, 368 S.
    ISBN 978-3-596-70891-8 / 18,00 Euro
    Klappenbroschur

Es gibt Geschichten, die müssen einfach immer wieder erzählt werden. Manchmal nur deswegen, weil das Thema unausschöpflich ist wie Liebe, Leben oder Tod, aber es gibt auch brennend Aktuelles, dringlich Aufblitzendes, sich unbarmherzig Aufdrängendes, das in eine literarische Form gebracht werden will.

Dazu gehört momentan (und ob wir ihn jemals wieder loswerden, ist mehr als fraglich) der Klimawandel. In den letzten Jahren sind hierzu bereits, neben ungezählten Sachtexten, auch einige Science-Fiction-Romane erschienen – als deren wichtigster und prominentester Kim Stanley Robinsons DAS MINISTERIUM FÜR DIE ZUKUNFT aus dem Jahr 2020 gilt.

An einen der vielen Lösungsansätze in Robinsons Buch knüpft nun der aktuelle Roman PARTS PER MILLION – GEWALT IST EINE OPTION von Theresa Hannig an, und der zweite Teil des Titels lässt unschwer erkennen, in welche Richtung es dabei geht.

Zuerst ist die erfolgreiche Buchautorin Johanna Stromann nur Beobachterin. Doch nachdem sie bei den Recherchen zu ihrem neuen Projekt etwas tiefer in die Materie eintaucht, fällt es ihr immer schwerer, diesen passiven Status beizubehalten. Denn Klimaaktivismus polarisiert, vor allem in Deutschland, und eine neutrale Meinung dazu wird von beiden Seiten nicht akzeptiert. Johanna erlebt deshalb auch bald am eigenen Leib, wie schnell Argumente verpuffen, wenn von Gegenüber Gewalt ins Spiel gebracht wird.

Nachdem sie sich entschlossen hat, auf Seiten der Aktivisten zu bleiben und von deren Warte aus ihr Buch zu schreiben, verlangt eine sich stetig weiterdrehende (Gewalt-)Spirale immer schmerzlichere Entscheidungen von ihr. Einmal ganz abgesehen davon, dass Johanna zuhause auch noch eine Familie hat, die unter ihrer Hingabe an „die Sache“ in immer größerem Ausmaß zu leiden hat …

Hannig hat sich selbst erkennbar intensiv mit den Themen Klimawandel, Fridays for Future, Naturkatastrophen und Anverwandtem sowie den politischen und gesellschaftlichen Reaktionen darauf beschäftigt. Ihr Buch ist aus einer radikalen Ich-Perspektive geschrieben, zeigt dabei den Weg ihrer Protagonistin in ihrer subjektiven, jedoch niemals unreflektierten Sichtweise und folgt ihr bis zum Ende – ohne dabei zu behaupten, dass Johannas Weg der richtige oder gar der einzige wäre. Stilistisch entwickelt sich die Story rasant voran, es gibt zwar einige Abschnitte, in denen die Aktivisten ihre „Erklärungen“ formulieren, größtenteils wird jedoch darauf gesetzt, dass das Lesepublikum nicht völlig unbeleckt davon ist, was an jedem neuen Tag um es herum passiert.

Insoweit ist PARTS PER MILLION die mitteleuropäische Actionversion von Robinsons MINISTERIUM und damit ein beachtliches Statement einer der engagiertesten deutschsprachigen Autorinnen der Gegenwart.

Horst Illmer

  • Theresa Hannig
    PARTS PER MILLION – GEWALT IST EINE OPTION. Roman.
    Frankfurt, S. Fischer/TOR, 2024, 368 S.
    ISBN 978-3-596-70891-8 / 18,00 Euro
    Klappenbroschur

Es gibt Geschichten, die müssen einfach immer wieder erzählt werden. Manchmal nur deswegen, weil das Thema unausschöpflich ist wie Liebe, Leben oder Tod, aber es gibt auch brennend Aktuelles, dringlich Aufblitzendes, sich unbarmherzig Aufdrängendes, das in eine literarische Form gebracht werden will.

Dazu gehört momentan (und ob wir ihn jemals wieder loswerden,

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Jol Rosenberg: ETOMI

von am 6. November 2024 Kommentare deaktiviert für Jol Rosenberg: ETOMI

  • Jol Rosenberg
    ETOMI. Erwachen. Roman.
    Hamburg, Plan 9, 2023, 399 S.
    ISBN 978-3-948700-83-6 / 20,00 Euro
    Paperback
    &
    ETOMI. Aufbruch. Roman.
    Hamburg, Plan 9, 2024, 411 S.
    ISBN 978-3-948700-84-3 / 20,00 Euro
    Paperback

Irgendwo in Mitteleuropa im 24. Jahrhundert: Unter einer schützenden Kuppel leben die Bewohner von Eos unbeschwert und sorgenfrei. Für alle wird gesorgt, sie können allen ihren Neigungen nachgehen, arbeiten wann und was sie wollen, lieben wann und wen sie wollen – bis die „Große Mutter“, die zentrale KI von Eos, verkündet, dass es Zeit zum „Austritt“ ist.
Die Bewohnerin Lea begleitet ihre Freundin Mari, deren Zeit abgelaufen ist, zu ihrer Erlösungsfeier. Sie wird nun in ihre „finale Form“ gebracht, d.h. sie stirbt. Erst in diesem Moment erkennt Lea, dass sie und Mari gleichaltrig waren – auch für sie wird wohl bald das Ende ihres Daseins erreicht sein.
Doch ganz gegen ihre sonstige Gewohnheit ist Lea nicht bereit, diese Entscheidung der Großen Mutter so einfach hinzunehmen. Sie beschließt zu fliehen – auch wenn sie keine Ahnung hat wohin und ob das überhaupt möglich ist. Dann erfährt sie durch Zufall davon, dass „Etomi“ nicht nur eine Parfummarke ist, sondern „der Ort an dem alles ist, wie es sein sollte“.
Lea ist total überrascht, denn die Welt außerhalb der Kuppelstadt, so wird behauptet, ist menschenleer und unfruchtbar. Das allerdings erweist sich schnell als Lüge. Eos ist von einem Ring aus geschäftigen, dreckigen, lebendigen Vorstädten umgeben, in denen alles produziert wird, was die Stadtmenschen für ihr Leben und ihren Luxus so brauchen. Allerdings ist das Leben in Aranus nicht halb so privilegiert wie in Eos. Dort gibt es nicht nur die Menschen, welche die komplexen Arbeiten verrichten, sondern auch Arbeitsklone mit nur rudimentären Hirnfunktionen, die als billige Sklaven herhalten müssen. Dazu kommen noch Cyborgs, die für Spezialaufgaben gedacht sind und die „Alphas“ in der Verwaltung.
In Aranus lernt Lea erstmals Personen kennen, die nicht wie sie in Eos aufgewachsen sind. Zum Beispiel die kecke und vorlaute Ingenieurin Josa, eine Meisterin im Improvisieren, oder den Schlachthaus-Klon Nori, der ihr das Leben rettet und damit sein Schicksal mit dem ihren verknüpft. Und ganz langsam kristallisiert sich heraus, dass Lea einen Weg beschreitet, den die Große Mutter für sie angelegt hat. Sie soll, gemeinsam mit einem kleinen Team von Freunden, nach Etomi suchen – denn der Araneos-Komplex ist in großer Gefahr und benötigt dringend Hilfe …

Damit haben wir in etwa den groben Rahmen, den Rosenberg für die Erzählung errichtet hat, doch das Eigentliche passiert in der Interaktion zwischen den Handelnden. Rosenberg beschreibt das Leben der Figuren sehr detailfreudig und psychologisch fundiert. Das reicht von den jeweiligen Sinneseindrücken und Gefühlen bis hin zu großartigen Inneren Monologen und glaubwürdigen Gesprächen und Diskussionen zwischen Freunden und Fremden, Geliebten und Feinden. Zudem wird deutlich erkennbar, dass sich die Persönlichkeiten im Lauf der Geschichte verändern, so etwa wenn Lea sich am Anfang noch hauptsächlich darum sorgt, wie ihr äußeres Erscheinungsbild ist, welches Parfum sie auflegen soll und ob sie jetzt eine oder zwei der Euphorie-Pillen einnehmen soll. Dagegen steht dann später eine verunsicherte, gequälte Seele, die sich fragt, ob es richtig war, einige ihrer liebsten Menschen mit in ihren persönlichen Kampf gegen die Große Mutter hineingezogen zu haben.
Weit über diesen Hauptstrang der Erzählung hinaus reicht allerdings die Entwicklung, die der Arbeitsklon Nori nimmt: Von einem unsicher-ängstlichen Geschöpf, das (aus der Sicht der KI und der Menschen, denen es begegnet) offenbar fehlerhaft ist, wächst Nori zu einer wirklichen Persönlichkeit, die durch Beobachtung, Selbstbefragung und steter Neugier zur Erkenntnis ihrer selbst gelangt und die letztlich ihre eigenen Entscheidungen fällt.

Natürlich (das Private ist immer auch das Politische) geht es in ETOMI auch um das große Ganze: Es gibt das gesichtslose Großkapital, normale Technikerinnen und Arbeiter, die stolz auf das von ihnen Geleistete sind, geklonte Arbeitssklaven ohne freien Willen, Cyborgs, die mit ihrer Programmierung kämpfen, bis es ihnen gelingt sie umzuschreiben, Künstliche Intelligenzen unterschiedlicher Stärke, die jedoch allesamt von ihrer Gottähnlichkeit überzeugt sind – und es gibt „System 5“, eine Guerilla-Gruppe von Außenseitern, die versuchen, eine Gleichstellung von Menschen, Klonen, Cybern, KIs und Tieren zu erreichen.

Im Laufe der insgesamt 800 Seiten entwickelt sich vor dem Auge der Leser*innen eine hervorragend konstruierte, spannend erzählte und perfekt getimte Geschichte, in der sich vieles als Camouflage herausstellt, jede Motivation mehrfach hinterfragt werden muss – und Lea, Josa und Nori am Ende Ziele erreicht haben, die weit von dem entfernt sind, was für sie vorgesehen war oder sie selbst sich vorstellen konnten.

Jol Rosenberg hat mit ETOMI eine moderne, „uneindeutige“ Utopie im Sinne Ursula K. Le Guins geschrieben. Einen Weltentwurf, in dem nur wenig vorbestimmt ist – und fast alles möglich. Das Setting und die Handlung haben den Anschein einer eher dystopischen Wirklichkeit, aber die Figuren haben, allen fremdbestimmten Plänen zum Trotz, die Möglichkeit, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen. Und je weiter sie vom Plan abweichen, desto erfolgreicher erfüllen sie ihn. Diese Zwiespältigkeit zieht sich wie ein roter Faden durch Rosenbergs Doppel-Roman und macht ETOMI zu einem der wichtigsten und lesenswertesten Bücher der letzten Jahre. Denn der Weg ist das Ziel …

Horst Illmer

  • Jol Rosenberg
    ETOMI. Erwachen. Roman.
    Hamburg, Plan 9, 2023, 399 S.
    ISBN 978-3-948700-83-6 / 20,00 Euro
    Paperback
    &
    ETOMI. Aufbruch. Roman.
    Hamburg, Plan 9, 2024, 411 S.
    ISBN 978-3-948700-84-3 / 20,00 Euro
    Paperback

Irgendwo in Mitteleuropa im 24. Jahrhundert: Unter einer schützenden Kuppel leben die Bewohner von Eos unbeschwert und sorgenfrei. Für alle wird gesorgt, sie können allen ihren Neigungen nachgehen, arbeiten wann und was sie wollen,

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